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Am Li-Fluss



Der Li-Fluss verkörpert wie kaum eine andere Region unsere europäische Vorstellung von China. Zuckerhutähnliche Berge ragen aus einer Ebene, durch die der Fluss mäandert. Dazu kommt noch die Witterung, bei der die Berge oft in Nebelschwaden oder Wolken versinken und mit etwas Glück verzaubern Sonnenuntergänge die Landschaft, wenn Kormoranfischer auf ihren Bambusflößen in der Dämmerung ausfahren, um bei Laternenschein zu fischen.


Ein Kormoranfischer auf dem Li-FLuss, nicht im Sonnenuntergang, sondern am Morgen


Geschickt und behände bewegen sich die alten Männer auf dem schmalen Floß. Der Fluss hat teilweise starke Strömung.


Um diese einzigartige Landschaft zu erfassen, bietet sich eine etwa vierstündige Schifffahrt von Guilin nach Yangshuo an. Bei der Flussfahrt gibt es nicht nur einen kurzen Abschnitt mit landschaftlicher Schönheit, sondern einen stundenlangen Rausch, 80 km von einem atemberaubenden Höhepunkt zum nächsten.


Abends in Guilin am Shanhu Lake im Riyue Shuangta Cultural Park, Frauen in traditioneller Tracht der Miao, einer der Minderheiten der Provinz Gunagxi, in der der Li Jiang fließt.


Ich flog nach Guilin, verbrachte dort einen Abend und eine Nacht, um am nächsten Morgen zur Ablegestelle "Zhujiang Passenger Transport Gangqu" zu fahren. Vom Zentrum Guilins mit dem Taxi dauert die Fahrt dorthin circa eine Stunde. Taxifahren ist in China nicht teuer, Kosten ca. 10 Euro.

Als ich ankam, wartete schon eine ganze Armada von Booten. In der Nacht hatte es geregnet, alles war nass und tiefe Wolken hingen in den Bergen. Eine gemütliche Geschäftgkeit herrschte am Pier, Schiffe wurden mit Proviant beladen, es wurde geputzt und alles durchgecheckt für die Ankunft der Gäste.


Großzügig und gemütlich wie eine Lounge. Eine Reisebegleiterin bereitet den Begrüßungstee für die Gäste vor.


Die Panoramafenster bieten einen guten Blick auf den Fluss, aber irgendwann geht man sowieso an Deck, weil man dort den 360 Grad-Rundumblick hat.



Und dann ging es los. Drei bis vier Stunden hatten wir ununterbrochen Ansichten, wie ich sie mir erträumt hatte und ich wollte gar nicht mehr unter Deck gehen. Nach dem absoluten Höhepunkt der Fahrt, den alle Chinesen sehnsüchtig erwarten - die Flusswindung bei Xing Ping Town mit der berühmten Ansicht auf dem 20 Yuan-Geldschein - gab es ein Büffet und alle verkrümelten sich nach unten, so dass ich das ganze Deck für mich allein hatte.


Die 20-Yuan-Note mit der Ansicht des Li-Flusses bei Xing Ping Town


Irgendwann ging ich auch essen, zwanzig Minuten kann man schon auf diese Aussichten verzichten, man wurde ja schon stundenlang mit grandiosen Anblicken gesättigt.



Selbst bei schlechtem Wetter sehen die Berge gut aus. Es regnet häufig am Li-Fluss, das Klima ist subtropisch und die Provinz Guangxi liegt neben Vietnam, das schon zu Südostasien zählt.

Chinesen sind relativ unempfindlich, was schlechtes Wetter betrifft. Man fährt im strömenden Regen auf Flößen, Motorrollern oder im Gespann, macht den Schirm auf und trotzdem fließt überall das Wasser hinein, aber da man barfuß Badelatschen trägt, ist es sowieso egal, ob man im Wasser steht.

Übers Wetter wird nie genörgelt. Liegt es am Daoismus? Liegt es daran, dass sich Regen und Sonne, zwei dualistische Kräfte, ganz yin-yang-mäßig gegenseitig ergänzen? Dass es das eine nicht ohne das andere geben kann und daher beides gleichwertig ist?

Beim Anblick chinesischer Landschaftsmalereien mit Bergen im Nebel bekommt man den Eindruck, dass Chinesen trübes Wetter, Wolken und Nebel mögen. Nicht umsonst sind wolkige Landschaften am Li-Fluss oder in den Gelben Bergen oder im Nationalpark Zhangjiajie Lieblingsmotive der chinesischen Landschaftsmalerei.

Mai und Juni sind in Guilin die regenreichsten Monate. Weniger Niederschlag gibt es in den Wintermonaten, die aber kalt sind. Der September ist gut geeignet, weniger Regen, warme Temperaturen und vielleicht besseres Licht für stimmungsvolle Fotos durch die tiefer stehende Sonne.






Obwohl morgens die vielen Boote auf einmal losfahren, entzerrt sich die Flotte, so dass man während der Fahrt teilweise kaum ein Schiff vor oder hinter sich sieht.

Die Armada erreicht Yangshuo zwischen 13 und 14 Uhr. Dort ergießt sich dann die Touristenflut in den beliebten Ort, wo der Rummel bald auf Hochtouren läuft. Die Boote fahren ohne Gäste zurück.


Yangshuo bietet das übliche chinesische Touristenprogramm. In der West-Street reiht sich ein Restaurant und Geschäft ans andere. Musik, Menschen, Lärm, Essen ohne Ende. Und immer wieder das Street-Food, das es überall in China gibt: Zongzi, in Bambusblätter eingewickelter Klebereis, gebratener Tofu in würziger Soße, Yang Rou Chuan, Lammfleischspieße mit scharfen Gewürzen aus der westchinesischen Küche usw. Dazu jede Menge frisch gepresste Obstsäfte aus Orangen, Passionsfrüchten oder Zuckerrohr.


Spezialiät am Li-FLuss: Flussschnecken


Für Leute, die nicht aus Südostasien kommen, ein bizarrer Anblick. Insekten als leckerer Snack. In Vietnam, Thailand, Kambodscha und den südwestlichen Provinzen Chinas normal.


Der Rummel strengt an und man fragt sich, ob es für Chinesen noch andere wichtige Dinge außer Essen gibt? Ja, z.B. sich für Fotos in Pose zu werfen. Entsprechend gibt es unzählige Läden, in denen man sich für ein Fotoshooting landestypisch schminken und in Tracht einkleiden lassen kann. Dann geht es an den Fluss, wo man sich mit den Bergen im Hintergrund oder auf einem Bambusfloß fotografieren lässt usw.



Wenn man Ruhe sucht,


... findet man sie außerhalb der Stadt. Am besten mietet man sich ein Fahrrad, besser noch einen Elektroscooter, mit dem man die Distanzen schnell und bequem überwinden kann und los geht's. Man braucht fürs Scooterfahren weder Führerschein noch Vorerfahrung und es ist leichter als man glaubt. Ich hatte keine Erfahrung, wurde drauf gesetzt, einmal 50 Meter die Straße rauf und runter, dann war der Vermieter der Auffassung, dass ich es kann.

In China gibt es innerhalb der Stadt immer Extraspuren für Scooter, so dass man vom Autoverkehr getrennt ist. Das vorausschauende Fahren, das man in deutschen Fahrschulen eingebleut bekommt, ist hier Realität, denn Verkehrsregeln sind den Leute herzlich egal und gelten eher als Empfehlungen. Aber genau das macht das Fahren stressfrei, denn jeder fährt langsam, weil man mit allem rechnet.

Hat man die Stadt verlassen, wird es sehr beschaulich, und ruhig und man hat die Straße fast für sich allein.



Es ist warm trotz der Bewölkung und des gelegentlichen Regens. Der Fahrtwind bringt angenehme Abkühlung. Es geht durch Dörfer und vorbei an Feldern, auf denen die Bauern ihr Essen als Selbstversorger anbauen. Reis, Auberginen, Dragon-Fruits, Paprika, Erdnüsse, Tee, Mandarinen, Passionsfrüchte, Mangos usw. Südchina ist ein Früchte- und Gemüseparadies. Die Arbeit wird mit den Händen, ohne motorisierte Geräte verrichtet wie seit Jahrtausenden. Manche, die nicht arbeiten, sitzen im Dorf und spielen Karten, vereinzelt laufen ältere Menschen am Feldrain entlang und besehen den Stand der Ernte.





Hier wachsen sie einfach so im Garten: Amaryllis

Die Blüte einer Auberginenpflanze, jeder Garten ist ein kleines Paradies.








Viele kleine Friedhöfe liegen am Rande der Dörfer. Meist etwas abseits, damit die Toten ihre Ruhe haben. In China werden die Menschen dort bestattet, wo ihre Vorfahren liegen. In Guangxi ähnelt die Bestattungskultur unseren Ritualen. Die Menschen werden in Särgen in der Erde bestattet, darüber wird ein Grabstein aufgestellt, hier ein Stein mit einem Phönix und einem Drachen.



Der Drache wird in der chinesischen Mythologie oft als Beschützer angesehen, der gegen böse Geister kämpft. Der Phönix ist ein Symbol für Unsterblichkeit und Wiedergeburt. Es wird gesagt, dass er aus seiner Asche wiedergeboren wird, was ihn zu einem Symbol für Neubeginn und Erneuerung macht. Den Phönix gibt es übrigens mit einem fast gleichen mythologischen Hintergrund auch in der griechischen Kultur.


Ca. 13 Kilometer entfernt von Yangshuo machte ich Mittagspause in dem winzigen Dorf Liugongcun, das vor 800 Jahren gegründet wurde und heute noch einen Verteidigungsturm hat, mit dem dieser Ort einst gesichert und kontrolliert wurde.



Gemächlich, breit und träge fließt der Li-Fluss am Dorf vorbei. Das gegenüberliegende Ufer ist wild und dunkelgrün überwuchert.



Ein kleines Restaurant, auf den ersten Blick gar nicht als solches erkennbar, lud mit seiner überdachten Terrasse und guter Aussicht auf den Fluss ein. Nach dem letzten heftigen Regenschauer war die Luft vorübergehend so abgekühlt, dass leichter Dampf aus dem Fluss aufstieg und sich geheimnisvoll über die Wasseroberfläche legte. Aus dem Dickicht vom gegenüber liegenden Ufer erklangen exotische Vogelrufe, das Glucksen des Wasser und das Träufeln vom Dach erinnerten noch einige Zeit an den letzten Regenguss. Die Zivilisation schien endlos weit weg zu sein, kein unnatürliches Geräusch war vernehmbar und die Szenerie ähnelte genau der auf Bildern aus der Song-Dynastie aus dem 12. und 13. Jahrhundert.


Wasserbüffel am Ufer des Li-FLusses


Der Koch, ein älterer Mann und Großvater, wohnt dort mit seiner Familie. Als ich zu Gast war, war nur sein Enkel zu Hause, der mit seinem Freund den ganzen Tag ununterbrochen Fernsehen guckte. Es waren Ferien und die Kinder konnten endlich tun, was sie wollten.



Der Großvater schlug vor, einen Bierfisch zu kochen, eines der Traditionsgerichte am Li-FLuss. Ich suchte mir aus einem Bassin den Wels aus, der zubereitet werden sollte und schaute danach dem Mann in der Küche beim Kochen zu.



Der Fisch wurde in Stücke gehackt und in Erdnussöl gebraten, danach Zwiebeln, Knoblauch, Ingwer und Chilli in Erdnussöl angeschmort, Tomatenstücke und Paprika und Frühlingszwiebeln hinzufügt, alles mit Sojasoße und Salz abgeschmeckt, etwas Kochwein hinzugegeben, die Fischstücke dazu, mit einer Flasche Bier aufgefüllt, ein paar Minuten schmoren, fertig und köstlich!


Man darf in chinesischen Küchen nicht auf die Sauberkeit achten. Auch die Wohnsituation ist oft befremdlich.


Nach dem Kochen kam der Großvater auf die Terrasse und sang. Es wirkte nicht, als ob er es für mich tun würde. Er schaute dabei die ganze Zeit auf den Fluss. Ich meinte mich zu erinnern, das Lied öfters in buddhistischen Klöstern gehört zu haben.


Meine Fahrt ging weiter zum Moon Hill, einem Berg mit einem gigantischen runden Loch in der Mitte, das im Laufe der Jahrmillionen durch Erosion entstand und das die Chinesen an den Vollmond erinnert, der in der chinesischen Kultur symbolisch für Vollkommenheit, Harmonie und Einheit steht.



Neben dem Li-Flusses gibt es einen ebenso interessanten und schönen Nebenfluss, den Yulong He, auf deutsch: Drachenfluss. Er ist nur 35 Kilometer lang und mündet bei Yangshuo in den Li-Fluss. Er ist schmaler und ruhiger, denn Touristen werden auf Bambusflößen von Bootsmännern mit einem langen Stab  durch das Wasser gestochert. Auf dem Li-Fluss geht es hingegen mit kleinen, aber nervigen, weil lauten Motoren voran. Auch wenn man am Ufer bleibt, ist es schön, wenn die Flöße geräuschlos vorbei ziehen. In der Gegend um Baisha gibt es etliche Brücken wie z.B. die Fuli-Brücke oder die Drachenbrücke. Diese halbkreisförmigen Brücken haben Ähnlichkeit mit der Rakotzbrücke in Kromlau bei Görlitz oder den Genueserbrücken im westlichen Mittelmeerraum. Das Besondere an ihnen ist nicht nur ihr malerischer Anblick, sondern ihre Konstruktion, denn sie wurden ohne Mörtel errichtet.

Ich musste meine Tour leider abbrechen, bevor ich die Brücken erreichte, da ein Gewitter aufzog, es dauerhaft zu regnen begann und sich stark abkühlte.

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