UMGEBUNGSENTDECKER
REISEEINDRÜCKE FÜR KUNST- UND GESCHICHTSINTERESSIERTE
Barock in der Donauregion
Nichts liegt näher, als von Regensburg eine Landpartie in die Umgebung und an die Donau zu machen, z.B. zum Kloster Weltenburg zu einem der Hauptwerke der Brüder Asam, danach in die kleinen barocken Residenzstädte Neuburg an der Donau mit seiner beeindruckenden Gemäldegalerie und nach Eichstätt an der Altmühl. Bei der Rückfahrt nach Regensburg lohnt noch einen Abstecher nach Rohr in Niederbayern zur Benediktinerabtei, wieder auf den Spuren der Brüder Asam.
Donaudurchbruch bei Kehlheim mit Blick auf die Befreiungshalle
Von Regensburg geht es nach Kehlheim, dort wo Donau-Ausflugsschiffe direkt zum Kloster Weltenburg ablegen.
Oberhalb von Kehlheim auf dem Michaelsberg steht die Befreiungshalle von 1863, eine an die Befreiungskriege gegen Napoleon erinnernde, von 1813 bis 1815 errichtete Gedenkstätte, die zugleich an die deutsche Einheit mahnen sollte. Das Monument wurde von König Ludwig I. in Auftrag gegeben und von den beiden bayrischen Architekten Friedrich von Gärtner und Leo von Klenze ausgeführt. Zwar hatte die napoleonische Zeit nicht viel mit der eigentlichen Intention meiner Exkursion, dem Entdecken barocker Kleinode, zu tun, aber da ich gerade aus Regensburg kam, wo ich den Ort sah, an dem die Politik des Alten Reichs gemacht wurde, als es von Napoleon zerlegt wurde, passt dieses Monument irgendwie auch zu Regensburg und an die schöne Donau.
Donaudurchbruch bei Kehlheim
Auf dem Ausflugsschiff geht es vorbei an hohen Kalksteinfelsen mit phantasiereichen Namen wie "Drei feindliche Brüder, "Räuberfelsen" oder "Versteinerte Jungfrau", die hier am Donaudurchbruch im Naturschutzgebiet Weltenburger Enge senkrecht aus dem Fluss ragen. Das Schiff kreuzt gemächlich durch die Windungen der Donau, man sitzt an Deck und lauscht den Erläuterungen der Besatzung, während Felsvorsprünge den Ausblick auf den Flusslauf verbergen, so dass sich hinter jeder Windung eine überraschende neue Ansicht auftut.
Kloster Weltenburg
Plötzlich erscheint das Kloster Weltenburg hinter einer Windung - ein malerischer Anblick: Der Donaudurchbruch mit seinen steilen Felswänden, die Donau-Schlinge, das Gebäudeensemble, das sich harmonisch in diese Szenerie einfügt.
Ungewöhnlich ist die Lage der Abtei direkt am Donauufer in einer Flusswindung mit Kieselstrand. Tritt die Donau stark über die Ufer, steht das Kloster mit seinen Sockeln im Fluss, was über die Jahrhunderte immer wieder passierte, aber erstaunlicherweise seltener, als es auf den ersten Blick vermuten lässt.
Benediktinerkloster Weltenburg an der Donau
Archäologische Funde belegen an diesem Ort eine römische Besiedlung ab 45 n. Chr. Seit dem 7. Jahrhhundert ist die Gegend christlich geprägt. Die Gründung des Klosters ist nicht genau datierbar, daher kann man nicht mit Bestimmtheit sagen, dass Weltenburg das älteste Kloster Bayerns ist.
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Heute ist das Kloster kunstgeschichtlich interessant. Sämtliche Wirtschaftsgebäude (1714-1716), Konventgebäude und die Klosterkirche St. Georg (1716-1718) entstanden in der Barockzeit. Die Kirche, ein Hauptwerk der Brüder Asam, ist ein barockes Gesamtkunstwerk und entspricht ganz dem Geist ihrer Epoche, in der alle bildenden Künste miteinander
verschmolzen.
Außerdem lockt die älteste Klosterbrauerei der Welt, seit 1050 wird in Weltenburg Bier gebraut.
Gegenüber der Kirche auf der Westseite des Innenhofs: der Biergarten des Klosters
Der Innenhof des Klosters lockt mit einem gemütlichen Biergarten. Alte Kastanien- und Lindenbäumen, die umgebenden Konventsgebäuden und die Kirche bilden ein schönes Ensemble.
Im Innenhof des Klosters: auf der Ostseite die Abteikirche St. Georg
Beim Betreten gelangt man in die ovale Vorhalle, die im Jahr 1751 als letzter Teil der Kirche von dem Bildhauer Franz Anton Neu nach Plänen der Brüder Asam gestaltet wurde. 1751 ist für Barock schon relativ spät, so man hier ansatzweise Züge des Rokoko (1730-1780) erkennen kann.
Deckengestaltung der Vorhalle, Stiftskirche St. Georg, Weltenburg
Die feingliedrige Ornamentik des Stucks, die fast an dreidimensionale Grotesken erinnert, ist ein Merkmal für das Rokoko. Der Stil wurde in Bayern - im Gegensatz zu Frankreich - nicht nur im Profanbau, sondern auch im Sakralbau verwendet.
Das Deckengemälde mit einer Darstellung des Jüngsten Gerichts wurde 1745 von Franz Asam, dem Sohn von Cosmas Damian ausgeführt. Auch in den vier Kartuschen wird das Thema des Jüngsten Gerichts aufgegriffen: der Tod, das Gericht sowie Himmel und Hölle.
Blick in den Hauptraum der Kirche auf den Hochaltar
Der Blick von der Vorhalle in den Hauptraum lässt Imposantes erahnen und zieht den Besucher erwartungsvoll hinein. Beim Betreten beeindruckt die überbordende Gesamtwirkung des Barocks. Erst auf den zweiten Blick erkennt man die Ordnung des ovalen Raums mit seinen Nischen, Säulen und Simsen.
Vertikal gegliedert werden die Wände von Säulen und Pilastern aus rotbraunem Weltenburger Marmor, dazwischen liegen jeweils eine Wandöffnung, vier kleine Nischen mit Nebenaltären, zwei größere mit einem Beichtstuhl sowie zwei Durchgänge, dem zur Vorhalle und dem zur Apsis. Horizontal werden die Wände von einem umlaufenden, blaugrauen Sims abgegrenzt. Darüber beginnt die Kuppel mit vergoldeten Stuckreliefs jeweils über den vier großen Wandöffnungen, über den kleinen Nischen grüne, rapportartige Ornamente.
Ein harmonischer Farbklang, der von dunkleren Farbtönen in der Wandregion über leuchtendes Gold-Weiß in der Kuppel zu strahlender Helligkeit in der Kuppel führt, lenkt den Blick nach oben. Dort gibt eine große ovale Öffnung den Blick frei auf ein leuchtendes Deckengemälde von Cosmas Damian. Es wurde an die Decke eines Tambours gemalt, der sich über der Kuppelöffnung erhebt und durch Fensteröffnungen Licht einfallen lässt, so dass das Deckengemälde hell erstrahlt.
Deckengestaltung der Stiftskirche St. Georg von den Brüdern Asam
Durch das einfallende Licht mutet die Helligkeit des Deckenfreskos fast magisch an. Solche Lichteffekte und andere theatralische Wirkungen sind eine Spezialität der Asam-Brüder: Gegenstände werden durch Beleuchtung von ihrer Umgebung hervorgehoben, Hell-Dunkel-Kontraste entstehen, Gegenstände scheinen zu schweben dank unsichtbarer
Befestigungen, Grenzen verwischen zwischen dreidimensionalen Objekten und gemalten Trompe-l'œils.
Deckengemälde in der Stiftskirche St. Georg, Kloster Weltenburg
Das Deckenfresko zeigt allegorisch die verklärte Kirche. In der Mitte ist der Heilige Geist als Taube dargestellt, darunter die Krönung Mariens durch Gottvater und Jesus. Am Rand erscheinen verschiedene Heilige wie auch Klerikale, darunter der heilige Benedikt, der Kirchenpatron St. Georg, St. Martin, heilige Jungfrauen wie Ursula, Barbara, Katharina, heiliggesprochene Regensburger Bischöfe wie Emmeram und Wolfgang, der Bayernapostel Rupert, die zwölf Apostel und einige andere.
Barocker Hochaltar Stiftskirche St. Georg
Auch beim Hochalter arbeiteten die Asam-Brüder mit Lichteffekten. Hinter der Reiterfigur des Heiligen Georg, der gerade den Drachen tötet, liegt eine mit einem Fresko der Maria immaculata ausgemalte, durch drei Fenster stark erhellte Apsis, die die Aufmerksamkeit auf sich zieht.
Links und rechts wird dieses Bild von salomonischen Säulen flankiert, die einen gesprengten Rundgiebel tragen, in dessen Mitte eine Skulptur die Aufnahme Mariens in den Himmel darstellt, darunter eine Kartusche mit dem Wappen Bayerns. Auch oberhalb des Giebels ist die Rundbogennische, ganz den Brüdern Asam entsprechend, hell erleuchtet.
Orgel, Stiftskirche St. Georg Kloster Weltenburg
Die Brüder Asam
Die Brüder Asam zählen zu den bedeutendsten Barockkünstlern Europas. Ihr Wirkungsraum dehnte sich aus von Böhmen über Bayern bis in die Schweiz.
Cosmas Damian Asam war Architekt und Maler, der Bruder Egid Quirin Asam war Stukateur und Bildhauer. Damit deckten die beiden alle damaligen Künste ab, so dass das Ziel des Barocks, die Synthese aller Künste, die Verwischung der Grenzen zwischen Malerei, Architektur und Skulptur, das Ineinander-Fließen der Gattungen verwirklicht werden konnte: Ist beispielsweise drapierter Stoff an der Decke gemalt oder tatsächlich plastisch? Sind die Figuren gemalt oder treten einige doch dreidimensional hervor?
Im Bild unten hat sich Egid Quirin Asam selbst dargestellt - als Stuckplastik vor dem Deckenfresko, der sich über die Brüstung lehnt und nach unten zum Betrachter des Deckengemäldes herunterschaut. Links von ihm, als Teil des Deckengemäldes ist mit entblößter Schulter sein Bruder Cosmas Damian zu sehen.
Egid Quirin Asam und Cosmas Damian Asam haben sich in der Deckengestaltung verewigt. Egid als Stuckornament, der über die Brüstung schaut, Cosmas als gemaltes Porträt in der Deckenmalerei.
Noch einmal die Klosterkirche von außen. Deutlich ist der Tambour zu sehen, der hinter dem Dreiecksgiebel der Fassade herausragt. Durch die ovalen, typisch barocken Fensteröffnungen fällt Licht heran, das die Deckenmalerei strahlend hervortreten lässt.
Klosterbrauerei Weltenburg
Nach der beeindruckenden Besichtigung der Klosterkirche geht es dann in den gegenüberliegenden Biergarten, wo es traditionelle, bayrische Gerichte gibt und natürlich das seit 1050 hier vor Ort gebraute Bier.
Speisekarte mit Traditionsgerichten im Kloster Weltenburg
Neuburg an der Donau
Neuburg an der Donau, Blick über die Elisenbrücke aufs Schloss
Deutschland -
Land voller kleiner Kulturorte
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Weiter geht die Fahrt nach Neuburg an der Donau, ein schmuckes Renaissance-Barock-Städtchen, wie es sie häufig in deutschen Landen gibt und wie sie entstanden aus dem Repräsentationsbedürfnis ihrer Landesherren.
Die vielen ehemaligen kleinen Fürstentümer im Heiligen Römischen Reich waren durch Erbteilung, Heirat usw. entstanden und waren in gewisser Weise geschützt durch die Wahlmonarchie in Deutschland, bei der stets ein Gleichgewicht der Machtfülle der Fürsten durch Absprachen, Zugeständnisse usw. angestrebt wurde, so dass sich nie eine Herrscherdynastie an der Spitze durchsetzen konnte.
Das war einerseits eine Schwäche des Heiligen Römischen Reiches, da es viele kleine und sehr kleine Territorien gab, andererseits führte aber genau das zu einer vielfältigen Kulturlandschaft, denn jeder Souverän baute Schlösser, sammelte Kunst, richtete Bibliotheken ein, scharte Gelehrte um sich, legte Parks an oder errichtete Theater.
Was provinziell anmutet, weil die Fürstentümer oft klein waren, hat teilweise Weltniveau wie z.B. Kassel, Weimar, Wolfenbüttel, Wörlitz, Bayreuth, Corvey, Gotha, Meiningen, Arolsen und viele, viele andere mehr. Allein unter dieser Aufzählung befinden sich bereits fünf Weltkulturerbestätten.
Die daraus entstandene Vielfalt ist ein Charakteristikum von Deutschlands Kulturlandschaft. Vieles davon ist nur regional bekannt und schlummert einen Dornröschenschlaf. Aber die Suche nach diesen Kleinoden lohnt sich, auch wenn es in deutschen Landen wegen seiner komplizierten Geschichte nicht immer leicht ist und man selbst als Interessierter manches übersieht.
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Neuburg sticht heraus wegen seiner hervorragenden Gemälde-
galerie mit bedeutenden flämischen Malern, darunter etliche Bilder des Barock-Superstars Peter Paul Rubens.
Aber wie kamen diese Gemälde nach Neuburg? Das Herzogtum war noch jung, klein und nicht reich. Bei allem Repräsentationsbedürfnis ... Gemäldegalerien gehörten zu den kostspieligeren Statussymbolen, die sich nur wenige Fürsten leisten konnten. Theater zu bauen oder Gelehrte am Hof zu fördern waren verglichen mit einer Gemäldesammelleidenschaft geradezu ein billiges Hobby.
In Neuburg waren es politische Bedingungen, die den Herzog in den Genuss kostbarer Gemälde kommen ließen, nämlich einflussreiche, wohlhabende Herrscher, die Interesse an Neuburg als Verbündeten hatten. (Kein Interesse an der Entstehungsgeschichte des Mini-Herzogtums? Lieber direkt zu den politischen Bedingungen, die zur Kunstsammelleidenschaft führten? Klick hier.)
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Das Herzogtum Neuburg
Zuerst zur Entstehung dieses Mini-Herzogtums, das auch noch ein zersplittertes Territorium war: Neuburg (auch bezeichnet als Pfalz-Neuburg oder die Junge Pfalz) wurde erst 1505 in Folge des Landshuter Erbfolgekrieg gegründet. Wie gesagt: Klein und in mehrere unverbundene Gebiete zersplittert. Die Residenz war die Stadt Neuburg an der Donau.
Die Territorien des Herzogtums Neuburg waren kein zusammenhängendes Gebilde.
Die Entstehung der pfälzischen und der bayrischen Wittelsbacher-Linien
Das Herzogtum wurde von einem Zweig der Wittelsbacher regiert, jener Dynastie, die wie kein anderes deutsches Hochadelsgeschlecht mit einem Land, nämlich Bayern, gleichgesetzt wird. Das wundert nicht, denn dort regierten sie ununterbrochen seit 1180, nachdem die Wittelsbacher das bayrische Territorium infolge der Absetzung Heinrichs des Löwen, der bis dato über Bayern herrschte, erhalten hatten und dabei gleichzeitig bayrische Herzöge wurden.
1214 fiel noch die Pfalzgrafschaft am Rhein, also die Kurpfalz, an die Wittelsbacher, die ab dann 600 Jahre von ihnen regiert wurde. Zentrum und Residenz der Kurpfalz war Heidelberg.
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Eine Teilung in zwei Wittelsbacher Linien, die bayrische und die pfälzische, erfolgte mit dem "Hausvertrag von Pavia" aus dem Jahr 1329. Dieser Vertrag ist eine der wichtigsten Urkunden für die territoriale und politische Entwicklung Bayerns. Er wurde geschlossen von Ludwig dem Bayern, der inzwischen Kaiser geworden war, und den Söhnen seines Bruders Rudolf. Bayern sollte bei Ludwig bleiben und zukünftig von der
Ludowingischen Linie der Wittelsbacher regiert werden, während die am Rhein gelegene Pfalz und der nördliche Teil Bayerns, der seitdem als Oberpfalz ("Ober-", weil das Territorium auf Landkarten oberhalb von Bayern liegt) bezeichnet wird, von der Rudolfinischen Linie der Wittelsbacher regiert werden sollte.
Die Kurpfalz hatte bereits die Kurwürde inne, denn der Pfalzgraf bei Rhein war einer der sieben Kurfürsten im Reich. Zwar wollte der Hausvertrag von Pavia, dass die Kurwürde zwischen Ludowingischer und Rudolfinischer Linie wechselte, aber die Goldene Bulle, die Verfassung des Heiligen Römischen Reichs, verhinderte dies. Der Wechsel blieb aus und die Kurwürde blieb in der Pfalz.
Übrigens war ein Ziel dieses Vertrags, dass die Territorien im Falle des Aussterbens einer der beiden Linien, jeweils an die andere Linie der Wittelsbacher vererbt wird. Auf diese Weise wollten die Wittelsbacher ihr Territorium in der Familie halten und diese Rechnung ging auf: Viel später, 1777, das Barockalter war fast zu Ende gegangen, hatte die Ludowingische Linie keine Nachkommen mehr und der Pfälzer Karl-Theodor erbte Bayern.
Aber zurück in die Zeit, in der das Mini-Herzogtum Pfalz-Neuburg entstanden war:
Mit der Teilung der Wittelsbacher in die Ludowingisch-Bayrische und die Rudolfinisch-Pfälzische Linie war die Zersplitterung nicht beendet. Sowohl Bayern als auch die Pfalz teilten sich weiter auf in verschiedene Zweige:
Bayern in die Herzogtümer Bayern-Landshut, Bayern-München, Bayern-Straubing und Bayern-Ingolstadt.
Die Pfalz in die Gebiete Pfalz-Neumark, Pfalz-Simmern, Pfalz-Zweibrücken.
1505 - die Entstehung des neuen Herzogtums Pfalz-Neuburg
1504 entbrannte zwischen den beiden bayrischen Herzogtümern Bayern-München und Bayern-Landshut der Landshuter Erbfolgekrieg (1504/05), weil Landshut nur eine weibliche Nachfolgerin, Elisabeth von Bayern, hatte, die aber nach Reichsrecht und den Wittelsbacher Hausverträgen erbrechtlich nicht als nachfolgende Regentin in Frage kam. Bayern-Landshut sollte an Bayern-München fallen. Über diese Frage kam es zum Krieg, den Bayern-München gewann, also fiel Bayern-Landshut letztendlich sowieso an München, wohin es auch ohne Krieg gekommen wäre. Den Krieg hätte man sich also sparen können. Die beiden Söhne von Elisabeth von Bayern, Ottheinrich und Philipp, sollten abgefunden werden. Für sie schuf man 1505 mit Pfalz-Neuburg eben jenes kleine, neue Herzogtum.
Die Herzöge von Pfalz-Neuburg
Ottheinrich (1502-1559), der erste Herzog bzw. Pfalzgraf von Pfalz-Neuburg, war zum Zeitpunkt der Gründung des Herzogtums 1505 noch ein Kind, so dass sein Onkel die Geschäfte regelte, bis aus dem Jungen ein Mann geworden war, der 1522 das Amt übernehmen konnte. Seine Verbindung zur Pfalz war durch seine Mutter Elisabeth von Bayern (1478-1504), Pfalzgräfin bei Rhein und Herzogin von Bayern-Landshut, vorgegeben. Ebenfalls stammte sein Vater Ruprecht der Tugendhafte (1481–1504) aus der Pfälzischen Linie der Wittelsbacher, daher der vertrackte Name Pfalz-Neuburg, welcher Kopfzerbrechen macht, da die Pfalz weit weg ist und der Sprössling Ottheinrich einem bayrischen Land entstammte. Aber seine Eltern waren eben pfälzisch.
Als Ottheinrich 1522 alt genug war, die Amtsgeschäfte in Pfalz-Neuburg zu übernehmen, ließ er Neuburg mit erheblichen finanziellen Mitteln zu einer repräsentativen Residenzstadt ausbauen. Danach war der Ministaat pleite.
Innenhof von Schloss Neuburg, links der Westflügel, auch Ottheinrichbau genannt,
geradeaus der Altanbau, bzw. Nordflügel
Ab 1527 wurde das Schloss gebaut. Davor gab es eine mittelalterliche Burg, die umgestaltet und durch etliche Anbauten ergänzt wurde. Der aufwendigste Teil dieser Baumaßnahmen war der Westflügel, auch Ottheinrichsbau (auf dem Foto links) genannt. Der daran anschließende Nordflügel (auf dem Foto rechts mit den beiden geschweiften Gauben) wurde 1538 gebaut.
1556 wurde Ottheinrich Kurfürst von der Kurpfalz, denn die Heidelberger Linie der Pfalzgrafen drohte auszusterben.
Er war überzeugter Lutheraner und führte 1557 in der Pfalz den evangelischen Glauben ein.
Nicht nur in Pfalz-Neuburg, auch in der Kurpfalz mit der pfälzischen Residenz Heidelberg agierte er als Kulturherrscher. Im Heidelberger Schloss ließ er den Ottheinrichbau errichten, eines der herausragendsten Beispiele deutscher Renaissance. Er förderte die Wissenschaften und ihm gehörte die legendäre Bibliotheca Palatina, die in der Heidelberger Heiliggeistkirche für Studierende zugänglich untergebracht war. Die Bibliothek wurde allerdings nach der Eroberung Heidelbergs während des 30jährigen Krieges durch Tilly auf Geheiß Papst Gregor XV. nach Rom gebracht, wo diese Beutekunst seitdem aufbewahrt wird.
Da Ottheinrich auch kinderlos war, wurde vertraglich geregelt, dass Pfalz-Neuburg an Wolfgang von Pfalz-Zweibrücken abgetreten wird, um zu verhindern, dass das junge Herzogtum an die bayrischen Wittelsbacher fällt.
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1559 übernahm Wolfgang von Pfalz-Zweibrücken (1526-1569) die Regentschaft über Pfalz-Neuburg.
Er ließ die Sgraffiti mit der altestamentlichen Geschichten von Josef und seinen Brüdern in den Arkaden des Westbaus gestalten .
Sgrafitti in den Arkaden, die von Wolfgang von Pfalz-Zweibrücken in Auftrag gegeben wurden
1569 übernahm dessen Sohn Philipp Ludwig von Pfalz-Zweibrücken (1547–1614) die Regentschaft und wurde Pfalzgraf von Pfalz-(Zweibrücken-)Neuburg.
Die Verbindung zum Niederrhein entstand
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1574 heiratete Philipp Ludwig von Pfalz-Zweibrücken Anna von Jülich-Kleve-Berg (1552–1632), Tochter des Herzogs von Jülich-Kleve-Berg, womit eine Verbindung zu dem ziemlich großen Herzogtum im Nordwesten des Reichs am Niederrhein entstanden war, die einen bedeutenden Ländergewinn in Aussicht stellte. (Willst du mehr über die Geschichte von Jülich-Kleve-Berg wissen? Klick hier. Auf der Seite "Barock in Düsseldorf" steht es genauer.)
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1614 löste sich das Herzogtum Jülich-Kleve-Berg im Jülich-Klevischen Erbfolgestreit (1609-1614) auf, weil es keinen Nachkommen gab. Die nördlichen Teile des Herzogtums fielen an Brandenburg, die südlichen Teile, Jülich-Berg, mit der Residenzstadt Düsseldorf gingen an Pfalz-Neuburg. Aber ganz umsonst gab es Jülich-Berg auch nicht. Der Sohn und Nachfolger von Philipp Ludwig, Wolfgang Wilhelm (1578-1653), musste für die endgültige Inbesitznahme von Jülich-Berg einen Tribut leisten: Er heiratete für dieses Ziel die Schwester des bayrischen Herzogs Maximilian, dem Führer der katholischen Liga. Für diese Ehe konvertierte er 1613 ohne Wissen seines Vaters zum katholischen Glauben. Die Gebiete Jülich-Berg wurden ihm dafür im Vertrag von Xanten zugesprochen - ein Ländergewinn, der eine deutliche Rangerhöhung und ein stärkeres politisches Gewicht bedeutete.
Die Konvertierung brachte für die Territorien, über die Wolfgang Wilhelm herrschte, tiefgreifende Veränderungen mit sich. Jülich-Berg wurde ebenso wie die Rheinpfalz katholisch.
Wolfgang Wilhelm von Pfalz-Neuburg, der zum Katholizismus konvertierte und dadurch eine enge Verbindung zu den spanischen Niederlanden hatte, nachdem er das Herzogtum Jülich-Berg geerbt hatte.
Die Achse Antwerpen-Düsseldorf-Neuburg
Der überzeugte Katholik Wolfgang Wilhelm wurde für die benachbarten, ebenfalls katholischen spanischen Niederlande interessant, denn sein Gebiet am Niederrhein war im Spanisch-Niederländischen Krieg (1568-1648) von höchst strategischem Interesse. An den Verhandlungen des Vertrags von Xanten, durch den Wolfgang Wilhelm Jülich-Berg zugesprochen bekam, nahm der Antwerpener Notar Petrus Pecquis teil, ein Vetter von Peter Paul Rubens Vater und Freund der Familie.
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Hier kommt der Name Rubens ins Spiel - und es ging ja letztendlich um die Frage: Woher kommen die kostbaren Gemälde für so ein kleines, eher unbedeutendes Herzogtum?
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Antwerpen, die Wirkungssstätte von Rubens, lag in den sturz-katholischen Spanischen Niederlanden und ein gutes Verhältnis zum neuen Nachbarn als strategischem Verbündeten war Rubens schon ein paar großformatige Gemälde wert. Immerhin unterstützte man damit die gegenreformatorischen Bestrebungen Wolfgang Wilhelms, der im zuvor lutherischen Jülich-Berg jetzt andere Seiten aufgezog.
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Auf diese Weise kam Wolfgang Wilhelm an seine ersten drei Rubensgemälde, die zum Grundstock der Neuburger Gemäldesammlung wurden, welche später von seinem Sohn und Enkel zur großen Düsseldorfer Gemäldesammlung ausgebaut wurde.
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Zurück zu Pfalz-Neuburg: In Neuburg wurde die noch im Bau befindliche, als evangelische Hofkirche vorgesehene Kirche vor ihrer Vollendung den gegenreformatorischen Jesuiten übergeben und mit den drei Bildern von Peter Paul Rubens ausgestattet.
Hofkirche Neuburg
Das Gemälde des Hauptaltars befindet sich heute in der Alten Pinakothek in München, die beiden Seitenaltäre werden in der Galerie im Schloss Neuburg gezeigt. Außer den beiden Seitenaltären gibt noch acht weitere Rubensbilder in der Galerie.
Rubens: Die Ausgießung des Heiligen Geistes, Nebenaltar aus der Hofkirche Pfalz-Neuburg, 1616
Rubens: Die Anbetung der Hirten, Nebenaltar aus der Hofkirche Pfalz-Neuburg, 1616
Wolfgang Wilhelm holte die Jesuiten auch nach Düsseldorf, ließ dort das Jesuitenkloster St. Andreas und die dazugehörige Hofkirche in der Düsseldorfer Altstadt errichten, deren Inneres eine Kopie der Residenzkirche in Neuburg darstellt. Das Foto oben zeigt die Jesuitenkirche in Pfalz-Neuburg, das Foto unten die Jesuitenkirche in Düsseldorf.
Wolfgang Wilhelm residierte abwechselnd in Düsseldorf und Neuburg, ab 1636 nur noch in Düsseldorf.
Hofkirche Düsseldorf, im Inneren fast eine Kopie der Jesuitenkirche von Pfalz-Neuburg
1653 wurde der einzige Sohn von Wolfgang Wilhelm, Philipp Wilhelm (1615-1690), zum Herzog von Jülich-Berg und Pfalzgrafen und Herzog von Pfalz-Neuburg.
In den Jahren 1664-1668 ließ er das Schloss in Neuburg erweitern durch den imposanten Barockflügel, der weithin sichtbar oberhalb der Donau
thront.
1685 wurde Philipp Wilhelm auch noch Kurfürst der Pfalz bei Rhein. Er residierte dauerhaft in Düsseldorf und begann, die Gemäldesammlung auszubauen, die in der Düsseldorfer Residenz untergebracht war. Die Neuburger Bilder ließ er nach Düsseldorf bringen. Im Gegensatz zu seinem Vater hatte er eine große Nachkommenschaft. Immerhin brachte er es auf 17 Kinder. Sein ältester Sohn war Johann Wilhelm, in Düsseldorf prominent und beliebt als "Jan Wellem", obwohl kaum ein heutiger Düsseldorfer wirklich weiß, wer er war und woher er kam. Nur eins: Er brachte höfischen Glanz nach Düsseldorf - und das nicht zu knapp. Düsseldorf wurde unter ihm zur glanzvollen Metropole und vor allem zum Ort der damals bedeutendsten Gemäldesammlung Europas.
Jan Wellem wird in Düsseldorf vor allem zu Karnevalszeiten gern hervorgekramt. Man assoziiert mit ihm eine Art Lebemann, der dem barocken Leben nicht abgeneigt war.
Die Nachkommenschaft von Phillip Wilhelm und Elisabeth Amalie von Hessen-Darmstadt
Dieser Johann Wilhelm, alias Jan Wellem, wurde 1670 Herzog von Jülich-Berg und 1690 Kurfürst von der Pfalz sowie Pfalzgraf von Pfalz-Neuburg.
Er heiratete in zweiter Ehe Anna Luisa de' Medici, mit der er die Sammlung, die sein Vater und Großvater begonnen hatten, zu eben der beeindruckendsten Gemäldesammlungen seiner Zeit ausbaute.
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Willst du mehr über diese Gemäldesammlung der Superlative wissen? Klick hier.
Ausschnitt Stammbaum, Kurfürst Johann WIlhelm von der Pfalz, Ehefrauen Maria Anna Josepha von Österreich, Anna Maria Luise von Medici
Anna Maria Luise de'Medici
Neuburg an der Donau, Karlsplatz mit Elisenbrunnen
Karlsplatz
Hofkirche Mariä Himmelfahrt, Unsere Liebe Frau, links: das Rathaus
Hofkirche Mariä Himmelfahrt
Hofkirche Mariä Himmelfahrt
Hofkirche Mariä Himmelfahrt
Neuburg an der Donau, Blick über die Amalienstraße auf St. Peter
St. Peter und Stadtmuseum
Blick auf das Schloss über die Amalienstraße
Residenzkirche St. Mariä Himmelfahrt
Staatsgalerie im Schloss Neuburg
Jacob Jordaens, Heilige Familie mit Anna und dem Johannesknaben, Neuburg an der Donau, Staatsgalerie,
Anthonis van Dyck, Christus und der Gichtbrüchige,
Neuburg an der Donau, Staatsgalerie
Peter Paul Rubens, Die Anbetung der Hirten
Detail: Rubens, Anbetung der Hirten
Rubens: Mars von einer Viktorie gekrönt, ca.1613
Rubens, Die Heilige Dreifaltigkeit
Rubens, Die Heilige Dreifaltigkeit, Detail
David Teniers d. J., Der Jahrmarkt vor der Kirche S. Maria dell 'Impruneta
W. Schubert v. Ehrenberg, J. Jordaens, G. Coques und andere Maler der Antwerpener Lukasgilde, Ansicht einer Gemäldegalerie, 1666
Josse de Momper, Plünderung eines winterlichen Dorfes
Eichstätt
Eichstätt, Residenzplatz, Marienbrunnen mit Mariensäule
Weiter ging's. Von Pfalz-Neuburg nach Eichstätt. Nach 25 Kilometern war die nächste Mini-Residenzstadt erreicht. Eichstätt liegt an der Altmühl, einem Zufluss zur Donau. Da fiel mir doch der Spruch aus dem Gymnasium ein: "Iller, Lech, Isar, Inn fließen rechts zur Donau hin, Altmühl Naab und Regen kommen ihr von links entgegen." Was diese Merksprüche doch alles bewirkten.
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Die Landesherren von Eichstätt waren die Fürstbischöfe des Bistums Eichstätt. Das Städtchen ist heute mit 13.000 Einwohnern die kleinste Bistumszentrale Deutschlands. Gegründet wurde das Bistum im 8. Jahrhundert von dem angelsächsischen Wandermönch Willibald, der auf Geheiß Bonifatius' ins Altmühltal kam. Sein Bruder Wunibald errichtete im 40 Kilometer entfernten Heidenheim ein Kloster, dessen Leitung seine Schwester Walburga nach seinem Tod übernahm.
Walburgas Gebeine wurden 880 nach Eichstätt überführt, wo sie seitdem im Benediktinerkloster St. Walburg liegen, das wegen Walburgas Heilkräften zu einem internationalen Wallfahrtsort geworden ist.
Die fürstbischöfliche Residenz liegt am Residenzplatz, der wegen seiner geschlossenen Bebauung aus dem 18. Jahrhundert zu den schönsten Barockplätzen Deutschlands zählt.
Die Residenz ist ein Wiederaufbau von Anfang 1700 und war notwendig geworden, da Eichstätt im 30jährigen Krieg zerstört worden war.
Das neue Schloss ist eine dreiflügelige Anlage, die zum großen Teil von dem Graubündener Baumeister Gabriel de Gabrieli erbaut wurde. Gabrieli war bischöflicher Hofbaudirektor und legte zeitgleich zum Schlossbau den davor liegenden Residenzplatz mit seinen Gebäuden an, der Kanzlei, dem Generalvikariat, den Kavalierhöfen und den Domherrenhöfen. Insgesamt entwarf Gabrieli 30 Gebäude in Eichstätt und prägte damit das barocke Stadtbild.
Die beiden anderen Bündener Barockbaumeister waren Jakob Engel und Maurizio Pedetti. Von Pedetti stammen die Kastanienallee sowie dir beiden Brunnen auf dem Residenzplatz.
Im Zweiten Weltkrieg blieb Eichstätt vom Bombenhagel verschont, wodurch die Gebäude erhalten blieben. Die fürstbischöfliche Residenz hat ein Prunktreppenhaus sowie einen Spiegelsaal, die besichtigt werden können.
Residenzplatz, Marienbrunnen mit Mariensäule Fürsterzbischöfliche Residenz, Fürstbischöfliche Regierung und Kanzlei
Eichstätt, Fürsterzbischöfliche Residenz
Residenzplatz, Fürsterzbischöfliche Regierung und Kanzlei
Marienbrunnen mit Mariensäule, Dom Mariä Himmelfahrt
Kreuzgang, St. Mariä Himmelfahrt
Mortuarium, Dom St. Mariä Himmelfahrt
Benediktinerkloster, Abteikirche St. Walburg
Gruftkapelle der heiligen Walburga
Eichstätt, Votivbildchen, Heilige Walburga
Gruftkapelle Heilige Walburga, Votivgaben
Eichstätt, Spitalbrücke, Altmühl
Eichstätt, Spitaltor
Eichstätt, Marktplatz, Willibaldsbrunnen
Rohr / Niederbayern
Rohr, Niederbayern, Abteikirche, Mariä Himmelfahrt, Theatrum Sacrum, Brüder Asam
Noch mehr von den Brüdern Asam: Diesmal die Benediktiner-Abteikirche Mariä Himmelfahrt im niederbayerischen Rohr. Egid Quirin Asam schuf 1722 das Altarbild, das Maria in den Himmel schwebend zeigt, während die Apostel ratlos und staunend um den leeren Sarkophag stehen.
Die Räumlichkeit dieses Hochaltars erinnert an eine Bühne, Maria schwebt über allem, ihre Aufhängung ist so gut verborgen, dass man sie nicht sehen kann. Von hinten wird die Szenerie durch ein Fenster beleuchtet.
Theatralische Effekte sollen beim Kirchenbesucher Staunen und Überwältigung auslösen, so dass hier in der Kirche in Rohr der Inbegriff des Theatrum sacrum entsteht.
Rohr, Niederbayern, Abteikirche Mariä Himmelfahrt, Theatrum Sacrum, Brüder Asam
Hochalter Mariä Himmelfahrt, Theatrum Sacrum, Brüder Asam
Typische Gestaltung der Asam-Brüder, Beleuchtung des Altars von hinten
Abteikirche Mariä Himmelfahrt, Decke Mittelschiff
Detail Abteikirche Rohr, Mariä Himmelfahrt