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Flensburg und Sylt
Flensburg
Was fällt einem zu Flensburg ein?
Da gibt es das Amt, das die Punkte für Verkehrssünder sammelt, offiziell Kraftfahrt-Bundesamt genannt, dann gibt es den Erotikkonzern Beate Uhse
und noch das Flensburger Pils, bundesweit bekannt durch die Werner-Comics von Brösel.
Aber wird man mit diesen Vorstellungen der nördlichsten Stadt Deutschlands gerecht?
Die genannten Dinge gehören zwar dazu, aber es gibt Interessanteres:
Zunächst ist Flensburg die nördlichste kreisfreie Stadt im Land, sie liegt an der Flensburger Förde, direkt neben der dänischen Grenze. Förde ist das deutsche Wort für Fjord, also eine Art langgezogene Bucht, die sich tief ins Landesinnere erstreckt. Von Flensburg aus sieht man die Weite des Meeres nicht, eben weil man am Ende einer Bucht ist. Aber die Stadt ist maritim geprägt mit allem, was dazu gehört.
Flensburg und der Rum
Flensburg ist traditionell eine Stadt des Rums, auch wenn sie heute eher für Pilsener steht.
"Pure Rum" wird aus der Karibik importiert und daraus werden hier "Echte Rums" und Rum-Verschnitte hergestellt. Diese Spirituosen werden von Flensburg aus in die ganze Welt exportiert. Allerdings nimmt die Tendenz stark ab: In der Flensburger Altstadt sind noch zwei Manufakturen von ehemals 200 Rumhäusern übrig geblieben.
Aber wieso hat Flensburg diese exotische Verbindung zu einem karibischen Getränk von den Westindischen Inseln?
Die Stadt gehörte einst zu Dänemark, welches Kolonien in der Karibik hatte, unter anderem die Westindischen Jungferninseln. So begannen Handel und Produktion von Rum, indem der Zuckerrohrschnaps von der dänischen Westindienflotte nach Flensburg gebracht wurde. Der Hafen war durch diese Handelsbeziehungen seinerzeit bedeutender als Kopenhagen. Noch heute kann man architektonische Relikte dieser Zeit besichtigen, z.B. den Westindienspeicher, ein ehemaliges Lagerhaus für Rum und andere Waren aus der Karibik wie Rohrzucker, Tabak und Gewürze. 1789 wurde dieser Speicher von dem dänischen Reeder Andreas Christiansen gebaut. Heute ist er nach verschiedenen anderen Nutzungen ein Wohnhaus mit mehreren privaten Wohneinheiten, aber rein äußerlich sieht er aus wie eh und je. Er liegt unweit der Fußgängerzone Große Straße, hinter dem Rumhaus Braasch.
Nach dem Deutsch-Dänischen Krieg 1864, der Schleswig und Holstein unter österreichisch-preußische Verwaltung brachte, gehörte Flensburg nicht mehr zu Dänemark. Ab 1866, nach dem Deutschen Krieg zwischen Österreich und Preußen, durch den das Territorium an Preußen fiel, wurde die Rumtradition fortgesetzt und man fuhr weiterhin nach Jamaica, um von dort Rum zu importieren. Der Rum, der heute noch in Flensburg ankommt, hat schon fünf bis sieben Jahre Lagerung in Fässern hinter sich, in Flensburg wird er dann verschnitten, d.h. er wird mit Wasser verdünnt und mit Kornbranntwein angereichert und weitere 12 bis 14 Jahre lang in Holzfässern gelagert.
"Verschnitt" klingt nach Panscherei, aber da liegt man falsch, denn der Rum, der aus der Karibik kommt, ist so hochprozentig, dass er nicht trinkbar ist und erst einmal durch Verdünnung trinkbar gemacht werden muss. Das Getränk wurde hochprozentig importiert, damit der Mengenzoll, der irgendwann eingeführt wurde, umgangen werden konnte.
Flensburger Rum wird in Holzfässern gelagert, bekommt dadurch die braune Färbung und das typische intensive Rumaroma, das ihn vom weißen Rum unterscheidet.
Auf dem Flaschenetikett des Rums der Familie Brodersen ist die Urania dargestellt, die 1826 in Stettin gebaut wurde und über 30 Jahre von den Kapitänen der Familie Brodersen zu den Jungfraueninseln gefahren wurde. Ein Hurrikan hat 1866 das Schiff im Hafen von Puerto Plata in Puerto Rico zerstört.
Heute gibt es den Rum noch im Weinhaus Braasch, den Nachfolgern der Brodersens in der Großen Straße, der Fußgängerzone Flensburgs. Die Produktion mitsamt einem Museum liegt in der Roten Straße.
Die zweite Rum-Manufatur Johannsen liegt in der Marienstraße, direkt gegenüber der Marienkirche an der Großen Straße.
Von der Großen Straße und den Rum-Geschäften empfiehlt es sich, zum Hafen heruntergehen. Immerhin ist man an der Förde und gerade als Tourist möchte man genau diese maritime Atmosphäre erleben. Im Bereich um den Museumshafen und an der Straße "Schiffbrücke" gibt es unzählige Möglichkeiten in Restaurants, Cafés usw. am Wasser zu sitzen und die Ausblicke zu genießen.
Einige historische Straßen führen von der Schiffbrücke, jener Straße, die am Hafen parallel zur Förde verläuft, zur Norderstraße, einer kopfsteingeplasterten historischen Straße, die als multikulturelles Szeneviertel gilt.
Norderstraße
Der "Oluf-Samson-Gang", eine der besterhaltenen historischen Altstadtstraßen Schleswig-Holsteins führt vom Hafen direkt zur Norderstraße hinauf. Parallel dazu führt die Straße "Herrenstall" auch vom Wasser zur Norderstraße. Früher war dort das Rotlichtviertel. In den 70er Jahren war geplant, die ganze Altstadt abzureißen und Terrassenhäuser zu bauen - Vom Krieg blieb Flensburg verschont, aber um ein Haar hätte der Sanierungswahn der Nachkriegszeit doch noch fast alles zerstört. Im Herrenstall wurde die Hälfte aller historischen Häuser in den 70er Jahren für den Neubau des Gesundheitsamtes und eines Supermarktes abgerissen.
In den 80er Jahren setzte das Umdenken ein und man begann, die historische Bausubstanz wertzuschätzen. Heutzutage ist vermutlich der Tourismus der größte Schutzfaktor für alte Gebäude geworden - und das nicht nur in Flensburg.
Oluf-Samson-Gang
Deutsch-Dänischer Krieg 1864
Wann wurde Schleswig und damit auch Flensburg ein Teil Deutschlands?
Es geschah im Deutsch-Dänischen Krieg, auch Zweiter Schleswig-Holsteinischer Krieg genannt, dem ersten der drei Einigungskriege, die im 19. Jahrhundert zur Entstehung des Deutschen Reichs führten. Dänische und preußisch-österreichische Truppen kämpften gegeneinander an den Düppeler Schanzen, unweit hinter der heutigen Staatsgrenze auf dänischer Seite, nur ca. 20 Kilometer von Flensburg entfernt. Preußen und Österreich gewannen und Dänemark musste ungefähr 40 Prozent seines Territoriums abtreten. Um sich die ehemalige Ausdehnung Dänemarks nach Süden klar zu machen, hilft ein Blick auf eine Landkarte.
Lauenburg an der Elbe war die südlichste Stadt Dänemarks. Heute ist es die südlichste Stadt Schleswig Holsteins. Auf der linken der beiden unteren Karten liegt Lauenburg ganz unten an der äußersten südlichen Spitze des Territoriums. Auch Altona, heute ein Stadtteil Hamburgs, war ehemals eine dänische Stadt.
(Willst du mehr über Lauenburg wissen? Klick hier.)
Es gibt ein Museum, das Historiecenter Dybbøl Banke, das die Geschehnisse der Schlacht multimedial und durch Nachbauten der Anlagen verdeutlicht.
Es ist nicht meine Sache, über Felder zu laufen, die vor ca. 150 Jahren mit dem Blut junger Menschen getränkt wurden, aber historisch gesehen sind Schlachten oft Wendepunkte, die ganze Geschichtsverläufe maßgeblich beeinflusst haben.
Schleswig-Holstein-Glücksburg-Sonderburg
Wenn man schon in der Gegend unterwegs ist, lohnt es sich, die Schlösser Sonderburg und Glücksburg anzusehen. Die Dynastie Schleswig-Holstein-Glücksburg-Sonderburg, eine der am verbreitetsten Dynastien des europäischen Hochadels trägt ihren Namen.
Auf der Karte unten sind sie eingezeichnet.
Schloss Sonderburg
Hinter dem Schlachtfeld Düppeler Schanzen liegt die kleine Stadt Sonderburg und direkt am Hafen das Schloss.
Schloss Glücksburg
Schloss Glücksburg wurde 1583-1587 erbaut von Herzog Johann von Schleswig-Holstein-Sonderburg, dem jüngeren Bruder des Königs Friedrich II. von Dänemark und Norwegen.
Nach Johanns Tod wurde das Territorium aufgeteilt unter seinen Söhnen. Sohn Phillip erhielt Glücksburg mit dem umgebenden Land und begründete damit die Linie der Herzöge von Schleswig-Holstein-Glücksburg-Sonderburg, die 1779 an die Krone Dänemarks zurückfiel, nachdem es keinen Erben mehr gab.
Glücksburg hat den Ruf, die Wiege Europas zu sein, da diese Dynastie mit vielen europäischen Häusern verwandt ist. Christian IX. aus der Glücksburg-Linie vermählte zwei seiner Kinder mit Vertretern des britischen Königshauses, eine Tochter an den russischen Hof, ein Sohn wurde König von Griechenland und ein Enkel König von Norwegen. Dadurch ist das Haus bis heute mit allen europäischen Dynastien verwandt.
Prominente Abkömmlinge dieser Familie sind oder waren Philip, Duke of Edinburgh, der Gatte von Elisabeth II., deren Sohn Prince Charles sowie dessen Kinder William und Harry. Aus Norwegen gehören der König Harald V. und sein Sohn Haakon dazu, ebenso die ehemalige spanische Königin Sofia und natürlich die Königin von Dänemark, Margarethe II.
Die Schlosskapelle in Glücksburg
Halbinsel Holnis
Hinter Glücksburg kann man weiterfahren zur Halbinsel Holnis, wo man wunderbare Strandspaziergänge machen kann. Die Halbinsel ragt in die Flensburger Förde und fast an allen gegenüberliegenden Seiten sieht man Dänemark.
Sylt