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REISEEINDRÜCKE FÜR KUNST- UND GESCHICHTSINTERESSIERTE
Lübeck, die Hanse und Ostseebäder
INHALT
- Die Hanse, Städtebund im Mittelalter
- Die Hansestädte und ihre Verbreitung in Nordeuropa
- Lübeck, die Hauptstadt der Hanse
- Die Hansetage und der Hansesaal
- Der Salzhandel zwischen Lübeck und Lüneburg
- Die Traditionen der Stecknitzfahrer
- Die Schiffergesellschaft, beeindruckendes Restant mit Tradition
- Lübecker Rotspon, Bordeauxwein, der in Lübeck veredelt wird
- Weinhaus Carl Testorpf - 1678 bis 2020
- Lübecker Gänge, im Labyrinth der kleinen Leute
Lübeck, 1572 © gemeinfrei
Häuser aus Stein waren ein Zeichen für Reichtum und die Hansestädte sind aus Stein gebaut.
So schreibt der Lübecker Stadthistoriker Manfred Eickhölter: "Und wenn ich mir vorstelle, wie Lübeck gebaut worden ist, dann ist da so etwas wie ein Gesamtbild entstanden, das den Begriff einer schön gebauten Stadt erfüllt, also mit hohen, weit ins Land hinein strahlenden Türmen, ganz und gar aus Stein gebaut, alle Häuser aus Stein, alle Straßen gepflastert, mit schönen Fenstern - mir kommt manchmal die Idee, das diejenigen, die diese Stadt gegründet hatten, die Vorstellung hatten, sie bauen am westlichen Ende der Ostsee, von wo aus sie mit ihrer Mission starten, da bauen sie eine Stadt, die nahe kommt der Vorstellung eines himmlischen Jerusalem und das ist für diejenigen weiter im Osten immer der Ort, auf den sie im Westen schauen, weil sie sagen, von dort her kommen wir."
Die Hanse - Städtebund im Mittelalter
Die Hanse war eine bedeutende Vereinigung von Städten und Kaufleuten, die den Handel im Norden Europas vom 12. - 17. Jahrhundert dominierte. Der Höhepunkt ihrer Aktivitäten lag im späten Mittelalter im 14. Jahrhundert. Als wirtschaftliches und politisches Netzwerk war die Hanse eine wichtige Macht, die den Ostseeraum wirtschaftlich und kulturell stark beeinflusste.
Das Bündnis erstreckte sich über einen beträchtlichen Teil des nord- und osteuropäischen Raums mit Hansestädten in den heutigen Staaten Belgien, Großbritannien, Niederlande, Deutschland, Norwegen, Estland,
Lettland, Litauen, Finnland und Russland.
Bis heute ist sie ein zentraler Bestandteil der europäischen Geschichte, der vor allem die Anreinerstaaten der Ostsee historisch verbindet.
Die Hansestädte und ihre Verbreitung in Nordeuropa
© Europäisches Hansemuseum / Forschungsstelle für die Geschichte der Hanse und des Ostseeraums
Allgemein verbindet man mit der Hanse den Ostseeraum. Dennoch ballen sich viele Hansestädte in Westfalen. Die Beziehung des Hansebundes mit Westfalen liegt in den stadtrechtlichen Ursprüngen der Hanse, die in die westfälische Stadt Soest führen, deren altes Stadtrecht in das Lübische (Lübecker) Recht einfloss.
Dieses aus dem Soester Stadtrecht entstandene Lübische Stadtrecht wurde später von fast allen Städten übernommen, die zum Hansebund gehörten, wodurch eine gemeinsame Rechtsgrundlage innerhalb des Bündnisses gegeben war.
Neben dem Handel diente die Hanse auch dem Schutz der Schiffe vor Piraterie und zur Verteidigung im Kriegsfall.
Am bekanntesten ist wohl die Geschichte des legendären Piraten Klaus Störtebecker, einem der Anführer der Vitalienbrüder, die im späten Mittelalter die Nord- und Ostsee befuhren und Handelsschiffe überfielen. Dies taten sie mitunter im Namen von Herrschern, die auf diese Weise politische Interessen
durchsetzen wollten, wie z.B. im Konflikt zwischen Dänemark und Mecklenburg. Egal, ob legitimiert oder nicht, für die Hanse stand fest: Jeder, der ein Schiff kaperte, war ein Pirat und wurde zum Tode verurteilt.
Der Verteidigungsfall in Kriegszeiten trat z.B. im Hansisch-Englischen Krieg ein, einem Wirtschaftskrieg, bei dem es um den Handel im Ostseeraum ging, von dem die Engländer auch profitieren wollten.
Gehandelt wurde mit Waren wie Heringen, Getreide, Salz, Honig, Wachs und Pelzen.
Außerdem konnte die Hanse Privilegien aushandeln, die anderen Kaufleuten verwehrt blieben, z.B. Steuerbefreiungen oder exklusive Handelsabkommen.
Auch kulturell hat die Hanse den Ostseeraum miteinander verbunden. In der Architektur ist besonders die Backsteingotik hervorzuheben, deren große Kirchen die Silhouetten vieler Ostseestädte prägen.
Werke von Künstlern wie dem Lübecker Maler und Bildhauer Bernt Notke finden sich im gesamten Ostseeraum. Sein Totentanz in der Lübecker Marienkirche wurde im Krieg 1942 zerstört, aber in der Nikolaikirche in Reval (heute Tallinn) ist ein ähnlicher Totentanz von ihm zu sehen. Neben ihm ist der Künstler Hermen Rode zu erwähnen, dessen Altäre z.B. in Stockholm oder ebenfalls in der Nikolaikirche in Reval zu sehen sind.
Lübeck wurde zum Zentrum des Buchdrucks. 1488 wurde dort mit dem Missale Aboense das erste für Finnland gedruckte Buch hergestellt.
Auch wenn Stockholm keine Hansestadt war, so gab es dort eine große deutsche Gemeinde, die im 16. Jahrhundert die Tyska Kyrkan (Deutsche Kirche) baute, die die hanseatischen Handelsbeziehungen zwischen Deutschland und Schweden widerspiegelt. Diese Kirche ist eine der größten Stockholms, prägt die Stadtsilhouette und ist voller deutscher Inschriften in Kirchenfenstern und Malereien. Nebenan in der Altstadt von Stockholm gab es ein Viertel, das als "Deutsches Viertel" bekannt ist. Hier lebten und arbeiteten im späten Mittelalter deutsche Kaufleute und Handwerker, die einen bedeutenden Einfluss auf den Handel und die Wirtschaft der Stadt hatten.
Neben den mehr als 200 Hansestädten, sind vor allem die vier großen Kontore in Bergen (Norwegen), London (England), Brügge (Flandern) und Novgorod (Russland) hervorzuheben - Handelsposten und Niederlassungen, die von der Hanse betrieben wurden und als Zentren für den Handel und Stützpunkte für Hansekaufleute dienten, um ihre wirtschaftlichen Interessen zu verfolgen und den Handel mit lokalen Waren zu fördern. Sie waren darüber hinaus Treffpunkt für Handelsgeschäfte und Verhandlungen, Herbergen für Kaufleute, Lagermöglichkeiten usw.
Die westlichste Niederlassung war das Kontor in London, im Osten reichte die Hanse bis Novgorod. Novgorod war aber nicht nur eine Stadt, sondern eine Republik, die bis zum Ural und an die Barentsee reichte.
(Weiter geht's mit den vier Niederlassungen der Hanse in London, Brügge, Bergen und Novgorod. Das hat viel mit der Hanse zu tun, aber weniger mit Lübeck. Wenn du keine Lust darauf hast und es direkt mit Lübeck weitergehen soll, klick hier.)
Die Kontore der Hanse
Bergen, Tyske Bryggen
Vom 1343 gegründeten Kontor in Bergen, dem Hanseviertel Tyske Bryggen (Deutsche Landungsbrücke), ist von allen vier hanseatischen Kontoren am meisten erhalten. Bunte, giebelständige Holzhäuser säumen fast das gesamte nordöstliche Ufer der Bucht von Bergen. Nach Stadtbränden etc. stehen heute noch 60 Häuser, die zum Weltkulturerbe gehören. Seit dem Zweiten Weltkrieg wird das Viertel nur noch Bryggen genannt, da man durch die Kriegserfahrung nichts mehr mit Deutschland zu tun haben wollte.
Die Holzhäuser in Bryggen, dem ehemaligen Handelskontor in Bergen, Quelle: Wikipedia, Gerd A.T. Mueller
London, Stalhof
Das Londoner Kontor, der sogenannte Stalhof entstand aus der 1175 gegründeten Handelsniederlassung Kölner Kauflaute an der Themse, der sogenannten Guildhall. Die Kölner handelten dort hauptsächlich mit Rheinwein. Die Gildhall wurde deutlich vergrößert nach dem Hansisch-Englischen Krieg (1469-1474), den England verloren hatte. Grund für den Krieg waren englische Begehrlichkeiten, die der hanseatische Ostseehandel geweckt hatte, so dass englische Handelsschiffe in die Ostsee eindrangen, aber von Schiffen der Hanse abgefangen und beschlagnahmt wurden. Das Kontor in London, das bisher nur aus der Guildhall bestand, wurde vergrößert. Das danach auf 7000 qm angewachsene Gelände lag direkt an der Themse, dort wo sich heute der Bahnhof Cannon Street befindet.
Der Stalhof zu London, Quelle: Wikipedia
Berühmtes Gemälde von Hans Holbein dem Jüngeren: Der Kaufmann Georg Gisze in seinem Londoner Kontor, 1532, Gemäldegalerie Berlin, Quelle: Wikipedia
Brügge, Osterlingenhuis
1252/53 erhielten Kaufleute aus Lübeck, Hamburg, Dortmund Soest, Köln und anderen Städten Privilegien in Brügge. Die Stadt war mit bis zu 1000 hanseatischen Kaufleuten die größte Niederlassung im Ausland, so dass es dort kein geschlossenes Gelände gab, auf dem sie wohnten. Durch den sozialen Kontakt der Hanseaten zur einheimischen Bevölkerung
unterscheidet sich Brügge von den anderen Kontoren. Da es kein eigenes Gebäude gab, traf man sich im Refektorium (Speisesaal) des Karmeliterklosters. Später wurde das Haus der Osterlinge am Oosterlingenplein gebaut, das als Lagerhaus, Übernachtungsmöglichkeit für Kaufleute diente und so etwas wie eine auswärtige Handelsniederlassung mit konsularischen Befugnissen war.
Von dem Gebäude gibt es heute nicht mehr viel zu sehen. An der Torenbrug, Osterlingenplein, Ecke Golden-Handrei ist ein übrig gebliebener Teil des Hauses erhalten, der aber sein historisch mittelalterliches Erscheinungsbild mit Ecktürmen und Zinnen verloren hat. Heute ist es ein kleines Hotel. Man nannte die hanseatischen Kaufleute Osterlinge, weil sie alle aus Städten östlich von Brügge kamen.
Das Archiv des Brügger Kontors ist vollständig erhalten und befindet sich heute im Stadtarchiv in Köln.
Novgorod, Peterhof
Novgorod war die östlichste aller hanseatischen Niederlassungen, sozusagen das Ende der hanseatischen Welt. Die Stadt war nur über die Flüsse Newa und Wolchow erreichbar, da sie nicht am Meer lag. St. Petersburg an der Newamündung, das erst im 18. Jahrhhundert gegründet wurde, gab es zu dieser Zeit noch gar nicht.
Nowgorod war aber nicht nur eine Art Außenposten, sondern als Hauptstadt der Republik Novgorod, die sich von der Ostsee bis zum Ural zog, von großem Handelsinteresse. An diesem riesigen russischen Territorium hatten vor den Hanseaten schon die Gotländer Interesse und errichteten dort eine gotländsche Handelsniederlassung. Die Hanseaten hatten die Gotländer verdrängt und bauten sich dort eine Art Stadt in der Stadt, umschlossen von einem Palisadenzaun mit nur einem Tor, das nachts verriegelt wurde. Benannt wurde die Niederlassung nach der Kirche St. Peter, dem einzigen Steinbau in der Siedlung, in den man sich bei Gefahr zurückziehen konnte. Die Produkte aus Russland waren urtümlich verglichen mit jenen aus Brügge und London. Tücher aus London, Spitzen aus Flandern gegen Felle, Wachs, Salz und Honig aus Russland.
1494 wurde das Kontor von Zar Iwan III. geschlossen und zerstört. Dieser hatte Russland von der Goldenen Horde, den Mongolen, befreit und Russland unter der Führung des Großherzogtums Moskau geeint, was 1478 das Ende der Republik Novgorod bedeutete, die im Großherzogtum Moskau aufging.
Lübeck, die Hauptstadt der Hanse
Unter allen Hansestädten hat Lübeck eine herausragende Bedeutung, so dass man es als Hauptstadt der Hanse bezeichnet.
Eine eigentliche Hauptstadt mit einem zentralen Sitz gab es für das wenig hierarchisch organisierte Netzwerk der Hansestädte nicht, aber die wirtschaftliche Bedeutung Lübecks, sowie ihr Status als Reichsstadt gaben ihr den politischen Spielraum, die Rolle als Vorreiterin dauerhaft zu übernehmen. 1226 wurde Lübeck von Kaiser Friedrich II. der Reichsfreiheitsbrief ausgestellt, mit dem Lübeck keinem anderen Herrn als dem König unterstellt war.
Die Hansetage und der Hansesaal
Das Bündnis brauchte für die Zusammenkünfte der Vertreter der Hansestädte, die Hansetage, einen Saal. Die Hansetage, bei denen Interessen ausgehandelt, beschlossen und durchgesetzt wurden, waren das wichtigste Organ und Beschlussgremium der Hansestädte.
Sie fanden zwischen 1356 bis 1669 statt, die meisten davon im Hansesaal des Lübecker Rathauses, einem eigens für die Hansetage eingerichteten Sitzungssaal.
Hansesaal im Obergeschoss des Lübecker Rathauses um 1817/18.
Vor dem Umbau 1818 wurde eine Zeichnung angefertigt, die einzige überlieferte Abbildung des Hansesaals. Zeichnung von E. C. Krüger, Archiv der Hansestadt Lübeck
Der Saal war schlicht eingerichtet. Die Vertreter der Hansestädte saßen nicht an einem Tisch, sondern an den Wänden, auf hufeisenartig angeordnetem Gestühl, ähnlich wie im Chor einer Kirche. Oberhalb der Wände verlief ein gemalter Fries mit den beiden Wappen der Stadt, einerseits dem Reichsadler, dem Symbol für Reichsfreiheit und dem lübischen Schild in den Farben Silber und Rot.
Die Farben Rot und Silber finden sich in allen Wappen der Städte wieder, die zum Hansebund gehörten.
Es lohnt sich, das Rathaus im Rahmen einer Führung zu besichtigen, den Hansesaal wird man allerdings nicht zu sehen bekommen. 1818 wurde er 400 Jahre nach seiner Einrichtung beseitigt, um dort Büros unterzubringen. Wenn man heute vor dem Haupteingang des Rathauses an der Breiten Straße steht, kann man im ersten Obergeschoss die 14 Fenster sehen, hinter denen sich der Hansesaal befand.
Im Europäischen Hansemuseum an der Untertrave kann man Nachbildungen vom Gestühl und der Wandbemalung des Hansesaals sehen und bekommt dort einen Eindruck von den Hansetagen und den Themen, die auf den Hansetagen verhandelt wurden.
Das Lübische Stadtrecht
An der Gründung Lübecks waren Kaufleute aus dem westfälischen Soest beteiligt.
Das allererste Stadtrecht im Mittelalter - das Soester Stadtrecht - wurde auf eine Kuhhaut geschrieben. Es entstand um das Jahr 1225.
Es bildete auch die Grundlage für das 1160 entwickelte Stadtrecht Lübecks.
Das älteste Stadtrecht Deutschlands, das Soester Stadtrecht von ca. 1225, auf einer Kuhhaut. Ein Faksimile davon kann man im Burghofmuseum in Soest besichtigen. Das Original liegt im Soester Stadtarchiv.
Das Lübische Stadtrecht von 1294, das aus dem Soester Stadtrecht hervorgegangen ist.
Heinrich der Löwe verlieh Lübeck das Privileg des Soester Stadtrechts im Jahre 1160. Aus dem Soester Stadtrecht entwickelte sich das sogenannte Lübische Recht, in das westfälische und holsteinische Rechtsvorstellungen einflossen. Auch das Seerecht der gotländischen Genossenschaft, das auf die Wikinger zurückgeht, floss in das Lübische Recht ein.
(Willst du mehr über Soest erfahren? Klick hier. Willst du mehr über Heinrich den Löwen erfahren?Klick hier.)
Dieses Lübische Recht verbreitete sich durch die Machtstellung Lübecks und der Hanse im Ostseeraum und wurde von sämtlichen Handelsniederlassungen und bei Stadtgründungen übernommen, die während der Ostsiedlung entstanden. Es wurde in über 100 Städten umgesetzt und ist nach dem Magdeburger Stadtrecht das bedeutendste im Heiligen Römischen Reich bzw. im Deutschen Reich und hatte Gültigkeit bis 1900, als es vom Bürgerlichen Gesetzbuch abgelöst wurde.
Die Entstehung des Lübischen Rechts aus dem Soester Stadtrecht sowie die Gründung Lübecks mit Hilfe Soester Kaufleute zeigt die enge Verbindung zwischen dem Ostseeraum und Westfalen. Soest war selbstverständlich eine bedeutende Hansestadt, was auch daran zu erkennen ist, das ihr Stadtwappen die Farben Rot und Silber enthält, jene Farben, die alle Hansestädte in ihren Wappen tragen.
Im Übrigen fällt die enorme Dichte von Hansestädten im westfälischen Raum auf. Häufig wird mit dem Hansebund der Schiffshandel auf der Ostsee assoziiert. Tatsächlich bildete aber Westfalen einen deutlichen Schwerpunkt im Hansebund.
Der Salzhandel zwischen Lübeck und Lüneburg
Salz machte manche Stadt im Mittelalter reich. Lübeck war der Salzumschlagplatz für den Überseehandel. Der Norden und Nordosten Europas waren so salzarm, dass man Salz aus Lüneburg über Lübeck importieren musste. Dazu wurde das Salz zunächst von Lüneburg nach Lübeck transportiert, was über die Alte Salzstraße geschah, ab 1398, ließ die Stadt Lübeck einen Kanal bauen, den sogenannten Stecknitzkanal von Lauenburg nach Lübeck, auf dem immerhin 7,5 Tonnen Salz pro Boot transportiert werden konnten. Die Strecke ist heutzutage kurz, trotzdem dauerte es damals 2-3 Wochen das Salz von Lauenburg nach Lübeck zu bringen. Der Kanal war klein, ähnelte eher einem Bach und die Boote hatten sehr geringen Tiefgang, nur ca. 40 Zentimeter. (Willst du mehr über den Stecknitzkanal erfahren? Klick hier.)
Ein besonderer Berufsstand, die Stecknitzfahrer bildete sich heraus, dessen Spuren in Lübeck noch gegenwärtig sind.
Das mittlerweile renovierte Stecknitzfahrer-Amtshaus befindet sich im Stecknitzfahrerviertel unterhalb des Doms mit der genauen Anschrift Hartengrube 25.
Die alten Salzspeicher in Lübeck sind ebenfalls noch zu sehen. Sie befinden sich direkt neben dem Holstentor.
Die alten Salzspeicher direkt neben dem Holstentor
Die Traditionen der Stecknitzfahrer
Blick von der Obertravebrücke "Liebesbrücke" zur St. Petri-Kirche und Marienkirche
An der Obertrave
An der Obertrave
Auf den Fotos oben sieht man das Viertel der Stecknitzfahrer. Es liegt zwischen dem Dom am Mühlendamm und der Trave. Die Stecknitz-Fahrer konnten durch ihre Tätigkeit sozial aufsteigen, denn das Amt war so etwas wie eine Interessengemeinschaft in Form einer Gilde. Ihren Wohlstand kann man daran ablesen, dass sie der Lübecker Marienkirche 1422 den Maria-Magdalena-Altar schenkten. Aber damit nicht genug, denn sie spendeten auch für die Ausstattungen der sieben Kirchen der am Stecknitzkanal gelegenen Ortschaften Krummesse, Berkenthin, Nusse, Mölln, Siebeneichen, Witzeeze, Büchen und Lauenburg. In Mölln kann man z.B. im Chorgestühl der St.-Nicolai-Kirche eine Inschrift der Stecknitzfahrer sowie das geschnitzte Wappen der Gilde sehen.
Das Wappen der Stecknitzfahrer
Als die Eisenbahn schneller und leichter transportieren konnte, wurde der Kanal nicht mehr benötigt. Später baute man parallel zu ihm, teilweise auch auf seinem Streckenverlauf, den Elbe-Lübeck-Kanal, der heute für größere Binnenschiffe geeignet ist.
1845 wurde durch ein Dekret der Lübecker Regierung sowohl die Innung der Salzfuhr als auch die der Stecknitzfahrer aufgehoben.
1898 wurden die Stecknitzfahrten eingestellt, genau 500 Jahre, nachdem sie 1398 begonnen wurden. Das „Amt der Stecknitzfahrer" gab es fortan nicht mehr, aber die über Jahrhunderte zusammengewachsenen Schiffer hielten zusammen. Durch finanzielle Hilfe konnten sie sich größere Schiffe bauen und befahren seitdem die Elbe. Sie wurden zu Flussschiffern, gründeten 1854 einen Verein, dessen Vereinsleben genauso abläuft wie einst das Amtsleben der Stecknitzfahrer. Neuaufnahmen kommen fast nur aus den Reihen der eigenen Familien in Betracht. Dieser familiäre Kreis der Lübecker Flussschiffer (heute sagt man Binnenschiffer) hat sich bis heute erhalten. Die Tradition des alljährlichen Fests, der Kringelhöge, wird immer noch aufrechterhalten, das Treffen beginnt mit einem Gottesdienst im Dom in plattdeutscher Sprache, danach wird gefeiert, wozu jeder etwas zu essen mitbringt, dazu gibt es ein eigens für diesen Anlass gebrautes Braunbier aus Zinnkrügen. Es ist Brauch dabei Tabak mit Pfeifen mit langen Mundstücken zu rauchen, der ausschließlich mit einem Holzspan entzündet werden darf. Es ist eine Männergesellschaft, Frauen sind erst gegen Abend zugelassen.
Am anderen Ende der Stadt, am Heiligen-Geist-Hospital liegt die Schiffergesellschaft. Am besten geht man an der Trave entlang und biegt nach ca. 1,5 Kilometern rechts in die Straße Engelsgrube ein. Dieser Straße folgt man bis zur Breiten Straße. Dort liegt direkt an der Ecke die Schiffergesellschaft.
Die Schiffergesellschaft, traditionsreiches Lokal in der Nähe des Heiligen-Geist-Hospitals
Die Schiffergesellschaft von innen. An den Backen der Gelage, den langen Bänken geschnitzte und farbig gefasste Wappen früherer Schifffahrtskompanien
Am 2. Weihnachtsfeiertag 1401 gründeten Lübecker Kaufleute, Schiffer und Schiffsleute eine Bruderschaft zu Hilfe und Trost derjenigen, die ihren Lebensunterhalt auf See verdienen mussten, zu Ehren Gottes und des Schutzheiligen aller Seefahrer, Sankt Nikolaus. Es ist die älteste, schriftlich überlieferte Organisation Lübecker Schiffer. 1535 erreichte die Reformation Lübeck, alle Bruderschaften lösten sich auf, die Schiffer kauften das Versammlungshaus und nannten ihr Bündnis "Schiffergesellschaft". Sie bauten den großen Saal zum gemeinsamen Essen und Feiern aus und stellten die Gelage (so heißen die Bänke aus Schiffsplanken) wieder hinein. Auf der Rückseite des Gebäudes wurden in Buden kleine Wohnstätten eingerichtet. Bedürftige Witwen und Waisen der Seefahrer sollten hier - das gilt auch heute noch - Schutz und Hilfe finden. Das Hauptgebäude beherbergt seit der Mitte des 19. Jahrhunderts ein Restaurant: die Schiffergesellschaft.
Als wir dort einkehrten, empfing uns der Ober, ein gestandenes, norddeutsches Mannsbild, der uns bodenständig und selbstbewusst auf Plattdeutsch begrüßte und sich deutlich mit seinem Arbeitsplatz zu identifizieren schien. Für uns wechselte er ins Hochdeutsche und beantwortete bereitwillig alle unsere neugierigen Fragen zum Gebäude und zur Gesellschaft. Unter anderem wollten wir wissen, warum die Fenster an der Fassadenseite erst so weit oben beginnen. Hat das den Grund, dass man von außen nicht hinein sehen kann? Hat es etwas mit Exklusivität zu tun? Nur wer hinein darf, weiß, wie es innen aussieht und niemand soll von außen beobachten können, was innen geschieht ... oder so ähnlich? Er erläuterte, dass der Raum einem Schiffsbauch ähneln sollte, also unten ohne Öffnung, während das Licht von oben, von den höher gelegenen Fenstern hereinfallen sollte. Von ihm erfuhren wir auch, dass die Gemälde oberhalb der Paneele 1624 angebracht wurden und Szenen aus der Bibel zeigen, dass die geschnitzten und farbig gefassten Wappen an den Backwangen der langen Bänke, den Gelagen, auf die früheren Schifffahrtkompanien verweisen.
Früher war die Schiffergesellschaft eine Kommunikationsbörse, in der sich die Schiffer austauschten, abends zusammensaßen, ihr Bier tranken, ihre Gipspfeife mit Tabak rauchten und sich dabei über Fahrtziele wie zum Beispiel Bergen, Riga, Novgorod oder Stockholm austauschten, über ihre Erfahrungen aus den Zielhäfen berichteten, über die Preise, die sie haben erzielen oder nicht haben erzielen können, von Umstrukturierungen in den Häfen und Erschwernissen während der Reise usw.
Lübecker Rotspon
Der Rotspon, ein französischer Rotwein, ist ein echtes Kind der Hanse. Er entstand, als im 13. Jahrhundert Hansekoggen die französische Atlantikküste anliefen, um dort ihre Waren abzuliefern. Damit die Schiffe nicht leer zurückfuhren, wurden als Ballast junge Bordeauxweine in Holzfässern aus französischer Eiche an Bord genommen. Nach langer Seereise an der Trave eingetroffen, wurden diese Weine in den Kellergewölben der Lübecker Handelshäuser eingelagert und sorgfältig bis zur vollen Flaschenreife gehütet. Durch die Seereise und die anschließende Lagerung im Meeresklima erhielt der Wein seine besondere Note.
Weinhaus Carl Tesdorpf - seit 1678
Natürlich wollten wir die älteste Weinhandlung Lübecks besuchen, Carl Tesdorpf, gegründet 1678. Wir gingen zur Mengstraße 64, wo die Weinhandlung sein sollte, und fanden ein geschlossenes Geschäft vor. Nachdem wir geklingelt hatten, öffnete sich in einem oberen Stockwerk ein Fenster und ein Herr rief herunter, das er komme, aber er brauche etwas Zeit aufgrund seines Alters. Wir warteten. Der Herr, der uns öffnete, war der letzte Tesdorpf, der die Weinhandlung leitete, bis sie im Mai 2019 geschlossen wurde, wenige Wochen, bevor wir nach Lübeck kamen. Entsprechend leer waren die Räumlichkeiten, aber dennoch waren wir fasziniert von dem glänzenden, unebenen Steinboden aus großen Steinplatten, über den jahrhundertelang die Waren gerollt waren, von den hohen Sprossenfenstern, dem Gemälde des Weinhaus-Gründers und späteren Lübecker Bürgermeisters, Peter Hinrich Tesdorpf, der aussah wie ein Barockfürst (Bild unten, Von Bjoertvedt - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0) und natürlich waren wir angetan von dem alten, vor uns stehenden Tesdorpf, der viel Interessantes zu erzählen hatte.
Nach 341 Jahren war im Mai die Tradition des Weinhauses zu Ende gegangen, das Geschäft veräußert an ein Hamburger Weinhaus, das nur noch online handelt. Ein nachdenkliches Gefühl beschlich uns und wir fragten uns, wie viel Tradition und Kultur durch heutiges Wirtschaften noch weggemäht werden. Den Rotspon aus Lübeck mit dem Namen Tesdorpf gibt es noch, aber wie gesagt, nur noch online. Man trinkt aber solch einen Wein immer auch mit dem Bewusstsein an die Tradition, die wiederum mit dem Backsteingeschäft in der Altstadt verbunden ist, mit der jahrhundertealten Beziehung der Tesdorpfs zur Familie Mann, der Erwähnung des Tesdorpfer Rotspons in Thomas Manns Roman Buddenbrooks usw. Es wird noch ein, zwei Generationen dauern und das alles wird vergessen sein. Schade.
In der Mengstraße befinden sich noch zwei weitere Dinge, die mit Lübeck untrennbar verbunden sind: das Buddenbrookhaus, in dem sich eine Ausstellung zum Leben und Wirken des Dichters befindet. In der Mengstraße 48-50 befindet sich das Restaurant Schabbelhaus. ein traditionsreicher Ort, eigentlich ein Museum mit erweiterter Funktion.
Weinhaus van Melle
Das Weinhaus von Melle wurde zwar erst 1853 gegründet, aber dort wurden wir schließlich fündig und konnten unser Mitbringsel, den Rotspon, bekommen und gleichzeitig ein lebendiges Weingeschäft erleben, das unseren Vorstellungen eines lübischen Traditionshauses entsprach.
Auf dem obigen Foto sieht man die Diele im Weinhaus von Melle, einem typisch lübischen Haus, giebelständig zur Straße ausgerichtet, mit hohem Erdgeschoss, darüber mehrere niedrigere Obergeschosse zum Lagern von Waren. Die Diele hat hohe Sprossenfenster sowohl nach vorne wie auch nach hinten zum Hof. Sie diente als multifuktionaler Raum, in dem Waren angeliefert wurden, gearbeitet, aber auch repräsentiert wurde. Wegen der Repräsentation sind Dielen oft mit Malereien ausgestattet und in späteren Jahrhunderten kamen aufwendige Schnitzereien an den Paneelen hinzu und den Treppenaufgängen hinzu. An der Seite des großen Raums gab es immer die sogenannte Dorne, einen kleinen, beheizbaren Raum, eine Art Büro oder Pförtnerraum, der durch Glasscheiben von der Diele abgetrennt ist, oben auf dem Foto sieht man ihn auf der linken Seite. Im Vordergrund des Fotos ist ein Tau zu sehen, das Teil einer Seilwinde ist, der Lastenaufzug des Hauses. Die Lasten wurden im Inneren des Hauses nach oben gezogen durch Luken in den Etagenböden, die man entsprechend aufklappen konnte. Das Tau lief über ein großes Rad im Dachboden.
Die Wohnräume der Kaufmannsfamilien befanden sich in einem Anbau, der in den Hof hineingebaut war, dem sogenannten Seitenflügel.
Lübecker Marzipan
Berühmtes Marzipan gibt es an verschiedenen Orten der Welt. Demnach beanspruchen viele Städte für sich, diese Leckerei erfunden zu haben. Persien, Toledo und im deutschsprachigen Raum Lübeck, Königsberg und Reval (heute: Tallin in Estland, wo die Kaufleute noch bis ins 19. Jahrhundert deutsch sprachen). Auffällig ist, dass drei Orte an der Ostsee für das Marzipan berühmt wurden, was mit den Handelsbeziehungen der Hanse zusammenhängt.
Die Bezeichnung "Lübecker Marzipan" ist mittlerweile von der EU geschützt und hat nicht mit der Zusammensetzung, sondern mit dem Entstehungsort zu tun.
Die Confiserie und Konditorei Niederegger ist der bekannteste Hersteller. Sie wurde 1806 von dem aus Ulm stammenden Johann Georg Niederegger gegründet.
Dass das Lübecker Marzipan in Zeiten von Hungersnöten entstand, als man nur noch Mandeln und Zucker in der Stadt hatte, gehört in das Reich der Legenden.
Lübecker Gänge - im Labyrinth der kleinen Leute
Durch den begrenzten Platz in Lübecks Altstadt, die auf einer Insel in der Trave liegt, gab es im Mittelalter Mangel am Platz für Wohnraum. Die Grundstücke hinter den großen Häusern an den Straßen wurden mit kleinen bebaut. Manche davon hatten nur ein Zimmer. Dort wohnten Dienstboten oder Seeleute. Um dahin zu gelangen, wurden Durchgänge angelegt, die durch die Straßenhäuser zu den dahinter liegenden Häuschen führen. Heute sind noch viele dieser Gänge erhalten. Allerdings nur in den Teilen der Stadt, die nicht kriegszerstört sind, aber das sind gar nicht so wenige. Besonders im nördlichen Teil um die Engelsgrube herum, in der Nähe der Schiffergesellschaft, aber auch im südlichen Teil um den Dom herum findet man sie, wo sie unter anderem von der Straße Hartengrube abgehen oder im westlichen Teil an der Glockengießerstraße. Sie sind öffentlicher Raum, auch wenn sie sehr privat wirken. Man sollte aber als Tourist davon absehen, neugierig in die Häuser hinein zu schauen oder sich dort auf den Bänken und Stühlen der Bewohner niederzulassen.
Ein typischer Durchgang durch eines der großen Vorderhäuser an der Straße. Die Durchgänge waren eng, aber immer laut Stadtverordnung so bemessen, dass ein Sarg hindurch passte.
Mölln und Ratzeburg
Wismar
Scharbeutz
Niendorf,
Timmendorfer Strand