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Das Qingming-Fest



Im April jedes Jahres besuchen die Chinesen die Gräber ihrer Vorfahren. Man geht davon aus, dass an diesem Tag die Toten als Geister auf die Erde zurückkehren. Deshalb bringt man ihnen ihr Lieblingsessen und verbrennt Papiergeld am Grab, sogenanntes Totengeld, damit die Verstorbenen in der jenseitigen Welt alles haben, was sie brauchen. Die Gräber werden sauber gemacht, mit Blumen geschmückt und beim Abbrennen von Räucherstäbchen essen die Geister von den mitgebrachten Speisen. Es werden am Qingming Tag nur kalte Speisen verzehrt.

Chinesen gehen nur einmal pro Jahr zu den Toten. Den Rest des Jahres lässt man sie in Frieden schlafen und stört sie nicht. Eine Grabpflege wie bei uns, wo man nach eigenem Bedürfnis zum Grab geht, gibt es nicht.

Traditionell werden Chinesen immer neben ihren Eltern beerdigt als Zeichen der Verehrung. Daraus resultiert auch der Gedanke, dass ein Chinese im Alter immer an den Ort zurückkehrt, woher er kommt, dass das Blatt dort vom Baum auf die Erde fällt, in der der Baum wurzelt.

Traditionelle Bestattungen

Beerdigungen laufen in den verschiedenen Teilen Chinas unterschiedlich ab, denoch gibt es einige Rituale, die vergleichbar sind. Nach dem Tod wird die Familie benachrichtigt, die zusammenkommt und drei Tage bei dem Toten bleibt. In dieser Zeit beauftragt man einen buddhistischen oder daoistischen Mönch, der nach dem Mondkalender den besten Tag der Beerdigung bestimmt. Die Mönche sprechen Gebete und begleiten die Familie. Bei dem Weg zum Begräbnisort gilt es, böse Geister, die in Ecken lauern und den Weg des Trauerzuges behindern könnten, zu besänftigen oder zu vertreiben, entweder, indem man Totengeld verbrennt, um sie zu bestechen oder indem man Feuerwerk anzündet, um sie zu vertreiben.


Tote werden traditionell in Särgen bestattet. Der Begräbnisort wird nach Feng Shui bestimmt. Es soll ein schöner Ort sein, an dem der Tote sich wohlfühlt, vielleicht in der Nähe eines Flusslaufs.


Moderne Bestattungen


Heutzutage hat sich vieles geändert. Die Gesellschaft ist in einem starken Wandel und Traditionen, die uralt anmuten, aber noch bis vor wenigen Jahrzehnten üblich waren, verschwinden. Das Verbrennen von Geld wird aus Umweltschutzgründen nicht mehr praktiziert, der Platz für Beerdigungen ist bei der Bevölkerungsdichte knapp. Ein Grab in Shanghai ist unbezahlbar, weshalb manche sich in den Provinzen ihrer Vorfahren beerdigen lassen wollen, auch wenn sie ihr ganzes Leben in Shanghai zugebracht haben. Viele lassen sich verbrennen und ihre Asche unter Bäumen beisetzen, ähnlich wie in unseren Friedwäldern. Auch Seebestattungen kommen vor. Die ungewöhnlichste Art der Bestattung findet man bei den Tibetern, die den Leichnam im Gebirge den Vögeln überlassen. Dies ist eine der hochrangigsten Beisetzungen in Tibet. Man glaubt, dass dadurch die Seelen der Toten von den Vögeln in den Himmel gebracht werden.

Das Qingming-Fest fällt immer auf den 15. Tag nach der Frühlings-Tagundnachtgleiche, also auf den 4. oder 5. April.

Es wird seit 2500 Jahren begangen. Seit 2006 ist es auf der Liste des nationalen immateriellen Kulturerbes und seit 2008 ein gesetzlicher Feiertag. Im Kalender der chinesischen Feiertage wird es als religiöses, buddhistisches Fest erwähnt.


Die Qingming-Rolle

Was hat dieser Tag mit der Qingming-Rolle zu tun, einem der berühmtesten Kunstwerke der chinesischen Kultur überhaupt. Es ist eine ca. fünf Meter lange Papierrolle, ca. 25 Zentimeter hoch, gemalt von dem Künstler Zhang Zeduan im 11. Jahrhhundert. Heute kann man sie im Palastmuseum von Peking besichtigen. Ursprünglich befand sie sich in der Verbotenen Stadt. Viel chinesische Kunst gelangte nach Taiwan oder wurde von Kolonialmächten gestohlen. Die Qingming-Rolle blieb in China, weil der letzte Kaiser Puyi sie nach Mandschuko mitgenommen hatte, wohin er während des Bürgerkriegs zwischen Nationalisten und Kommunisten ins Exil ging. Auf dieser Rolle sieht man nichts von Totenverehrung, sondern eine sehr lebendige Stadt in der es von Menschen nur so wimmelt, vielleicht vergleichbar mit Bildern von Pieter Bruegel. Was hat das miteinander zu tun?

Qingming fällt ins Frühjar, eine Zeit, in der die Natur voll erwacht ist, in der es warm ist, in der man wieder leichte Kleidung tragen kann. Es ist vergleichbar mit unserem Osterfest. Nach einem mittlerweile vergessenen Brauch trug man an diesem Tag Weidenzweige im Haar. Vielerorts werden Drachen steigen gelassen, aber nicht nur tagsüber, sondern auch abends. Dann werden kleine Laternen an die Drachen gebunden. Heute wird am Qingming-Tag neben der Verehrung der Toten auch der Frühling gefeiert, indem man in die Natur geht. Dieses wiedererwachte Leben nach dem Winter wird auf der Qingming Rolle dargestellt.

Am Qingming-Tag in China verbindet sich die Trauer um die Toten mit der Freude über den Frühlingsbeginn.

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