Tibet - Traumreiseziel für viele. Auch auf meiner Liste der China-Destinationen stand Tibet ganz weit oben, vielleicht sogar an der Spitze.
Nach Tibet kommt man nicht so leicht, nicht einmal, wenn man schon in China wohnt. Entsprechend erleichtert war ich, als ich nach einiger Wartezeit die Genehmigung vom Innenministerium erhielt.
Auf Papier gedruckt wurde sie mir per Post zugeschickt. Erstaunlich für ein voll digitalisiertes Land.
Am Flughafen dann der angeschlagene Abflug nach Lhasa - Direktverbindung in ein ziemlich mythenumwobenes Land.
Der Flug dauerte lange, irgendwann ging es über den Himalaya. Berge soweit das Auge reicht, ein Gebirge wie ein Ozean. Heftige Turbulenzen schüttelten das Flugzeug. So stark hatte ich es selten erlebt. Angstvolles Wimmern von Passagieren, erschrockene Aufschreie. Trotzdem wunderschöner Ausblick.
Zimmer mit Aussicht, direkter Blick auf den Potala-Palast
Angekommen - der Blick aus dem Hotelzimmer ist grandios - der Potala-Palast. Am ersten Nachmittag und Abend war Akklimatisierung an die Höhe angesagt. Man weiß nie, wie der Körper reagiert. Tibet liegt durchschnittlich auf 4500 Meter Höhe, Lhasa auf 3600 Meter. Packt man es oder muss man die Reise abbrechen? In unserer Gruppe hatte ein Ehepaar am zweiten Tag aufgegeben. Ich reiste mit einer Gruppe, da man derzeit allein gar nicht nach Tibet kommt.
In Tibet dreht sich alles um die Religion und die Berge. Am Buddhismus führt kein Weg vorbei. Es ist die kulturelle Leistung, die die Reise inhaltlich ausmacht. Daher lohnt ein kurzer Blick darauf.
Buddhismus aus Indien mischt sich mit tibetisch-indigener Kultur
Tibets Kultur wird maßgeblich von buddhistischer Religion und Spiritualität bestimmt, die relativ spät, erst im 7. Jahrhhundert von Indien nach Tibet kamen. China hatte den Buddhismus schon seit dem 1. Jh. n. Chr. übernommen und Japan und Korea führten ihn zwischen dem 3. und 6. Jh. ein.
Der indische Einfluss mischte sich in Tibet mit der indigenen, bereits vorhandenen Geister- und Götterwelt, der "Bön"-Kultur, woraus die Richtung des tibetischen Buddhismus entstand. Die für Tibet typischen Gebetsfahnen sind ein Relikt der vor-buddhistischen Religionen.
Gebetsfahnen - typisches Merkmal des tibetischen Buddhismus, entstanden aus indigenen, tibetischen Religionen, die sich mit dem später eingeführten Buddhismus mischten.
Offizielle Einführung des Buddhismus in Tibet
Offiziell wurde der Buddhismus unter König Songtsen Gampo im 7. Jahrhhundert eingeführt. Songtsen Gampo war ein bedeutender Herrscher des tibetischen Reichs und wird oft als einer der großen Könige Tibets betrachtet. Seine Herrschaft erstreckte sich ungefähr von 617 bis 649 n. Chr. Songtsen Gampo heiratete Prinzessin Bhrikuti Devi aus Nepal und Prinzessin Wencheng aus China, die beide Buddhistinnen waren. Diese politischen Ehen trugen wesentlich dazu bei, den Buddhismus in Tibet zu verbreiten und zu etablieren. Songtsen Gampo wird auch mit der Gründung der Stadt Lhasa und dem Bau des Jokhang-Tempels im Zentrum Lhasas in Verbindung gebracht, einer der wichtigsten heiligen Stätten des tibetischen Buddhismus. Songtsen Gampo wird als Emanation des Bodhisattvas Avalokitesvara verehrt, einem der prominentesten Bodhisattvas in Tibet.
Songtsen Gampo (Mitte), Prinzessin Wencheng aus China (rechts) and Prinzessin Bhrikuti Devi aus Nepal (links) © gemeinfrei, Ernst Stavro Blofeld - http://en.wikipedia.org/wiki/Image:SongstenGampoandwives.jpg
Seine chinesische Ehefrau Wancheng brachte die Buddhastatue Jowo aus China mit nach Tibet, ein Abbild des Buddhas Siddharta Gautama als zwölfjähriger Prinz. Die Statue wird als heiligstes Abbild Buddhas in Tibet im Jokhang Tempel in Lhasa aufbewahrt und verehrt. Man glaubt, dass diese Statue von Siddharta Gautama selber gesegnet wurde und das Antlitz ein Portrait nach seinem Gesicht darstellt.
LBM1948 - Own work Image of the Buddha in The Jokhang [Jowo] . Lhasa, Tibet, China
CC BY-SA 4.0,
Der nachfolgende König Trisong Detsen bestieg im 8. Jh. den Thron und festigte den Bhuddismus als Staatsreligion. Weil er vor allem am indischen Buddhismus interessiert war, holte er Gelehrte und spirutuelle Lehrer von Indien nach Tibet.
Die Errichtung eines ersten Klosters gestaltete sich äußerst schwierig, da wie durch eine magische Kraft alle Arbeit eines ganzen Tages in des jeweils folgenden Nacht wieder zerstört wurde. Die Tibeter glaubten, dass die ursprünglichen, einheimischen Geister die Einführung der neuen Religion in Tibet verhindern wollten. Daraufhin lud der König den Tantra-Meister Padmasambhava nach Tibet ein, der durch das Land reiste, die einheimischen Geister unterwarf und sie zu Beschützern des Buddhismus machte.
Danach konnte die Errichtung des Klosters vollendet werden. Padmasambhava soll übernatürliche Kräfte gehabt haben und gilt als Emanation des Amitabha Buddha, dem prominentesten Buddha im Reinen Land Sukhavati.
Das erste Kloster des tibetischen Buddhismus
Das erste Kloster des tibetischen Buddhismus war das Samye-Kloster (auch Samye Gompa genannt). Es liegt in der Region Ü-Tsang im zentralen Tibet, nahe dem Fluss Yarlung Tsangpo (der Oberlauf des Brahmaputra). Es befindet sich im Dranang-Tal, etwa 30 Kilometer nordwestlich von Tsetang, der drittgrößten Stadt Tibets und etwa 150 Kilometer südöstlich von Lhasa, der Hauptstadt Tibets.
Das Kloster liegt auf einer Höhe von etwa 3.500 Metern in einer abgelegenen Gegend, umgeben von Bergen und dem fruchtbaren Yarlung-Tsangpo-Tal, das als eine der Wiegen der tibetischen Zivilisation gilt. Die Gegend rund um Samye ist historisch und kulturell sehr bedeutend, da sie die Heimat früher tibetischer Könige und ein Zentrum der buddhistischen Einführung in Tibet war.
Die vier wichtigsten Schulen des tibetischen Buddhismus
Padmasambhava, der die ursprünglichen tibetischen Götter unterwarf, ist auch der Gründer der Nyingma-Schule, einer der vier großen Schulen des tibetischen Buddhismus.
Die anderen drei Schulen sind Kagyu, Sakya und Gelug.
Jede dieser vier Schulen hat ihre eigene Linie von Lehrern, Texten und Klosterzentren, die ihren spezifischen Lehren und Praktiken folgen.
Die wichtigste ist die Gelug-Schule, die im 15. Jahrhundert entstand. Ihre Mönche tragen gelbe Mützen, was ihr den Beinamen Gelbmützen-Schule einbrachte. Die meisten Menschen verbinden mit eben diesen markanten gelben Mützen das tibetische Mönchtum.
Der Dalai Lama
Der Dalai Lama ist das spirituelle Oberhaupt der Gelug-Schule. Das Wort "Dalai" ist mongolisch und bedeutet Ozean, während "Lama" das tibetische Äquivalent für das Sanskrit-Wort "Guru" ist, ein spiritueller Führer oder Lehrer für den Einzelnen. Dalai Lama bedeutet also Ozeanischer Guru, wobei der Ozean gleichgesetzt wird mit Weisheit. Zwei Kulturen mischen sich in der Bezeichnung Dalai Lama: Sanskrit kam mit dem Bhuddismus aus Indien.
Aber wie kam der mongolische Einfluss dorthin?
Tibet und die Mongolenherrscher
Im 13. Jahrhundert kam es unter der Führung von Dschingis Khan zum ersten Kontakt der Mongolen mit Tibet. Die Reiter aus dem Norden eroberten in dieser Zeit weite Teile Zentralasiens. 1240 fielen mongolische Truppen unter dem General Dorda Darkhan zielgerichtet in Tibet ein und verwüsteten einige Regionen. Dieser Angriff führte zu einem verstärkten Interesse der Mongolen an Tibet, was später zu einer engeren politischen Beziehung wurde.
1253 wurde der tibetische Abt des Sakya-Klosters, Sakya Pandita, von den Mongolen eingeladen, um Verhandlungen zu führen. Dies führte zur formellen Anerkennung der Oberhoheit der Mongolen über Tibet, und Sakya Pandita wurde zum offiziellen Vertreter der Mongolen in Tibet ernannt.
Ab 1254 pflegte der Neffe von Sakya Pandita, Phagpa, eine enge Beziehung zu Kublai Khan, seit 1260 Großkhan der Mongolen und Enkel von Dschingis Khan. Phagpa wurde als religiöser Berater Kublais anerkannt und half bei der Integration des tibetischen Buddhismus in das mongolische Reich.
Kublai Khan verlieh Tibet in den 1270er Jahren eine gewisse Autonomie, indem er die Verwaltung Tibets weitgehend dem Sakya-Kloster überließ. Damit begann eine lange Phase, in der Tibet unter mongolischem Schutz stand, aber intern eine relative Autonomie genoss.
Die mongolische Präsenz in Tibet markierte den Beginn eines komplexen politischen und religiösen Systems, bei dem Tibet als eine Art Vasallenstaat unter den Schutz der Mongolen gestellt wurde, während die Mongolen im Gegenzug den tibetischen Buddhismus als eine wichtige spirituelle Kraft anerkannten. Dies legte den Grundstein für die späteren engen Beziehungen zwischen Tibet und mongolischen Herrschern.
Aber nichts ist ewig und so wurde auch die Herrschaft der Mongolen Anfang des 14. Jahrhunderts gebrochen von einer der bedeutendsten Persönlichkeiten der chinesischen Geschichte, dem Bauernjungen Zhu Yuanzhang, der sich im Kampf gegen die Mongolenherrschaft Soldaten anschloss, erfolgreich wurde, aufstieg und die Mongolen Anfang des 14. Jahrhhunderts vertrieb. Er gründete daraufhin die Ming-Dynastie und proklamierte sich als Kaiser Hongwu (1368–1398), erster Kaiser der Ming, dessen Grabmal heute in Nanjing besucht werden kann.
Wie etablierte sich die geistliche und weltliche Macht der Lamas in Tibet?
Der mongolische Herrscher Altan Khan (1507-1582) ließ die alten Kontakte zu Tibet wieder aufleben, um den tibetischen Bhuddismus in der Mongolei zu festigen. Er lud Sonam Gyatso, Oberhaupt des 1416 gegründeten Drepung Klosters in die Mongolei ein. Sonam Gyatso reiste 1543-1588 in die Mongolei und bekam von Altan Khan den Titel Dalai Lama verliehen.
Damit trat erstmalig der Dalai Lama auf die Bühne der Geschichte. Der Dalai Lama, Angehöriger der Gelug-Schule, gilt wie der König Songtsen Gampo als Reinkarnation des Bodhisattvas Avalokitesvara. Im Laufe der Zeit wurde die Gelug-Schule die dominierende und politisch einflussreichste Sekte in Tibet.
Der ersten drei Dalai Lamas
Sonam Gyatso ist im Nachhinein nicht der erste Dalai Lama, sondern posthum wurde auch seinen zwei Vorgängern der Titel verliehen. Der offizielle erste Dalai Lama war denzufolge Gendün Drub (1391-1275). Auf ihn geht die Gründung des Klosters Tashilhunpo in Shigatse zurück, ein wichtiges Kloster der Gelug-Schule und später Sitz des Panchen Lamas, das wir später auch bei unserer Reise besuchten.
Sonam Gyatso ist demnach der 3. Dalai Lama. Mit ihm begann das sogenannte Tulku-System, bei dem ein Kind als Wiedergeburt, als Reinkarnation eines Lamas angesehen wird. Wenn ein Lama stirbt, wird dessen kindliche Reinkarnation in der tibetischen Bevölkerung gesucht. Sobald es gefunden ist und Sicherheit besteht, dass dieses Kind die Reinkarnation ist, erhält es eine entsprechende Ausbildung, um den Titel und die Funktion des Vorgängers zu übernehmen. Diese Ausbildung fand anfangs im Drepung-Kloster statt.
Es gibt unzählige Tulku-Linien, aber die prominenteste und wichtigste ist die des Dalai Lama. Darüberhinaus gibt es noch zwei weitere für Tibet wichtige, die Linie des Panchen Lama und des Karmapa Lama.
Der 5. Dalai Lama wird geistlicher und weltlicher Herrscher
Die Mongolen hatten im 17. Jahrhhundert noch einmal Einfluss auf Tibet, als die Herrschaft der Gelug-Schule ausgebaut wurde. Ein wichtiger Moment war die Allianz zwischen dem 5. Dalai Lama Ngawang Lobsang Gyatso (1617-1682) und Güshi Khan, dem Anführer der Khoshuud-Mongolen, um Tibet von rivalisierenden lokalen Herrschern zu befreien und die Gelug-Herrschaft zu festigen.
Güshi Khan und seine Truppen unterstützten den 5. Dalai Lama militärisch und halfen ihm, seine Autorität in Tibet zu stärken. Diese Allianz war keine "mongolische Herrschaft" über Tibet, sondern eher eine Zeit der Allianz zwischen den Gelugpas und den mongolischen Truppen unter Güshi Khan zur Festigung der Macht des Dalai Lama in Tibet.
Der 5. Dalai Lama gelangte so an weltliche Macht und seitdem ist der Dalai Lama sowohl geistliches als auch weltliches Oberhaupt Tibets.
Die Mongolen wurden von den Tibetern kulturell so weit beeinflusst, dass der tibetische Buddhismus heute auch in der Mongolei verbreitet ist.
Die doppelte Funktion des Dalai Lama als geistliches und weltliches Oberhaupt der Tibeter rief bzw. ruft den Konflikt mit der chinesischen Regierung hervor, da der Anspruch Tibets, ein eigener Staat mit eigenem Oberhaupt zu sein, gegen chinesische Interessen steht.
Das Drepung-Kloster bei Lhasa
Am nächsten Tag nach unserer Ankunft und erfolgreicher Akklimatisierung an die Höhe ging unser erster Ausflug zum Drepung Kloster. Der Komplex liegt nur wenige Kilometer oberhalb von Lhasa auf einem Berg am westlichen Rand der Stadt.
Das Kloster bei Lhasa war anfangs auch Amtssitz des Dalai Lamas und damit nicht nur spirituelles, sondern auch politisches und kulturelles Zentrum für Tibet. Im Jahr 1645 verlegte der 5. Dalai Lama seinen Amtssitz in den neu errichteten Potala Palast im Zentrum Lhasas.
Während seiner Blütezeit im 18. Jahrhundert erreichte das Kloster eine enorme Größe und Bedeutung mit Tausenden von Mönchen, die dort lebten und studierten. Das Kloster wurde während der Kulturrevolution nicht zerstört, so dass man heute noch den ehemaligen Regierungspalast des Dalai Lama darin sehen kann.
Als wir das Kloster besuchten ertönte ein Gong in regelmäßigen Abständen über der Klosterstadt und rief die Mönche zur Zusammenkunft. Aus allen Richtungen strömten sie herbei, sammelten sich vor der Haupthalle, zogen ihre Schuhe aus und gingen zum Gebet.
Im Inneren des Klosters gibt es nicht nur Mönche, sondern jede Menge Pilger, die sich vor Bildern oder Statuen von Buddhas, Bodhisattvas und anderen heiligen Figuren betend verbeugen, Opfergaben machen, Butterkerzen entzünden oder mitgebrachte Yak-Butter in die Gefäße füllen, in denen Kerzendochte brennen. Überall liegen massenweise gespendete Geldscheine herum, die von den Mönchen wie Laub zusammengekehrt und in Säcken gesammelt werden.
Mittendrin stehen wir Touristen und bekommen die Grundlagen des tibetischen Buddhismus erläutert, Kinder rennen herum, Leute reden in normaler Lautstärke, andere werden gesegnet und über alles legt sich der tiefe monotone Klang der gemeinsamen Mönchgebete.
Die Fülle an Eindrücken im Kloster überwältigt. Ornamente, Figuren, Bodhisattvas, Buddhas oder Abbildungen von Reinkarnationen, Wandmalereien, Schreine, Vitrinen mit Gottheiten und Schriften, immer wieder Yak-Butterkerzen, die von Mönchen am Brennen gehalten werden, die bei ihrer Arbeit meditativ und gleichmäßig monoton vor sich hin beten.
Vom Inneren des Klosters konnte ich keine Fotos machen - Fotografieren ist dort nicht erwünscht. Nur in der Hauptversammlungshalle war es erlaubt. Erstaunlich, dass wir die Mönche ausgerechnet beim Beten anschauen, fotografieren und filmen durften.
Sie nahmen es gelassen, einige lächelten mir sogar zu, wie der Mönche zentral im nächsten Bild.
Was alles so friedlich und harmlos aussieht, war auch mit weltlicher Macht verbunden. Ein Kloster brauchte eine wirtschaftliche Grundlage und wie im europäischen Mittelalter hatten auch tibetische Klöster jede Menge Grundbesitz zur Bewirtschaftung, aber noch mehr, nämlich auch Leibeigene, Hirten usw. Es wurden auch Steuern eingetrieben, teilweise durch bewaffnete Mönche.
Überall gelebte Spiritualität
Man bekommt in Tibet das Gefühl, an einem der spirituellsten Orte der Welt zu sein. Zwar gibt es bei weitem nicht mehr so viele Mönche wie einst, als es üblich war, dass der älteste Sohn einer jeden Familie Mönch wurde, aber im Drepung-Kloster leben wieder circa 800 Mönche.
„Wieder", weil es nach der Kulturrevolution kein Mönchtum mehr gab. Anfang der 80er Jahre des 20. Jahrhunderts zählte man wieder 20 Mönche, Tendenz seitdem zunehmend. Das Kloster bietet Platz für bis zu 10.000 Mönche.
Mönche prägen das Straßenbild in Orten, die ein Kloster haben, man sieht sie in Restaurants, auf dem Markt, überall. Wenn man abends an einem Kloster entlang spazieren geht, schallen die Klänge der Dungchen, tibetische Blechblasinstrumente mit ziemlich archaischen Tönen, aus den Mauern heraus.
Auch die Menge an Pilgern ist groß. In Lhasa um den Jokhang-Tempel wird gebetet, was das Zeug hält. Auf einem Rundgang um den ganzen Tempelbezirk bewegen sich die Pilger in immer fortwährender Manier. Sie legen sich flach auf den Boden, die Arme in voller Länge ausgestreckt, die Stirn auf den Boden gerichtet, um Demut und Hingabe gegenüber dem Objekt des Gebets zu symbolisieren, sei es Buddha, ein Bodhisattva oder ein anderer spiritueller Bezugspunkt. Danach stehen sie auf, führen die zusammengelegten Hände an die Stirn, den Mund und die Brust, gehen zwei Schritte und legen sich wieder flach, komplett ausgestreckt auf den Boden. Diese immer wiederkehrenden Bewegungen stellen die körperliche Manifestation der spirituellen Hingabe und des Fortschritts auf dem spirituellen Weg dar. Obwohl die Pilger sich nur langsam vorwärts bewegen, symbolisiert jede Bewegung einen Schritt auf dem Weg der spirituellen Entwicklung. Manche Pilger legen auf diese Weise hunderte von Kilometern zurück und brauchen für die Strecke Monate.
Eine junge Tibetern beim Gebets-Rundgang um den Jokhang-Tempel, dem alten Tempel aus dem 7. Jh. im Zentrum von Lhasa.
Was hier voyeuristisch aussieht - fotografieren einer Pilgerin - war eine sympathische Begegnung. Die junge Frau war langsam, weil sie sich ständig auf den Boden legte, aufstand, zwei Schritte machte, um sich wieder hinzulegen. Wir waren auch langsam, weil Tibeter unentwegt fragten, ob sie ein Foto mit uns machen können. Vor allem mein belgischer Mitreisender Sander war mit seinem roten Vollbart, den 1,90 Metern und seinem belgischen Bierbauch der Star. Die junge Tibeterin lachte, sprach uns an und weil wir wegen der ständigen Fotografiererei ungefähr gleich schnell waren wie sie, liefen wir eine Zeit lang fast auf gleicher Höhe nebeneinander her. Es war amüsant. Überhaupt sind Tibeter extrem freundlich, offen und lächeln viel.
Der Jokhang-Tempel im Zentrum von Lhasa, einer der wichtigsten Tempel der Tibeter. Dort wird die Buddha-Statue Jowo aufbewahrt, die die chinesische Prinzessin Wencheng mitbrachte, die heiligste Buddha-Statue Tibets. Um den Tempel wimmelt es von Pilgern, die überall herumlaufen oder sich betenderweise unentwegt auf den Boden legen.
Man liest manchmal, dass Beten in Tibet verboten sei. Aber Religionsausübung ist in China in jeder Form erlaubt. Auch Moscheen und Kirchen werden besucht und genutzt. Heilige Berge sind gesetzlich geschützt wie der Berg Kailash, einer der heiligsten Berge des tibetischen Buddhismus, des Hinduismus, des Jainismus und des Bön, der vorbuddhistischen Religion Tibets. Er gilt als Wohnsitz verschiedener Gottheiten und hat eine tiefe spirituelle Bedeutung für Gläubige dieser Traditionen. Es wird geglaubt, dass die Besteigung des Kailash eine Beleidigung der Gottheiten darstellen würde und den spirituellen Segen stören könnte, der mit dem Berg verbunden ist.
Im Tempelinneren haben wir nicht fotografiert. Die Würde des Ortes gebietet das. Die Frömmigkeit und tiefe Ernsthaftigkeit der Tibeter ergriff mich mehr als einmal.
Die Schriften des tibetischen Buddhismus - Von Pecha und Sanskrit
Pecha ist das tibetische Wort für “Buch“. Unter einem Buch verstehen Europäer etwas anderes als Tibeter. Hier sind es lose Blätter, die zu einem Stapel zusammengelegt werden.
Einzelne Seiten eines Pechas. Sie werden lose übereinander gelegt.
Die Ursprünge dieser ungewöhnlichen Seitenform gehen zurück auf die sogenannten Palmblätter-Handschriften, die in Indien bis ins 5. Jh. v. Chr. nachweisbar sind, bei denen man getrocknete und mit Rauch behandelte Palmblätter als Schreibuntergrund verwendete. Von Indien verbreitete sich diese Technik über Südasien und gelangte im 7. Jh. nach Tibet. Eine der ältesten Handschriften stammt aus dem 9. Jh. v. Chr. aus Nepal. Sie liegt heute in der Universitätsbibliothek in Cambridge, England - wie immer sie auch dorthin gekommen sein mag.
Die Bündel mit den bedruckten Blättern werden in Stoff eingewickelt, um sie zu schützen. Danach werden sie oben und unten mit einem schützenden Holzbrett versehen.
Pechas, eingewickelt in Stoffe und geschützt durch Holzbretter. Sie werden aufbewahrt in Vitrinen, in die Pilger Geldscheine durch Schlitze stecken. In einem tibetischen Klöster findet man überall gespendetes Geld.
Die Schriften des tibetischen Buddhismus werden traditionell auf handgefertigtem Papier aus lokalen Grundstoffen gedruckt, Palmblätter gibt es in Tibet nicht. Der Druckprozess selbst erfolgt durch Holzblockdruck. Dazu werden die Texte in Holzblöcke graviert. Beim Drucken arbeiten zwei Mönche zusammen. Einer rollt die Farbe auf die Druckplatte, der andere legt das Papier darauf und der erste Mönch presst dann das Papier auf den Druckblock. Dieser Prozess wird von erfahrenen Mönchen durchgeführt, die die Holzblöcke sorgfältig schnitzen und die Qualität des Drucks überwachen, um sicherzustellen, dass die Schriften klar und deutlich lesbar sind.
Die Holzblöcke werden in Regalen gelagert. Heutzutage gibt es Software, mit der die Pechas geschrieben werden. Die Softwareprogramme behalten bis heute die längliche Form der Seiten bei und setzen damit die jahrtausendealte Form der Palmblätter fort. In Klöstern wird aber weiterhin von Hand gedruckt.
Ein Screenshot der Software Pechamaker, trotzdem wird in den Klöstern auch von Hand gedruckt.
Die Pechas werden in unterschiedlichen Schriften jeweils auf einer Seite verfasst. Die oberen beiden Reihen sind in Sanskrit verfasst, die untere in Tibetisch. Sanskrit kam zusammen mit dem Buddhismus von Indien nach Tibet. Es wird oft als "Sprache der Götter" bezeichnet und ist die älteste bekannte indoeuropäische Sprache. Es gilt in der indischen Kultur als heilige Sprache. Seine Grammatik und Struktur sind äußerst präzise und detailliert, was es zu einer idealen Sprache für die Überlieferung komplexer Ideen macht.
Sanskrit wird heute nicht mehr als Alltagssprache gesprochen, wird aber immer noch in verschiedenen Kontexten verwendet wie z.B. bei den Schriften. Die Rolle dieser Sprache ist vergleichbar mit Latein in der europäischen Kultur, es wird nicht mehr gesprochen, aber weiterhin in verschiedenen Kontexten verwendet.
In der Linguistik sieht man Sanskrit als Grundlage für die Erforschung der Entwicklung und Ursprünge indoeuropäischer Sprachen.
Deutsch sowie fast alle anderen europäischen Sprachen haben als indoeuropäische Sprachen eine enge sprachliche Verwandtschaft mit Sanskrit und damit auch mit manchen südasiatischen Sprachen.
Der Potala-Palast
Der Potala-Palast, beeindruckendes architektonisches Meisterwerk und kulturelles Wahrzeichen Tibets thront hoch über Lhasa. Er steht symbolisch für den tibetischen Buddhismus und die tibetische Kultur.
Erbaut im 17. Jahrhundert unter der Herrschaft des damaligen 5. Dalai Lama, diente er zunächst als Winterresidenz für das religiöse und weltliche Oberhaupt Tibets. Später wurde der Palast zu einem politischen und religiösen Zentrum und beherbergte nicht nur die Wohnräume der Dalai Lamas, sondern auch zahlreiche Tempel, Schreine, Meditationshallen, Schatzkammern und Bibliotheken.
Der Potala-Palast besteht aus zwei Hauptteilen: dem Roten Palast, der für politische Angelegenheiten genutzt wurde, und dem Weißen Palast, der als Wohnbereich für die Dalai Lamas und ihre Mönchsgemeinschaft diente.
Der Palast wurde ebenfalls während der Kulturrevoution nicht zerstört. Alle Räumlichkeiten sind seit dem Weggang des Dalai Lamas unverändert. Das Innere ist von beeindruckender kultureller Dichte, Farbenpracht und Ornamentreichtum. Residenzräume, der Audienzsaal mit dem Thron, Versammlungsräume, Tempel, Schreine und heilige Hallen, mausoleale Stätten mit gigantischen Stupas, in denen die bisherigen 13 Dalai Lamas bestattet sind, die meterhoch in das Dunkel der Halle ragen.
Im Palast darf nicht fotografiert werden, man muss sich auf Außenaufnahmen beschränken. Aber Tibeter lieben es, Fotos mit Ausländern zu machen. Wenn man freundlich fragt, ob man auch sie fotografieren darf, bekommt man ein 100%iges JA.
Tibeter sind offen. Ich habe selten so offene, freundliche, häufig lächelnde Menschen erlebt wie hier in Tibet.
Gesichter Tibets
Um den Potala Palast führt ein Pilgerweg herum, dem ich ein Stück gefolgt bin,
Auf zum Mount Everest
Am nächsten Morgen ging unsere Fahrt in aller Frühe weiter.
Halbwüste, Trockenheit. In Tibet gibt es wenig Grün.
Immer wieder teilt man sich die Straße mit Tierherden.
Hinauf geht's zum Gampala Pass.
Tibetische Mastiffs, die tibetischen Hirtenhunde, die von Nomaden als Wach- und Schutzhunde eingesetzt werden. Sie sind für ihre Größe, Loyalität und ihren Schutzinstinkt bekannt.
Ziegen fehlen in den Bergen natürlich nicht - die Klettermeister, die auf unebenster Fläche immer noch gut und sicher stehen, obwohl man es ihnen gar nicht zutraut.
Auf dem Gampala Pass, unten der Yamdrok See, im Hintergrund der heilige Berg Nyenchen Khangsar (7191 m), er wird auch als Noijinkangsang bezeichnet.
Oben auf dem Gampala Pass sind wir in einer Höhe von immerhin 4790 Metern angelangt.
Im Hintergrund ragt majestätisch der heilige Berg Nyenchen Khangsar (7191 m) (Noijinkangsang) heraus, der höchste Berg in der Nähe von Lhasa.
Die Pässe in den Alpen kommen mit diesen Höhen nicht mit. Das Stilfser Joch ist mit seinen 2757 Metern Höhe geradezu niedrig, aber es ist im Winter für circa sechs Monate geschlossen. Der Montblanc ist mit seinen 4808 Metern Höhe als höchster Berg Europas gerade 18 Meter höher als der Gampala Pass. Bei unserer Reise ist es Winter und es gibt keinen Schnee trotz der extremen Höhe. Eine völlig neue Erfahrung.
Tibet ist ein sehr trockenes Land. Es liegt im Regenschatten des Himalaya, der Monsun kommt nicht über die Berge.
Außerdem ist die Luft durch die Höhe extrem trocken und kann daher weniger Feuchtigkeit halten. Selbst wenn es Niederschlag gibt, verdunstet er, bevor er den Boden erreicht.
Die Hochebene ist steppenartig und ähnelt Halbwüsten. Viel Vegetation gibt es nicht, übrigens ein Umstand, der dazu beiträgt, dass tibetisch buddhistische Mönche nicht vegetarisch leben. Ohne das Yak als Nutztier wäre eine Besiedlung Tibets nicht möglich gewesen.
Der Yamdrok See auf 4441 Meter Höhe
Der Karola Gletscher fließt am Noijinkangsang herunter. Dieser heilige Berg ist stark vergletschert. Wir sehen von dem Parkplatz an der Straße nur einen kleinen Teil des gesamten Gletschermassivs, das an dieser Stelle immerhin bis 5200 Meter hinunterfließt. Allerdings hat sich das Gletscherende in den letzten Jahren stark zurückgezogen.
Mauern aus getrocknetem Yak-Mist, der zum Heizen verwendet wird - daher die portionierten Mengen. Man nimmt einfach ein paar getrocknete Scheite und macht es sich im Haus schön warm.
Tibetisches Essen. Nicht alles, was man hier sieht, ist wirklich authentisch. Kartoffeln und Brokkoli gehören weniger zu den traditionellen Speisen in Tibet. Dafür aber getrockneter Yak-Käse (die weißen Stangen oben links). Der ist so hart, dass man sich fast die Zähne daran ausbeißt.
Die Hauptzutaten für Tsampa
Das traditionelle tibetische Grundnahrungsmittel, das aus geröstetem Gerstenmehl und Yakbutter-Tee geknetet wird, heißt "Tsampa". Es ist ein wichtiger Bestandteil der tibetischen Küche und wird oft als Hauptnahrungsmittel konsumiert. Tsampa ist reich an Nährstoffen und Energie und eignet sich gut für das raue Klima in den hochgelegenen Regionen Tibets. Es wird oft zu kleinen Bällchen geformt und zusammen mit Buttertee oder anderen Getränken gegessen. Tsampa wird auch manchmal mit Yakbutter, Zucker oder Salz gemischt und kann vielseitig in der Küche verwendet werden. Es ist ein symbolisches und kulturell bedeutendes Nahrungsmittel in Tibet.
Zu Gast bei einer tibetischen Familie
Ungewöhnliche Kindheit - aufwachsen in den Bergen in extremer Höhe in einem entlegenen Dorf mit wenigen Häusern, in einem Land ohne Bäume und Büsche, aber mit enorm viel Spiritualität.
Yaks auf der Straße
Der Gawula Pass mit Blick auf den Mount Everest
Das Besondere am Gawula Pass: Von hier sieht man das erste Mal den Mount Everest in voller Pracht. Aber nicht nur ihn, insgesamt hat man von hier fünf Achttausender im Blick und schaut auf eine Hauptkette des Himalaya.
Am Gyatsola Pass
Weiter geht die Fahrt. Unser Ziel: Das Everest Base Camp.
Der Gyatsola Pass hat gleich mehrere Namen und weil's so üblich ist, weiß auch keiner seine genaue Höhe, die variiert nämlich auch, je nach Angabe. Seine Namen: Gyatsola, Jia Tsuo La oder auch Lhakpa La. Seine Höhe: 5248, nach anderen Angaben 5220. Jedenfalls höher als das Everest Base Camp. Ich bin hier am höchsten Punkt der Reise und damit auch am höchsten Punkt, auf dem ich jemals auf der Erde gestanden habe.
Über diesen Pass führt die Verbindungsstraße von Kathmandu in Nepal nach Lhasa in Tibet.
Wir befinden uns in einer Grenzregion und daher werden häufiger unsere Papiere kontrolliert.
Angekommen am Everest Base Camp
Das Basislager auf der chinesischen Seite ist weniger frequentiert als das auf der nepalesischen Seite. Der Mount Everest erstreckt sich auf Nepal und China, die Grenze verläuft über den Gipfel. Die meisten Bergsteiger gehen allerdings von Nepal hoch, weil es dort weniger Reglementierungen gibt.
Am nächsten Morgen ging es zurück. Ein letzter Blick auf den Everest im Sonnenaufgang bei minus 20 Grad. Nicht einmal im Bus wurde es warm. Es war schon echt kalt.
Wieder eine Stadt, diesmal Shigatse, die zweitgrößte Stadt Tibets. Hier liegt das Tashilhunpo-Kloster, der traditionelle Sitz des Panchen Lama. Das Kloster wurde 1447 gegründet und ist eines der wichtigsten im tibetischen Buddhismus.
Um den gesamten Klosterbezirk führt ein Weg, der komplett mit Gebetstrommeln gesäumt ist.
Vor dem Kloster wird Yakbutter an Pilger verkauft. Diese Butter wird dann in die Gefäße gefüllt, in denen Dochte brennen, also eine Art Opferkerze.
Ein Mönch beim Saubermachen - auch ganz profane Dinge gehören zum Mönchsleben.
Tibetisches Restaurant mit ziemlich bunter Gästeschar.
Einheimische Tänze und Musik. Was hier aussieht wie eine Touristenfalle ist in Wirklichkeit für die Tibeter selber. Es gab außer unserer Reisegruppe keine ausländischen Touristen weit und breit. Es war Winter und die meisten Touristen kommen im Sommer, obwohl das Wetter gerade im Winter besser ist, weil es so gut wie keinen Niederschlag gibt. Bei unserer Reise war der Himmel immer strahlend blau.
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