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Hell und das Ruhrgebiet im Mittelalter, oben

Der  Hellweg und das Ruhrgebiet im Mittelalter

Ruhrgebiet und Mittelalter

   Ruhrgebiet und Mittelalter?

 

Als ich vor einigen Jahren ins Ruhrgebiet zog, wusste ich nicht viel über die Region - Industrie, Kohle, Stahl - fertig!

Gut, darüber hinaus hatte ich von der vielfältigen Kulturlandschaft gehört, den vielen Universitäten, dass es hier grüner ist, als man denkt, und dass die Zeiten der Schwerindustrie vorbei sind und man sie nur noch in stillgelegten, gut renovierten, alten Produktionsstätten zu sehen bekommt, die mittlerweile Museen sind. 

 

Ich machte, nachdem ich hierhin gezogen war, Ausflüge, um die Gegend kennen zu lernen, fand Relikte des Mittelalters, war von deren kunsthistorischer Bedeutung beeindruckt und wollte mehr wissen.

Nach ersten Eindrücken folgte Recherche, denn manches übersieht man und oft befinden sich die mittelalterlichen Spuren in einer ziemlich verbauten Umgebung, in der sie ihr anachronistisches Dasein fristen. Im Alltagsgeschehen läuft man eilig daran vorbei und eine Art Marketing für das Mittelalter in dieser Region gibt es so gut wie gar nicht, der Fokus liegt beim Ruhrgebiet-Marketing auf Industriekultur.

Man kann es niemandem verdenken, dass man die mittelalterlichen Spuren wenig wahrnimmt, denn die Städte sehen nicht aus wie Dinkelsbühl oder Rothenburg. Wer denkt z.B. bei Dortmund an eine freie Reichs- und Hansestadt von beachtlicher Größe mit einer wehrhaften Stadtmauer?

Und wer denkt bei Essen an ein Kloster, das Verbindungen zum damals mächtigsten Herrscherhaus, den Ottonen hatte, wodurch einer der wertvollsten ottonischen Schätze Deutschlands nach Essen kam, der bis heute nahezu vollständig erhalten ist und in der Champions League der mittelalterlichen Kunst spielt, so dass er es sogar mit den Schätzen von Aachen, Köln, Quedlinburg aufnehmen kann und diese sogar in den Schatten stellt

Irgendwann kristallisierte sich für mich ein roter Faden heraus, der die Region im Mittelalter zusammenband: der Westfälische Hellweg - eine sehr alte Straße, an der die Anfänge der Städte des Ruhrgebiets vor mehr als 1200 Jahren entstanden. Dieser Weg war eine Handelsstraße, eine wichtige Route bei der Christianisierung Sachsens und darüberhinaus auch Dänemarks und Schwedens, eine wichtige Achse bei der Entstehung des Heiligen Römischen Reiches, ein Militärweg, ein Pilgerweg, ein Weg, auf dem die Könige im Mittelalter zwischen Rhein und Weser reisten. Allein diese Aufzählung macht schon klar: Der Hellweg spielte eine Rolle in der damaligen Politik. 

Im Folgenden ist diese Straße eine Art Leitfaden, eine Achse bei der Suche nach dem Mittelalter in dieser Region.

Die Eckpunkte dieses Spannungsfeldes reichen von Aachen bis Corvey und von Karl dem Großen bis zu Ludwig dem Frommen.

Meine Reise auf dem Hellweg wurde zu einem Road Trip mit immer neuen Überraschungen,  interessanten Entdeckungen und irgendwann nahm ich die Umgebung eher wahr wie ein mittelalterlicher Reisender, dessen Landkarte ganz andere Schwerpunkte hatte als die eines heutigen Reisenden. Auf geht's.

Was ist der Hellweg?

Was ist der Hellweg?

Bei meinen Ausflügen durch das Ruhrgebiet, die Soester Börde und weiter Richtung Osten, begegnete mir die Bezeichnung "Hellweg" in allen Varianten und der Name lebt.

Der Weg ist ca. 5000 Jahre alt und verläuft ziemlich geradlinig von Westen nach Osten.

Aber die Frühgeschichte soll hier nicht interessieren; spannend fürs Ruhrgebiet wird es mit der Christianisierung. Zunächst wurden am Hellweg von den Franken ab dem 9. Jahrhundert Reichs- und Königshöfe gegründet, die zu Keimzellen späterer Städte wurden. Diese Höfe waren immer in einer Entfernung auseinander gelegen, die ein Heer an einem Tag zurücklegen konnte, was etwa einer Strecke zwischen 15-30 Kilometer entsprach. Duisburg, Mülheim, Essen, Bochum, Dortmund und über das Ruhrgebiet hinaus Werl, Soest, Paderborn, Corvey usw. verdanken ihre Existenz den Höfen am Weg. 

Sie sind aufgereiht wie auf einer Schnur und haben wenig Abstand zueinander. Im Westen des Weges zwischen Duisburg und Dortmund führte der geringe Abstand der Siedlungen dazu, dass die Städte während ihres Wachstums in der Industrialisierung miteinander verschmolzen, bis ihre Stadtgrenzen kaum mehr wahrnehmbar waren, und sie zum Ballungsraum Ruhrgebiet wurden. 

Heutzutage hat die A40, der Ruhrschnellweg, die Funktion des Hellwegs übernommen, die Städte fast gradlinig von Ost nach West miteinander zu verbinden. Allerdings liegt die Autobahn nicht auf der Route des alten Weges, denn dieser führt immer mitten durch die Stadtzentren, oft sogar durch die Fußgängerzonen.

Bei meiner Fahrt wollte ich so oft wie möglich auf dem historischen Hellweg fahren, also ließ ich die Autobahn links liegen.

Wem die ganze Vorgeschichte mit Römern, Christianisierung, Karl dem Großen etc. zu langweilig ist, klickt HIER. Dann gelangt man direkt zum Beginn des Hellwegs nach Duisburg.

Von Rom und Aachen

Das römische Imperium und das Christentum

 

Fangen wir ganz im Westen an, denn die christlich-römsche Zivilisation kam aus germanischer Perspektive vom Westen. Die Römer hatten ihre Städte linksrheinisch, also westlich des Rheins gegründet - Köln, Mainz, Koblenz, Worms, Xanten, Trier usw.

Das Christentum wird römische Staatsreligion

Nachdem im Jahr 380 n. Chr. unter der Regentschaft des römischen Kaisers Konstantin das Christentum zur Staatsreligion erhoben worden war, wurde das gesamte Imperium christlich und einige der römischen Städte wurden Bischofssitze. Zur Verbreitung des Christentums waren die Infrastruktur und Administration der Römer förderlich. Was für manche wie ein Antagonismus klingt - auf der einen Seite das römische Imperium, auf der anderen das Christentum - war in der Spätantike, spätestens seit Konstantin  kein Gegensatz mehr. Rom wurde christlich und die Christen waren römisch. 

Germanien blieb zunächst unerobert und heidnisch  

Östlich des Rheins lag Germanien, das nicht zum Römischen Territorium gehörte, folglich nicht die römische Staatsreligion hatte und daher nicht christlich war. Seit der Varusschlacht im Jahr 9 n. Chr., die für die Römer mit einer verheerenden Niederlage endete, hatten die Römer vorsichtshalber von weiteren Eroberungsversuchen Germaniens abgesehen.

Zwischen 370 bis 570 zogen Völkerwanderungen über das Abendland hinweg. 

Wann sich das Volk der Franken mit einer eigenen Identität entwickelte, ist ungewiss, aber im 8. Jahrhhundert erschien Karl der Große, der bekannteste und wichtigste Frankenkönig, auf der Weltbühne. Er wurde als erster Nordwesteuropäer zum römischen Kaiser gekrönt. Dieser Akt geschah am Weihnachtstag im Jahre 800 und wurde vom Papst in Rom vorgenommen.

Karl schaffte während seiner Regentschaft das, was den antiken Römern nicht gelang, er eroberte Germanien bis an die Elbe und Saale

Der Aachener Dom

Aachen war Karls Lieblingspfalz und er ließ sie entsprechend repräsentativ ausbauen. Die Pfalzkapelle war Ausdruck seines Machtanspruchs, seine Erbauer orientierten sich an der Kirche San Vitale in Ravenna sowie an byzantinischer Architektur. Der oktogonale (also "achteckige") Bau, der unter Karls Regentschaft entstand, ist der zentrale Teil des heutigen Doms. Er hat heute ein kuppelähnliches Dach, das von außen einer Zitronenpresse ähnelt. Der hohe Turm westlich davon (das Westwerk) wurde ebenfalls schon zu Karls Zeiten gebaut, aber auch er sah anfangs anders aus als heute, er wurde erhöht und bekam das spitze Dach. Überhaupt wurde manches an dem Dom über die Jahrhunderte angebaut - der gotische Chor, barocke Kapellen usw. 

Aachener Dom

Aachener Dom, der wichtigste und älteste Teil der Kirche ist der achteckige Zentralbau mit der Kuppel. Der Turm links, das Westwerk ist ebenfalls aus karolingischer Zeit. Beide Gebäudeteile wurden im Laufe der Jahrhunderte stark verändert durch Anbauten und Ergänzungen.

Das Innere des Oktogons ist in drei Etagen (Zonen) gegliedert, die in der ersten und dritten Zone von Rundbögen abgeschlossen werden und damit eine Kontinuität antik-römischer Architektur zeigen. In jeder der acht Seiten des Achtecks wurden in der zweiten und dritten Zone jeweils zwei römische Säulen eingefügt, insgesamt also 32 Säulen, die aus Rom importiert wurden, um Karls römisch-imperialen Anspruch auszudrücken. Sie haben keine baustatische Funktion, sie dienen nur der Zierde bzw. der Macht-Demonstration. Römische Säulen standen für römisch-imperialen Anspruch. Napoleon ließ sie im 19. Jahrhundert entwenden und nach Paris bringen - ebenfalls aus imperialem Anspruch. Später kamen einige Säulen zurück nach Aachen, andere blieben in Paris, weil sie im Louvre mit baustatischer Funktion eingebaut worden waren, sie wurden in Aachen durch Repliken ersetzt. Das Mosaik unter der Kuppel war schon zu Karls Zeiten im Dom. Der Barbarossaleuchter wurde erst viel später vom Stauferkaiser Friedrich I. hinzugefügt. Das Mosaik und der Leuchter sowie die Konzeption eines Zentralbaus mit zwei emporenartigen Etagen geben dem Dom eine gewisse byzantinische Wirkung. 

Man empfindet im Aachener Dom einen Hauch von Orient.

Aachener Dom, Blick ins Oktogon
Aachener Dom

Aachener Dom

Der Aachener Dom war jahrhundertelang die Krönungskirche der deutschen Könige. Bis 1531 fanden dort 31 Krönungen statt. Unten auf dem Foto ist der Thron zu sehen, auf dem die zuvor in Frankfurt frisch gewählten Könige während der Zeremonie Platz nahmen, bevor sie weiterreisten nach Rom, um dort vom Papst zum Kaiser gekrönt zu werden. Der Thron ist auffallend schlicht und unbequem, wodurch Demut des Königs gegenüber Gott gezeigt werden sollte. Seine Steinplatten stammen aus Jerusalem, also direkt aus dem Heiligen Land, wodurch die christliche Ausrichtung der weltlichen Herrschaft unterstrichen werden sollte.

Übrigens war das Heilige Römische Reich nach 1531 nicht beendet, sondern alle weiteren Krönungen fanden ab dann im Frankfurter Dom statt.

 

(Willst du mehr über das Verfahren wissen, wie man in Deutschland König und damit zugleich römischer Kaiser wurde? Klick hier. Auf der Seite über Frankfurt steht es genauer.)

Aachener Dom Thron

Der Thron auf der Empore des Doms. Hier wurden die deutschen Könige gekrönt. Nach der Krönungszeremonie ging es weiter nach Rom, wo man zum Römischen Kaiser durch den Papst gekrönt wurde. Der Thron sieht schlicht aus, um die Demut vor Gott zu symbolisieren.

Karl der Große

Karl gilt als eine der wichtigsten Herrscherfiguren des Abendlandes. Sein Frankenreich brachte Stabilität, die er nutzte, um einige römische Errungenschaften neu zu beleben. Er gilt als Begründer der karolingischen Renaissance, der Wiederbelebung römischer Kultur. Dabei spielten Bildung und Architektur eine tragende Rolle. Der Aachener Dom ist im Bereich der Architektur das besterhaltene Beispiel. Bildung war damals nicht in einem heutigen demokratischen Sinne zu verstehen - umsonst und für alle - sondern es war eine höfisch-geistliche Bildung ausschließlich für die Oberschicht, die in Klöstern und Universitäten gelehrt wurde. Zu Karls Reformen gehörte auch die Einführung der karolingischen Minuskel, eine vereinheitlichte Schrift, aus der unsere heutigen kleinen Buchstaben hervorgegangen sind.

Karl erobert Sachsen und dehnt das Christentum nach Osten aus

Karl wollte Germanien christianisieren, doch dazu musste er es zuerst unterwerfen. Er brachte das Christentum nach Osten, indem er Kriege gegen die Germanen führte, bei denen er erfolgreich war. Der Stamm der Sachsen war besonders hartnäckig und widerspenstig, aber in den Sachsenkriegen, die als wichtigste und langwierigste Kriege während Karls Regentschaft in die Geschichte eingingen, siegte Karl letztendlich. Übrigens lebten die Sachsen damals im Gebiet des Stammesherzogtums Sachsen, das sich erstreckte auf das heutige Westfalen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein sowie Ostfalen, also dem Teil Sachsen-Anhalts, der bis an die Elbe reicht. Keinesfalls hat das Sachsen, von dem hier die Rede ist, etwas mit dem heutigen Bundesland Sachsen zu tun. (Wenn du Genaueres über das Stammesherzogtum Sachsen wissen möchtest, klick hier.)

Der Gegenspieler von Karl in den Sachsenkriegen war übrigens der Sachsenkönig Widukind (auch Wittekind genannt), von dem sich der Beiname Wittekindsland für die Stadt Herford ableitet, in deren Nähe sich in der Stadt Enger das Widukindmuseum befindet. 

Was hat alles das mit dem Ruhrgebiet zu tun?

Das Territorium der Sachsen dehnte sich bis weit nach Westen aus. Es reichte fast bis an den Rhein und wie gesagt, war es Karl, der den Hellweg nutzte, um auf ihm Richtung Germanien, nach Alt-Sachsen vorzudringen, mit dem geistlichen Ziel das Christentum zu verbreiten, aber auch ganz weltlich, um das Territorium zu vergrößern. Geradewegs führte der Hellweg nach Sachsen hinein und bahnte dem Christentum den Weg - mit Waffen. 

Duisburg und der Beginn des Hellwegs

Duisburg, der Beginn des Hellwegs

 

Am Anfang des Hellwegs in Duisburg ahnt man überhaupt nicht, dass man auf frühmittelalterlich genutztem Terrain steht. Straßenbezeichnungen in der Altstadt wie Sonnenwall, Kuhlenwall, Springwall, Burgplatz, Flachsmarkt, Alter Markt, Abteistraße, Karmelplatz, Schwanentor und Kuhtor erinnern noch daran, aber der Begriff Altstadt ist etwas irreführend für diejenigen, die sich darunter einen Ort mit historischer Bebauung vorstellen. Es gibt kein einziges Gebäude, das irgendwie ans Mittelalter erinnert. Es gibt nur noch Stücke der alten Stadtmauer, z.B. am Springwall und Am alten Wehrgang.

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Die ehemalige Stadtmauer mit dem Koblenzer Turm an der Straße "Am alten Wehrgang" lag im Mittelalter direkt an den Ufern des Rheins. 

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Illustration von Roger Mayrock, auf der Infotafel zu "Duisburger Hafen im Mittelalter", herausgegeben von der Stadt Duisburg, der Unteren Denkmalschutzbehörde und der Stadtarchäologie

So wie auf der obigen Illustration wird das Rheinufer vor Duisburgs Stadtmauern im Mittelalter ausgesehen haben. 

Die Duisburger Altstadt lag direkt am Rhein, der vor ca. 1000 Jahren seinen Lauf änderte, wodurch die Stadt nur noch durch einen Altrheinarm mit dem Fluss verbunden war.

Der Rheinarm ist heute der Duisburger Innenhafen, ein Gebiet mit vielen Restaurants, modernen Bürogebäuden und Museen, alten Industriebauten wie Mühlen, Speichern und Kränen, die bewusst als Relikte der ehemaligen Nutzung stehen gelassen wurden. 

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Am Calaisplatz am Schwanentor ist dieser letzte Rest der mittelalterlichen Stadtbefestigung zu finden. Von diesem Turm aus konnte im Mittelalter der Hafenbetrieb kontrolliert werden.

Neben dem Turm befand sich das Schwanentor, ein breiter Torturm mit einem vorgelagerten Zwinger. Früher war dies der Zugang zum Rheinhafen. 

Heute führt von dort eine Brücke der 50er Jahre über den Binnenhafen.

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Die Schwanentorbrücke, ein Bauwerk der 50er Jahre

Der fränkische Königshof war dort, wo heute das Rathaus steht. Die Salvatorkirche wurde im hohen Mittelalter an der Stelle gebaut, wo die Kapelle des Königshofs stand.

Im Osten verließ man die Altstadt durch das Kuhtor. Wer dort heute noch ein Tor erwartet, liegt falsch. Es gibt stattdessen einen Bunnen, Bestandteil der sogenannten Brunnenmeile, die auf der Königsstraße, der Haupteinkaufsstraße, verläuft.

 

Die Königstraße ist lang, verläuft exakt auf der Route des alten Hellwegs und führt schnurgerade vom Kuhtor zum Hauptbahnhof, wo sie heute endet. Der Hellweg setzte sich natürlich fort, aber ab dem Bahnhof heißt er heute Mülheimer Straße und verschwindet erst einmal in einer Unterführung unter den Bahngleisen, wo er auf der anderen Seite in eine große Kreuzung mündet, von der es weiter ostwärts, immer noch Mülheimer Straße genannt, in Richtung eben dieser Stadt geht.

Der gesamte Verlauf des alten Hellwegs führt fast gradlinig durch Duisburg. Man kann auf der Karte ein Lineal anlegen und sieht den Verlauf vom Kuhtor (sogar vom Schwanentor) zum Bahnhof deutlich. Dort macht der Hellweg einen leichten Knick und verläuft weiter fast gradlinig Richtung Mülheim. Wenn man in der Stadt unterwegs ist, merkt man von alledem nichts. Verkehrskreuzungen, Übergänge von der Fußgängerzone in verkehrsreiche Straßen, die Unterführung usw. machen den Verlauf heutzutage sehr unübersichtlich. 

Auf der Abbildung (Plan von Johannes Corputius von 1566) unten sieht man Duisburg. Diese Ansicht ist nicht genordet. Deutlich ist die Salvatorkirche zu erkennen, mit der man wie mit allen mittelalterlichen Kirchen die Himmelsrichtung bestimmen kann, da der Altar immer nach Osten, also dem Heiligen Land ausgerichtet ist. Der Turm über dem Haupteingang der Kirche liegt demnach im Westen. Man müsste die Karte also um ca. 90 Grad im Uhrzeigersinn drehen, um eine genordete Ausrichtung zu sehen.  

Das Schwanentor ist auf dieser Ansicht unten deutlich erkennbar, das Kuhtor liegt oben in der Stadtmauer fast genau über der Kirchturmspitze.

Den Link zu der Karte findest du hier.

Duisburg, Corputius-Plan
Mülheim an der Ruhr

Mülheim an der Ruhr

Der Hellweg heißt von Duisburg kommend Mülheimer Straße, führt immer geradeaus nach Osten und heißt ab Mülheim-Speldorf Duisburger Straße. Bevor man im Zentrum Mülheims ankommt (und damit ist das mittelalterliche Zentrum gemeint, das entsprechend klein ist und direkt an der Ruhr liegt), überquert man die Schlossbrücke, wo es eine Furt in der Ruhr gab, die früher als Übergang für den Hellweg genutzt wurde. Diese Stelle wurde durch eine Veste am linken Ruhrufer gesichert, die im 9. Jahrhundert eindringende Normannen abwehren sollte. Sie ist in Teilen der älteste erhaltene Wehrbau aus spätkarolingischer Zeit nördlich der Alpen.

Man kann die Burg, die heute Schloss Broich heißt, von außen besichtigen. Der Schlosshof ist von März bis Oktober von 8 - 20 Uhr geöffnet, von November bis Februar von 8 - 18 Uhr.  Heutzutage wird die Burg für allerlei Veranstaltungen genutzt, man kann Räumlichkeiten für Hochzeiten mieten, es gibt etliche Veranstaltungen im Laufe eines Jahres wie ein mittelalterliches Pfingstspektakulum, das Raffelberger Ritterspektakel im September, einen mittelalterlichen Weihnachtsmarkt usw. 

Mülheim, Schloss Broich
Mülheim, Schloss Broich
Mülheim, Schloss Broich
Mülheim, Schloss Broich

 

Auf der östlichen Seite der Ruhr befindet sich der Kirchenhügel bei der Petrikirche, dort beginnt die Altstadt Mülheims, die immer noch sehenswert ist. Bei einem Bombenangriff 1943 gingen 77 Prozent der Bausubstanz verloren. Der Wiederaufbau vermittelt noch eine Idee von dem ehemaligen Erscheinungsbild der Stadt. Erhalten sind ein paar Häuser rund um den Tersteegenhügel und die Petrikirche. Ohne die Zerstörung sähe Mülheims Altstadt heute ähnlich aus wie Hattingen. 

Der Hellweg verläuft heute als Leineweberstraße schnurgerade mitten durch die Altstadt von Mülheim unterhalb des Tersteegenhügels. Die Grenzen der Altstadt kann man an Straßenbezeichnungen wie etwa Wallstraße erkennen.

Mülheim, Altstadt
Mülheim, Altstadt

Altstadt Mülheim a.d. Ruhr

Mülheim, Altstadt

Kloster Saarn

Mülheim an der Ruhr hat noch mehr zu bieten: Wenn man die Ruhr flussaufwärts fährt, kommt man in den schön gelegenen Stadtteil Saarn. Damit verlässt man zwar den Hellweg, aber es ist interessant, denn südlich von der Route gibt es auch Mittelalterliches zu sehen, zwar nicht so alt wie die Festung, aber immerhin.

 

Ein weiterer Grund ließ für mich den Süden des Ruhrgebiets interessant werden: Der Ost-West-Verlauf des Hellwegs warf die Frage auf, warum die Straße orthogonal zum Rhein verläuft, obwohl die bedeutenden Städte, von denen die Impulse nach Osten ausgingen, Aachen und Köln, südlich lagen. Warum musste man früher zuerst den gesamten Rhein entlang nordwärts reisen, um ab Duisburg den Hellweg Richtung Osten zu nehmen? Es wäre doch viel einfacher gewesen, direkt diagonal und nordöstlich zu reisen, was eine Abkürzung auf dem Weg nach Osten gewesen wäre. Heutzutage fährt man mit dem Auto von Köln auch nicht bis Duisburg und dann nach Dortmund, sondern man nimmt die Diagonale, die über Wuppertal führt

Es gab mehrere dieser diagonalen Straßen, aber sie waren nicht so gut ausgebaut wie die alten Römerstraßen, die am Rhein entlang liefen. Die linksrheinische Seite war römisches Territorium und entsprechend schon seit langem mit besserer Infrastruktur versehen. Aber auch an den diagonal verlaufenden Straßen von Köln nach Essen und Dortmund entstand einiges wie z.B. das Zisterzienserkloster Saarn, das seit dem 13. Jahrhundert existierte, aber auch mancher Ort wie Mettmann, ein ehemaliger Königshof, Werden, ein ehemaliges Kloster oder Beyenburg in Wuppertal. 

Kloster Saarn, Mülheim
Kloster Saarn, Mülheim
Kloster Saarn, Mülheim
Kloster Saarn, Mülheim
Kloster Saarn, Mülheim
Kloster Saarn, Mülheim
Essen

Essen Kettwig

Da ich schon an der Ruhr war, wo das Mittelalter einige Spuren hinterlassen hatte, nahm ich mir vor, gleich nach Kettwig weiterzufahren und den Hellweg vorübergehend beiseite lassen. Kettwig, der malerische, kleine Ort gehört erst seit 1975 zu Essen, erstmalig erwähnt wurde er 1052. Die Ruhr bildete im Mittelalter die Grenze zwischen dem Territorium der Grafen von Berg sowie der Abtei Essen und der Reichsabtei Werden. Kettwig war also eine Grenzstadt.

Heute ist dieser südliche Essener Stadtteil ein beliebter Ausflugsort - die gemächliche, breite Ruhr, die hügelige Landschaft, eine kleine Altstadt mit geschlossener historischer Bebauung und etliche Gastwirtschaften lassen so etwas wie Urlaubsstimmung aufkommen.

Essen Kettwig
Essen Kettwig
Ruhr bei Essen Kettwig
Essen Kettwig
Essen Kettwig
Ruhrtal zwischen Kettwig und Werden
Essen Kettwig
Essen Kettwig

Ich entschied mich für die Weiterfahrt im Ruhrtal zu bleiben, denn Werden an der Ruhr ist nicht weit und sehenswert. Also ging es durch das grüne Ruhrtal vorbei an Pferdehöfen. 

 

Werden

In Werden stößt man auf die B224, die Alte Kölnische Landstraße, die von Mettmann kommend nach Essen führt. Hier überquert sie die Ruhr, um dann in nördlicher Richtung durch den waldreichen Stadtteil Bredeney zum Essener Zentrum zu führen. Ins Essener Zentrum wollte ich auf jeden Fall, womit ich auch wieder direkt auf dem Hellweg wäre.

Zu Werden folgen irgendwann noch Ergänzungen.

 

St.Ludgerus Essen Werden
St. Lucius, Essen Werden
Markt, Essen Werden

Rellinghausen

Ich folgte der B224, aber bevor es nach Essen ging, entschied ich mich für einen Abstecher zum ehemaligen Damenstift Rellinghausen. Dazu geht es in Bredeney rechts ab auf die Frankenstraße, die von dort ziemlich gradlinig durch den Stadtteil Stadtwald führt. Die Gegend sieht wohlhabend aus, dort wohnten Industrielle und Großunternehmer wie Berthold Beitz, Heinz-Horst Deichmann und die Aldi-Brüder. 

Die Frankenstraße führte mich geradewegs nach Rellinghausen, das im Jahr 947 in einer Urkunde Ottos des Großen als Unterpfarrei von Werden erstmalig erwähnt wurde. 1996 feierte das Stift sein tausendjähriges Bestehen. Die Gründer waren vermutlich die Grafen von Berg, auf deren Territorium das Stift für Damen des unteren Adels lag.

Die Gegend um das Stift ist beschaulich, fast ländlich mit ein paar Fachwerkhäusern, altem Baumbestand und der Stiftskirche St. Lambertus. 

Essen Rellinghausen
Essen Rellinghausen
Essen Rellinghausen
Altes Stiftshaus, Rellinghausen
Altes Stiftshaus, Rellinghausen
Altes Stiftshaus, Rellinghausen

Essen

Von Rellinghausen ging es weiter ins Essener Zentrum.

Essens Ursprung war die Gründung eines freiweltlichen Klosters für Damen des Hochadels im Jahre 850 durch den Hildesheimer Bischof Altfrid, dessen Grab man heute im Essener Dom in der nach ihm benannten Ostkraypta sehen kann. Das Kloster wurde gegründet auf Altfrids Gut Asthnide, das am Kreuzungspunkt des Hellwegs und der Strata Coloniensis lag, die Essen und Köln verband und über Werden führte.

Nach mehreren Um- und Neubauten des Doms entstand schließlich der ottonische Bau, von dem heute noch weite Teile erhalten sind. Die bedeutendste Äbtissin von Essen war Mathilde II., eine Enkelin von Otto dem Großen (Otto I.). Unter ihrer Leitung erhielt das Stift bedeutende Kunstschätze. Mathilde wurde schon als Kind dem Stift zur Erziehung übergeben, vermutlich mit der Absicht, sie später zur Äbtissin zu machen. Sie war eine Prinzessin aus dem Hause der Ottonen, was das Essener Stift deutlich aufwertete. Hinzu kam, dass das Essener Stift reichsunmittelbar war und damit in weltlichen Fragen nur dem Kaiser unterstand, in geistlichen Fragen dem Papst. Damit war in frühmittelalterlicher Zeit Essen neben Gandersheim und Quedlinburg eines der bedeutendsten Stifte des Reichs. Die Nachfolgerin von Äbtissin Mathilde war Theophanu, die nicht zu verwechseln ist mit Theophanu aus Byzanz, der Kaiserin, die mit Kaiser Otto II. verheiratet war. Aber die Theophanu, die Äbtissin in Essen war, war eine Enkelin von Otto II. und Theophanu aus Byzanz und wurde auch nach ihrer Großmutter benannt. (Möchtest du wissen, wer Theophanu aus Byzanz war? Sie war für das mittelalterliche Deutschland eine bedeutende Person. Klick hier.)

Das Essener Stift war eng verbunden mit dem bedeutendsten Herrscherhaus im Abendland, den Ottonen.

Der ottonische Schatz des Klosters, der heute dem Bistum gehört, ist einer der bedeutendsten Deutschlands. Trotz aller Widrigkeiten der Geschichte grenzt es an ein Wunder, dass von ihm nur wenig verloren ging und er in seiner Gesamtheit fast erhalten blieb. 

Die Domschatzkammer zeigt den Schatz, begreift sich aber nicht als Museum, sondern als Aufbewahrungsort für liturgische Objekte, die teilweise noch in Gottesdiensten verwendet werden. 

Ottonische Kunst wäre ohne die Heirat Ottos II. mit einer Byzantinerin nicht denkbar gewesen. Die Kunstfertigkeit des Goldtreibens, der Ornamentik etc. wurden durch Theophanu von Byzanz in das Heilige Römische Reich importiert.

Man sollte in der Domschatzkammer unbedingt das Otto-Mathilde-Kreuz ansehen und die Kinderkrone, die Otto III., Sohn von Kaiserin Theophanu, trug, als er als Dreijähriger zum Mitkönig gekrönt wurde. Außerdem ist im Dom die älteste rundplastische Madonna aus dem Jahr 980 zu sehen, die Goldene Madonna, eine Holzfigur, die mit Goldblech überzogen ist. Manche vermuten, dass die kleine Krone vielleicht für diese Madonna gemacht wurde. Aber eine solch aufwendige Lilienkrone für eine Skulptur? Für welchen Zweck die Krone angefertigt wurde, ist nach dem heutigen Wissensstand nicht eindeutig zu beantworten. Aber der Gedanke, dass es die Kinderkrone für Otto III. war, späterer Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, ist nicht widerlegbar, werbeträchtig und eine der romantischen Geschichten, die Touristen gern suchen.

In der Johanneskapelle, die direkt an der Fußgängerzone, der Kettwiger Straße, gelegen und dem Münster vorgelagert ist, findet man aus dem späten Mittelalter zwei Flügel eines Altars von Bartholomäus Bruyn, dem Älteren, dessen Werke auch in Kalkar, Xanten, Wesel und Köln zu sehen sind. Allerdings ist die Kapelle ziemlich dunkel und das Bild verschwindet ebenfalls in einer schwach ausgeleuchteten Ecke, so dass man sich eine bessere Präsentation für ein Hauptwerk des Künstlers wünschen würde.

(Willst du mehr über Künstler des Niederrheins wissen? Klicke hier, dann geht's zum Niederrhein.)

dom-essen.de

domschatz-essen.de

Essen, Domschatz
Blick aufs Säulengitterim Essener Dom
Essener Dom, Siebenarmiger Leuchter

Essener Dom, Siebenarmiger Leuchter vor der Westapsis und Emporen nach dem Vorbild des Aachener Doms

Essener Domschatz, Theophanukreuz

Essener Domschatz, Theophanukreuz

Essener Domschatz, Kreuznagelreliquiar

Essener Domschatz, Kreuznagelreliquiar

Essener Dom, Kinderkrone Otto III.

Essener Domschatz, Kinderkrone Otto III.

Essener Dom, Kreuzgang
Altartafeln von Bartholomäus Bruyn, dem Älteren

Altartafeln von Bartholomäus Bruyn, dem Älteren

Steele

Steele

Südöstlich vom Essener Zentrum liegt der Stadtteil Steele. Der Ort wurde im Jahre 840 erstmalig erwähnt, der deutsche Kaiser Otto I. hielt dort 938 einen Hoftag ab. Heute wird Steele von der beeindruckenden Barockfassade der Fürstin-Franziska-Christine-Stiftung geprägt. Den Komplex kann man aber nicht besichtigen, er wurde im 18. Jahrhundert als Waisenhaus gegründet und dient bis heute als solches. Im Zentrum Steeles gibt es den Kaiser-Otto-Platz, der an die lang zurückliegenden Geschehnisse erinnert, ein paar Gründerzeithäuser, Cafés, Geschäfte, so dass Steele eine kleinstädtische Gemütlichkeit und Geschäftigkeit ausstrahlt. 

Kaiser-Otto-Platz, Essen Steele

Essen Steele

 

Ansonsten gibt es nicht viel zu besichtigen, wenn man auf den Spuren des Mittelalters wandelt.

Alt-Steele war eine Fachwerkstadt wie Kettwig, Mühlheim oder Hattingen. Diese Altstadt wurde nicht im Krieg zerstört, sondern verschwand im Zuge der ersten Flächensanierung Deutschlands ab 1964. Heute würde man so eine Altstadtbebauung nicht nicht mehr abreißen. Literaturempfehlung dazu: Tim Schanetzky: Endstation Größenwahn, Die Geschichte der Stadtsanierung in Essen-Steele. Schade, es wäre nicht nötig gewesen und heute würde man mit einer malerischen Altstadt vermutlich Besucher anziehen.

 

Wenn man den heutigen sogenannten Altstadtbereich verlässt, wirkt Steele eher wie ein Verkehrsknotenpunkt mit S-Bahnhof, groß ausgebauten Straßenkreuzungen, Betonbrücken, die in die kleine Stadt geknallt wurden, Tankstellen, Parkhäusern, Hochhäusern. Der Name Steele hat übrigens nichts mit Steel oder Stahl zu tun, wie der auswärtige Besucher vielleicht vermutet, weil er seinen Fokus im Ruhrgebiet auf die Industrie richtet. Es ist ein altes germanisches Wort, auf das unser heutiges Wort "steil" zurückzuführen ist. Immerhin geht die Bochumer Landstraße von Steele bergan, was man als steil bezeichnen könnte. Andere Quellen sagen, dass der Kirchberg gemeint ist, der allerdings nicht gerade einen besonders steilen Eindruck macht mit seinen wenigen Treppenstufen, die zur Kirche hinaufführen.

In Steele verläuft der Hellweg sehr nah an der Ruhr und da der Ort nicht genug Mittelalterliches hergibt, empfiehlt sich ein Abstecher in den Gasthof Haus Großjung, der direkt an der Ruhr liegt. Der hat zwar auch nichts mit dem Mittelalter zu tun, aber er ist ein schöner Ausflugstipp, um die Beschaulichkeit des Ruhrtals zu erleben. Ca. drei Kilometer vom Zentrum Steeles entfernt, erreicht man ihn, nachdem man durch ein weniger schönes Industriegebiet gefahren ist. Idylle und schnöde Realität liegen im Ruhrgebiet oft dicht beieinander.

Haus Großjung ist ein alter Hof mit Biergarten unter alten Linden und Trauerweiden, der ein bisschen urig wirkt und direkt an einer Fußgängerpontonbrücke gelegen ist. Er ist ein beliebtes Ausflugsziel für Rad- und Kanufahrer (Stand 2020).

Ruhr bei Steele
Ruhr bei Steele
Ruhr bei Steele
Haus Großjung, Essen Steele
gemächlicher Feierabend an der Ruhr

Von Steeles Zentrum verläuft der Hellweg durch ein Wohngebiet Richtung Wattenscheid. Bei Essen Freisenbruch gelangt man auf die Bochumer Landstraße, die im weiteren Verlauf zum Wattenscheider Hellweg wird. Sobald man das Ortsausgangsschild Essen passiert hat, führt die Strecke durch Felder auf einer Art Höhenrücken mit Fernsicht und man hat für einen Moment das Gefühl, das Ruhrgebiet hinter sich gelassen zu haben und spürt die Weite einer ehemaligen Fernstraße. Dieser Moment währt allerdings nur einen Kilometer lang, dann ist man schon in Wattenscheid.

Wattenscheid
Hellweg bei Wattenscheid

Wattenscheid

Unmittelbar nachdem man das Ortseingangsschild von Wattenscheid passiert hat, erreicht man die Pilgerkapelle St. Bartholomäus und daneben das Wirtshaus Kümmel Kopp. Die Straße heißt jetzt Wattenscheider Hellweg.

Kümmel Kopp ist die nachweisbar älteste Gastwirtschaft im Ruhrgebiet. Der Lokal-Standort soll fast 470 Jahre existieren. In einem Bericht, den der Heimatkundler Eduard Schulte in der Wattenscheider Zeitung vom 24. Mai 1952 veröffentlichte, heißt es: "Damals fanden im Hackmanns Hofe - wie Kopp auf Staleicken noch heute im Volksmund heißt - richterliche Konferenzen in kaiserlichen Appellationen statt. Mit gutem Grunde kann man annehmen, dass dort schon viel früher Reisende des uralten Hellweges, der Hauptverkehrsstraße zwischen Niederrhein und Elbe, versorgt wurden." usw. Nachzulesen in einem Bericht neueren Datums über den Bericht von 1952 in der WAZ vom 21. Juli 2020.

Die Kapelle nebenan, die Bartholomäuskapelle, gehörte zu einem Pilgerhaus und Hospital. Sie wurde bereits 1364 von Dietrich von der Leythen von der nahegelegenen Burg Leiten gestiftet. Der Hellweg war nicht nur eine Handels- und Militärstraße, sondern auch eine Pilgerstraße nach Santiago de Compostela. Vor der Bartholomäuskapelle steht eine kleine Steele mit der Jakobsmuschel, dem Zeichen des Jakobsweges. Die Kapelle wird übrigens jeden Morgen um sechs Uhr geöffnet und abends um sechs Uhr wieder geschlossen.

Kümmel Kopp und Batholomäuskapelle am Hellweg, Watttenscheid

Kümmel Kopp und Batholomäuskapelle am Hellweg, Watttenscheid

Jakobsmuschel vor der Bartholomäuskapele am Hellweg bei Wattenscheid

Jakobsmuschel vor der Bartholomäuskapelle am Hellweg bei Wattenscheid

Der Hellweg bei Wattenscheid im Sonnenuntergang

Der Hellweg bei Wattenscheid im Sonnenuntergang

Gegenüber von der Kapelle und dem Gasthaus führt der Sevinghauser Weg zum Helfs Hof. Man verlässt den Hellweg, fährt in den besagten Weg und sobald es nicht mehr weitergeht, biegt man links in die Straße "In den Höfen". Es folgt eine ziemlich unsanierte, schmale Straße, man muss den Schlaglöchern ausweichen, aber bald erreicht man den Helfs Hof, ein altes Bauerngut, in dem heute ein Heimatmuseum untergebracht ist. Der Hellweg soll früher direkt an dem Hof vorbeigeführt haben. Das ist fraglich, da er dann von dem Höhenrücken, an dem auch immerhin seit dem 14. Jahrhundert die Bartholomäuskapelle steht, abgewichen wäre. Der Name Helfs Hof soll von einer Abkürzung aus Hellweg und Hof entstanden sein. In der Tat gibt es eine ähnliche Ortsbezeichnungen auch in Essen Steele: "Im Helf", es ist dort eine Abkürzung für Hellwegshof.

Das Erläuterungsschild an Helfs Hof (siehe Foto unten) fokussiert eine ehemalige Hinrichtungsstätte. So etwas mögen Besucher. Hier bekommen sie mit einem schaurigen Grusel ihr Bild vom grausigen Mittelalter bestätigt. So etwas bleibt am sichersten in den Köpfen hängen. 

Helfs Hof am Hellweg, Wattenscheid

Helfs Hof am Hellweg, Wattenscheid

Hinweistafel auf Helfs Hof
Hellweg bei Wattenscheid

Hellweg bei Wattenscheid

Bochum

Bochum

Weiter geht die Fahrt auf dem Wattenscheider Hellweg Richtung Bochum, er heißt ab der Stadtgrenze zu Bochum Essener Straße und verläuft schnurgerade nach Osten, wird bald zur Alleestraße und führt direkt ins Zentrum, wo er dann zur Fußgängerzone wird und Bongartstraße heißt. 

Von der Bongartstraße sind es nur wenige Meter zum ehemaligen Reichshof, der auf dem Gelände des heutigen Elisabethkrankenhauses lag, einer kleinen Anhöhe, zu der man ein paar Stufen hinauf gehen muss. Dort befindet sich die Probsteikirche Peter und Paul an der Stelle, wo vor 1200 Jahren die Kapelle des Reichshofs stand. Gegenüber von der Kirche gibt es das Gasthaus Rietkötter.

Wer einen Blick auf Bochums Probsteikirche von oben haben möchte, sollte das Café Wiacker im Kaufhaus Baltz mit sehr guter Tortenauswahl besuchen. Eine große Dachterrasse bietet schöne Ausblicke auf die Stadt. Ist es draußen zu kalt, bleibt man drinnen, die großen Fenster eröffnen ebenfalls einen Panoramablick. 

Probsteikirche Peter und Paul in Bochum

Probsteikirche Peter und Paul in Bochum

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Hinweisschild auf den Reichshof, Probsteikirche Peter und Paul in Bochum

Der Hellweg führt aus Bochum heraus und nun gibt es vorübergehend zwei Hellwege auf dem Weg nach Osten, den Werner Hellweg und den Harpener Hellweg.

Irritierend ist auch in der Bochumer Innenstadt die Bezeichnung Hellwegstor und Hellweg für eine kleine Straße in der Fußgängerzone, die ganz konträr zu dem sonst üblichen geraden Verlauf des Hellwegs verläuft. Hat dieser Umweg etwas zu tun mit dem Pilgrimsbrunnen, den es früher südlich vom Hellwegsverlauf gab?

"Aus dem Jahre 1415 ist (...) ein Ablassbrief des Papstes überliefert, der allen Teilnehmern einer Pilgerfahrt vom Marienbild in der Propsteikirche zum 'Pilgrimsbrunnen' einen Ablass gewährt. (...) Der Pilgrimsbrunnen hatte früher etwas außerhalb direkt am ehemaligen Verlauf des Hellwegs südlich der Stadt gelegen. Der Standort wäre heute in etwa am Südring Nähe Haus Nr. 15 bzw. am Otto-Sander-Platz. Er war dort noch bis Anfang des 20. Jhdts. als Pumpe vorhanden gewesen. Leider ist heutzutage der ehemalige Standort des Pilgrimsbrunnens verloren bzw. überbaut worden." (Reiner Padligur: Landschaftsgeomantie im Westen - Eine geomantische Analyse der Stadt Bochum)

Eine Pilgerfahrt von der Propsteikirche zum heutigen Südring? Dafür sollte es einen Ablass geben?

Der Harpener Hellweg entspricht eher dem Verlauf des Hellwegs nach Osten, da er gradling aus der Großen Beckstraße und der Castroper Straße kommend weiter nach Osten führt.

Ab Lütgendortmund laufen beide Hellwege (Harpener und Werner Hellweg) wieder zusammen und werden zum Lütgendortmunder Hellweg. Auf ihm geht es weiter Richtung Dortmund, ehemalige freie Reichs- und Hansestadt. 

Dortmund
Alte Ansicht, Dortmund

Dortmund

 

In Dortmund ist das Mittelalter bis auf die Kirchen aus dem Stadtbild verschwunden. Man erkennt zwar noch die Wälle auf dem Stadtplan, die die Innenstadt oval umgeben und ihre Namen zeugen auch von Befestigungsanlagen, Ostwall, Schwanenwall usw. Aber mittelalterliche Gebäude? Wieder einmal Fehlanzeige. Allenfalls noch der Block zwischen Markt, Gänsemarkt und Marienkirche wirkt historisch, aber das sind Wiederaufbauten nach dem Krieg und sie sind Gebäude aus dem 19. Jahrhundert.

Der Hellweg zieht sich wie üblich schnurgerade mitten durch die Innenstadt und ist heute eine lange Einkaufsstraße von West nach Ost, die sich am Markt unterteilt in Westenhellweg und Ostenhellweg. Unten auf der historischen Abbildung Dortmunds sieht man den Hellweg deutlich, wie er sich waagerecht komplett durch die ovale Altstadt zieht.

historischer Stadtplan Dortmunds
Stadtmodell Dortmunds im Museum für Kunst und Gewerbe Dortmund

Stadtmodell Dortmunds im Museum für Kunst und Gewerbe Dortmund

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Dortmunds Kirchen und Klöster

Es gibt vier große mittelalterliche Kirchen innerhalb des Wallrings, die älteste, die Marienkirche wurde im 12. Jahrhundert errichtet, danach die Reinoldikirche im Jahr 1270, die Kirche St. Petri von 1322 und die Probsteikirche von 1358.

Nach der Reformation wurde Dortmund protestantisch, die Gebeine des Schutzpatrons Reinoldus wurden nach Toledo verkauft, da die Protestanten Heiligenverehrung ablehnen. Mittlerweile sind ein paar Knochen von ihm zurückgekehrt und befinden sich in der einzigen katholischen Kirche in der Innenstadt, der Propsteikirche, die im Mittelalter als Kirche des Dominikanerkloster gebaut wurde. An die Dominikaner erinnert noch der Straßenname "Schwarze-Brüder-Straße" ähnlich wie die Bezeichnung "Blackfriars" in London, die auch an ein ehemaliges Dominikanerkloster erinnert, da die Dominikaner stets einen schwarzen Chorumhang trugen. 

In der Propsteikirche ist ein Altar von Derick Baegert zu sehen, dem Weseler Künstler, von dem im Dortmunder Museum für Kunst- und Kulturgeschichte in der Mittelalterabteilung ein paar Gemälde hängen. Der Altar in der Marienkirche ist das einzige Werk Baegerts, das am ursprünglich dafür vorgesehenen Ort bis heute verblieben ist.

(Wenn du mehr über Derrick Baegert erfahren willst und wo es noch mehr Bilder von dem bekannten Weseler Künstler gibt, klick hier.) 

Probsteikirche Dortmund, ehemaliges Dominikanerkloster, Altar von Derrick Baegert
Derrick Baegert, Altar geöffnet, Probsteikirche Dortmund

Probsteikirche Dortmund, ehemaliges Dominikanerkloster, Altar von Derick Baegert

Kreuzgang, ehemaliges Dominikanerkloster Dortmund

Kreuzgang des ehemaligen Dominikanerklosters

Beweinung Christi, Derrick Baegert, um 1490, Museum Kunst Gewerbe, Dortmund

Beweinung Christi, Derick Baegert, um 1490, Museum Kunst Gewerbe, Dortmund

Die heilige Gertrud gibt Almosen, Derrick Baegert,, um 1490, Museum Kunst Gewerbe, Dortmund

Die heilige Gertrud gibt Almosen, Derick Baegert,, um 1490, Museum Kunst Gewerbe, Dortmund​

Reinoldikirche, Dortmund

Reinoldikirche, Dortmund; im Chor ist der leere, gotische Reliquienschrein zu sehen, in dem bis zur Reformation die Gebeine des Patrons Reinoldus aufbewahrt waren, die dann von den Dortmundern  nach Toledo verkauft wurden.

Bilderstürme, Säkularisation usw. haben den Kunstschätzen Westfalens, ja Deutschlands erheblichen Schaden zugefügt. Vieles wurde verkauft und da es mehr Geld gab, wenn man Altäre zerlegte oder zersägte, sind teilweise die Bestandteile auf verschiedene Museen weltweit verteilt.

Conrad von Soest

Auch der Altar von Conrad von Soest in der Marienkirche hat eine ähnliche Geschichte. Der Altar wurde zerlegt, einzelne Bilder wurden zersägt, angepasst, umgestellt. Eigentlich ist das, was man heute in der Marienkirche zu sehen bekommt, ein Fragment. Schon auf den ersten Blick wirkt die Kompostion der einzelnen Tafeln seltsam, aber das erklärt sich aus den oben genannten Umständen. Die Qualität der Malerei, die Gesichtszüge der Figuren, die Leuchtkraft und Brillanz der Farben sind hingegen beeindruckend.

Conrad von Soest war übrigens Dortmunder und wohnte am Ostenhellweg. Natürlich ist es unmöglich herauszufinden, wo das Haus stand. Gemälde von ihm sind kaum erhalten geblieben. Sein wichtigstes Werk ist der Altar in der evangelischen Stadtkirche in Bad Wildungen in Nordhessen. Aber auch in Soest existiert ein Altar in der Nikolaikapelle. Dazu später mehr, sobald ich in Soest ankomme.

Marienkirche, Dortmund, Altar von Conrad von Soest

Marienkirche, Dortmund, Altar von Conrad von Soest

Meister des Berswordtaltars

 

Ebenfalls in der Marienkirche befindet sich im nördlichen Seitenschiff ein Altar von 1390, der von der Dortmunder Familie Berswordt gespendet wurde. Die Berswordts gehören zu den ältesten Stadtadelsgeschlechtern in den Städten Dortmund und Soest. Der Künstler des Altars ist ganz nach mittelalterlicher Sitte unbekannt, weshalb er von der Kunstgeschichte den Notnamen "Meister des Berswordtaltars" erhielt. Man vermutet, dass seine Werkstatt in Köln lag. Tätig war er im nördlichen und östlichen Westfalen, also Bielefeld, wo man in der Neustädter Marienkirche noch einen Altar von ihm sehen kann, und Osnabrück, wo sein Altarretabel wegen Zerstörung nicht mehr vorhanden ist.

Sein wichtigstes erhaltenes Werk aber ist das Westfester im Altenberger Dom im Bergischen Land.

(Mehr zum Altenberger Dom? Klick hier.)

Meister des Berswordtaltars
Berswordt-Altar, Marienirche Dortmund

Berswordtaltar, Marienkirche Dortmund

Gasthaus und Rathaus

 

Jede mittelalterliche Stadt hat traditionsreiche Gasthäuser. So auch Dortmund, aber wenn nicht eine Informationstafel daran erinnerte, würde man das "Wenkers", die alte Krone am Markt, nicht dafür halten.

Dies ist das einzige Gasthaus in der Dortmunder Innenstadt, das seinen Namen sowie seine Funktion vom Mittelalter bis zur Gegenwart bewahrt hat. Der erste Hinweis in den Dortmunder Annalen stammt aus dem Jahr 1430. Hier wurde erstmalig in Westfalen neben Altbier obergäriges Bier gebraut, das Dortmunder Export. Das heutige Gebäude wurde nach der Zerstörung im Krieg neu errichtet und steht exakt an derselben Stelle wie das alte Haus seit 1430. Aber die Tradition merkt man dem Gasthaus leider von der Einrichtung und dem Gebäude nicht an. Das Essen ist gut. Empfehlenswert als Snack ist Salzkuchen, dazu ein Stößchen, eine Dortmunder Spezialität - Bier, das in kleinen Gläsern zwischen 0,1 und 0,18 l gezapft wird und das man mal eben zwischendurch trinkt. Wenn das Stößchen in den Gasthäusern um den Markt nicht auf der Karte steht, trotzdem bestellen - man bekommt es.

Am Markt nebenan war früher das Alte Rathaus. Leider wurde es nach dem Krieg nicht wieder aufgebaut, obwohl es das erste steinerne Rathaus in deutschen Landen war. 

Ein virtueller Rundgang vermittelt einen Eindruck des Marktes um 1900. 

https://www.youtube.com/watch?time_continue=8&v=Bmd7UayVT5A&feature=emb_logo

Wenkers, die alte Krone am Markt

Wenkers, die alte Krone am Markt

Erinnerungstafel an das Alte Dortmunder Rathaus
Zum Alten Markt, Traditionsbrauhaus in Dortmund, Reinoldikirche

Zum Alten Markt, Traditionsbrauhaus in Dortmund, Reinoldikirche

Café Strickmann, Dortmund
Auf dem Hellweg zwischen Dortmund uns Soest

Auf dem Hellweg zwischen Dortmund und Soest

Wenn man auf dem Hellweg weiter nach Osten fährt, muss man erst durch viele Dortmunder Stadtteile und Vororte fahren, bis man wieder auf dem Land ist. Das möchte ich umgehen und verlasse den Hellweg für ein paar Kilometer, indem ich auf dem Westfalendamm weiterfahre, bis ich die Stadt hinter mir gelassen habe. Der Westfalendamm ist eine sechsspurige Straße, die von Platanen flankiert wird und ca. zwei Kilometer südlich vom Zentrum, also von der mittelalterlichen Stadt verläuft. Er ist die direkte Fortsetzung des von Westen kommenden Ruhrschnellweges (A40), geht im Osten ab dem Kreuz Dortmund/Unna in die A44 über und verläuft parallel zum historischen Hellweg.

Man könnte bis Soest auf der A 44 weiterfahren, aber ich möchte auf den Spuren des Hellwegs reisen, also kehre ich ab der Autobahnabfahrt Unna-Ost wieder zurück auf die alte Straße, indem ich ein kurzes Stück Richtung Unna fahre, bis es rechts auf die B1 geht, die auf dem alten Hellweg verläuft.

Morgens ist die B1 noch relativ leer, aber im Laufe eines schönen Tages kann es voll werden - man hält sich eben am Rande des Ruhrgebiets auf, einer der bevölkerungsreichsten Gegenden Europas. Staus gibt es weniger, aber der dichte Verkehr lässt kein Gefühl von Gemächlichkeit aufkommen. Will man die Straße noch ruhig erleben, sollte man früh losfahren. Ich war an einem sonnigen Sonntagmorgen im Juli gegen 10 Uhr unterwegs und fand die Fahrt um diese Zeit noch gelassen und ziemlich ruhig. 

Man erreicht irgendwann die Soester Börde, die größte der Hellwegbörden, eine fruchtbare Löss-Ebene, und fährt durch weite goldgelb leuchtende Kornfelder. Die Straße verläuft teilweise wieder wie mit dem Lineal gezogen. Das Ruhrgebiet hat man hinter sich gelassen, es wird ländlicher. Viele alte Bauernhöfe liegen am Weg, manchmal auch Gastwirtschaften, die durch ihre Namen "Soester Börde" oder "Landhaus Hellweg" unzweifelhaft eine Ortsbestimmung geben. Höfe locken mit Hinweisschildern auf Direktverkauf ihrer Produkte. In deren Scheune gibt es ansprechend arrangiertes Gemüse, selbstgemachte Produkte und ein Stück Kuchen mit Kaffee kann man auch gleich bekommen. Je mehr man sich Soest nähert, desto häufiger sieht man Häuser aus grünem Anröchter Sandstein, ein häufig verwendeter regionaler Baustoff. Orte beeindrucken mit dem Verweis auf ihr Alter (seit 833) und Hinweisschilder erinnern an Ortseingängen an die historische Bundesstraße B1.

Hinweisschild auf die Alte Bundesstraße B1
Ampen am Hellweg, seit 833

Es stellt sich fast das Gefühl eines Roadmovies ein und man fragt sich, ob die B1 so etwas wie eine deutsche Route 66 sein könnte oder eine Route nationale 7 - aber dazu fehlt dann doch etwas. Straßen mit dem Potential zur Legendenbildung müssen länger und einsamer sein, in fremde, idealerweise südliche Gegenden führen, von Aussteigern, Tramps und Freaks bewohnt sein, die an ihren Rändern leben usw. Länger war die B1 einst, als sie als Reichsstraße von Aachen bis Königsberg führte, was schon eine beträchtliche Strecke war, aber zu der Zeit existierte noch nicht der Gedanke an so etwas wie ein Lebensgefühl des Reisens auf der Straße, das man in Roadmovies findet. Dieses Genre entstand erst in den 60er Jahren.

Während sich die B1 so vor mir abrollt, schweifen meine Gedanken in sonderbare Richtungen ab - eigentlich bin ich ja unterwegs auf den Spuren des Mittelalters und dem Hellweg.

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Die ganze Zeit auf dem Weg nach Soest bemerke ich, dass das Gelände rechts von mir, also südlich vom Hellweg allmählich ansteigt Richtung Höhenzug Haarstrang. Nirgendwo spürt man besser als hier, dass der Hellweg ständig am Fuße der Mittelgebirge entlangläuft. Im Norden, also links von mir, ist das Land flach, im Süden steigt die Topografie langsam an, norddeutsche Tiefebene stößt auf Mittelgebirge. Besonders deutlich merkt man es auch in Soest, wenn man die Stadt südwärts verlässt. Es geht unmittelbar hinter der Stadtmauer allmählich, aber stetig bergan. Sogar in Dortmund spürt man es, wenn man den Bahnhof Richtung Innenstadt verlässt und etliche Treppen hinaufgehen muss. Dieser Anstieg ist nichts Geringeres als der Beginn der deutschen Mittelgebirge. 

Verweis auf den Haarstrang
Soest

Soest

Kurz vor der Altstadt von Soest heißt der Hellweg wieder Westenhellweg, ein Name, den man schon aus Dortmund kennt. In Soest heißt er so vor den Toren der Stadt, in Dortmund innerhalb der Stadtmauern.

Man nähert sich dem Jacobitor aus grünem Anröchter Sandstein und ist nach der Durchfahrt mitten drin in der Stadt. 

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Jacobitor, Soest

Die Stadt ist historisch gesehen ein Schwergewicht, so dass man beim Besuch Akzente setzen muss.

Zunächst hat Soest ein schönes Stadtbild. Es ist zwar nicht Rothenburg ob der Tauber, aber in Nordrhein-Westfalen kann man es zu den gut erhaltenen Städten zählen, obwohl Soest im Zweiten Weltkrieg zu über sechzig Prozent zerstört wurde, womit eine der malerischsten Städte Deutschlands ziemlich getroffen wurde. Die Liebe der Soester zu ihrer Stadt führte dazu, dass man versuchte, nach dem Krieg in weiten Teilen den alten Zustand wieder herzustellen.

Wenn man durch die Stadt spaziert, fällt auf, wie grün sie ist und wie groß selbst im Altstadtkern die Grundstücke sind, so dass Gärten innerhalb der Stadtmauern keine Seltenheit sind. Außerdem gibt es viele kleine Gänge für Fußgänger, die von Straßen abzweigen und wie Abkürzungen für Eingeweihte geheimnisvoll zwischen Gartenmauern entlang führen, so dass man sich in der kleinen Stadt sehr gut zu Fuß bewegen kann. Es wirkt idyllisch, überschaubar, ruhig und geordnet. Man sieht Soest vor allem wegen der Kirchen seine ehemalige Bedeutung an. Heutzutage hat Soest nur noch eine regionale Bedeutung, die über die Börde nicht hinausgeht. 

Soests Reichtum gründete sich auf Salz und Handel. Archäologische Funde lassen auf Salzsieden schließen. Das gediegene Sole-Heilbad Bad Sassendorf, östlich von Soest gelegen, lebt heute noch von der Sole.

Soest war neben Dortmund, Osnabrück und Münster eine der vier westfälischen Hansestädte und so reichten die Handelsbeziehungen bis nach Russland und Schweden.

In Soest befindet sich die berühmte Kuhhaut, auf die das Soester Stadtrecht geschrieben wurde, wovon sich angeblich die Redewedung ableitet "Das geht auf keine Kuhhaut". Es ist das älteste aufgezeichnete Stadtrecht im deutschsprachigen Raum und stammt von ca. 1225. Groß ist die Kuhhaut nicht, sie ist ein Pergament von 55 x 72 Zentimetern, auf dem die Rechtsvorschriften in 66 Zeilen aufgeschrieben sind, nach denen sich die Soester zu richten hatten. Es liegt im Stadtarchiv, ein Faksimile davon kann man im Burghofmuseum besichtigen.

 

Diese Kuhhaut ist nicht ganz unwichtig: Darauf steht nicht nur das erste Stadtrecht überhaupt, sondern es bildete auch die Grundlage für das 1160 entwickelte Stadtrecht Lübecks, der Hauptstadt der Hanse (fragt mich nicht nach den Ungereimtheiten der Jahresangaben. Ich habe es nicht besser recherchieren können und die Widersprüche aus der Literatur übernommen). Heinrich der Löwe verlieh Lübeck dieses Recht und da Lübeck die Hauptstadt der Hanse war, wurde das sogenannte "Lübische Recht" von über hundert Hansestädten übernommen bis zu den Hansestädten Reval und Riga im Baltikum.

Beeindruckend - da steht man in der beschaulichen Kleinstadt Soest in Westfalen und stellt fest, dass hier Dinge entstanden, die später ganz Nord-Osteuropa beeinflussten. Da Soester Kauflaute an der Entwicklung des Lübischen Rechts beteiligt waren, gab es das gesamte Mittelalter hindurch eine sehr enge Beziehung zwischen den Hansestädten an der Küste und Westfalen und in Westfalen gab es die größte Dichte an Hansestädten in Nordeuropa. (Mehr über die Beziehung der Soester zur Hanse und zum Soester und Lübischen Stadtrecht findest du hier auf der Seite über Hansestädte.)

Soest gehörte ursprünglich zum Stammesherzogtum Sachsen, unterstand im hohen Mittelalter den Welfen, bis Friedrich Barbarossa den sächsischen König Heinrich den Löwen ächtete und dessen Territorium Sachsen aufteilte, wobei der westliche Teil Sachsens, also Westfalen, dem Kölner Erzbischof zugesprochen wurde, der sich in Soest eine Nebenresidenz einrichtete. (Willst du wissen, wo das Stammesherzogtum Sachsen lag? klick hier) Im innersten heutigen Stadtgebiet entstand eine Pfalz direkt westlich vor der St.-Petri-Kirche. Es ist davon auszugehen, dass zahlreiche Kaiser dort unterkamen, die auf dem Hellweg unterwegs waren.

Später, unter dem Kölner Erzbischof Philipp von Heinsberg wurde im 12. Jahrhundert die Residenz der Kölner Erzbischöfe an die Peripherie der heutigen Altstadt verlegt, neben die Stadtmauer bei der Kirche St. Thomäe mit der schiefen Turmspitze. Die neue Residenz hieß "Neue Pfalz" oder "Palatium". Vermutlich zog man um, weil Grund und Boden am neuen Ort einfach größer waren. An die Stelle der Alten Pfalz trat 1178 ein Krankenhaus, das erste Deutschlands, das unabhängig von einem Kloster gegründet wurde.

Kirche St. Thomäe an der Stadtmauer, wo früher die Neue Pfalz gelegen war

Kirche St. Thomäe an der Stadtmauer, wo früher die Neue Pfalz gelegen war.

Die Residenz der Kölner Erzbischöfe, das Palatium, ist heute verschwunden. Die Soester und die Kölner vertrugen sich nicht, denn Soest begann stärker zu werden und wäre gern Freie Reichsstadt geworden - kurz gesagt: Es gab Unabhängigkeitsbestrebungen, was sich unter anderem in der Schaffung des oben erwähnten Soester Stadtrechts ausdrückte. 

Daraus entstand die Soester Fehde, bei der die Kölner den Kürzeren zogen, was wiederum weitreichende Folgen für Soest hatte, denn Köln hatte den Reichtum Soests geschützt, was die neuen Herren, die Herzöge von Kleve, nicht taten. Soest war seit der Loslösung von Köln ziemlich isoliert und eigentlich begann damit der stete Niedergang.

1444 ereilte die Stadt ein weiterer Aderlass. Zwar hatten die Soester das Recht ihren Holzbedarf aus dem Arnsberger Wald zu decken, aber als kurkölnisches Jagdrevier war es den Soestern untersagt, dort zu jagen. Dies taten sie trotzdem und der Jagdfrevel wurde gesühnt mit einem Holznutzungsverbot sowie der Überlassung des Mariengnadenbildes, das in der Wiesenkirche stand, an den Nachbarort Werl, wodurch Soest alle Wallfahrer verlor und Werl zu einem bedeutenden Wallfahrtsort aufstieg.

Potsdamer Platz, Soest

Potsdamer Platz, Soest

St. Patrokli und St. Petri

St. Patrokli und St. Petri

Osthofenstraße, Soest
Fachwerkhäuser, Am Seel, Soest

Fachwerkhäuser, Am Seel, Soest

Rathaus Soest, St. Patrokli

Rathaus Soest, St. Patrokli

Marktplatz Soest
Haus zur Rose (Freiligrathhaus)

Haus zur Rose (Freiligrathhaus)

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St. Maria zur Höhe - "Hohnekirche"

Für mich persönlich ist diese kleine Kirche die schönste in Soest. Man übersieht sie leicht, denn sie liegt im Osten, etwas abgelegen vom Zentrum der Altstadt auf einer Anhöhe, groß ist sie nicht. 

Wenn man sie betritt, strahlt einem ein Glanz entgegen von Gold und Blau, Ornamenten und Wandmalereien.

Dann stellt man fest, dass die Kirche irgendwie ziemlich verbaut ist. Der Grundriss ist seltsam anders, als man es von anderen Kirchen kennt. Der Hauptraum ist breiter als lang, die Seitenschiffe sind ebenfalls breit, es gibt nur zwei Pfeiler, die Kirche wirkt wie eine Hallenkirche. Von außen hat sie nur einen kleinen, etwas gedrungenen Turm auf der Nordseite, was sie assymetrisch macht. 

St. Maria zur Höhe, Hohnekirche, Soest, Anröchter Sandstein

St. Maria zur Höhe, Hohnekirche, Soest, Anröchter Sandstein

Aber das alles ist eher markant als störend. Vor allem die Ausmalung zählt zu den bemerkenswertesten des 13. Jahrhhunderts. Ornamente, gemalte Fabeltiere und Kandelaber schmücken die Gewölbe. Die Wände sind mit Teppichen in naturalistischer Weise mit gemalten Nägeln und Fransen bemalt, etwas, das die Kreuzfahrer in Byzanz gesehen hatten und die Fenster werden von aufgemalten Säulen flankiert.

Der Katharinenchor, die kleine Apsis an der Ostseite links, wurde 1260 ausgemalt im Zackenstil mit stark byzantinischer Ausprägung. Besonders die goldene Einrahmung und der goldene, reliefartige Hintergrund von Christus und Maria erinnern an byzantinische Traditionen, die sich vor allem in der orthodoxen Kirchenkunst finden lassen.

Im Zentrum des Katharinenchors wird die Krönung Mariens dargestellt. Außerdem gibt es Szenen aus dem Leben Katharinas von Alexandrien.

Der große, blau-goldene Mittelchor entstand ebenfalls um 1230 und strahlt. Maria sitzt dort mittig an der Decke der Apsis auf dem Thron Salomons und hält das Christuskind. Der Farbklang von Blau und Gold wirkt kostbar, ebenso die Malkunst mit aufgemalter Ornamentik und Architektur.

Apsis, Malerei, St. Maria zur Höhe, Hohnekirche,Soest

Apsis, Malerei, St. Maria zur Höhe, Hohnekirche,Soest

Blau war seinerzeit die kostbarste Farbe überhaupt und blaue Farbpigmente wurden mit Gold im Verhältnis 1:1 aufgewogen. Gewonnen aus dem seltenen blauen Stein Lapislazuli, den es nur in Afghanistan gibt, der ins Abendland importiert wurde und aus dem in einem aufwendigen Verfahren diese Pigmente gewonnen wurden, machen diese Farbe so kostbar. In der Hohnekirche beeindrucken die Details, die Ornamente sowie die Ausgewogenheit der Farben im Chor und in der Apsis.

Mitten im Chor steht der Altar mit dem Retabel des Meisters von Liesborn, der Johann von Soest gewesen sein könnte. Das Bild zeigt den Kalvarienberg und ist eines der Hauptwerke spätgotischer Malerei in Westfalen. Es ist das beste der in Soest verbliebenen sakralen Tafelbilder. Die beiden Flügel des Altars fehlen. Das Gemälde wird in einem schönen neogotischen Rahmen präsentiert. 

Kalvarienberg, Meister von Liesborn, Johann von Soest, 1480, St. Maria zur Höhe, Hohnekirche, Soest

Kalvarienberg, Meister von Liesborn, Johann von Soest, 1480, St. Maria zur Höhe, Hohnekirche, Soest

Exkurs: Der Meister von Liesborn

Die Werke des Meisters von Liesborn gelten als Inbegriff der westfälischen Tafelmalerei der Spätgotik. Bis heute ist es nicht gelungen, seine Identität eindeutig zu bestimmen. Begründete Vermutungen lassen auf den Künstler Johann von Soest schließen, da seine Werke hauptsächlich in der Umgebung von Soest zu finden sind oder für Orte geschaffen wurden, die in enger Beziehung zur Abtei Liesborn standen. Von dieser Abtei, in der sein Hauptwerk, ein Altarretabel, stand, wurde sein Notname "Maler von Liesborn" hergeleitet. Die Abtei, ein Benediktinerkloster im Ort Liesborn, ca. 20 Kilometer nördlich von Soest wurde 1803 mit dem Reichsdeputationsschluss aufgelöst. Das Retabel wurde zersägt, um durch Verkauf mehrerer Bestandteile mehr Geld zu erhalten. Teile davon befinden sich heute in der National Gallery in London und im LWL-Museum für Kunst und Kultur in Münster.

Dier Malerei des Meisters von Liesborn erfreut sich aufgrund der hohen künstlerischen Qualität bis heute großer Wertschätzung. 

Abtei Liesborn, Liesborn, Westfalen

Abtei Liesborn, Liesborn

Abtei Liesborn, Liesborn, Westfalen

Abtei Liesborn, Liesborn

Ausschitte von Gemälden des Meisters von Liesborn, Museum Abtei Liesborn
Ausschitte von Gemälden des Meisters von Liesborn, Museum Abtei Liesborn

Ausschnitte aus Gemälden des Meisters von Liesborn, Abtei-Museum, Liesborn

Soester Scheibenkreuz , St. Maria zur Höhe, Hohnekirche Soest

Soester Scheibenkreuz , St. Maria zur Höhe, Hohnekirche Soest

Rechts vom Chor befindet sich das monumentale Scheibenkreuz von ca. 1230. In ganz Europa findet sich nichts Vergleichbares außer auf der schwedischen Insel Gotland. Wie kam das Scheibenkreuz hierher? Es gehört in die Gattung der Triumpfkreuze, die normalerweise im Kirchenschiff hoch oben vor dem Chor angebracht wurden. Da die Soester Kirche nicht hoch genug ist, war das Kreuz vermutlich für einen anderen Ort bestimmt und auch hier wirkt es eher wie ein Altar, der dort aufgestellt wurde. Eine geheimnisvolle, archaische Wirkung geht von dem matt glänzenden Kreuz aus, der metallisch-silbrige Schimmer wird mit blauem Teilen ergänzt. Unter dem Kreuz befinden sich karminrote Flächen, die an Flügeltafeln eines Altars erinnern. Sie sind mit metallisch schimmernden Quadraten versehen und greifen die Ornamentik der gemalten Wandteppiche auf, die fast gleich große Quadrate aufweisen und an ein Karomuster erinnern. Das alles ist sehr harmonisch und ausgewogen.

Woher stammt das Kreuz? Es ist aus skandinavischer Fichte. Welche kulturellen Einflüsse finden sich darin wieder? Es erinnert an Keltenkreuze, die man in Irland findet, Sonnenkreuze, aus dem schwedischen Mittsommer, Radkreuze aus der Bronzezeit. Vielleicht liegt der Ursprung im Heidnischen, das sich hier in Überresten einer nordeuropäischen Kultur zeigt, die christianisiert wurde. Die Verbindung von Soest nach Gotland ist durch die Hanse eindeutig gegeben.

Gegenüber vom Eingang, also an der Nordwand befindet sich die Heiliggrabnische, die das leere Grab Jesu darstellt, die Wandmalereien zeigen die Kreuzigung bis hin zur Himmelfahrt. 

Im Westen links von der Grabnische befindet sich das Taufbecken, das durch drei stämmige Säulen vom Kirchenraum abgetrennt ist. Der kleine hinter den Säulen liegende Raum ist ein schöner Ort, an dem Taufen im kleinem Familienkreis vollzogen werden können an einem der ältesten Taufsteine der Stadt.

Taufsstein, St. Maria zur Höhe, Hohnekirche,Soest

Taufsstein, St. Maria zur Höhe, Hohnekirche,Soest

Nikolaikapelle

Nikolausaltar, Nikolauskapelle, Soest, Conrad von Soest

Nikolausaltar, Nikolauskapelle, Soest, Conrad von Soest

Nikolauskapelle, Soest

Nikolauskapelle, Soest

 

Soester Allerheiligenkirmes

Allerheiligenkirmes Soest, Riesenrad
Allerheiligenkirmes Soest, St. Petri

Allerheiligenkirmes Soest, St. Petri

Drüggelter Kapelle

Drüggelter Kapelle

Drüggelter Kapelle

Nach einem Besuch von Soest lohnt sich ein kurzer Abstecher auf den Haarstrang zur Drüggelter Kapelle. Dazu fährt man auf die B229, die Arnsberger Straße, die aus Soest herausführt und dann stetig bergan auf den Haarstrang führt. Wenn man gut essen gehen möchte, lohnt ein Abstecher zum Restaurant Zur Steinkiste, das sich direkt neben einem Steingrab befindet, dass auf ca. 3000 v. Chr. datiert wird. Der Weg zum Steingrab ist ausgeschildert und das Restaurant liegt direkt nebenan. 

Ich hatte diesen Ort durch Zufall entdeckt und war mittlerweile schon öfters dort. Die Einrichtung ist rustikal, die Karte ist saisonal angepasst, abwechslungsreich, aber nicht überladen. 

Waldrestaurant Zur Steinkiste, Soest
Waldrestaurant Zur Steinkiste, Soest

Weiter gehts auf die Höhe des Haarstrang. Dort liegt die Drüggelter Kapelle auf dem Grundstück des einsam gelegenen Hofes Schulte-Drüggelte oberhalb des Möhnesees, den man bei der Fahrt zur Kapelle durch eine Birkenallee silbrig glänzend in der Senke liegen sehen kann. 

Wenn du mehr über den Möhnesee erfahren willst, klick hier.

Möhnesee, Sauerland

Möhnesee, Sauerland

Drüggelter Weg, Möhnesee

Bei der Drüggelter Kapelle handelt es sich um einen Rundbau, der im zwölften Jahrhundert gebaut wurde und bis heute Anlass zu allerlei Spekulationen gibt. Von der Vermutung, dass es sich um eine Taufkapelle handelte über die Idee, dass es die Nachbildung des Heiligen Grabes sein soll bis hin zur Vorstellung, dass es sich um eine ehemalige heidnische Stätte handelt, die christianisiert wurde, ist alles dabei.

Das Innere des kleinen Sakralbaus wird durch einen Kranz aus zwölf schlanken Säulen mit romanischen Kapitellen bestimmt sowie durch einen inneren Kranz aus zwei gedrungeneren, dickeren Säulen und zwei gemauerten Rundpfeilern aus grünem Anröchter Sandstein. Die vielen Säulen wirken wie ein Wald aus Baumstämmen, erst bei näherem Hinsehen wird die Anordnung bewusst. Die Kapitelle haben eine archaisch anmutende Ornamentik.

Der Ort hat eine spirituelle Aura, es ist eine Art Kraftort und es gibt selten Besucher, so dass man ungestört die Atmosphäre intensiv wahrnehmen kann.

Drüggelter Kapelle

Drüggelter Kapelle

Kapitell, Drüggelter Kapelle
Drüggelter Kapelle
Paderborn

Paderborn

 

Nach dem Abstecher zur Drüggelter Kapelle geht es zurück zur B1, die weiter gradlinig nach Paderborn führt. In Paderborn setzt sich der ehemalige Hellweg als Bahnhofstraße fort, der in der Fußgängerzone als Westernstraße fortgeführt wird. Er führt direkt zu den Sehenswürdigkeiten, der Pfalz, dem Dom, den Paderquellen. 

Im Jahr 776 gründete Karl der Große die Pfalz und die Karlsburg an den Quellen der Pader. Diese Pfalz gilt als die Geburtsstätte des mittelalterlichen deutschen Reiches, denn dort fand 777 der erste Reichstag unter Karl dem Großen statt. Bei dieser Gelegenheit erhielt die Siedlung ihren Namen "Patris Brunna",  799 wurde die Gründung des Bistums Paderborn besiegelt, ein Ereignis, bei dem Karl der Große Papst Leo III. in Paderborn empfing. Gleichzeitig wurde damit auch die Gründung der Bistümer Bremen, Verden, Minden, Münster und Osnabrück festgelegt. 822 wurde die Gründung des Klosters Corvey bestimmt. Der Schutzpatron Liborius wurde aus Le Mans in Frankreich beigesteuert und erreichte den westfälischen Teil des Reiches am Pfingstsonntag im Jahre 836. Heute wird zu seinen Ehren jedes Jahr im Juli Liborius gefeiert, was die Stadt in einen neuntägigen Ausnahmezustand versetzt, bei dem - so sagt man - Paderborner aus der ganzen Welt in die Heimat zurückkehren, um an dem Fest teilnehmen zu können. Bei diesem Fest wird der Patron Liborius in einem kostbaren Schrein durch die Stadt getragen und es ist eines der angesehensten Ehrenämter der Stadt, Mitglied der Bruderschaft der Schreinträger zu sein. Um Mitglied zu werden, ein Amt auf Lebenszeit, muss man von einem anderen Bruderschaftsmitglied vorgeschlagen werden. Die Verbundenheit der Paderborner mit ihrem Dom und dem Patron der Stadt geht tief.

 

Der Dom hatte einige Vorläufer aus karolingischer und romanischer Zeit. So wie er heute erscheint, wurde er um 1200 begonnen und ist eine Mischung aus romanischen und gotischen Bauelementen, acht Kapellen sind an die Seitenschifffe angebaut, jede von ihnen im Barockstil ausgestattet. Die Barockisierung Paderborns begann bereits vor dem Dreißigjährigen Krieg, als Paderborn durch das Jesuitenkolleg rekatholisiert wurde, später 1614 kam die Academia Theodoriana dazu, die mit dem Gymnasium verbunden war, aus der die erste katholische Universität Westfalens hervorging. Die heutige Marktkirche, damals die Universitätskirche, ist nach Köln der zweitgrößte Jesuitenbau Norddeutschlands. Sie wurde in ihrem heutigen Erscheinungsbild nach dem Dreißigjährigen Krieg errichtet. Die Verbindung zu Frankreich durch den Heiligen aus Le Mans spielte bei der Barockisierung vielleicht ebenso eine Rolle wie der Umstand, dass Ludwig der XIV. persönlich, noch im Kindesalter durch Einwirken des Domkapitels von Le Mans das Militär aufrief, Paderborn in den Wirren am Ende des Dreißigjährigen Krieges gut zu behandeln.

Die nordwestliche Altstadt wird von den Paderquellen geprägt, insgesamt 200 kleine Quellen, die 3000 - 9000 Liter Wasser pro Sekunde an die Oberfläche sprudeln, womit dies das stärkste Quellgebiet Deutschlands ist. Die Quellen sind beckenartig ummauert, es sind Orte der Ruhe, umgeben von Parkanlagen und Promenaden. Es gibt zwei Hauptquellgebiete, eines nördlich des Doms und der Pfalz an der barocken Stadtbibliothek und ein weiteres nördlich des Marienplatzes. Immer wieder stößt man beim Rundgang durch die Altstadt auf einen der vielen Wasserläufe, die glasklar, ohne irgendeine Verschmutzung und mit relativ hoher Fließgeschwindigkeit mitten in der Stadt einen Lebensraum für Bisamratten, Wasseramseln und andere Tiere bieten. Wasserpflanzen bewegen sich sanft in der Strömung, Wasserrauschen ist mancherorts zu hören, die Gärten der anliegenden Häuser reichen bis an die Wasserläufe und ganz private Grill- und Sitzplätze direkt am Wasser wecken die Vorstellung, dass es sich in Paderborn sehr schön leben lässt. Cafés in den Grünanlagen breiten ihre Bestuhlung bis auf die Rasenflächen aus, Studenten liegen auf Decken und lernen lieber im Park als zu Hause, Yogis üben an der frischen Luft, eine Gruppe von Zimmermännern liegt barfuß in ihrer Kluft auf den Rasenflächen zwischen den Wasserläufen und schläft. 

Paderquellgebiet, Paderborn

Paderquellgebiet, Paderborn

Auf den Dielen, Paderquelle, Paderborn

Auf den Dielen, Paderquelle, Paderborn

Bibliothek und der Hohe Dom St. Maria, St. Liborius, St. Kilian

Bibliothek und der Hohe Dom St. Maria, St. Liborius, St. Kilian

Gaukirche St. Ulrich

Gaukirche St. Ulrich

Der Hohe Dom St. Maria, St. Liborius, St. Kilian

Der Hohe Dom St. Maria, St. Liborius, St. Kilian

Rathaus, Paderborn, Renaissance

Rathaus, Paderborn, Renaissance

Krypta, Paderborner Dom
Motiv des Dreihasenfensters als Treppengeländer, Paderborn

Motiv des Dreihasenfensters als Treppengeländer, Paderborn

Grabmal des Fürstbischofs Dietrich von Fürstenberg, Dom Paderborn

Grabmal des Fürstbischofs Dietrich von Fürstenberg, Dom Paderborn

Irminsul - das Heligtum der Sachsen

Ziemlich weit abgelegen vom Hellweg ist der Ort Obermarsberg an der Diemel. Trotzdem ist der Ort erwähnenswert, da er eine heilige, heidnische Städte der Sachsen war, die von den Franken christianisiert werden sollte. Die Sachsen waren - wie ganz oben schon erwähnt - resistent gegen die neue Glaubensrichtung, was zu den schwersten Kriegen während der Regentschaft Karls des Großen führte, den Sachsenkriegen.

Wenn man missionieren will, errichtet man seine Kultorte oft auf indigenen Kultstätten. Genau das tat Karl der Große auch, als er das Heiligtum der Sachsen, die sogenannte Irminsul, im Jahre 772 zerstören ließ. Der Standort der Irminsul war laut fränkischen Reichsannalen bei Obermarsberg, wo auch die Eresburg lag. Die Burg befand sich oberhalb des Diemeltals und wurde 772 in den Sachsenkriegen von Karl dem Großen erobert.

Die Irminsul war eine Säule, jedoch wird in manchem Quellen erwähnt, dass es sich dabei um einen Baum handelte, der so groß war, dass man in ihm eine Verbindung zwischen Himmel und Erde sah. Die Baum-Geschichte erinnert eher an die Donar-Eiche bei Fritzlar, die übrigens auch zum Zwecke der Christianisierung gefällt wurde.

Willst du mehr über die Donareiche in Fritzlar erfahren? Klick hier.

 

Während ich mich bei meiner Fahrt in Altsachsen mit der Irminsul befasste, kam mir die Assoziation zum Film 'Avatar', bei dem der Baum der Seelen, ein heiliger Ort der Ureinwohner, zerstört werden soll, um sie zu besiegen.

Den ersten christlichen Altar anstelle des heidnischen Heiligtums errichtete 779 Sturmius, der als Abt des Klosters Fulda die Sicherung des rechtsrheinischen Germaniens nördlich des Mains übernommen hatte. 

Irminsul
Heimatmuseum Marsberg
Karl der Große, St. Sturmius, Irminsul
Stiftskirche, Obermarsberg
Hochsauerland
Disteln
sommerliches Kornfeld

Von Paderborn ging meine Fahrt auf dem Hellweg, der Route der Christianisierung Altsachsens, weiter bis zur Weser, wo dann im Kloster Corvey der Endpunkt der Fahrt erreicht ist.

Mit dem Kloster endet der Hellweg noch einmal mit einem starken Höhepunkt.

Kloster Corvey

Kloster Corvey

 

Die Abtei Corvey zählt zum Weltkulturerbe und gilt als eine der bedeutendsten Kulturstätten des christlichen Abendlandes. 

Das Kloster wurde unter Kaiser Ludwig dem Frommen gegründet, dem Nachfolger Karls des Großen.

Karolingisches Westwerk, Corvey, Weltkulturerbe

Karolingisches Westwerk, Corvey, Weltkulturerbe

Die Klosterkirche 

 

Im 9. Jahrhundert wurde der Bau dieser Kirche begonnen und 885 mit dem Westwerk abgeschlossen. Das Westwerk aus karolingischer Zeit ist bis heute weitgehend erhalten geblieben und als einziges Baudenkmal dieser Art in seiner Bedeutung nicht hoch genug einzuschätzen.

Auf dem Modell unten, das im Kloster gezeigt wird, sieht man die alte Abteikirche von Osten, das Westwerk sind die beiden kleinen Türme ganz hinten.

Rekonstruktion der Abteikirche Corvey um 885

Rekonstruktion der Abteikirche Corvey um 885

Die Abbildung unten zeigt den Blick vom Westwerk zum barocken Hochaltar.

Von der Klosterkirche ist nur der westliche Teil in seiner ursprünglichen Form erhalten geblieben, der östliche Teil der Kirche wurde im Barockzeitalter vom Corveyer Landesherren, dem machtbewussten Kirchenfürsten und Bischof von Münster Christoph Bernhard von Galen wiederaufgebaut, nachdem die Kirche zuvor im Dreißigjährigen Krieg von kaiserlichen Truppen zerstört worden war.

ältester Teil der Kirche von Corvey
Westwerk, Corvey, Weltkulturerbe

Westwerk, Corvey, Weltkulturerbe

Die Christianisierung Nordeuropas

 

Einer der Corveyer Mönche der ersten Stunde war der Heilige Ansgar, auch Apostel des Nordens genannt. Er trieb die Christianisierung Nordeuropas voran. Ob Ansgar das Bistum Hamburg gründete, ist in der Forschung umstritten, aber sicher ist, dass er später von Ludwig dem Deutschen (Sohn von Ludwig dem Frommen) als Bischof von Bremen eingesetzt wurde und dass er als päpstlicher Legat für Dänemark, Schweden und slawische Gebiete tätig war. Fakt ist, dass er in die ehemalige Stadt Birka (liegt heute am Mälarsee westlich von Stockholm) auf Einladung des schwedischen Sagenkönigs Björn på Håga ging und dort eine christliche Gemeinde gründete. Ein Ansgarkreuz erinnert dort heute noch an ihn. In Kopenhagen gibt es ein Denkmal, das an ihn erinnert, in Ripen und Haithabu ließ er eine Kirche bauen. 

Deswegen wird Corvey von vielen skandinavischen Touristen besucht.

Corveyer Mission im Mittellater

Widukind von Corvey

 

 

Die zweite bedeutende Persönlichkeit Corveys ist Widukind von Corvey, der unter der Kaiserherrschaft Ottos des Großen lebte und die Geschichte der Sachsen verfasste, die "Res Gestae Saxonicae", eine Darstellung des Stammesherzogtums Sachsen. Über Widukinds Leben ist wenig bekannt. Aber aus seinem Werk lässt sich erschließen, welche literarischen Vorbilder er hatte. Die Bibliothek Corveys dürfte zur Zeit von Kaiser Otto des Großen eine der bedeutendsten Bibliotheken Sachsens gewesen sein, in der es umfangreichen Zugriff auf antike und frühmittelalterliche Werke gab. Darunter war die karolingerzeitliche Handschrift mit den ersten sechs Büchern der Annalen des römischen Historikers Tacitus, die zu Beginn des 16. Jhts. aus dem Kloster entwendet wurde, nach Italien gelangte und sich heute in der Biblioteca Laurenziana in Florenz befindet. Auf dem Bild unten sieht man die Handschrift.

Tacitus Codex, 9. Jh. Biblioteca Medicea Laurenziana, Florenz

Tacitus Codex, 9. Jh. Biblioteca Medicea Laurenziana, Florenz

Corvey und seine abhängigen und gegründeten Klöster

Zu guter Letzt noch ein Blick in die umfangreiche Fürstliche Bibliothek, die in 15 Räumen untergebracht ist, die in einem der barocken Neubauten, die nach dem Dreißigjährigen Krieg als Wohn- und Repräsentationsbereich der Fürstäbte entstanden waren, untergebracht ist.

Die Bibliothek entstand, nachdem der Landgraf von Hessen-Rotenburg, Viktor Amadeus, in den Besitz von Corvey gelangte und seine Bibliothek von Rotenburg hierher brachte. Den Schwerpunkt der heute 74.000 Bände umfassenden Bibliothek bildet deutsche, englische und französische Belletristik des 18. und 19. Jahrhunderts. Es ist eine der größten privaten Büchersammlungen Deutschlands.

Fürstliche Bibliothek Corvey

Fürstliche Bibliothek Corvey

Fürstliche Bibliothek Corvey
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