"Shikumen" bedeutet so viel wie Stein-Lager-Tor. Das sagt nicht viel, daher etwas konkreter: Ein Shikumen ist ein traditionelles Reihenhaus in einer Gasse oder kleinen Straße, einer sogenannten Longtang. Der Eingang dieser meist zweigeschossigen Häuser ist mit einem steinernen Torbogen hervorgehoben. Heutzutage gibt es nur noch wenige von diesen Shikumen, die früher 60% der Bebauung Schanghais ausmachten. Mittlerweile leben die meisten Shanghaier in hohen Apartmenthäusern.
Im renovierten und von Touristen gern besuchten Viertel Xintiandi gibt es ein Museum in solch einem Shikumen, in dem man den Einrichtungsstil in den Häusern Schanghais in den 20er und 30er Jahren des 20. Jahrhunderts sehen kann.
Dieses Museum ist nicht leicht zu finden, obwohl es direkt an einer Straße liegt. Das Problem ist die Adresse: "Lane 181, Taciang Lu". Die Nummer 181 bezieht sich nämlich nicht auf das Haus, sondern auf die Straße, in der es liegt. Also hilft nur eins: Suchen oder, wenn man chinesisch kann, fragen.
Ich suchte lange und bis heute ist es mir ein Rätsel, wie man nur mit einer Adresse einen Ort in Schanghai ohne Probleme finden kann.
Man erreicht das Museum mit der Metro 10 oder 13, Station Xintiandi, Ausgang 6, dann folgt man der Madang Road Richtung Norden, bis man rechts in das Viertel Xintiandi einbiegt, dort, wo es zur "Site of the First National Congress of the Chinese Communist Party" geht. In dieser Straße liegt das Museum im ersten Block auf der linken Seite.
Wie wohnen Chinesen?
Heutzutage wohnen in Schanghai viele ältere Chinesen in ca. 5-geschossigen Mehrfamilienhäusern, die in Stichstraßen, sogenannten Longtangs oder Lilongs, aufgereiht sind. Diese Häuser stammen aus den 50er, 60er und 70er Jahren und wurden rings um das alte Schanghai gebaut. Mit dem Boom, der ab den 90ern in Schanghai einsetzte, entstanden hohe Apartmenthäuser mit ca. 20 Stockwerken. Alle diese Häuser sind in kleinere Einheiten, bestehend aus mehreren Gebäuden, zusammengefasst, die durch einen Zaun oder eine Mauer abgegrenzt werden und sogenannte Compouds bilden. Es gibt zu jedem Compound einen Eingang, oft in Form einer Schranke und einem Pförtnerhäuschen. Dort sitzt ein Pförtner, jeden Tag, 24 Stunden lang. Er betätigt die Schranke, um Anwohner und Lieferservices rein und raus zu lassen. Was aussieht wie die totale Kontrolle, ist harmloser als es wirkt. Oft spielen die Pförtner am Handy oder essen oder gucken Filme oder schlafen einfach. Man kann locker an ihnen vorbei gehen, man wird nicht gefragt, wohin man will. Trotzdem bildet solch ein Compound eine Einheit wie eine Nachbarschaft und wenn man dort wohnt, kennt der Pförtner einen, alle kennen sich, es ist fast dörflich. Das ist einerseits eine enorme soziale Kontrolle, aber andererseits gibt es auch Sicherheit.
In die chinesische Gesellschaft wird man als Individuum in die Gemeinschaft eingebunden und daran führt kein Weg vorbei. Für mich war das anfangs irritierend. In Deutschland kann man in einem Viertel oder sogar Haus wohnen, ohne sich für seinen Nachbarn zu interessieren. Hier in meiner Wohneinheit weiß der Pförtner, wann ich gehe, wann ich wiederkomme und ich kann mich an ihm nicht vorbei schleichen, denn in unserer Wohneinheit muss er immer das Tor öffnen, an dem kein Weg vorbei geht. Oft ist er sehr in sein Handy vertieft, manchmal schläft er, dann muss ich klopfen, damit er das Tor öffnet. Die Pförtner bei uns sind richtig nette Kerle - zweifelsohne, und ihnen ist vieles auch egal, aber sie sind da und das wäre für viele Deutsche ein unerträglicher Gedanke, sie würden sich beobachtet fühlen und in in westlichen Ländern empfindet man diese Gepflogenheit als staatliche Kontrolle.
Aber zurück zu dem Shikumen-Museum: Es ist ein kleines, aber liebevoll eingerichtetes Museum über zwei Stockwerke mit einigen Räumen, die im Stil der damaligen Zeit eingerichtet sind, als das alte Schanghai eine interessante Schnittstelle zwischen chinesischer und europäischer Kultur war.
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