UMGEBUNGSENTDECKER
REISEEINDRÜCKE FÜR KUNST- UND GESCHICHTSINTERESSIERTE
Regensburg und das Ende des Alten Reichs
INHALT
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Der Reichssaal im Alten Rathaus
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Der Reichsdeputationshauptschluss
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Austerlitz und der Frieden von Pressburg -
Das Ende des Heiligen Römischen Reichs
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Die Gesandten des Immerwährende Reichstags
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Die Fürsten von Thurn und Taxis -
Prinzipalkommisare des Kaisers
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Entschädigung für die Fürstenfamilie
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Patrizierhäuser, Geschlechtertürme und Hausburgen
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Vom Domplatz zum Alten Kornmarkt
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Kollegiatsstift unserer lieben Frau
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Konvent St. Josef der Unbeschuhten Karmeliten
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Einst römische Gründung, dann wichtiges mittelalterliches Handelszentrum, heute die vielleicht besterhaltene mittelalterliche Großstadt Deutschlands. Grund genug Regensburg seit 2006 zum UNESCO-Weltkulturerbe ernannt zu haben.
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Abgesehen von diesen bemerkenswerten Merkmalen ist Regensburg der Ort des sogenannten "Immerwährenden Reichstags", der hier seit dem Dreißigjährigen Krieg bis zum Ende des Heiligen Römischen Reichs 1806 im Reichssaal des Alten Rathauses tagte. Dort wurden Beschlüsse gefasst, die die Geschichte der deutschen Lande, bzw. des Heiligen Römischen Reichs vollkommen umkrempelten. Es ist nicht zu hoch gegriffen, wenn man einige Entscheidungen, die dort gefällt wurden, zu den wichtigsten der deutschen Geschichte überhaupt zählt - auch wenn sie im heutigen kollektiven Gedächtnis nahezu verschwunden sind.
Abgesehen von diesem Ort, an dem man die damaligen turbulenten Zeiten besonders spürt, gibt es in der Stadt noch etliches anderes Interessantes zu sehen, z.B. den Dom, das Schloss Emmeram der Fürsten von Thurn und Taxis, den Gründern der kaiserlichen Reichspost, und überhaupt hat Regensburg eine schöne Altstadt mit beeindruckenden Patrizierhäusern, Hausburgen und Türmen, die nicht selten über 700 Jahre alt sind. Auf jeden Fall sollte man sich auch einen Gang über die Alte Brücke nicht entgehen lassen und in einem der schönen Biergärten auf den Donauinseln ausspannen.
Der Immerwährende Reichstag
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Beim Anblick der mittelalterlichen Stadt kommt man zunächst nicht darauf, dass sich hier in der Neuzeit, im 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts
Entwicklungen abspielten, die zu den dramatischen letzten Akten des Heiligen Römischen Reichs werden sollten.
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Vorausgegangen war der Dreißigjährige Krieg, einer der verheerendsten Kriege in Mitteleuropa und Deutschland überhaupt. Abgesehen davon, dass das Heilige Römische Reich seine Hegemonialstellung in Mitteleuropa an Frankreichs verlor, hatte er ganze Landstriche verheert, die Pest hatte ihr übriges getan, Städte waren untergegangen und die Bevölkerung war von brandschatzenden und marodierenden Söldnern gequält, vergewaltigt und ermordet worden. Das alles wird eindringlich beschrieben im wohl bekanntesten Gedicht des 17. Jahrhunderts "Trawrklage (Tauerklage) des verwüsteten Deutschlandes" des Barockdichters Andreas Gryphius sowie im Roman "Der abenteuerliche Simplicissimus" von Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen, der die Gräuel und die Leiden des Dreißigjährigen Krieges für zukünftige Generationen in Szenen von Plünderungen, Vergewaltigungen, Hungersnöten und Krankheiten festhielt, die die Verzweiflung und das Elend der Zeit sowie die physische und moralische Zerstörung eindrücklich veranschaulichen. Zum Sinnbild der Gewalt in diesem Krieg wurde die vollständige Zerstörung Magdeburgs durch die Katholische Liga unter Feldherrn Tilly. Sie ging als eines der schrecklichsten Massaker des Krieges in die Geschichte ein. Auch die Grafiken von Jacques Callots belegen die Gräueltaten, die die Menschen ertragen mussten.
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Das Ende des Krieges, der Westfälische Frieden, war 1648 diplomatisch in Münster und Osnabrück herbeigeführt worden, da es im Kriegsverlauf nie eine entscheidende Schlacht gab und ein Kriegsende nicht in Sicht war.
(Willst du mehr über den Westfälischen Frieden und den Dreißigjährigen Krieg wissen? Klick hier. Auf der Seite über Münster steht es genauer.)
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Aber auch nach dem Friedensschlusses blieben die Interessen gegensätzlich. Der Riss, der durch die deutschen Lande ging, war tief und blieb. Spaltung schwächt, Einigkeit stärkt und so wurde das Reich immer schwächer.
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1663 kam der Reichstag in Regensburg zusammen, nur 15 Jahre nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges.
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Dieser Regensburger Reichstag von 1663 war nicht von Anfang an als dauerhafte Institution gedacht, denn in den bisherigen Jahrhunderten war es üblich, dass die Mitglieder der Reichstage nur dann zusammenkamen, wenn wichtige politische Entscheidungen anstanden. Zwischen den Zusammenkünften konnten manchmal mehrere Jahre liegen. Auch wurde jedesmal woanders getagt, wobei manche Städte wie Frankfurt am Main, Nürnberg, Aachen, Worms, Regensburg, Speyer, Augsburg, Mainz oder Forchheim bevorzugt und öfters Tagungsort wurden.
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1663 aber waren die politischen Geschehnisse so dicht, dass man jahrelang tagte ohne wirkliche Beschlüsse: Einerseits wurde das Reich durch die Türken an der Ostgrenze bedroht, andererseits war die Beseitigung der Altlasten des Dreißigjährigen Krieges ungeklärt und nicht zuletzt spielte auch die Frage nach den Machtverhältnissen zwischen Kurfürsten und Reichsfürsten eine wichtige Rolle, die zu einer zunehmenden Dezentralisierung der Macht im Reich führte. Bislang waren zur Königswahl nur die sieben Kurfürsten zugelassen, jetzt drängten auch andere, mittlerweile mächtig gewordene Reichsfürsten, also Fürsten ohne Kurwürde, dahin, dass auch sie an den Wahlkapitulationen beteiligt werden. Letztendlich ging es dabei um die Frage, wer im Reich Gesetze erlassen kann. (Was ist ein Kurfürst? Was ist ein Reichsfürst? Um Licht ins Dickicht der recht komplexen Ämter und Titel im mittelalterlichen Deutschland zu bringen, klick hier. Auf der Seite über Frankfurt steht es genauer.)
Als sich 1670 neue Probleme anbahnten - die Westgrenze des Reichs wurde durch Frankreich Ludwigs XIV. bedroht - beschloss man, den Reichstag dauerhaft zu etablieren.
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Abgesehen von all den politischen Wirren lagen die Ursprünge des Heiligen Römischen Reichs im Mittelalter. Ab 1648 war man aber längst in der Neuzeit angekommen.
Auch dadurch entwickelten sich unumkehrbare Kräfte, die am Alten Reich nagten: ein selbstbewusster werdendes Bürgertum, Hinterfragen der bestehenden Herrschaftsverhältnisse, Entwicklung der Wissenschaften, die Entdeckung der Welt, Aufstieg der westeuropäischen Länder, deren Interesse nach Übersee, Richtung Kolonien ausgerichtet war.
Man muss berücksichtigen, dass sich kaum 100 Jahre nach dem Beginn des Immerwährenden Reichstags die Industrielle Revolution ihren Weg in Großbritannien bahnte und 125 Jahre nach Beginn des Immerwährenden Reichstags in Frankreich die Revolution stattfand, bei der die Menschen- und Bürgerrechte verabschiedet wurden.
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Der Reichssaal im Alten Rathaus
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Der Reichssaal im Alten Rathaus, in dem der Immerwährende Reichstag von 1663-1806 zusammenkam, ist bis heute nahezu unverändert erhalten geblieben, ebenso die dortige Sitzanordnung der verschiedenen Reichsstände. Im Rahmen von Führungen kann das Alte Rathaus inklusive Reichssaal besichtigt werden.
Das Alte Rathaus in Regensburg, hier der Trakt mit dem Immerwährenden Reichstag. Im ersten Stock hinter den gotischen Fenstern und dem Erker befindet sich der Sitzungssaal.
Das Alte Rathaus
Der Immerwährende Reichstag war kein Parlament im heutigen demokratischen Sinne, auch wenn diese Versammlung ähnlich aussieht, denn die Reichsstände, die dort zusammen kamen, waren nicht demokratisch gewählt, sondern durch Lehen, Erbschaften usw. in ihre Position geraten. Dennoch wird die Bezeichnung "Parlament" auch für Zusammenkünfte in Staatsgebilden genannt, die keine demokratischen Strukturen haben, da auch dort durch Abstimmungen Beschlüsse gefasst werden.
Exkurs: Wer saß im Reichstag?
In der frühen Neuzeit bestanden die Reichsstände im Reichstag aus insgesamt 300 Angehörigen, die in drei Kollegien unterschieden wurden:
1. Das Kurfürstenkollegium, dazu gehörten die sieben Kurfürsten von Mainz, Trier, Köln, Pfalz bei Rhein, Brandenburg, Sachsen und Böhmen und seit 1623 Bayern.
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2. Das Reichsfürstenkollegium, dazu zählten
2.1 geistliche Reichsfürsten: z.B. der Erzbischof von Salzburg, der Bischof von Paderborn, der Bischof von Bamberg u.v.a. 1521 gab es 50 Bischöfe, Ende des 18. Jahrhhunderts noch 33.
2.2 weltliche Reichsfürsten: z.B. der Herzog von Württemberg, der Herzog von Braunschweig-Lüneburg, der Fürst von Minden u.v.a. 1521 gab es 24 weltliche
Reichsfürsten, Ende des 18. Jahrhunderts 61 Reichsfürsten.
Die Zahl der weltlichen Reichsfürsten nahm also stetig zu, während die Zahl der geistlichen Fürsten stetig abnahm.
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3. Das Kollegium der Reichsstädte:
z.B. Nürnberg, Augsburg, Regensburg, Köln, Lübeck, Frankfurt am Main, wobei die meisten Reichsstädte im Südwesten des Reichs lagen.
Treppenhaus und Flur im Alten Rathaus vor dem Saal des Immerwährenden Reichstags. Auf dem Boden ist der Doppeladler des Reichs zu sehen, auf der Brust zwei Schlüssel, das Wappen von Regensburg, die Attribute des heiligen Petrus, Schutzpatron der Stadt.
Der Reichssaal, Sitzungssaal des Immerwährenden Reichstags: Am Kopf des Saals auf dem Podest saß der Kaiser, später ließ er sich vertreten durch seinen Gesandten, den Prinzipalkommissar aus dem Hause Thurn und Taxis. Links und rechts von ihm, an der Stirnseite des Saals gibt es zwei (rote) Bänke für die Kurfürsten bzw. ihre Gesandten (Kurfürstenbänke). Die Reichsfürsten saßen auf den langen (grünen) Bänken an den Längswänden, auf der einen Seite die weltlichen, auf der andern die geistlichen. Die Vertreter der Reichsstädte (Städtebank) verteilen sich über die 2 Reihen mit je 12 parallel stehenden Bänken in der Mitte des Saals
Für die nach Kurien getrennt stattfindenden Beratungen standen eigene Räume zur Verfügung. In diesen Beratungen wurde in der Regel nach Mehrheitsprinzip entschieden, in der Ständeversammlung als ganzer mussten sich die drei Kurien (der Reichstag war in die drei Kurien des Kurfürsten-, Reichsfürsten- und Städterats gegliedert) auf einen Konsens einigen.
Beratungsraum für eine der Kurien
Mitteleuropa nach dem 30jährigen Krieg
​Der folgenreichste Beschluss des Immerwährenden Reichstags:
Der Reichsdeputations-hauptschluss
Die wohl wichtigste und folgenschwerste Entscheidung, die im Immerwährenden Reichstag in Regensburg getroffen wurde, war der Reichsdeputationshauptschluss vom 25. Februar 1803, zeitlich unmittelbar vor dem Ende des Heiligen Römischen Reichs 1806.
(Willst du nur die Zusammenfassung? Dann geht es im Kasten unten weiter. Willst du mehr interessante Einzelheiten, überspring den Kasten, indem du hier klickst.)
Kurz zusammengefasst:
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Der Reichsdeputationshauptschluss hat im Gegensatz zu anderen bedeutenden historischen Ereignissen wie der Reformation und dem Dreißigjährigen Krieg kaum Eingang ins kollektive Gedächtnis der heutigen Bevölkerung gefunden. Dabei gehört er mit Sicherheit zu den wichtigsten Ereignissen der deutschen Geschichte.
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Vorausgegangen war die französische Revolution. Das revolutionäre Frankreich wollte den Rhein zum Grenzfluss zwischen dem Heiligen Römischen Reich und seinem Territorium machen, also begann Frankreich Kriege gegen das Heilige Römische Reich zu führen. Den ersten Krieg (1792-1797) von insgesamt sechs, die heute als Koalitionskriege oder Napoleonische Kriege bezeichnet werden, gewann Frankreich.
Die Folge des Ersten Krieges war die Annektierung der linksrheinischen Territorien.
Nach dem Zweiten Koalitionskrieg (1798–1802) wurden die linksrheinischen Gebiete französisches Staatsgebiet, wo der Code civil eingeführt wurde.
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Die ehemaligen deutschen Landesherren der verloren gegangenen Gebiete sollten dafür entschädigt werden, indem im gesamten Reich alle geistlichen Besitztümer enteignet und den ehemaligen linksrheinischen Fürsten als Entschädigung übereignet wurden.
Diese Enteignungen und Umverteilungen sowie ihr detaillierter Ablauf wurden im Reichsdeputationshauptschluss entschieden.
Die linksrheinischen deutschen Gebiete waren nicht bloß irgendein Territorium, sondern auf ihnen lagen wichtige Orte wie Mainz, Köln, Worms, Trier, Speyer und Aachen, die für das kulturelle Selbstverständnis des Reichs von elementarer Bedeutung waren: Aachen war der wichtigste Krönungsort der deutschen Könige und immerhin Krönungsort von Karl dem Großen und Otto dem Großen, Mainz war ebenfalls Krönungsort einiger Könige und zugleich Bischofssitz und Residenz eines der sieben Kurfürsten, der zugleich Reichserzkanzler war. Speyer ist die Grablege der salischen Kaiser, einer bedeutenden Dynastie, die die deutsche Geschichte des 10. und 11. Jahrhunderts maßgeblich prägte, der Wormser Dom ist die Grablege der staufischen Kaiser, eine bedeutende Dynastie im 12. und 13. Jahrhhundert. Köln ist als größte Stadt des Mittelalters, Sitz des Kurfürsten und Erzbischofs von Köln und wegen seiner bedeutenden mittelalterlichen Geschichte ebenfalls ein bedeutender Identifikationsort des Heiligen Römischen Reiches. Ebensolches gilt für Trier mit der ältesten Bischofskirche Deutschlands. Das sind gute Gründe, warum die linksrheinische Seite unverzichtbar erschien für den kaiserlichen Anspruch des Heiligen Römischen Reichs.
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Wenn dich Einzelheiten interessieren, lies unten weiter, ansonsten klick hier, dann geht's zur nächsten Zusammenfassung.
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Ausführliche Version:
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Die Reichsdeputation
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Das revolutionäre Frankreich wollte den Rhein zum Grenzfluss zwischen dem Heiligen Römischen Reich und seinem Territorium machen, also führte Frankreich insgesamt sechs Kriege gegen das Heilige Römische Reich, die sogenannten Koalitionskriege, auch Napoleonische Kriege genannt. Die Bezeichnung Koalitionskrieg rührt von den Militärbündnissen her, die in jedem der sechs Kriege unterschiedlich waren. Im Ersten Koalitionskrieg war es ein Bündnis aus Preußen, der Habsburgermonarchie und einigen kleineren deutschen Staaten.
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Der Erste Koalitionskrieg (1792-1797)
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Es war der erste von sechs Koalitionskriegen (auch "Napoleonische Kriege" genannt) von 1792-1797, Frankreich erklärte Österreich am 20. April 1792 den Krieg, da es einen Angriff von emigrierten französischen Adeligen befürchtete, die in Koblenz bewaffnete Verbände aufstellten. Frankreich kämpfte gegen eine Koalition aus Österreich und Preußen, das mit dem deutschen Kaiser ein Bündnis geschlossen hatte, sowie einige kleinere deutsche Staaten. 1793 wurden in Frankreich die Ergebnisse der Revolution unumkehrbar gemacht, indem König Ludwig XVI. enthauptet wurde. Aufgrund dieses Ereignisses traten auch Großbritannien, die Vereinigten Niederlande und Spanien der Koalition bei. Außerdem beteiligten sich alle Reichsstände des Heiligen Römischen Reichs an der Koalition, da der Reichskriegsfall eingetreten war.
Frankreich hatte damit fast alle europäischen Monarchien als Gegner.
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Plötzlich trat Preußen aus der Koalition aus, da es für sich keinen Nutzen in dem Krieg gegen Frankreich erkennen konnte. Preußens Interessen waren statt dessen auf Polen gerichtet, wo man sich durch die Dritte Polnische Teilung territoriale Zugewinne versprach. Zudem war Preußen ein aufgeklärter Staat, stand also einigen Forderungen der Franzosen gar nicht ablehnend gegenüber. Dies zeigte sich besonders in Preußens Religionsfreiheit, die den Staat zum Fluchtort vieler Protestanten Europas machte. Außerdem war den Preußen das Prinzip eines Absolutismus, in dem ein Herrscher seine Stellung von Gott ableitete, fremd. Man verstand unter einem aufgeklärten Monarchen den obersten Repräsentanten einer vernünftigen Staatsordnung, dessen Verpflichtung es ist, dem Allgemeinwohl zu dienen - dies sind Staatsgedanken, die eher dem revolutionären Frankreichs ähnelten als dem Heiligen Römischen Reich, das katholisch ausgerichtet war und einem Kaisertum von Gottes Gnaden anhing.
Andererseits gab es auch in Österreich seit Kaiserin Maria Theresia einen aufgeklärten Absolutismus. Aber man kann sich leicht vorstellen, dass es im Kaiserhaus ein stärkeres Festhalten am Alten Reich und eine stärkere Bindung an die römisch-katholische Kirche gab als in etlichen anderen deutschen Ländern.
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Nachdem sich Preußen aus der Koalition zurückgezogen hatte, schloss es mit Frankreich den Baseler Frieden (1795), in dem Preußen anerkannte, dass alle linksrheinischen Gebiete an Frankreich fallen. Mit diesem Schritt richtete sich Preußen gegen die Verfassung des Heiligen Römischen Reichs.
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Frankreich gewann den ersten Krieg (1792-1797), woraufhin alle linksrheinischen Gebiete von Frankreich annektiert wurden.
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Der Baseler Frieden und die Entstehung des Deutschen Dualismus
Dieser Baseler Frieden, mit dem auch Spanien aus der Koalition ausstieg, war für den weiteren Verlauf der Geschichte des Heiligen Römischen Reichs folgenreich. Das Reich teilte sich als Folge dieser Entwicklung in einen von Preußen dominierten Norden und einen von Österreich dominierten Süden. Schon seit den Kriegen zwischen Friedrich dem Großen und Maria Theresia war das Verhältnis zwischen Preußen und Österreich angespannt. Der Historiker Plassmann schätzte 2002 in seinem Aufsatz "Die preußische Reichspolitik und der Frieden von Basel 1795" diese Entwicklung folgendermaßen ein: „Damit war ein Wendepunkt erreicht, von dem aus ein gerader und unumkehrbarer Weg zur Auflösung des Alten Reiches führte.“
Frankreich konnte den Ersten Koalitionskrieg gegen Österreich für sich entscheiden und durch den Frieden von Campo Formio 1797 beenden. Danach waren alle linksrheinischen Territorien des Reichs von Basel bis Andernach von Frankreich besetzt.
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Der Zweite Koalitionskrieg (1798–1802)
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Im Zweiten Koalitionskrieg (auch Zweiter Napoleonischer Krieg genannt) 1798/99–1801/02 kämpfte eine Koalition aus Österreich, Großbritannien und Russland gegen Frankreich und konnte die französischen Tochterrepubliken in Norditalien, die von Frankreich erobert und mit einer Verfassung nach französischem Vorbild errichtet worden waren, zunächst zurückgewinnen und die alte Ordnung wiederherstellen.
Napoleon siegte 1800 in Norditalien, die Territorien blieben französisch, was zum Frieden von Luneville 1801 führte, mit dem die Beschlüsse des Friedens von Campo Formio bestätigt wurden.
Damit waren die linksrheinischen Gebiete fortan ein Teil Frankreichs, französische Gesetze wurden dort eingeführt und das Land erhielt den Code civil, der bis heute im linksrheinischen Notariat, Friedhofswesen und in Staatsleistungen an die Kirche weiterlebt. Dennoch war es ein herber Verlust für die linksrheinischen Landesherren und eine deutliche Niederlage für das Reich.
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Preußen hatte im Baseler Friedensvertrag eingewilligt, dass die linksrheinischen Territorien französisch werden. Aber Preußen besaß selbst linksrheinische Gebiete, nämlich Kleve, das 1614 im Jülich-Klevischen Erbfolgestreit an Brandenburg gefallen war. Für den Verlust von Kleve wurde Preußen mit säkularisierten rechtsrheinischen Territorien reichlich entschädigt: Es erhielt die Reichsstifte Werden, Essen, Quedlinburg, Elten und Herford, die Reichsstädte Goslar, Nordhausen und Mülhausen in Thüringen, das Hochstift Münster, das Fürstentum Paderborn, das Bistum Hildesheim, das Fürstentum Eichsfeld, ein ehemaliger Teil des Erzstifts
Mainz.
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Nach dem Zweiten Koalitionskrieg (1798-1802), der mit dem Vertrag von Lueneville beendet wurde,wurden die von Frankreich besetzten Territorien französisches Staatsgebiet und erhielten den Code civil.
Die deutschen Fürsten, die ihre Territorien auf der linken Rheinseite hatten, sollten für ihre Verluste entschädigt werden, indem rechtsrheinische Bistümer und Klöster enteignet und aufgelöst wurden. Außerdem wurden Territorien bisher reichsunmittelbarer Reichsstände in mittelgroße Fürstentümer eingegliedert.
Die Einzelheiten dieses Umverteilungsprozesses sollten durch eine Reichsdeputation geregelt werden. Dies führte zum Reichsdeputationshauptschluss.
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Die Folgen des Reichsdeputationshauptschlusses
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Die Folgen des Reichsdeputationshauptschlusses in Zahlen: 463 Quadratmeilen (1199 qkm) mit 5 Millionen Einwohnern gingen an Frankreich, darunter viele identitätsstiftende, historische Orte des Heiligen Römischen Reiches wie Speyer, Aachen, Worms, Mainz, Trier. Es war die größte Besitzumschichtung und Gebietsveränderung zwischen 1648 (Ende des 30jährigen Krieges) und 1945 (Ende des Zweiten Weltkriegs).
Die geistlichen Besitztümer östlich des Rheins, die zur Entschädigung enteignet werden sollten, umfassten 1131 Quadratmeilen (2929 qkm), also 2,5 mal so viel wie für die Entschädigung der linksrheinischen Fürsten benötigt wurden. Obwohl viel weniger Territorium zur Entschädigung notwendig gewesen wären, setzte Napoleon die totale Auflösung allen kirchlichen Besitzes durch, auch um die Macht des Kaisers zu schwächen und auf diese Weise in Deutschland Verbündete zu gewinnen.
Die Verstaatlichung und Verweltlichung geistlicher Besitztümer betraf 3 Kurfürstentümer, 9 Hochstifte, 44 Reichsabteien und 45 Reichsstädte.
Betroffen waren die katholischen Kurfürstentümer Köln, Trier und Mainz, die aufgelöst wurden. Statt dessen kamen neue Kurwürden hinzu, aber diesmal für protestantische Fürsten: Württemberg, Baden und Hessen-Kassel, außerdem noch Salzburg, das eine Nebenlinie des katholischen Habsburgs erhielt. Dadurch war die Wahl eines katholischen Habsburgers bei der nächsten Königswahl nicht mehr garantiert.
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Die Konsequenzen für all diejenigen, die in Klöstern, Stiften und Abteien lebten, waren tragisch. Im Benediktinerkloster in Elchingen schrieb ein Pater nach der Inbesitznahme durch die Behörden verzweifelt "Es ist bei uns alles tot und niedergeschlagen. Man geht herum, wie ein Schatten an der Wand." Der Besitz der Klöster wurde von den Behörden inventarisiert, die Kultgegenstände wurden veräußert. Es erbitterte manchen Geistlichen zu sehen, wie mit geweihten Gegenständen umgegangen wurde. Es erinnerte an die Plünderung des Tempels von Jerusalem durch Nebukadnezar.
Teilweise versuchten Mönche selbst widerrechtlich durch den Verkauf von Klostergut für ihre eigene Zukunft zu sorgen. Manche Mönche konnten sich als Hauslehrer eine Existenz sichern, Nonnen mussten oft in ihre Familien zurückkehren, fraglich ist, wie viele in Armut untergingen oder sich das Leben nahmen.
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Beendet wurde ferner die Verbindung geistlicher und weltlicher Regierungsämter, wie z.B. die Verbindung Kurfürst und Erzbischof von Köln, wie sie im Heiligen Römischen Reich als einzigem Staatsgebilde Europas mit Ausnahme des Kirchenstaats üblich waren.
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Es flossen Unsummen an Bestechungsgeldern von Reichsfürsten an die französische Regierung, um sie zu größtmöglichen Zugeständnissen bei den Enteignungen und Umverteilungen zu bewegen. Allein der französische Außenminister Talleyrand erhielt 15 Millionen Francs. Die Zahlungen brachten aber nicht den gewünschten Effekt. Die französischen Entscheidungsträger ließen sich nicht von ihren geopolitischen Zielen abbringen.
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Die Zahl der Reichsstände schmolz von rund 300 auf etwa 30 mittelgroße Territorien. Durch die Abschaffung der landständischen und städtischen Verfassungen in den aufgelösten Staaten gingen auch die meisten Mitspracherechte der eingesessenen adeligen und bürgerlichen Eliten verloren. Das Verschwinden der meisten katholischen Fürstentümer und Kurfürstentümer bedeutete eine Mehrheit der Protestanten im Reichstag.
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Thomas Nipperday bezeichnete den Reichsdeputationshauptschluss als "eigentliche napoleonische Revolution auf deutschem Boden".
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Der einzige Herrscher eines geistlichen Fürstentums, der entschädigt wurde, war Karl Theodor von Dalberg, der letzte Kurfürst und Bischof von Mainz und damit zugleich Erzkanzler des Reichs. Er bekam das 1803 von einer Freien Reichsstadt zum Fürstentum umgewandelte Regensburg. Seine ehemalige Regensburger Residenz liegt direkt neben dem Dom. Außerdem erhielt von Dalberg das Fürstentum Aschaffenburg, die Grafschaft Wetzlar und von 1810-1813 das Großherzogtum Frankfurt. Er durfte weiterhin den Titel Kurfürst, Bischof und Erzkanzler tragen und war damit der letzte und einzige geistliche Fürst im noch bestehenden Heiligen Römischen Reich.
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Carl Theodor von Dalberg -
der Fürstprimas des Rheinbundes
Die Residenz von Carl Theodor von Dalberg am Dom
​An der südlichen Seite des Domplatzes liegt die Residenz von Carl Theodor von Dalberg. Dalberg hatte nach dem Zweiten Koalitionskrieg und dem daraus folgenden Vertrag von Luneville sein gesamtes linksrheinisches Territorium verloren und wurde mit säkularisiertem geistlichem Besitz und mediatisierten Reichsstädten auf der östlichen Rheinseite entschädigt, unter anderem dem 1803 gegründeten Fürstentum Regensburg.
Aber warum wurden ihm seine Titel nicht aberkannt, so dass er der letzte und einzige geistliche Fürst geblieben war?
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Wie alle in diesen Zeiten saß auch Dalberg in der Zwickmühle zwischen zwei Epochen, einerseits der Loyalität zum Heiligen Römischen Reich, die sich zeigte in seinem Wunsch, des Kaisers Gnade zu erwerben durch ständige Förderung von Deutschlands Wohl, andererseits spürte er die Faszination für Napoleon. Schon früh begann Dalberg, sich mit klugen Schriften bei Napoleon beliebt zu machen. Er sah in ihm den Begründer eines großen Weltreiches, der mit starker Hand alle Völker beherrschen und die Nationen zu ihrem Glück führen wird. Er hoffte darauf, sich Napoleons Wohlwollen und Schutz zu erwerben. Die Rechnung ging auf. Dalberg vertrat die Interessen der französischen Politik und profitierte davon. Mit dem Ende des Heiligen Römischen Reichs war er als Reichserzkanzler überflüssig geworden. Aber er wurde daraufhin von Napoleon zum Fürstprimas des neu gegründeten Rheinbunds ernannt. Später wurde ihm genau das zum Vorwurf gemacht und er galt als Verräter.
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Austerlitz und der Frieden von Pressburg:
Das Ende des Heiligen Römischen Reichs
Kurz zusammengefasst:
Nachdem das Heilige Römische Reich seine linksrheinischen Territorien verloren hatte, erklärte Napoleon Österreich 1805 wieder den Krieg. Diesmal hatte er sogar Verbündete unter den deutschen Ländern, nämlich Bayern, Württemberg und Baden. Bayern hatte mit Frankreich bereits Geheimverhandlungen geführt, durch die es zum Königreich werden sollte, sobald Österreich bei diesem Krieg geschlagen werden sollte. Es kam zur Schlacht bei Austerlitz, die Napoleon gewann. Die Niederlage von Austerlitz und der daraufhin abgeschlossene Vertrag von Pressburg waren das Ende des Heiligen Römischen Reichs. Kaiser Franz legte 1806 seine Krone nieder und löste das Reich auf. Bayern und Württemberg wurden zu Königreichen erklärt und der sogenannte Rheinbund wurde gegründet, ein Bündnis von 16 deutschen Staaten, die sich zusammenschlossen und wie Vasallenstaaten Frankreich bei militärischen Interventionen unterstützen mussten.
Es blieb für das Heilige Römische Reich nicht beim Verlust der linksrheinischen Territorien. Im Dritten Koalitionskrieg 1805 kämpfte Frankreich mit seinen Verbündeten, darunter nun auch die deutschen Staaten Baden, Württemberg und Bayern gegen die Koalition Österreich, Russland, Großbritannien, Schweden und Neapel. Nach der Schlacht von Austerlitz am 2. Dezember 1805 mit französischem Sieg, wurde der Frieden von Pressburg am 26. Dezember 1805 beschlossen. Dieser Frieden hatte weitreichende Konsequenzen: Württemberg und Bayern wurden von Napoleon zu Königreichen erklärt, Hessen-Darmstadt, Berg, Nassau und Baden zu Großherzogtümern. Österreich musste hohe Reparationszahlungen leisten und erhebliche Gebietsverluste hinnehmen, vor allem durch Abtretung von Vorderösterreich, den
westlichsten Teil Österreichs, darunter den Breisgau. Bayern erhielt Tirol, Vorarlberg und Salzburg. Außerdem waren Venetien, Istrien und Dalmatien verloren. Insgesamt war ein Sechstel von Österreichs Untertanen sowie ein Siebtel seiner Staatseinnahmen weg.
In dem Vertrag von Pressburg musste Kaiser Franz I. auch seine Zustimmung zur Gründung des Rheinbunds geben, einem engen Bund Napoleons mit deutschen Fürsten, der am 12. Juli 1806 gegründet wurde.
Der Rheinbund
Napoleon erzwang, dass 16 deutsche Staaten aus dem Reich austraten und den Rheinbund gründeten - ein weiterer enormer Gebietsverlust für das Heilige Römische Reich.
Es handelte sich bei dem Rheinbund vorrangig um ein Militärbündnis unter dem Protektorat Frankreichs. Napoleon konnte die Staaten des Rheinbundes zu militärischen Interventionen einsetzen.
Die Gründung dieses Bundes war der endgültige Todesstoß für das Heilige Römische Reich.
Als Konsequenz dieser Entwicklung legte Kaiser Franz II. am 6. August 1806 die Reichskrone nieder. Das Heilige Römische Reich war damit beendet.
Der Rheinbund 1806 und 1812, den Link zur Abbildung findest du hier.
Der Name "Rheinbund" führt zu der Annahme, dass es sich um Gebiete der Rheinlande handelte. Aber etliche Staaten dieses Bündnisses hatten keine Berührungspunkte mit den Rheinlanden. Das gilt vor allem für Bayern, dessen Territorium bis zum Gardasee reichte.
Der größte Teil des Rheinbunds umfasste die südlichen Länder Bayern, Württemberg und Baden. Bayern hatte dabei eine besonders lange Grenze mit Österreich.
Napoleon rückte damit über seine Vasallenstaaten im Rheinbund direkt an Österreichs Grenze heran. Nördlich von den großen süddeutschen Ländern gab es etliche kleinere Fürstentümer wie das Großherzogtum Würzburg, das kurzzeitig auch Kurfürstentum Würzburg genannt wurde, das Fürstentum Aschaffenburg, das Großherzogtum Hessen-Darmstadt, das Herzogtum Nassau, das Großherzogtum Berg und einige andere.
Die Einführung gemeinsamer Staatsorgane wie einer Bundesversammlung scheiterte am Widerstand der Fürstentümer Württemberg und Bayern.
Später vergrößerte sich der Rheinbund erheblich und umfasste bis auf Preußen, Böhmen und Österreich fast alle deutschen Lande.
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Auch der Rheinbund existierte in diesen turbulenten Zeiten nicht lange. Nach der Völkerschlacht bei Leipzig 1813, die mit einer Niederlage Napoleons endete, löste er sich auf.
Diese Karte zeigt den Rheinbund von 1806 (olivgrün) und die Vergrößerungen 1812 (grün).
Preußen, Böhmen und Österreich gehörten nicht dazu. Holland und Ostfriesland waren inzwischen ein Teil Frankreichs geworden.
Quelle: Franz Brendle, «Rheinbund», Stand: 31.12.2011, in: Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein online (eHLFL), URL: https://historisches-lexikon.li/Rheinbund. Link: https://historisches-lexikon.li/Rheinbund
Regensburg im Fünften Koalitionskrieg
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In der Residenz des Fürstprimas Carl Theodor von Dalberg befand sich am 24. und 25. April 1805 das Hauptquartier von Napoleon.
Was war vorausgegangen?
1809 - Der Fünfte Koalitionskrieg - Das von Großbritannien unterstützte Österreich war am 9./10. April in Bayern einmarschiert. Napoleon führte Truppen des Rheinbundes gegen Österreich, schlug die Österreicher in den drei kurz aufeinanderfolgenden Schlachten Abensberg (20.4.), Landsberg (21.4) und Eggmühl (22.4.), worauf sich die Österreicher zurückzogen und versuchten, die Donau bei Regensburg über die Steinerne Brücke zu überschreiten. Die Österreicher waren bereit, Regensburg so lange zu verteidigen, bis die kaiserliche Armee die Steinerne Brücke, dem einzigen Donauübergang weit und breit, überschritten hatte und der Rückweg nach Böhmen gesichert war. Am 23.4. hatte die schnelle französische Armee die Österreicher fast eingeholt und stand vor Regensburg. Die Österreicher waren vorbereitet, die Stadt zu verteidigen, die Soldaten waren positioniert, die Stadttore waren verriegelt. Napoleon machte von einem südöstlichen Hügel mit erfahrenem Blick durch sein Fernrohr eine Schwachstelle in der Stadtmauer aus, einen alten Turm, auf den sich der Angriff konzentrieren sollte. Kanonen wurden herangefahrengefahren, um durch ein konzentriertes Geschützfeuer eine Bresche zu schlagen, indem der Turm zum Einsturz gebracht wurde. Die Soldaten konnten danach über den Trümmerhügel die Stadt erstürmen. Um zehn Uhr morgens begann das Feuer, dessen Kanonenhagel auf Zeitgenossen wirkte, als wollte er die ganze Stadt in Schutt und Asche legen. Die Stadt geriet in einen verheerenden Brand, wurde gestürmt und im Anschluss von den französischen Truppen geplündert.
Napoleon residierte vom 24.- 25.4. 1809 in der Residenz des Fürstprimas
Karl Theodor von Dalberg.
Napoleon I. 1809 vor Regensburg, im Hintergrund die brennende Stadt. Der Dom hatte noch keine gotischen Turmhelme, die wurden erst im 19. Jahrhhundert ergänzt.
Gemälde von Adam Albrecht, 1840, Niedersächsisches Landesmuseum, Hannover.
© gemeinfrei, public domain
Die Gesandten des Immerwährenden Reichstags
Noch einmal zurück zum Immerwährenden Reichstag. Bis zu seinem Ende 1806 war er eine feststehende Institution in Regensburg. Aber viele Fürsten kamen nicht mehr selbst zu den Tagungen. Stattdessen schickten sie Gesandte, die Residenzen in der Stadt hatten, in der sie dauerhaft wohnten. In der Gesandtenstraße sind etliche dieser ehemaligen Gesandtschaftsresidenzen bis heute zu sehen.
Gesandtenstraße Regensburg
Die Sächsische Gesandtschaft
Die Venezianische Gesandtschaft
Die Fürsten von Thurn und Taxis -
Prinzipalkommissare des Kaisers
Nicht nur Kurfürsten, Reichsfürsten und Städte ließen sich im Immerwährenden Reichstag durch Gesandte vertreten, sondern auch der Kaiser selbst.
Er übertrug 1741 den Fürsten von Thurn und Taxis das Amt des Prinzipalkommissars, womit sie Stellvertreter des Kaisers wurden. Wegen dieses Amtes wählten die Fürsten Regensburg ab 1748 als dauerhaften Wohnsitz.
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Die Kaiserliche Reichspost
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Die Fürstenfamilie gehört nicht zum alten Adel, sie waren weder Geistliche, noch hatten sie Territorien durch Eroberungen oder Erbschaften erlangt. Sie galten als Fürsten ohne Fürstentum. Statt dessen waren sie Unternehmer, hatten die schnellste Post im Reich gegründet und verdienten damit ein Vermögen.
Das Prinzip ihrer Post war so einfach wie genial: Überall im Land wurden Relaisstationen, also Posthöfe eingerichtet, an denen stets frische Pferde und Reiter zur Verfügung standen, die immer ausgewechselt wurden, so dass ein zeitlich ununterbrochener, auch nachts stattfindender Transport eine enorme Schnelligkeit bei der Übermittlung von Nachrichten bis zu 170 Kilometer am Tag brachte. Bis dato mussten ein Bote und sein Pferd immer Pausen einlegen, was zu enormer zeitlicher Verzögerung führte.
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Die Idee dazu hatte 1490 ein gewisser Francesco Tasso im nördlichen Italien, der Urvater der Dynastie. Der Kaiser adelte ihn schon 1512 für diese Neuerung und verlieh ihm das Postmonopol als vererbbares Lehen. Die Taxis, wie sie sich eingedeutscht nannten, hatten damit eine Lizenz zum Gelddrucken bekommen. Bei der Suche nach berühmten Vorfahren stießen die Taxis auf die Familie delle Torre in Mailand. Dadurch änderte sich 1650 der Name und aus den Taxis wurde Thurn und Taxis.
Die Napoleonischen Kriege am Beginn des 19. Jahrhunderts änderten die politischen Verhältnisse in Europa grundlegend. Das Ende des Heiligen Römischen Reichs war der größte Einschnitt in der Geschichte des Unternehmens und hätte dessen Ende bedeuten können. Die Fürsten verloren das Postmonopol und Napoleon wollte die lukrative Post unter französischer Leitung verstaatlichen. Fürstin Therese Mathilde von Thurn und Taxis gelang es, beim Wiener Kongress die Mächtigen dahingehend zu beeinflussen, dass im Kongress entschieden wurde, dass alle Länder Europas Thurn und Taxis für das verlorene Monopol entschädigen müssen und ihre Post als Privatunternehmen weiter existieren konnte.
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Entschädigung für die Fürstenfamilie
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Das Geld, das Thurn und Taxis von den Ländern als Entschädigung bekam, legte die Familie gut an. Galten sie bislang als Fürsten ohne Land, kauften sie im 19. Jahrhhundert Ländereien, die um 1900 rund 130.000 Hektar umfassten und sie zum größten Grundbesitzer des Deutschen Reiches machten.
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Schloss Emmeram
Blick auf den Inneren Südflügel, im Schloss darf nicht fotografiert werden, deshalb gibt es hier keine Ansichten.
1803 - Reichsdeputationshauptschluss - Das Kloster St. Emmeram wurde säkularisiert, 1806 - das Heilige Römische Reich wurde aufgelöst, die Kaiserliche Reichspost war Vergangenheit, aber das Postunternehmen existierte im 1806 gegründeten Rheinbund weiter als Thurn-und-Taxis-Post, dessen Unternehmenszentrale bereits seit 1748 in Frankfurt im Palais Thurn und Taxis lag. (Das Palais wurde übrigens 2017 wieder aufgebaut. Es liegt in Frankfurt in der Großen Eschenheimer Str. 10.)
1810 fiel Regensburg an das 1805 gegründete Königreich Bayern und verlor damit seine Reichsfreiheit. Der Postbetrieb wurde im Zuge dieses Freiheitsverlusts von bayrischer Staatsregie übernommen. Damit die Fürsten von Thurn und Taxis nicht von Regensburg nach Frankfurt abwanderten, übereignete 1810 der damalige Landesherr von Dalberg die Klostergebäude von Emmeram an die Fürsten als Teilentschädigung für den Verlust der "Kaiserlichen" Reichspost.
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Die Fürsten von Thurn und Taxis, die bis dahin im Gebäude Emmeramsplatz 8 als Mieter des Fürstabts wohnten, nutzten fortan das ehemalige Kloster als Residenz.
Im Laufe der Zeit wurde dieser Komplex ständig vergrößert.
Auf den ersten Blick wirkt die Residenz verwinkelt und verschachtelt, weil im Laufe des 19. Jahrhunderts etliche Anbauten und Vergrößerungen dazu kamen.
Besonders hervorzuheben sind der Neubau des Marstalls (auf der Abbildung unten, Nr. 7) und der repräsentative Südflügel im Stil der Neorenaissance, der die alten baufällig gewordenen und abgerissenen Wirtschaftsgebäude des Klosters ersetzte. Der Ostflügel des Klosters (auf der Abbildung unten, Nr. 1) wurde baulich angepasst und später kam noch der neue Marstall (auf der Abbildung unten, Nr. 8) hinzu.
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Das Schloss zählt heute zu den größten Residenzen der Welt und wird von der derzeitig amtierenden Fürstin Gloria von Thurn und Taxis bewohnt.
St. Emmeram
Die Ursprünge des Benediktinerklosters St. Emmeram reichen zurück bis ins 8. Jahrhundert. Beim Umbau zum Schloss wurde der klösterliche Charakter der Anlage nicht zerstört. Diese Ursprünge sieht man bis heute, vor allem in der zum Schloss gehörenden romanischen Kirche St. Emmeram.
Auf den ersten Blick sieht die Kirche St. Emmeram alles andere als romanisch aus. 1730-1733 gestalteten die Gebrüder Asam die Kirche im Barockstil um. Aus dieser Zeit stammen die Ornamente an den Pfeilern, in der Bilderzone oberhalb der Arkadenbögen sowie die barocke Gestaltung des Tonnengewölbes mit den großen Deckengemälden.
Der romanische Ursprung der Kirche ist am Baukörper ablesbar. Die Arkadenbögen entsprechen mit ihren Rundbögen ebenso dem romanischen Formenkanon wie die Gurt- und Schildbögen in den Seitenschiffen. Auch die basilikale Ausrichtung des Kirchenschiffs verweist auf die Romanik. Zwar wurden auch im Barock viele Kirchen als Längsbauten konzipiert, aber deren Raumprogramm setzt sich häufig aus Ovalen zusammen, die sich im Grundriss, der Säulenanordnung, der Gestaltung der Simse und Kämpferzonen oberhalb der Kapitelle nachvollziehen lassen und den barocken Raum runder und fließender wirken lassen. Die romanische Gestaltung des Baukörpers und seine barocke Ausstattung wirken nicht wie aus einem Guss. Letztendlich sieht die Kirche aus wie eine romanische Basilika, die mit barocken Ornamenten zugedeckt wurde.
St. Emmeram, deutlich sind romanische Ursprünge in den Rundbögen der Arkaden erkennbar
Einer der ältesten Teile der Kirche ist die Wolfgangkrypta, die um 1050 gebaut wurde. Der ältesten Ursprünge der Kirche stammen jedoch aus dem Jahr 780.
Zwischen Haidplatz und Dom,
Patrizierhäuser, Geschlechtertürme
und Hausburgen
Nur ca. 200 Meter vom Alten Rathaus entfernt liegt der Haidplatz, einer der größten Plätze der Altstadt, der schon im Mittelalter als Platz für öffentliche Veranstaltungen genutzt wurde.
Oben auf dem Bild rechts sind die Fassaden am Nordrand des Platzes zu sehen. Das graue Gebäude in der Mitte ist die ehemalige Kaiserherberge Goldenes Kreuz.
Die Patrizierburg wurde 1250 erbaut, erhielt ihr heutiges Erscheinungsbild aber erst im 19. Jahrhhundert. Seit dem 16. Jahrhhundert beherbergt das Gebäude ein Gasthaus, in dem viele Kaiser und Fürsten bei ihren Aufenthalten in Regensburg logierten. Der bekannteste darunter war Kaiser Karl V. der dort eine Liebschaft mit der 18jährigen Gürtlerstocher Barbara Blomberg einging, aus der der Sohn Don Juan d'Austria hervorging, der später in der Seeschlacht der "Heiligen Liga von 1571" gegen das Osmanische Reich bei Lepanto siegte. Bei der Schlacht ging es um die Vormachtstellung im Mittelmeerraum. Die Heilige Liga bestand aus Venedig, Spanien und Genua, die gegen das Osmanische Reich im Fünften Venezianischen Türkenkrieg kämpften.
Psychologisch war dieser Sieg aus christlich-abendländischer Sicht wichtig, bedeutete er doch das Ende vom Mythos der unbesiegbaren Osmanen.
Das Gasthaus Goldenes Kreuz, zinnenbewehrt, mit dem alten Turm sieht es aus wie eine Trutzburg.
Die Inschrift an der Fassade des Hotels Goldenes Kreuz verweist auf die Liebschaft Kaiser Karls V. mit Barbara Blomberg:
In diesem Haus nach alter Art/
hat offt geruet nach länger Fahrt
Herr Kayser Carl der Fünfft genandt/
in aller Welt gar wohl bekannt/
der hat auch hie zue gueter Stundt
geküsset einer Jungfrawn Mundt/
​Dieselb die hiess bei fern und nah
man nur die schöne Barbara/
Ihr Stamm war bieder, schlicht und recht/
Plumberger schrieb sich das Geschlecht/
dem bracht des Kaysers Lieb viel Leid/
doch Trost und Heil der Christenhait/
​
dann daraus erwuchs/ dem Vater gleich
der Don Juan von Oesterreich/
der bei Lepanto in der Schlacht/
vernichtet hat der Türckhen Macht
der Herr vergellts Ihm als Zeit/
So yetzt wie auch in Ewigkeit.
Die mittelalterliche Hausburg Arch, nachweisbar seit dem 14. Jahrhhundert
An der Südseite des Platzes befindet sich die mittelalterliche Hausburg Arch, die seit dem 14. Jahrhhundert nachweisbar ist. Besonders auffällig sind die gotischen Fenster an der schmalen Westseite sowie die Quader an den Ecken.
Das rote Gebäude ist die Neue Waag, nachweisbar bis ins 14. Jahrhhundert, Ort der Stadtwaage
An der Ostseite des Platzes steht die Neue Waag, das rote Gebäude mit dem Turm. Das bis ins 14. Jahrhhundert nachweisbare Haus, wurde 1441 von der Stadt erworben und beherbergte die Stadtwaage und die Herrentrinkstube. Heute ist darin das Verwaltungsgericht untergebracht. 1772 wurde ein klassizistischer, über zwei Etagen reichender Saal eingebaut, der als Reichsstädtische, dann als Königliche Kreisbibliothek diente. Die Bibliothek war bedeutend und zog Gelehrte an. Als Regensburg 1810 an Bayern fiel, gingen die kostbaren Bücher sowie Kunstwerke, Urkunden und Karten nach München. Die weniger kostbaren oder gefährlichen Bücher wurden versteigert, landeten beim Trödler oder in der Papiermühle.
Don Juan d'Austria, Sohn von Kaiser Karl V. und Held der Seeschlacht der Heiligen Allianz gegen die Türken
Vom Haidplatz geht es die Neue-Waag-Gasse Richtung Altes Rathaus, nach 200 Metern führt links hinter dem Rathaus die kleine Straße Zieroldsplatz zu der Statue von Don Juan d'Austria, jenem Sohn Kaiser Karls V. der die Türken in der Seeschlacht bei Lepanto geschlagen hatte.
Gegenüber vom Zieroldsplatz liegt der Kohlenmarkt, der von schönen Barockhäusern gesäumt ist.
Der Kohlenmarkt mit Blick in die Wahlenstraße und auf den Goldenen Turm
Vom Kohlenmarkt führt die Wahlenstraße Richtung Süden. In der Straße befindet sich der höchste Geschlechterturm der Stadt, der Goldene Turm. Türme wie diesen gab es etliche in Regensburg. Sie waren Statussymbole reicher Patrizierfamilien. Je höher, desto angesehener und wohlhabender war die Familie. Der Goldene Turm wurde 1250 erbaut und nach 1300 noch einmal aufgestockt. Heute befindet sich darin ein Studentenwohnheim. Hinter dem Turm liegt ein Innenhof aus der Renaissance, den man jederzeit besichtigen kann.
Der Goldene Turm von 1250, der höchste der Patriziertürme in Regensburgs Altstadt
Der Baumburger Turm liegt in der Gasse Watmarkt, die von der Goliathstraße abzweigt. Das alles liegt nur wenige Meter in der Umgebung des Rathauses und des Kohlenmarktes. Der siebenstöckige Turm wurde im 13. Jahrhundert gebaut und hat gotische Fensteröffnungen.
Der Baumburger Turm
Das Goliath-Haus
Das Goliath-Haus ist eine ehemalige Hausburg aus dem Jahr 1220-1230. Die Nordseite zeigt ein Wandgemälde mit dem Kampf zwischen David und Goliath. Das Gebäude hat einen Geschlechterturm und ist zinnengekrönt. Bewohnt wurde das Haus um 1290 von der Familie Thundorfer, die den Bischof Leo Thundorfer stellte, der an dem Baubeginn des Doms im Jahr 1275 beteiligt war.
Nur 50 Metern Richtung Osten erreicht man den Krauterermarkt, der direkt übergeht in den Domplatz. Am Domplatz beeindruckt das Ensemble von Adlerbrunnen, Kollegiatsstift St. Johann, dem Heuport, dem Dom und der Residenz des Fürstprimas Karl Theodor von Dalberg.
Das Haus an der Heuport wurde um 1350 errichtet. Auch dieses Gebäude war ursprünglich eine Patrizierburg mit vier Flügeln und großem Innenhof. Ursprünglich hatte das Haus Zinnen wie die meisten Hausburgen. Im 17. Jahrhhundert wurden die Zinnen entfernt und das barocke Mansardendach aufgesetzt. Als man bei Renovierungsarbeiten in den 1930er Jahren im Inneren des Hauses gotische Wandmalereien entdeckte, beschloss man das Haus aufzuwerten durch die prägende gotische Maßwerkfensterreihe zum Domplatz und man machte daraus ein Café. Heute beherbergt das Haus Heuport ein Restaurant.
Hölzerne Treppe im Inneren des Heuports am Innenhof gelegen.
Der Regensburger Dom
In gotischer Pracht erheben sich die Türme des Doms St. Peter über dem Domplatz. Es ist die bedeutendste gotische Kirche Süddeutschlands. Begonnen wurde der heutige gotische Bau im Jahr 1275, nachdem durch Brände 1272 und 1273 der alte Dom vollkommen zerstört worden war. Die Spitzen wurden erst im 19. Jahrhundert ergänzt.
Die Kirche wurde nach dem Vorbild französischer gotischer Kathedralen gebaut, hat aber einige Unterschiede, es fehlt z.B. ein großer Vierungsturm, das Querhaus ragt nicht über die Flucht des Langhauses hinaus außer im Bereich der Lichtgaden des Mittelschiffs und einen Chorumgang mit entsprechendem Strebewerk gibt es auch nicht.
Die jetzige Kirche hatte etliche Vorgängerbauten aus merowingischer und romanischer Zeit. Der romanische Bau entstand in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts. Von ihm ist bis heute der sog. Eselsturm erhalten, der die Fassade des Nordquerhauses prägt. Deutlich ist der romanische Baustil an den Rundbogenfenstern im Nordturm auf der Abbildung unten zu erkennen.
Der Eselsturm, romanisches Relikt am Dom, deutlich sind die romanischen Rundbogenfester erkennbar.
Eine Privatführung mit dem Mesner des Doms, Herrn Feigl, und meinem Freund Pater Elias, Prior des Karmelitenklosters St. Josef, führte uns durch den Eselsturm in die Dachregion der Kirche, den Dachstuhl, entlang der Traufe, den Strebebögen und Fialen bis in die Turmspitze.
Blick aus dem Eselsturm auf die Nordseite des Doms
Blick auf den Kirchturm vom Kollegiatstift St. Johann
Der alte Kran im Dachstuhl ist bis heute funktionstüchtig und wird mit Männerkraft bewegt, die darin laufen wie in einem Hamsterrad, nur langsamer.
Die Luke des Krans - hier wurden die Materialien hochgezogen. Der Blick geht 32 Meter tief in das unter uns liegende Kirchenschiff.
Wie jede gotische oder mittelalterliche Kirche, ist auch der Regensburger Dom eine immerwährende Baustelle. Die Staatliche Dombauhütte arbeitet seit 1923 am Erhalt der Kathedrale, an der der Zahn der Zeit nagt. Beständig wird an dem Bauwerk gearbeitet, restauriert, erneuert. Derzeit werden sämtliche Bauteile ersetzt, die durch Eisendübel zusammengehalten werden, wie z.B. die Fialen, diese filigranen Spitzen, die überall an gotischen Kirchen wie Stalagmiten in die Höhe ragen und im Inneren durch Eisenstangen verbunden sind. Diese Metallstangen rosten, dehnen sich durch Korrosion aus und sprengen schließlich den Stein.
Auch das Westportal und die Kreuzblumen wurden als größere, aufwendige und künstlerisch anspruchsvolle Projekte restauriert bzw. erneuert.
Fialen in der Dachregion, die durch eiserne Dübel gehalten werden. Die Dübel korrodieren und sprengen den Stein. Derzeit werden sie ersetzt.
Das Westportal, eine künstlerisch besonders wertvolle Eingangssituation und eines der bedeutendsten gotischen Figurenportale Süddeutschlands. Es zeigt ausführlich den Lebenszyklus Mariä.
Bemerkenswert ist, dass der Hüttenmeister und seine Gesellen ausschließlich nach traditionell handwerklicher Arbeitsweise vorgehen und heute noch genau so arbeiten wie im Mittelalter vor 750 Jahren. Selbst Werkzeuge werden in der eigenen Schmiede hergestellt und die Gerüste werden selbst gebaut. Nur ursprüngliche Materialien wie istrischer Kalkstein sowie Muschelkalk werden verwendet. Fast ein Anspruch wie bei der Arts and Crafts Bewegung im 19. Jahrhundert, die als Reaktion auf industrielle Massenproduktion entstand und geistig untermauert wurde von dem Gedanken des Kunsthistorikers John Ruskin, dass nur ein Handwerker dem Kunstwerk eine Seele einhauchen könne, da dessen Fertigkeit sich unmittelbar auf das Kunstwerk überträgt. Ruskin bezog sich in seinem Buch "Stones of Venice" gezielt auf die Steinmetze und Handwerker mittelalterlicher Dombauhütten.
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Der Dom gehört dem Freistaat Bayern. Nach der Säkularisierung 1809/10 wurden viele kirchliche Rechtsträger zwangsenteignet und verloren einen erheblichen Teil ihres Eigentums. Die Domkustodeistiftung bekommt daher Zuschüsse vom Staat, nicht als Geschenk, sondern immer noch als Ausgleichszahlungen für den enteigneten Besitz.
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Im Dezember 2020 wurde die Dombauhütte Regensburg aufgenommen in das internationale Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes der UNESCO unter den Eintrag "Das Bauhüttenwesen der Großkirchen Europas". Regensburg bewarb sich nicht allein, sondern zusammen mit den Bauhütten der Kirchen von Aachen, Bamberg, Basel, dem Dresdner Zwinger (als einziger nicht kirchlicher Bauhütte), Freiburg, Köln, Linz, Lübeck, Mainz, Passau, Schwäbisch Gmünd, Soest, Straßburg, Trondheim, Ulm, Wien und Xanten.
Ab hier ist Schwindelfreiheit angesagt. Höhenangst sollte man auch nicht haben.
Die Wendeltreppe führt zum höchsten Punkt unserer Führung, beim Auf- und Abstieg kann man durch das steinerne Maßwerk hinunter gucken bis zum Domplatz.
Blick in den Turmhelm
Die Aussichten auf die Stadt sind atemberaubend. Regensburg ist eine schöne Stadt.
Nach der Dombesichtigung den Abend in einem urigen Gasthaus bei gutem Essen gemütlich ausklingen lassen. Regensburg hat viele gute Gasthäuser, hier sind wir im "Dicken Mann" gelandet.
Vom Domplatz zum Alten Kornmarkt
Maria-Läng-Kapelle
Kollegiatstift unserer lieben Frau zur Alten Kapelle
Das Stift ist ein Kollegiatsstift, so wie auch St. Johann neben dem Dom. Die Brüder eines solchen Stifts haben kein Ordensgelübde abgelegt und können auch ihr Privatvermögen behalten.
In römischer Zeit stand an dem Ort ein Juno-Tempel. Das Kollegiatsstift wurde erstmalig 875 in einer Urkunde von Ludwig des Deutschen, Enkel Karls des Großen, erwähnt. Die Kapelle des Stifts diente damals den Karolingern und Ottonen als Pfalzkapelle.
Das Stift wurde nie aufgelöst, weil sein Vermögen in Österreich angelegt war und man befürchtete, dass das Vermögen nach der Auflösung in Österreich geblieben wäre.
Ein Marienwallfahrtskult entwickelte sich im 13. Jahrhundert.
Die rokokomäßige Ausstattung erfolgte erst im 18. Jahrhundert. Die Kapelle gilt nach der Wieskirche als bedeutendste Rokokokirche Bayerns.
Fortsetzung des Textes folgt
Konvent St. Josef der Unbeschuhten Karmeliten
An der Donau
Gegründet wurde Regensburg von dem Römern im Jahr 179 n. Chr. als Legionslager Castro Regina, um die Mündung des Regen und der Naab in die Donau zu überwachen. Naab und Regen kommen der Donau von links entgegen, die Stadt liegt rechts, also südlich der Donau, die in dieser Zeit der Grenzfluss zischen dem Römischen Imperium und Germanien war. Etwas weiter flussaufwärts, hinter Weltenburg bildete dann der Limes die Grenze, er steht grob gesagt, eine Verbindung von der Donau zum Rhein dar, der im Westen die natürliche Grenze zwischen Germanien und dem Imperium bildete.
Aus der römischen Zeit gibt es wenige Relikte, unter anderem die Porta Praetoria.
Porta Praetoria, das erhaltene römische Stadttor Regensburgs
Die Porta Praetoria stellte das nördliche, dem feindlichen Germanien zugewandte Tor dar. Es ist in der Straße Unter den Schwibbögen zu finden.