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Bremen

Bremen

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Der Bremer Markt - 

städtebaulicher Ausdruck von

  historischen Machtverhältnissen

 

Der Bremer Markt ist einer der schönsten Plätze Deutschlands mit einem fast geschlossenen Ensemble historischer Bauten. Einzig das moderne Gebäude der Bremischen Bürgerschaft (Sitz des Landesparlaments von Bremen) mag manchen Besucher oder Bremer stören, aber auch dieser Bau ist ein Zeichen historischer Bedingungen und als Zeugnis der Moderne ein schönes Gebäude. 

Wenn man auf dem Marktplatz ankommt, ist man als Besucher zunächst ziemlich beeindruckt. Aber ein Blick in die Geschichte macht die Sache noch interessanter, denn hier lässt sich auf beeindruckende Weise ablesen, wie Machtverhältnisse in Architektur ausgedrückt wurden und diese sich im Laufe der Jahrhunderte verschoben haben. Domkapitel, Bremer Rat, Elderleute und Bremische Bürgerschaft haben ihre prächtigen Bauten hinterlassen und markierten damit ihren Anspruch.

Rat gegen Bischof und der Bau des Rathauses

Rat gegen Bischof und der Bau des Rathauses

Bremen, Altes Rathaus, Dom

Bremen war keine freie Reichsstadt, sondern unterstand dem Erzbischof, aber das Bürgertum wurde mächtiger und strebte nach Emanzipation. Zwar gab es schon seit 1181 einen gewählten Rat, den der Bischof als Vertragspartner akzeptierte, aber es dauerte noch lange, bis das Bürgertum die Basis einer fest institutionalisierten Staatsform erlangte. Um dies zu erreichen, fälschte man kurzerhand eine auf 1111 datierte Urkunde Kaiser Heinrichs IV., die den Anspruch auf Unabhängigkeit belegt. Zur Unterstreichung dieses Status errichteten die Bremer im Jahr 1404 den Roland, das Symbol der bürgerlichen Stadtfreiheit, auf dem Markt, der ostentativ Richtung Dom schaut. Ein Jahr später, 1405 wurde der Bau des Rathauses begonnen, das 1410 fertig gestellt war. Es war anfangs ein gotischer Bau und Reste davon sind auch nach seinem Umbau im Stile der Renaissance in den Jahren von 1595 - 1616 geblieben, z.B. die gotischen Baldachine über den Statuen zwischen den Fenstern an der Marktfassade, die übrigens den Kaiser und die sieben Kurfürsten darstellen oder die Spitzbogenfester mit Maßwerk an den Schmalseiten.

Bremen, Altes Rathaus, Südostportal und gotische Fenster

Die Südwestseite des alten Rathauses mit den gotischen Fenstern

Bremen Altes Rathaus, Obere Halle, Gotische Fenster

Innenansicht der Südostseite mit den gotischen Fenstern in der oberen Halle des alten Rathauses

Der Bau wirkt ein wenig flandrisch durch seine großen Fenster und das hohe Walmdach. Viel Renaissance steckt darin von den Rundbogen-Arkaden bis hin zur spanischen Renaissance mit überladenen Verzierungen wie Schlag- und Knorpelwerk, Obelsiken auf Ziergiebeln, Muschelnischen oder Fächerrosetten, die von den südlichen Niederlanden durch den Handel auf dem Wasser im gesamten Weserraum verbreitet wurde und die Architektur der Kulturlandschaft an der Weser prägte .

Bremen Altes Rathaus, Marktfassade

Das Rathaus kann man besichtigen und sollte es nicht versäumen, wenn man die Gelegenheit und Zeit dazu findet (hier der Link für Online-Anmeldungen). Die Obere Halle ist der repräsentativste Saal Bremens und wird auf der Webseite der Stadt als Halle mit "feierlicher, beeindruckender Würde" bezeichnet. Der Dichter Rudolf Alexander Schröder bezeichnete sie als "Heiligtum bremischen Bürgerstolzes". Große, prächtige Segelschiffmodelle hängen an der Decke, riesige Wandgemälde (Die Gründung Bremens und Das salomonische Urteil) schmücken den Raum.

Besonders hervorzuheben ist die Güldenkammer, ein Prunkraum von 1608, der 1904/05 von dem Worpsweder Künstler Heinrich Vogeler neu gestaltet wurde und als ein Hauptwerk des Jugendstils in Deutschland gilt.

Heinrich Vogeler lebte in Worpswede im Teufelsmoor. 

(Willst du wissen, wer Heinrich Vogeler war? Klick hier.)

Bremen Altes Rathaus, Obere Halle, Schiffsmodelle Goldene Kammer

Die Obere Halle im alten Rathaus. Hinten, der holzverkleidete Raum mit den Oberlichtern ist die  Güldenkammer von 1608, deren Interieur 1904/05 von Heinrich Vogeler umgestaltet wurde.

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Die Güldenkammer neben der Oberen Halle

Bremen Altes Rathaus, Obere Halle, Schiffsmodelle Goldene Kammer
Bremen Markt Rathaus, Kirche Unserer lieben Frau
Bremen, Altes Rathaus, Dom, Kirche Unserer Lieben Frau

Die Nordwestseite des Rathauses. Der ursprüngliche Bau umfasst nur die Fassade mit den gotischen Spitzbogenfenstern, alle anderen Anbauten entstanden später. Links: Liebfrauenkirche, im Hintergrund: St.-Petri-Dom

Bremer Stadtmusikanten, Altes Rathaus Bremen

An der Nordwestseite des Rathauses sind sie in Bronze verewigt: Die Bremer Stadtmusikanten

Exkurs: Rolandstatuen und ihre Bedeutung

Exkurs: Rolandstatuen und ihre Bedeutung

Der Roland von Bremen, der heute auf dem Platz vor dem Rathaus steht, stammt von 1404, aber schon vorher gab es eine Figur aus Holz, die 1366 von Knechten des Bischofs verbrannt wurde.

Rolandsstatuen gibt es in vielen Städten Nord- und Ostdeutschlands sowie den ehemaligen deutschen Gebieten im östlichen Mitteleuropa. Er steht für das Stadtrecht und symbolisiert Freiheit, Marktrecht und Gerichtsbarkeit. Bekannt ist er durch das Rolandslied und er soll der Neffe Karls des Großen gewesen sein.

In Süddeutschland sowie anderen Regionen Europas wird die Gerichtsbarkeit einer Stadt durch einen Pranger auf dem Marktplatz angezeigt und in Südeuropa ist es oft eine Gerichtssäule. Manchmal befinden sich Gerichtssäulen auch an Landstraßen, um die Grenzen einer Gerichtsbarkeit zu markieren.

Bremen Markt, Roland

Auf der Nordwestseite des Marktplatzes wurden einige Giebelhäuser im Renaissancestil nach dem Krieg wiederaufgebaut. Sie runden den harmonischen Gesamteindruck des Platzes ab, auch wenn sie allesamt Rekonstruktionen aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhhunderts sind.

Häuser am Markt Bremen, Raths-Apotheke
Häuser am Markt Bremen, Raths-Apotheke
Bremen, Schütting, Häuser am Markt
Elderleute und der Schütting

Elderleute und der Schütting

Bremen, Schütting

Gegenüber vom Rathaus, steht das Renaissancegebäude Schütting, heute Sitz der Handelskammer. Er wurde von den Bremer Elderleuten gebaut, den Kaufleuten der Stadt. Sie wollten ebenfalls Präsenz zeigen und die Lage gegenüber vom Rathaus war dafür bestens geeignet. Der Bau, den man heute sehen kann, wurde 1537/38 von dem Antwerpener Baumeister Johann de Buschener errichtet. Die Proportionen erinnern entfernt an Repräsentationsbauten aus Flandern wegen der zwei Geschosse mit den hohen Fenstern und dem hohen, steilen Satteldach. Der Bau des Schüttings wurde in der Spätgotik begonnen, nur am Westgiebel erkennt man diesen Stil noch. Darüberhinaus ist es ein Renaissancegebäude, an dem mehrfach im Laufe der Jahrhunderte umgebaut wurde. Die größte Veränderung war die Verlegung des Eingangsportals in die Mitte der Fassade im Jahr 1756 sowie dessen prachtvolle neobarocke Gestaltung im 19. Jahrhundert mit dem Spruch der Bremer Kaufleute  BUTEN UN BINNEN WAGEN UN WINNEN (draußen und drinnen, wagen und gewinnen).

Buten un Binnen Wagen un Winnen, Portal Schütting, Bremen

Man kann das schöne Gebäude nicht von innen besichtigen, aber vielleicht bietet sich an einem Tag der offenen Tür die Gelegenheit. Manchmal werden Führungen angeboten, aber regelmäßige Termine gibt es nicht. 

Die Entstehung der Bremischen Bürgerschaft

Die Bremische Bürgerschaft entstand in der nachreformatorischen Zeit durch Unmut der städtischen Unterschichten gegen die herrschenden Gruppen der Stadt - genauer gesagt gegen das Domkapitel, die Bürgermeister, den Bremer Rat und die Eldermänner.

Der Anlass war die Nutzung der Bürgerweide (auf der jährlich der Bremer Freimarkt stattfindet - bis heute eines der größten Volksfeste Deutschlands), die die obigen Gruppen willkürlich unter sich aufgeteilt hatten, obwohl kein urkundlich belegter Nutzungsanspruch nachgewiesen werden konnte.

Die vier Kirchspiele Bremens, Wahlbezirke von unterprivilegierten Handwerkern, erwirkten ein Mitspracherecht, um das Nutzungsproblem zu lösen, indem man den Rat und das Domkapitel durch Androhung revolutionärer Mittel zur Bildung eines Bürgerweideausschusses zwang, der aus 104 Mitgliedern, jeweils 26 aus jedem der vier Kirchspiele bestand. Dieses Gremium hatte ab 1532 ein besiegeltes Mitspracherecht bei allen städtischen Angelegenheiten und war die erste Bremische Bürgerschaft.

Zusammengefasst ist der Markt mit seinen Gebäuden ein architektonisch-städtebaulicher Ausdruck politisch-wirtschaftlicher Verhältnisse und ihrer Veränderungen über Jahrhunderte. An wenigen Beispielen in Deutschland kann man den Zusammenhang von der Entwicklung und Emanzipation verschiedener Interessengruppen und deren Repräsentation in der Architektur so gut studieren wie hier in Bremen. Diese Art von mittelalterlicher Kultur gab es außer im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation nur in Oberitalien.

Die Entstehung der Bremischen Bürgerschaft
Der Bremer Ratskeller

Der Bremer Ratskeller

uralter Weinkeller mit besonderen Schätzen

Bremer Ratskeller, Weinkeller

Bremen ist keine Weinregion, aber in Hafenstädten wird traditionell viel mit Wein gehandelt. Daher kommen hier alle Weine zusammen, in Bremen die besten. Jährlich werden vom Ratskellermeister 150 Weine aus 3000 deutschen Weinen ausgesucht, die dann von hier verkauft werden. 

Der Bremer Rat hat das Weinausschankrecht seit 1330. Nach dem Bau des alten Rathauses 1605 wurde der Ausschank in dessen Kellerräume verlegt. Zusätzlich lagern in einem riesigen, 5000 qm großen Weinkeller unter dem Rathaus eine halbe Million Flaschen Wein, früher wurde der Wein in Fässern gelagert, die eine halbe Million Liter fassten. Die Fässer sind mittlerweile leer und werden nicht mehr genutzt, da nur noch Flaschen von den Winzern nach Bremen geliefert werden, aber da der ganze Keller unter Denkmal-schutz steht und mit dem Rathaus zum Weltkulturerbe gehört, sind sie heute noch zu sehen.

Im dazugehörigen traditionellen Lokal "Bremer Ratskeller", ebenfalls im Keller unter dem alten Rathaus gelegen, werden 650 verschiedene Weine ausgeschenkt, im Verkauf sind 1200 Weinsorten.

Der älteste Flaschenwein ist der Rüdesheimer Apostelwein von 1727. Ein Liter davon kostet 7142,86 Euro (Stand Juni 2022). Der älteste Fasswein ist ein Rüdesheimer Wein von 1653.

 

Hanseaten zeichnen sich in besonderer Weise durch vornehme Zurückhaltung und Understatement aus, was sich unter anderem dadurch zeigt, dass Bremer (und auch Hamburger) keine Orden oder Auszeichnungen annehmen.

Dies stehe im Gegensatz zum bürgerlichen Geist der Verfassung, die besagt, dass ein Hanseat nach dem Grundsatz handelt: "Es gibt über dir keinen Herrn und unter dir keinen Knecht." Die Annahme einer Auszeichung oder eines Ordens ist bei Hanseaten zumindest verpönt, auch über die 

Pensionierung hinaus. Übrigens war die Freie Hansestadt Bremen das einzige Bundesland, dass 1951 gegen die Stiftung Bundesverdienstkreuz stimmte. Der Senat der Freien Hansestadt Bremen stellte 1893 einmal fest: „Von altersher ist es Gebrauch, daß Decorationen von Senatsmitgliedern niemals angenommen werden, und so empfiehlt es sich auch – abgesehen von anderen Gründen – schon um deswillen hieran festzuhalten. Auch weil der Bremer Senat nicht in der Lage ist, derartige Höflichkeiten zu erwidern.“ Mit dieser Tradition wurde die Ablehnung der Einführung des Bundesver-dienstkreuzes begründet. 

 

Da die Stadt Bremen aber die Verdienste mancher Bürger anerkennen möchte, schenkt sie in so einem Fall einen besonders kostbaren Wein aus der Schatzkammer des Ratskellers.

Bremer Ratskeller, Weinkeller
Bremer Ratskeller, Weinkeller
Bremer Ratskeller, Weinkeller
Bremer Ratskeller, Weinkeller
Bremer Ratskeller, Weinkeller, Schatzkammer

Bremen - nicht nur Fisch und Wein, sondern auch Kaffee

Bremen ist Deutschlands Hauptstadt der Genuss- und Lebensmittelbranche. Kaffee und Kakao werden über die Bremer Häfen importiert und bis heute kommt jede zweite Kaffeebohne auf diesem Weg zu uns. Auch begann in Bremen der Kaffeehandel im Jahre 1673, als von einem Niederländer das erste Kaffeehaus des gesamten Landes gegründet wurde.

Viele international bekannte Marken stammen aus der Hansestadt. Kaum eine andere Stadt in Europa bietet eine so hohe Dichte an großen Markenmachern der Genussbranche: Lloyd  Azul, Eduscho, Hag, Onko, Tassimo, Jacobs, Melitta, Westhoff, Feodora, Hachez

Bremen - nicht nur Fisch und Wein, sondern auch Kaffee
Bremen, Hachez, Schaufenster

In der Hoch-Zeit des Kaffees ab Anfang der 1920er Jahre gab es um die 250 Kaffeeröstereien in Bremen. Problematisch wurde deren Situation, als die Supermärkte aufkamen und der Kaffeepreis sank; Röstereien fusionierten oder gaben auf.

Mittlerweile scheint sich die Branche im kleineren Maßstab zu erholen. Kaffeeröstereien sind "in" und Manufakturen im Specialty-Coffee-Segment haben Konjunktur, Barista-Seminare sind beliebt.

Manches Kaffeerösterei-Unternehmen ist jung und daher wirken die Produktionsstätten nicht ganz so traditionsreich, wie man es sich in einer alten Hansestadt vorstellt, aber die Stadt Bremen stellt einige auf ihrer Webseite vor. Manche davon bieten Führungen und Verkostungen an.

https://www.bremen.de/leben-in-bremen/kaffeeroesterei

Wer allerdings glaubt, dass man in der Bremer Innenstadt an jeder Ecke auf eine Kaffeerösterei stößt, liegt falsch. Kleine Röstereien oder Barista-Läden, in denen Latte-Art geboten wird, sind im Zentrum eine echte Seltenheit. Selbst wenn man sich auf die bewusste Suche danach macht, findet man kaum etwas und was man findet, ist eher langweilig. Im Johann-Jacobs-Haus gibt es einen sehr schicken Laden, aber er sieht eher aus wie ein Präsentationsraum mit Verkostung. 

Münchhausen, Rösterei, Bremen
Münchhausen, Rösterei, Bremen

Wenn man eine Kaffeerösterei-Tour am Wochenende plant, kommt noch die typisch deutsche Eigenart der Öffnungszeiten hinzu, die eher dem Einzelhandel als der Gastronomie ähneln. 

Man sollte dieses Vorhaben für ein Wochenende lieber knicken. Man steht bei den Kontoren und Röstereien vor geschlossenen Türen. 

Die einzige Kaffeerösterei in der Innenstadt, die man zufällig findet, ist Büchlers Beste Bohne in der Böttcherstraße. 

Büchlers Beste Bohne, Privatrösterei, Bremen
Büchlers Beste Bohne, Privatrösterei, Bremen

Die Böttcherstraße

Expressionismus und Utopie der Weimarer Zeit

Der Verwaltungssitz der Firma Kaffee Hag lag übrigens in der Böttcherstraße 6, einem Haus das Ludwig Roselius, der Gründer der Firma Kaffee Hag, erwarb. Später kaufte Roselius in der Böttcherstraße ein baufälliges Haus nach dem anderen und ließ die gesamte Straße umbauen von den Architekten Eduard Scotland, Alfred Runge und Bernhard Hoettger.

Heute ist die Straße ein hervorragendes Beispiel expressionistischer Architektur. 

Schon 1937 wurde die gesamte Straße unter Denkmalschutz gestellt, obwohl im Dritten Reich diese Kunst kategorisch abgelehnt wurde und als entartet galt.

In der Böttcherstraße findet man noch die alte Original-Buntglasfenster-Werbung von Kaffee Hag.

Kaffee Hag, Glasfenster Böttcherstraße, Bremen
Die Böttcherstraße

Die Böttcherstraße liegt etwas versteckt, aber nur wenige Meter vom Markt entfernt. Links am Schütting vorbei und durch die Schüttingstraße und schon bald sieht man das goldene Relief "Der Lichtbringer" von Bernhard Hoetger, das über dem Eingang zur Böttcherstraße in die Backsteinwand eingelassen wurde.

Der Lichtbringer, Böttcherstraße Bremen

Die Straße besteht aus mehreren Backsteinbauten, die wie ein organisches Ganzes wirken. Arkaden, hervorspringende Gebäudeteile, Nischen, Durchgänge, Türme, Treppen gliedern die Baukörper. Man kann in dem Ganzen nur schwer einzelne Häuser ausmachen, einige wenige nehmen die traditionelle hanseatische Giebelform auf, andere werden durch Arkaden zu einer Einheit verbunden oder wirken organisch miteinander verschmolzen, vielleicht vergleichbar mit der Architektur von Hundertwasser. Die gesamte Straße entstand in der Zeit von 1922 -1931 und gilt als hervorragendes Beispiel expressionistischer Architektur.

Der Geist dahinter entspricht der Zeit des ersten Drittels des 20. Jahrhunderts, als man nach Lösungen für die vielschichtigen Probleme des Kapitalismus und der Industrialisierung suchte. Reformbewegungen und Kulturkritik fanden in dieser Suche ihren Widerhall, Kapitalismus und Kommunismus erschienen vielen als wenig erfolgversprechende Zukunftsperspektiven, Städte galten als Ort verzerrten menschlichen Lebens und der Ruf "Hinaus aufs Land" war angesagt. 

Die Stadt- und Kapitalismusfeindlichkeit und der Kampf gegen Modernität, Liberalität und Rationalität begleiteten diesen Irrationalismus. Der herbei gesehnte formlose, fließende und organische Charakter von Welt, Mensch und Leben fand in der Kunst vor allem im Jugendstil und Expressionismus seinen Ausdruck. Gleichzeitig entwickelte diese Denkweise, beeinflusst von deutsch-romantischen Autoren immer stärkere nationalistische Züge.

Diese Vermischung von Gedankengebäuden kann man heutzutage nur noch schwer nachvollziehen. In der Böttcherstraße findet man den Versuch der architektonischen Umsetzung dieser utopischen Konstrukte.

Die Architekten Alfred Runge, Bernhard Hoettger und Eduard Scotland standen der Heimatschutzbewegung nahe, später wurden Hoettger und Scotland Mitglieder der NSDAP. Ihre Kunstauffassung wurde aber von den Nationalsozialisten keineswegs geteilt, so dass ihre Bauten aufs schärfste verurteilt und zur "entarteten" Kunst gezählt wurden. Die Böttcherstraße wurde dennoch 1937 unter Denkmalschutz gestellt, allerdings nicht, weil man sie würdigen wollte, sondern weil man mit ihr ein besonders abschreckendes Beispiel dessen erhalten wollte, was in der Zeit vor der Machtergreifung als Kultur- und Baukunst betrachtete wurde. Hoetger wurde aus der NSDAP ausgeschlossen.

Auch der Kaffee Hag-Gründer Ludwig Roselius, auf dessen Initiative die gesamte Böttcherstraße überhaupt ins Leben gerufen wurde, stand den Nationalsozialisten nahe. Wie ambivalent die Haltung dieser Person einzuordnen ist, lässt sich anhand seiner Kontakte nachvollziehen. Er verkehrte mit Sozialisten, Hohenzollern, Nationalsozialisten, Juden und ließ mit dem Paula-Modersohn-Becker-Haus in der Böttcherstraße das erste Museum bauen, das ausschließlich einer Frau gewidmet ist. Roselius glaubte an das nordisch-germanische Gedankengut, das sich widerspiegelte in den Ideologien von Julius Langbehn, dem Autor des damaligen Bestsellers "Rembrandt als Erzieher", einer Lektüre, die auch von den Worpsweder Malern gelesen wurde. 

Böttcherstraße, Bremen, Paula-Modersohn-Becker-Haus
Böttcherstraße, Bremen, Paula-Modersohn-Becker-Haus

Das Schnoorviertel

hübsche, kleine, bunte Häuschen

Das Schnoorviertel

Das malerische Viertel ist nur ca. fünf Minuten von der Böttcherstraße oder dem Markt entfernt. Man geht ostwärts, überquert die Balgebrückstraße und gelangt über die "Hohe Straße" oder die Straße "Lange Wieren" in das Quartier und schon bald geht es los mit den kleinen, bunte Häuschen. 

Das Schnoorviertel ist der älteste Teil Bremens, er wurde früher von Handwerkern und Flussfischern bewohnt. Heute finden Touristen dort viele kleine Geschäfte, Kunsthandwerker, einige Restaurants, Cafés und natürlich unzählige Fotomotive.

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Schnoorviertel, Schnoor, Bremen
Schnoorviertel, Schnoor, Bremen
Schnoorviertel, Schnoor, Bremen
Teestübchen, Schnoorviertel, Schnoor, Bremen
Schiffsproviant, Schnoorviertel, Schnoor, Bremen
Schnoorviertel, Schnoor, Bremen
Schnoorviertel, Schnoor, Bremen, Gasthof zum Kaiser Friedrich
Das Ostertorviertel

Das Ostertorviertel

wenn man Kneipen und Restaurants sucht

Wenn man keine Lust auf touristische Brennpunkte wie den Schnoor hat, kann man weiterziehen ins Ostertorviertel, dem Ausgehviertel Bremens.

Auch hierbei gilt, dass man als Auswärtiger dieses Viertel leicht übersieht. 

Der Weg dahin ist denkbar einfach. Vom Markt einfach am Dom vorbei und der Straße Domsheide folgen, die im weiteren Verlauf ihren Namen in Ostertorstraße ändert. Es geht immer weiter geradeaus, die Straße nennt sich jetzt Am Wall und im weiteren Verlauf Ostertorsteinweg. 

Auf dem Weg zum Ostertorsteinweg kreuzt man die ehemalige Wallanlage, die zwischen 1803 und 1811 zu einem Park umgestaltet wurde, der die gesamte Innenstadt umgibt. Ein Spaziergang am Park entlang der Wallanlagen ist eine weitere Option, Bremen kennen zu lernen und Menschen mit einem Faible für schöne Wohngegenden kommen hierbei voll auf ihre Kosten.

Im Park beginnt die Bremer Kulturmeile, bestehend aus der Bremer Kunsthalle, dem sich daran anschließenden, auf beiden Straßenseiten gegenüber liegenden klassizistischen Tor-Ensemble der Ostertorwache. In einem der beiden Gebäude, dem Gerhard-Marcks-Haus ist ein Museum für Bildhauerei untergebracht, im anderen das Wilhelm-Wagenfeld-Haus, benannt nach dem Bremer Bauhaus-Gestalter Wagenfeld, dessen berühmte Wagenfeld-Lampe bis heute in vielen Haushalten, die etwas auf sich halten, steht. Rechts folgt noch das Theater am Goetheplatz und dann beginnt die Kneipenszene mit allen Varianten der Gastronomie. 

Ostertorsteinweg, Bremen
Ostertorsteinweg, Bremen
Sielwall, Ostertorviertel, BRemen
Die Schlachte - Biergartenatmosphäre an der Weser

Die Schlachte - Biergartenatmosphäre an der Weser

Wenn man keine Lust auf alternative Atmosphäre wie im Ostertorviertel hat, gibt es eine weitere Gegend für Gastronomie, die Schlachte. Dort kann man in Biergärten an der Weser sitzen. Man erreicht die Straße, indem man vom Marktplatz recht vom Schütting der Straße "Stintbrücke" folgt. Hinter dem Schütting geht es rechts und alsbald heißt die Straße Bredestraße. Bald sieht man die St-Martini-Kirche und an der Weser, wo das Restaurantschiff Alexander von Humboldt, eine Windjammer von 1906 liegt, beginnt die Schlachte, zunächst als Promenade, aber nach wenigen Gehmetern kommt die Gastronomie. 

 

Der Name "Schlachte" hat übrigens nichts mit "schlachten" zu tun, sondern leitet sich ab von dem Einschlagen von Pfählen zum Zwecke der Uferbefestigung. 

Bremens schöne Wohnviertel und das Bremer Haus

Bremens schöne Wohnviertel

und das typische Bremer Haus

Bremer Haus, Schwachhausen

In Bremen lohnt es sich, das Zentrum zu verlassen und sich die Wohnviertel anzuschauen. Die Bremer Häuser unterscheiden sich stark von anderen Städten, denn es gibt einen speziellen Haustyp, den man in vielen Wohnquartieren findet - das Bremer Haus.

Diese Häuser wurden in Reihenhausbebauung errichtet. Ganze Straßenzüge wurden von Unternehmern in einem Zug gebaut. Eintönigkeit wird durch zahlreiche Details und Architekturelemente vermieden.

Der vorherrschende Stil ist Klassizismus, Historismus und Jugendstil. Die Dächer sind wegen ihrer geringen Neigung und der gleichzeitig hochgezogenen Fassade, also einer Attika, zumeist nicht sichtbar, was den klassizistischen Eindruck verstärkt, da das Gebäude aussieht, als hätte es ein Flachdach. Die Fassade schließt oben oft mit einem Dachgesims ab, ebenfalls einem klassizistischen Schmuckelement.

Bremer Haus, Schwachhausen

Jedes Haus hat eine vorgelagerte Treppe, die vom Vorgarten zur Eingangstür im Hochparterre führt.

Daneben gibt es eine kleine Treppe, die hinabführt zu den Dienstbotenwohnungen im Souterrain . 

Die Vorgärten sind vom Bürgersteig mit schmiedeeisernen Zäunen abgegrenzt. Beliebt sind auch Erker oder Wintergärten bzw. verglaste Veranden vor dem Hochparterre.

Hinter den Häusern gibt es weitere Gärten, teilweise mit altem, hohen Baumbestand.

Das Raumprogramm im Hochparterre besteht zumeist aus zwei großen Räumen, einem zur Straße und einem zum Garten. Sie sind miteinander verbunden, so dass eine Raumflucht durch das gesamte Haus von der Straße bis zum Garten entsteht.

Vom Souterrain gibt es oft einen ebenerdigen Zugang in den Garten, da die Straßen bei der Stadtteilerschießung oft aufgeschüttet wurden.

Wegen der hohen Decken und Holzfußböden sind die Häuser heutzutage sehr gefragt, zumal es sich häufig um ruhige und zentrumsnahe Gebiete handelt.

Schöne Straßenzüge findet man in Schwachhausen, im Ostertorviertel oder in der Neustadt.  

Spaziergänge lohnen sich und schöne Cafés gibt es auch an verschiedenen Stellen. 

Bremen hat eine sehr hohe Wohnqualität.

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Bremer Haus, Schwachhausen
Delmerstr. Flüsseviertel, Bremen
Contrescape, Bremen
Schwachhausen, Bremen
Gründerzeithäuser Schwachhausen Bremen
Neustadtcontrescarpe, Bremen

Bremerhaven

Bremerhaven
Bremerhaven, historische Ansicht
Bremerhaven, Strandhalle
Neuer Hafen, Bremerhaven
Neuer Hafen, Bremerhaven, Alexander von Humboldt
Neuer Hafen, Bremerhaven

Das deutsche Auswandererhaus,

ein Museumsbesuch wie ein Film

Deutsches Auswandererhaus Bremerhaven
Deutsches Auswandererhaus, Bremerhaven

Das Deutsche Auswandererhaus thematisiert die Auswanderung auf dem Seeweg von Bremerhaven nach Amerika, indem man durch inszenierte Ausstellungsäume geht, in denen die Umstände der Auswanderer unmittelbar nachvollziehbar werden. Die Räumlichkeiten sind mit so großer Detailliebe gestaltet, dass man sich fragt, ob Filmausstatter am Werk waren. Während des Gangs durch das Museum erlebt man die gesamte Situation von der Einschiffung über die Überfahrt bis zur Ankunft in der Neuen Welt anhand von rekonstruierten realen Familiengeschichten. Man kann viel hören oder sich einfach nur Details anschauen oder die Stimmung auf sich wirken lassen oder das Konzept des Museums bewundern - die Atmosphäre ist intensiv. Die Halle mit der Hafenszene ist einer der ersten Höhepunkte und vielleicht bleibt sie auch deshalb besonders nachhaltig im Kopf. Man betritt eine nächtliche Hafenszene, der Schiffskai wird durch nostalgische Hafenlampen beleuchtet, eine riesige, genietete Schiffswand ragt aus dem bewegten Hafenwasser auf und am Kai stehen die Auswanderer des 19. Jahrhunderts - schweigend, erwartungsvoll, verunsichert, voller Hoffnung, voller Wehmut  - Man spürt die gemischten Gefühle, die Unumkehrbarkeit der Entscheidung - und ist beeindruckt. Das Ganze wird untermalt von Hafengeräuschen, Metall, dass sich kreischend aneinanderreibt usw.

Danach geht man selbst die Gangway hinauf und verschwindet in dem Schiffsrumpf, wo man dann im Inneren die Umstände der Überfahrt erlebt, die Enge und Armseligkeit der Dritten Klasse, die Krankheiten an Bord, die Strapazen, die hygienischen Verhältnisse, das Husten von virtuellen Passagieren in den engen Schlafsälen.

Deutsches Auswandererhaus, Bremerhaven
Deutsches Auswandererhaus, Bremerhaven
Deutsches Auswandererhaus, Bremerhaven
Deutsches Auswandererhaus, Bremerhaven
Deutsches Auswandererhaus, Bremerhaven
Deutsches Auswandererhaus, Bremerhaven

Schließlich kommt man in Amerika an und erlebt selbst als Besucher fast ein befreiendes Gefühl, eine Erleichterung, dass man es geschafft hat, wenn man endlich in einem New Yorker Gemischtwarenladen steht oder in einem Saloon.

Deutsches Auswandererhaus, Bremerhaven
Deutsches Auswandererhaus, Bremerhaven
Deutsches Auswandererhaus, Bremerhaven
Deutsches Auswandererhaus, Bremerhaven
Deutsches Auswandererhaus, Bremerhaven

Die Auswanderungsziele lagen nicht nur in den USA, sondern auch in Argentinien, Brasilien, Australien und so gingen auch viele Schiffe nach Buenos Aires, Sao Paulo oder Melbourne.

Das Museum wurde 2005 eröffnet und thematisiert die Auswanderung über Bremerhaven, immerhin der größte Auswanderungshafen Europas, über den sieben Millionen Menschen den Weg in die Neue Welt wagten.

Der Rundgang beginnt in einem Nachbau der Wartehalle des Norddeutschen Lloyd, so wie sie nur wenige Meter vom Ort des heutigen Museums zu finden war, nämlich dort, wo heute der Zoo am Meer steht.

Man ist also direkt am Hafen, dort wo sich heute die Touristen tummeln. Früher fanden an diesem Ort die Auswanderungsszenarien statt.

2007 wurde das Museum zum Besten Museum Europas gewählt.

Es beleuchtet einen wichtigen Teil deutscher Geschichte und hat mittlerweile eine Strahlkraft weit über die Grenzen Bremerhavens hinaus. Das Thema betrifft ganz Deutschland und daher ist das Auswandererhaus weniger ein regionales Museum, als vielmehr schon ein nationales Auswanderungsmuseum. 

2012 wurde das Haus durch eine Abteilung zum Thema Einwanderung erweitert, die sich von den Hugenotten bis heute zu den Ukrainern erstreckt. 

Der Eintrittspreis ist mit 18,50 Euro pro Erwachsenem hoch, aber es lohnt sich.

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