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  • Xi'an - die älteste Stadt Chinas

    Eine Redewendung sagt: Willst du 150 Jahre China erleben, fahr nach Schanghai. Willst du 1000 Jahre China  erleben, fahr nach Peking. Willst du 4000 Jahre China erleben, fahr nach Xi'an. Der Glockenturm, eines der Wahrzeichen der Stadt Xi'an ist die älteste Stadt Chinas, obwohl sie eigentlich erst im 3. Jahrhundert vor Chr. richtig zur Blüte kam. Sie wurde die erste Hauptstadt des 247 v. Chr. frisch gegründeten Kaiserreichs, das entstanden war, nachdem Chinas erster Kaiser, Qin Shihuangdi, die zuvor bestehenden sieben Reiche geeint hatte. Die erste kaiserliche Dynastie waren die Qin (sprich "tchin"), von deren Namen sich die heutige Bezeichnung "China" ableitet. In Xi'an begann die Seidenstraße, die von hier über Zentralasien, Persien und den Orient nach Europa führte. Durch diese Handelsstraße erreichte Xi'an während der Tang-Dynastie im 7. und 8. Jahrhundert eine weitere Blütezeit, als die Stadt zum Handelszentrum wurde, in dem sich die damalige Welt ein Stelldichein gab: Araber, Perser, Inder, Japaner schickten Gesandte in die Hauptstadt und Kaufleute und Händler ließen sich hier nieder. Xi'an war im 7. Jahrhundert eine Millionenstadt. Die Handelsverbindungen nach Westasien brachten viele Muslime in die Stadt, die ihr bis heute ein ganz besonderes Gepräge geben mit einer 80.000 Mitglieder umfassenden Gemeinde, dem Muslimviertel mit Basar, der großen Moschee und unzähligen kulinarischen west- und zentralasiatischen Genüssen. In späteren Jahrhunderten versank die Stadt in der Bedeutungslosigkeit. Die Kaiser zogen in andere Hauptstädte und niemand sprach mehr von Xi'an, bis 1974 DER archäologische Sensationsfund des 20. Jahrhunderts von Bauern gemacht wurde: Die Terracottaarmee. Eigentlich wollten die Bauern nur einen Brunnen ausheben, dabei stießen sie zufällig auf diesen Fund. Neben diesen spektakulären Sehenswürdigkeiten hat Xi'an die größte komplett erhaltene Stadtmauer Chinas, die die Stadt vollständig umgibt und so breit ist wie eine zweispurige Straße. Auf ihr kann man Fahrräder leihen und damit die gesamte Altstadt umrunden. Der Trommel-Turm, das ehemalige Stadttor Die Sehenswürdigkeiten in Xi'an sind fußläufig erreichbar und liegen für chinesische Verhältnisse recht nah beieinander. Der Trommel-Turm wurde zusammen mit dem Glockenturm 1380 während der frühen Ming-Dynastie errichtet. Benannt wurde er nach einer riesigen Trommel in seinem Inneren, mit der die Stunde durch Tromelschläge angezeigt wurde. In Sichtweite, nur 200 Meter entfernt steht der Glockenturm, dessen riesige Glocke den Morgen einläutete. Mit dem Glockenschlag wurde das Stadttor geöffnet. Direkt am Trommel-Turm beginnt das muslimische Viertel. Im muslimischen Viertel, einem touristischen Höhepunkt der Stadt, ist immer viel los, an längeren Wochenenden oder Feiertagen wird es voll und es gibt massenweise Dinge zu bestaunen, zu essen oder zu kaufen. Im Mittelpunkt steht wie immer das Essen. Frisch gepresster Granatapfelsaft Gewürze wie auf einem orientalischen Basar Ziegeltee Ziegeltee, Tee der in Ziegelform gepresst wird, konnte früher besser auf dem Rücken von Maultieren transportieren werden. Dieser Tee wurde vor allem nach Tibet geliefert, teilweise auch bis nach Indien, bevor die Briten anfingen, Tee in Indien anzubauen, um damit die Abhängigkeit von China zu umgehen. Indischen Tee gibt es erst seit dem 19. Jahrhundert. Ein weiterer Abnehmer des Ziegeltees sind die Russen, bei denen er als Russischer Karawanentee gehandelt wird. Er hat eine dunkelrote Farbe und einen erdigen, rauchigen Geschmack, der, so sagt es die Legende, durch den Karawanentransport entstand, bei dem die Teeladungen abends neben den Lagerfeuern standen, von denen der Rauch in den Tee zog. Dieser heiße Tee Ming Tang Xue Li ist ein typisches Wintergetränk. Birne, getrocknete chinesische Datteln und Goji-Beeren bilden die Grundlage dieses leckeren und für chinesische Verhältnisse ziemlich süßen Getränks. Mitten im muslimischen Viertel liegt das Haus der Familie Gao, heute ein Museum, das man gegen einen kleinen Eintrittspreis besichtigen kann. Der ehemalige Besitzer Gao Yuesong war ein Regierungsbeamter auf zweiter Ebene der kaiserlichen Beamtenprüfung zur Zeit der Ming-Dynastie vor 400 Jahren . Als fähiger Beamter wurde er von Kaiser Chongzhen mit diesem Herrenhaus belohnt. Seitdem war die Familie offiziell adelig geworden und stellte sieben Generationen lang Beamte des kaiserlichen Hofes. Von einem Haus zu sprechen, ist untertrieben, denn diese Residenz hat zwei Höfe, die jeweils von vier kleineren Innenhöfen umgeben sind. Insgesamt gibt es 86 Zimmern, von denen 54 besichtigt werden können. Wenn man durch das Tor in diese Welt eintritt, bleibt mit einem Mal das geschäftige Leben auf der Straße außen vor, Ruhe und Stille sowie chinesische Wohnkultur umfangen den Besucher.  In dem Gao-Haus gibt es auf der rechten Seite direkt hinter dem Eingang einen kleinen Raum mit einer Opernbühne. Links geht es über einen Hof mit einer weiteren Bühne in das Schattentheater. Schattentheater ist seit 2011 immaterielles Weltkulturerbe und ein wesentlicher Bestandteil der chinesischen Volkskunst, dessen Anfänge schon in der Han-Dynastie (ca. 206-220 n.Chr.) liegen. Historisch gesicherte Belege gibt es seit ca. 1000 n.Chr. Man unterschiedet zwei Stile beim Schattentheater, den westlichen in den Provinzen Shaanxi, Szechuan und Hunan und den östlichen, der sich in Peking entwickelte. Geschnitten werden die Figuren aus Pergament, ungegerbter Tierhaut, und anschließend mit Naturfarben bemalt. Die Schattentheater-Stücke werden mit viel Musik untermalt, die den regionalen chinesischen Opern entlehnt ist, z.B. der Peking-Oper im Osten des Landes und der Szechuan-Oper in Zentralchina. Teilweise werden auch Volkslieder in die Stücke eingebaut. Gesang und Musik wechseln sich mit Sprecheinlagen ab, bei denen die Stimmen karikierend verzogen werden. Die Instrumente sind traditionell chinesisch, z.B. die Sihu, ein chinesisches Streichinstrument, Bambusquerflöten und das chinesische Hackbrett Yangqin. Der Puppenspieler zeigt die Figuren und erläutert, wie sie bewegt werden. Enge Gassen führen durch den Basar des muslimischen Viertels. Endlich wurde ich fündig: Ein Mahjong-Spiel und zwar ein besonders schönes in einer mit Leder bezogenen Schatulle, das ich bei einem alten Hui, Mitglied der muslimischen Gruppe der Hui auf dem Basar bekam. Mitten in der muslimischen Stadt verweisen plötzlich Schilder auf die Große Moschee. Sie sieht weniger aus wie eine Moschee, sondern eher wie eine Tempelanlage. Die Moschee wurde in der Tang-Zeit 742 n. Chr. gebaut und ist ca. 1300 Jahre alt. In späteren Dynastien wurde sie vergrößert, so das ihr Areal heute13.000 qm umfasst. Insgesamt hat die Moschee vier Höfe. Eine Tafel zeigt die Gebetszeiten an. Der Gebetsraum ist für Besucher nicht zugänglich. Der Baustil ist nicht nahöstlich, sondern chinesisch, dementsprechend gibt es weder Kuppeln, noch Minarette. Die Anlage lässt die Frömmigkeit der Gläubigen spürbar werden, die seit Jahrhunderten zum Beten hierherkommen. Die Stadtmauer von Xi'an Die Stadtmauer von Xi'an ist 12 Kilometer lang, komplett erhalten und umgibt in rechteckigem Verlauf die gesamte alte Stadt. Auf der 14 Meter breiten Mauerkrone, die auf dem Foto einer Straße ähnelt, kann man Fahrräder mieten und die Stadt umrunden. Nicht überall ist es so leer wie hier. Am Südtor gibt es die meisten Besucher, Souvenirläden, Geschäfte mit Leckereien und die Fahrradverleihstände. Am Südtor - hier ballen sich die Besucher. Zu Fuß kann man die Mauer umrunden, aber es dauert mehr als drei Stunden, deshalb wird es bald ruhiger, wenn man mit dem Fahrrad unterwegs ist. Von der Mauerkrone entdeckt man viele Dinge wie diesen tibetischen Tempel. Außerdem befinden sich besonders in der Umgebung des Südtors etliche hübsche Hotels direkt an der Mauer, von deren Dachterrassen man einen schönen Blick auf die die Tore und Türme hat. Das Beilin-Museum Von der Mauer entdeckte ich auch dieses Museum am Südtor, das Beilin-Museum, das auf den ersten Blick nach nichts Besonderem aussieht, aber einen kulturellen Wert ersten Ranges hat, so dass die Behörden es mit AAAAA eingestuft haben, wodurch es zur Kategorie der kostbarsten Kulturschätze und Sehenswürdigkeiten des Landes zählt. Das Museum wird auch der "Wald der Steinstelen" genannt. Bei mir löste der Anblick der Stelen eher Assoziationen an einen Friedhof aus. Es sind Steinstelen mit Texten bedeutender chinesischer Philosophen, Gelehrter und Dichter der Jahrtausende, die angefertigt wurden mit dem Ziel, sie als alleingültige Referenztexte zu erhalten, damit bei zukünftigen Abschriften Fehler vermieden werden. Aus jeder Dynastie gibt es Texte, antike Klassiker und Bibliographien von tiefgreifender kultureller Bedeutung in allen Variationen der Kalligrafie. Dies brachte dem Museum den Beinamen ein "Schatzkammer der Kalligrafiekunst, historischer und kultureller Palast". Als man 1961 begann, die Kulturgüter Chinas einzustufen und zu inventarisieren, war dieses Museum im ersten Schub dabei. In einem Konfuzius-Tempel von 1087 sind die Stelen in sieben Hallen untergebracht. Im Laufe der Zeit wuchs der Schatz auf 11.000 Steinplatten an, 19 Texte sind nationales Kulturerbe. Die vier Steinstelen "Klassiker der kindlichen Frömmigkeit". Sie stehen auf quadratischem Grundriss, von jeder Seite kann man eine der vier Stelen anschauen. Zu den kostbarsten Schätzen zählt der "Klassiker der kindlichen Frömmigkeit", der 745 während der Tang-Dynastie in Blaustein graviert wurde. Der Inhalt sind Dialoge zwischen Konfuzius und seinen Schülern, in denen es hauptsächlich um kindliche Frömmigkeit und brüderliche Pflicht geht. Die Inschriften wurden von Kaiser Zuzog geschnitzt. Die Tafeln befinden sich an diesem Ort seit 1087. Die Kaicheng-Klassiker Die Kaicheng-Klassiker sind eine Gruppe von Steintafeln, die zwölf intellektuelle und unverzichtbare Bücher über die feudale Gesellschaft wie "die Analekte" und "Das Buch der Veränderung" umfassen. Diese Schriften wurden in die Stein gemeißelt , damit zukünftige Generationen von Studenten sie studieren können. Ursprünglich waren diese Tafeln während der  Tang Dynastie in der Kaiserlichen Akademie untergebracht. Unter der Song-Herrschaft wurden sie in dieses Museum gebracht. Die 114 Tafeln enthalten etwa 650.000 chinesische Schriftzeichen. Außer diesen beiden philosophischen und philologischen Schätzen umfasst das Haus viele andere. Aber um die Tiefe dieses Kulturerbes zu verstehen, muss man Sinologe sein. Mir gefiel die Atmosphäre und die Ernsthaftigkeit der Besucher und ich beobachtete wie Chinesen ihr Kulturgut wahrnehmen, wertschätzen und weitergeben. Den Stellenwert, den die eigene Kultur für Chinesen hat, habe ich oft erfahren, wenn auch z.B. Schüler äußern, dass sie sich mit den alten Kulturen befassen, um ihre Vorfahren besser zu verstehen. Es gibt etliche Jugendliche, die z.B. das Spielen antiker klassischer Instrumente lernen oder Kalligrafie, was in der Regel mit viel zeitlichem Aufwand, Konzentration und Ausdauer verbunden ist. in Deutschland gibt es diese Beziehung zum Kulturerbe nicht. Shuyuanmen, eine antike Kulturstraße Zwischen dem Beilin Museum und dem Südtor liegt ein schönes Viertel voller Antiquitäten- und Kunstgeschäfte. Die zentrale, circa 600 Meter lange Straße Shuyuanmen erhielt ihren Namen von der alten kaiserlichen Schule Guanzhong Shuyuanmen, der zentralen Schule der Provinz Shaanxi, die während der Ming-Dynastie eingerichtet wurde, und hier lag. Die Terrakotta-Armee Der Fund dieser Armee war die archäologische Sensation des 20. Jahrhhunderts. Wie schon erwähnt, stieß 1974 ein Bauer namens Yan Xinmin beim Graben nach Wasser wegen anhaltender Trockenheit zufällig darauf. Niemand ahnte, dass hier solch ein Fund zu finden ist, niemand wusste es. Es gab keinerlei Hinweise, keine schriftlichen Aufzeichnungen, die auf diese Armee hinwiesen. Yan Xinmin meldete den Fund bei den staatlichen Behörden, was ebenfalls ein Glück war. Er hätte den Fund auch verkaufen können. Er lebt immer noch und signiert heutzutage Bücher über die Terrakotta-Armee, die die vielen Besucher kaufen. Er ist ein einfacher Bauer, der nur seinen Namen schreiben kann. Da der damalige Kaiser die Bauern, die in der Umgebung des Mausoleums wohnten, beauftragte, das Grabmal zu bewachen, sieht sich Yan Xinmin heute als Nachfolger der Wächter des Mausoleums. Entstanden ist die Armee auf Initiative des ersten Kaisers von China, Qin Shihuangdi , der die sieben Reiche unter seiner Führung einte und Xi'an zur Hauptstadt machte. Er ist vielleicht die bekannteste Figur der chinesischen Geschichte, bedingt durch zahlreiche Filme, aber auch durch diesen archäologischen Sensationsfund. Qin Shihuangdi bestieg schon mit 13 Jahren den Thron des Reiches Qin, dem größten und organisiertesten der sieben Reiche, und begann seine Regentschaft von 247 bis 210 v. Chr. Direkt nach seiner Thronbesteigung ließ er den Bau des Mausoleums beginnen, dessen Fertigstellung insgesamt 37 Jahre bis zu seinem Tod dauerte. Außerdem richtete er mit seinem Kanzler eine effektive Verwaltung des Reichs ein, die aber nicht nur zum Segen führte, sondern auch zu grausamer Herrschaft, der Aberhunderttausende zum Opfer fielen, weshalb Qin Shihuangdis Ansehen heutzutage in der Volksrepublik ambivalent ist. Das gigantische Mausoleum, dessen Terrakotta-Armee nur die Spitze des Eisberges ist. wurde bisher nicht ausgegraben, aber bereits durch Myonen-Dektoren erfasst, so dass man den unterirdischen Palast, der 1,5 Kilometer östlich von der Armee unter der Erde verborgen ist, virtuell mithilfe einer Animation besichtigen kann. Wie immer in China ist auch hier das Grab des Kaisers bisher ungeöffnet. Er liegt in 70 Metern Tiefe in einer Nachbildung des Reichs, in der die beiden Hauptflüsse Chinas, der Gelbe Fluss und der Jangtsekiang, durch Quecksilber nachgebildet wurden. Warum bisher kein Kaisergrab in China geöffnet wurde, ist rätselhaft. Offiziell werden konservatorische Gründe angegeben, denn Sauerstoff etc. kann zur Zerstörung der Artefakte führen, so wie es auch bei der Terrakottaarmee geschah, deren Figuren farbig gefasst waren und deren jahrtausendealte Farben unter Sauerstoffeinfluss schnell verschwanden. Heutzutage wird der Zustand eines archäologischen Fundes direkt nach der Ausgrabung fotografisch dokumentiert, so dass man die Farben später nachvollziehen kann. Derzeit arbeiten Chemiker aus Deutschland an Methoden, wie die Farbfassung zukünftig konserviert werden kann. Es sind noch längst nicht alle Soldaten der Terrakotta-Armee ausgegraben. Zukünftig sollen die Farben erhalten bleiben. Die Soldaten mit farbiger Fassung unmittelbar nach der Ausgrabung, Fotos zeigen den farbigen Zustand, der sich bald durch Licht- und Sauerstoffeinfluss veränderte. Aber auch Fallen, ähnlich wie bei Indiana-Jones-Filmen, soll es dort geben. So sollen z.B. das Quecksilber oder Selbstschussanlagen etc. zum Tod von Grabräubern führen. Es ist fraglich, ob Selbstschussanlagen nach über 2000 Jahren noch funktionstüchtig sind. Eine weiterer Grund, warum Ausgrabungen des unterirdischen Palastes und der eigentlichen Grabstätte bisher nicht begonnen wurden, ist tatsächlich so etwas wie ein Aberglaube, denn manche glauben, dass der Geist des ersten Kaisers immer noch anwesend ist und man will seine Grabstätte nicht stören. Die gesamte Armee umfasst 8000 Soldaten, eine voll funktionsfähige Armee mit Bogenschützen, Admiralen, Streitwagen, Kavallerie, Soldaten unterschiedlicher Ränge usw. Besonders beeindruckend ist der Detailreichtum der individuell gestalteten Figuren. Man kann sogar das Alter und die regionale Herkunft an den Gesichtern erkennen. Außerdem kann man den damaligen kulturellen Entwicklungstand ablesen an den Waffen, der Kleidung der Figuren aber auch an der Handwerkstechnik. Alle Figuren waren bei den Ausgrabungen zerbrochen bis auf eine, den kleinen knienden Soldaten. Was man heutzutage zu sehen bekommt, ist also zusammengesetzt, eine archäologische Sisyphosarbeit. Die Mitarbeiter kann man heute noch bei der Arbeit sehen, wenn nicht gerade Feiertag ist. Ihre Arbeitsplätze liegen mitten in den Ausgrabungsstätten. Die Soldaten stehen alle in diesen Gängen, die früher tatsächlich tunnelartig waren. Dazu wurden Gräben ausgehoben, die mit Holz abgedeckt wurden, auf die man Erde legte. Dadurch entstanden diese unterirdischen Tunnel, die heute frei gelegt sind. Es ist noch längst nicht alles ausgegraben. Auf dem Fotos sieht man noch verschlossene Gänge, die Form der Baumstämme, mit denen die Gänge abgedeckt wurden, ist ebenfalls deutlich erkennbar. Offenbar haben sich im Laufe der Jahrtausende die Baumstämme gebogen, so dass diese wellenartige Form entstand. Beim Freilegen der einzelnen Gänge ergibt sich der Anblick umgefallener, liegender, zerbrochener Soldaten. Der kniende Bogenschütze ist die einzige Figur, die unversehrt geborgen werden konnte. Durch die kniende Haltung und der Höhe von 130cm wurde er offenbar vor dem Zerbrechen geschützt. Um zu dieser Armee zu gelangen nimmt man von Xi'an am besten ein Taxi. Das Gelände liegt weit außerhalb der Stadt. Man fährt ungefähr eine Stunde. Taxifahren ist in China billig. Der gesamte Eingangsbereich ist riesig und entsprechend unübersichtlich, aber man findet den Weg. Eventuell nimmt man einen der professionellen Führer, die für 300 Yuan eine zweistündige Führung anbieten (Stand 2024). Man braucht diese Personen nicht zu suchen, sie kommen auf einen zu und bieten ihre Dienste an. Wer sich allerdings vorher schon eingelesen hat, weiß etliches, aber es gibt immer Ergänzungen, manches wiederholt sich und vertieft sich dadurch. Vieles dreht sich um Details der Archäologie, weniger um historische Zusammenhänge. Trotzdem empfand ich es als lohnend. Es ist an Feiertagen extrem überfüllt, obwohl die Anzahl der Besucher schon auf 60.000 pro Tag limitiert ist.

  • Harbin, einer der kältesten Orte Chinas und ein Stück sino-russische Geschichte

    In Harbin, ganz oben im Norden Chinas ist im Winter viel los: Alljährlich lockt das größte internationale Winterfestival der Welt mit gigantischen Schnee- und Eisskulpturen. Russische Kultur ist allgegenwärtig und lässt einen manchmal vergessen, dass man in China ist. Außerdem leben in der nördlichsten chinesischen Provinz Heilongjiang sibirische Tiger - sogar in freier Wildbahn. Es ist kalt in Harbin, sehr kalt, und man muss sich auf diese Reise vorbereiten, denn minus 25 Grad sind Normalität, minus 15 Grad könnte man fast als mild bezeichnen. Man muss nicht unbedingt dicke Winterkleidung kaufen, wie sie die Bewohner Sibiriens im Winter stets tragen. Als Tourist braucht man sie nach dem Besuch Harbins nie wieder, aber einige warme Schichten Kleidung sind geboten. Außerdem sind die überall erhältlichen Wärmepads  besonders hilfreich. Man klebt sie auf die Unterwäsche, wo sie über zwölf Stunden angenehm warm halten. Damit kann man von morgens bis abends im Freien bleiben, ohne zu frieren, den ganzen Tag die klare, frische Luft genießen und die Schönheit des Winters bewundern, die hier gefeiert wird, wie nirgends sonst. Harbin zelebriert den Kult um eisige Kälte und Schnee, strahlendes Weiß und blauen Himmel bei Sonnenschein. Selbstklebende Wärmepads, die man auf der Unterwäsche anbringen kann. Sie sind mit einem Pulver gefüllt, das Wärme erzeugt. Angst vor Verbrennungen muss man nicht haben, es wird nicht heiß. Damit kann man es sehr gut bei minus 20 Grad aushalten. Das morgendliche Anziehen dauert seine Zeit, man legt Schicht über Schicht, klebt die Wärmepads auf empfindliche Punkte, (Tipp: Auch unter die Fußsohlen, aber von außen auf die Socken jeweils ein Pad. Es hilft Wunder.) Ich trug acht Schichten: Unterhemd, Thermo-Unterwäsche, zwei langärmelige Oberteile, darüber Flanellhemd, Sweatshirt, Pullover, eine dünne Jacke und darüber eine Winterjacke, an den Beinen zwei lange Unterhosen, eine davon mit Thermoqualität, dazu die Pads, darüber eine Jeans, das reicht. Wenn man damit abends in ein gut geheiztes Restaurant geht, um ein Barbecue, die typische Spezialität der Provinz Heilongjiang, zu genießen, ist es angenehm warm und wird nicht zur Hitzequal. Überhaupt empfhielt es sich, den Tag nach langem Aufenthalt in der eisigen Wintermärchenwelt abends wohlig im Restaurant bei einem Harbin-Bier und leckeren, gegrillten Köstlichkeiten ausklingen zu lassen. ©CC-BY-SA https://de.wikipedia.org/wiki/Transsibirische_Eisenbahn#/media/Datei:Karte_Transsibirische_Eisenbahn_2.svg Der Bau der transsibirischen Eisenbahn Zu den Eigentümlichkeiten Harbins gehört, dass die Stadt vollkommen russisch wirkt. Der Amur, Grenzfluss zwischen Russland und China, heißt auf chinesisch Heilongjiang und nach ihm ist auch die nördlichste chinesische Provinz benannt. Harbin ist deren Hauptstadt. Die Stadt ist jung für chinesische Verhältnisse, wo man das Zählen in Jahrtausenden gewohnt ist. Sie wurde 1889 als Haltepunkt an der Transsibirischen Eisenbahn errichtet, die ab den 1870er Jahren vom zaristischen Russland gebaut wurde, um Sibirien zu erschließen, die dortigen Bodenschätze besser abtransportieren zu können und den Handel mit China zu beleben. Die erste Lok, die in Harbin ankam, steht im Zentrum der Altstadt. Die Bedeutung von Bahnstrecken ist im heutigen Bewusstsein verschwunden. Sowohl die Erschließung des Wilden Westens in Amerika als auch Sibiriens wären ohne den Bau großer, transkontinentaler Eisenbahnstrecken nicht möglich gewesen. Die Mandschurei unter russischer Kontrolle Mitte des 19. Jahrhhunderts hatte Großbritannien China durch die Opiumkriege unter Kontrolle gebracht und gezwungen, die benachteiligenden "Ungleichen Verträge" bedingungslos zu akzeptieren. Die nachfolgenden Zeiten, die in China als "Jahrhundert der Demütigung" bezeichnet werden, und erst durch den Sieg der Kommunisten 1949 beendet wurden, sollte bei der Betrachtung der Beziehungen Chinas zu den westlichen Staaten nicht außer Acht gelassen werden. Diese Zeit ist im heutigen chinesischen Bewusstsein sehr lebendig und prägt das von Vorsicht und weniger von Vertrauen geprägte Verhältnis Chinas zu Europa. Auf europäischer Seite sind diese Ereignisse im allgemeinen Bewusstsein so gut wie vergessen, was vielleicht zu mancher Fehleinschätzungen der Beziehungen zu China führen kann. An der Ausbeutung Chinas beteiligte sich auch Russland und erlangte die Kontrolle über die Mandschurei. Die Strecke der Transsibirischen Eisenbahn verlief zwischen den russischen Städten Tschita und Wladiwostok über die beiden chinesischen Provinzen Innere Mongolei und Mandschurei. Harbin wurde gegründet und von dort führte eine weitere Eisenbahnstrecke zum eisfreien Hafen Dalian ans Gelbe Meer im Süden. Diese beiden Bahnstrecken, die auf der Landkarte die Form eines T's bilden, bezeichnet man auch als Ostchinesische oder Transmandschurische Eisenbahn. Die Altstadt Harbins ist von russischer Architektur geprägt: Souvenirläden, Restaurants, Teesalons. Kyrillische Aufschriften lassen einen vielerorts teilweise fast vergessen, dass man in China ist. Typisch russisches Interieur: Säulen, viel Gold, wuchtige Kronleuchter etc. Russlands Vorstellung von europäischer Hochkultur, an der man sich seit Zar Peter dem Großen orientierte. Ein bisschen plüschig, Samt und geraffte Gardinen gehörten auch zur vorrevolutionären russischen Kultur. Früchte mit Zuckerguss, eine Leckerei aus Peking, die sich aber erfolgreich in ganz China durchgesetzt hat. Besonders gut schmecken Weißdorbeeren - wie ein säuerlicher, grüner Apfel. Dazu die knusprige Zuckerglasur - perfekt. Trubotschki, ein Gebäck, das auf Holz aufgewickelt und dann über dem Grill gebacken wird. Anschließend wird es mit Eis oder Sahne gefüllt. Russische Schokolade - härter als gewohnt, schmeckt aber gut. Jede Menge russische Souvenirs, hier die Matrjoschka. Auch Nussknacker werden massenweise angeboten. Man hält sie für russisches Kulturerbe, obwohl ihre heutige figürliche Form als Förster, Gendarm, Husar oder König 1870 im Erzgebirge von dem Kunsthandwerker Friedrich Wilhelm Füchtner erfunden wurde. Die orthodoxe Sophienkathedrale wurde 1907 gebaut. Mit der Übernahme der Macht durch die Kommunisten 1949 wurden sämtliche christliche Missionierungsversuche in China beendet und die Kathedrale geschlossen. Um ein Haar wäre sie in der Kulturrevolution zerstört worden, wenn sie nicht als Warenlager für eine nahegelegenes Kaufhaus gedient hätte. Erst in den 1990er Jahren wurde die Kirche restauriert, die Bäume, die bereits aus ihrem Dach wuchsen, entfernt und die zugemauerten Fenster wieder geöffnet. Heute ist die Kirche ein Denkmal. Blick in die Kuppel der Sophienkathedrale Der Bezirk Lao Dao Wei Russische Beschilderungen verweisen heute noch auf die Geschichte der Stadt, wie hier im Bezirk Lao Dao Wei, der im Stil des sogenannten chinesischen Barock errichtet wurde und in den letzten Jahren touristisch herausgeputzt wurde. Alte Kontore, Geschäfts- und Wohnhäuser aus Ziegelsteinen vermitteln das Gefühl einer Zeitreise. Angenehm, dass sich hier wenige westliche Ketten niedergelassen haben. Hauptsächlich gibt es chinesische Geschäfte, Restaurants und Cafés, Bäckereien, Souvenir- und Antiquitätenläden. Man flaniert durch Straßen, entdeckt dahinterliegende Höfe mit umlaufenden Emporen, einem kleinen Museum und etlichem mehr. Typische russische Alltagsgegenstände wie ein Samowar. Russen lieben Tee, der übrigens aus China kam - der sogenannte russische Tee, auch Karawanentee genannt, mit dunkelroter Farbe und einem leicht rauchigen Geschmack. Der Tee wurde früher in rechteckige Quader gepresst, sogenannte Ziegel, die auch zur Bezeichnung "Ziegeltee" führten, so das man ihn auf dem Rücken von Pferden besser transportieren konnte. Der rauchige Geschmack soll angeblich von den Lagerfeuern stammen, die in Vorzeiten nachts beim Transport auf der Tee-Pferde-Route gemacht wurden und deren Rauch dann in den neben den Lagerfeuern abgestellten Ziegeltee eingezogen sein soll. Außerdem soll die Wärme auf dem Rücken der Pferde zur Reifung des Tees beigetragen haben. Ziegeltee wird überall in Harbin verkauft. Er sieht nicht aus wie Tee, weil er so dicht gepresst wird, dass man Stücke von dem Block abbröckeln muss, die man im Mörser zerkleinert, um anschließend mit dem Pulver Tee aufzugießen. Ein typisches Bett in Nordchina. Auffällig ist der gemauerte Sockel, darunter befindet sich eine Feuerstelle. Nordchinesische Schlafstätten wurden beheizt. Im Winter können die Temperaturen nachts auf minus 40 Grad fallen. Ein Stadtplan der alten russischen Stadt Mit den Russen kam auch die jüdische Kultur in den fernen Nordosten Asiens, nach Sibirien und in die Mandschurei. Litauen im weit entfernten Europa hatte einst die Juden ins Land geholt und war im Mittelalter eines der größten Reiche Europas. Später, nachdem Litauen extrem viel Territorium verloren hatte, lebten ehemals litauische Juden in der Ukraine, Russland, Weißrussland, Polen usw. - das osteuropäische Judentum, die Ashkenasim. Das Restaurant Lao Zhang Baizi war früher staatlich, jetzt ist es privat. Durch seine große Beliebtheit ist es immer voll, aber Wartezeiten sind in China immer erträglich, meistens bekommt man schon nach zehn Minuten einen Platz. Eigenartig für Europäer, dass Chinesen beim Essen oft ihre Jacke nicht ausziehen. Auch die Essmanieren sind teilweise sehr anders als bei uns. Der Brottrunk - nicht nur bei uns im Reformhaus erhältlich, sondern auch in der Mandschurei. Russland lässt grüßen. Nach Deutschland kam er übrigens erst nach dem 2. Weltkrieg. Deutsche Kriegsgefangene brachten die Idee der Brotfermentierung aus sowjetischer Kriegsgefangenenschaft mit. Die Umgebung dieses Distrikts ist noch sehr ursprünglich, ebenfalls mit russischer Bebauung, die teilweise etwas heruntergekommen ist, was den Häusern einen gewissen morbiden Charme verleiht. Das internationale Schnee- und Eisfestival Jedes Jahr erfolgt der offizielle Festival-Startschuss am 5. Januar. Es ist ein Festtag, zu dem die ganze Stadt frei bekommt. Man kann aber schon weitaus vorher die Eiswelten genießen und bestaunen. Die folgenden Aufnahmen aus dem Jahr 2023 entstanden alle schon um Weihnachten. Der Aufbau der gesamten Skulpturen und Bauwerke beginnt Wochen vor dem offiziellen Start, so dass Ende Dezember schon vieles bereit ist und man kaum bemerkt, dass noch nicht alles in Gänze fertig gestellt wurde. Insgesamt gibt es bei diesem Festival mehrere große Bereiche, die über die Stadt verteilt sind. Die Schneeskulpturen werden auf der Sun Island im Fluss errichtet, die Ice and Snow World befindet sich auf dem zugefrorerenen Songhua Fluss, das Eislaternenfest im Zhaolin-Park. Darüber hinaus gibt es auch in der Altstadt massenweise Eisskulpturen und Schneefiguren. Es wird so viel geboten, dass man mindestens ein Wochenende in der winterlichen Stadt verbringen kann. Da Harbin nicht gerade um die Ecke liegt und die Anreise einige Zeit in Anspruch nimmt, sind drei Tage für den Wintertrip angemessen. Tigerwelt in Harbin Der sibirische Tiger lebt im Norden Chinas, Russlands und Nordkoreas. Der wilde Bestand ist stark bedroht, weshalb es diese Tigerfarm gibt, in der 800 Tiger leben, deren Tiere ausgewildert werden, darunter auch der weiße Tiger, der als besonders gefährlich gilt und deshalb in einem gesonderten Gehege lebt, während seine Artgenossen relativ frei in sehr weitläufigen Arealen herumlaufen. Die Fahrt in das Gebiet war wie im Film Jurassic Park. Torschleusen schließen und öffnen sich automatisch. Niemals sind beide Tore geöffnet. Und dann geht es hinein in die Welt der Raubkatzen, in deren Beuteraster auch Menschen fallen. Die Fenster der Busse sind doppelt vergittert, die Reifen ebenfalls, so dass die Tiger sich nicht nicht daran abarbeiten können. Sibirische Tiger lieben Kälte und Schnee. Völlig entspannt verbringen sie den gesamten Tag draußen bei sehr weit unter dem Gefrierpunkt liegenden Temperaturen. Die extreme Kälte scheint ihnen überhaupt nichts auszumachen. Im Gegenteil, sie freuen sich anscheinend über den Schnee und tollen darin herum. Die Katzen kommen direkt an den Bus heran, weil sie wissen, dass sie von den Touristen gefüttert werden, die Fleischstücke mit Zangen durch die doppelte Vergitterung halten. Die Tiere strecken sich nach oben und halten sich mit ihren Vorderpranken direkt am Gitter fest. Dabei kann man aus nur ca. 30 Zentimetern in den Schlund der riesigen Katzen blicken, deren Atem in der eisigen Luft kondensiert. Es ist beeindruckend.

  • Tibet - auf dem Dach der Welt

    Tibet - Traumreiseziel für viele. Auch auf meiner Liste der China-Destinationen stand Tibet ganz weit oben, vielleicht sogar an der Spitze. Nach Tibet kommt man nicht so leicht, nicht einmal, wenn man schon in China wohnt. Entsprechend erleichtert war ich, als ich nach einiger Wartezeit die Genehmigung vom Innenministerium erhielt. Auf Papier gedruckt wurde sie mir per Post zugeschickt. Erstaunlich für ein voll digitalisiertes Land. Am Flughafen dann der angeschlagene Abflug nach Lhasa - Direktverbindung in ein ziemlich mythenumwobenes Land. Der Flug dauerte lange, irgendwann ging es über den Himalaya. Berge soweit das Auge reicht, ein Gebirge wie ein Ozean. Heftige Turbulenzen schüttelten das Flugzeug. So stark hatte ich es selten erlebt. Angstvolles Wimmern von Passagieren, erschrockene Aufschreie. Trotzdem wunderschöner Ausblick. Zimmer mit Aussicht, direkter Blick auf den Potala-Palast Angekommen - der Blick aus dem Hotelzimmer ist grandios - der Potala-Palast. Am ersten Nachmittag und Abend war Akklimatisierung an die Höhe angesagt. Man weiß nie, wie der Körper reagiert. Tibet liegt durchschnittlich auf 4500 Meter Höhe, Lha sa auf 3600 Meter.   Packt man es oder muss man die Reise abbrechen? In uns erer Gruppe hatte ein Ehepaar am zweiten Tag aufgegeben. Ich reiste mit einer Gruppe, da man derzeit allein gar nicht nach Tibet kommt. In Tibet dreht sich alles um die Religion und die Berge. Am Buddhismus führt kein Weg vorbei. Es ist die kulturelle Leistung, die die Reise inhaltlich ausmacht. Daher lohnt ein kurzer Blick darauf. Buddhismus aus Indien mischt sich mit tibetisch-indigener Kultur Tibets Kultur wird maßgeblich von buddhistischer Religion und Spiritualität bestimmt, die relativ spät, erst im 7. Jahrhhundert von Indien nach Tibet kamen. China hatte den Buddhismus schon seit dem 1. Jh. n. Chr. übernommen und Japan und Korea führten ihn zwischen dem 3. und 6. Jh. ein. Der indische Einfluss mischte sich in Tibet mit der indigenen, bereits vorhandenen Geister- und Götterwelt, der "Bön"-Kultur, woraus die Richtung des tibetischen Buddhismus entstand. Die für Tibet typischen Gebetsfahnen sind ein Relikt der vor-buddhistischen Religionen. Gebetsfahnen - typisches Merkmal des tibetischen Buddhismus, entstanden aus indigenen, tibetischen Religionen, die sich mit dem später eingeführten Buddhismus mischten. Offizielle Einführung des Buddhismus in Tibet Offiziell wurde der Buddhismus unter König Songtsen Gampo im 7. Jahrhhundert eingeführt. Songtsen Gampo war ein bedeutender Herrscher des tibetischen Reichs und wird oft als einer der großen Könige Tibets betrachtet. Seine Herrschaft erstreckte sich ungefähr von 617 bis 649 n. Chr. Songtsen Gampo heiratete Prinzessin Bhrikuti Devi aus Nepal und Prinzessin Wencheng aus China, die beide Buddhistinnen waren. Diese politischen Ehen trugen wesentlich dazu bei, den Buddhismus in Tibet zu verbreiten und zu etablieren. Songtsen Gampo wird auch mit der Gründung der Stadt Lhasa und dem Bau des Jokhang-Tempels im Zentrum Lhasas in Verbindung gebracht, einer der wichtigsten heiligen Stätten des tibetischen Buddhismus. Songtsen Gampo wird als Emanation des Bodhisattvas Avalokitesvara verehrt, einem der prominentesten Bodhisattvas in Tibet. Songtsen Gampo (Mitte), Prinzessin Wencheng aus China (rechts) and Prinzessin Bhrikuti Devi aus Nepal (links) © gemeinfrei, Ernst Stavro Blofeld - http://en.wikipedia.org/wiki/Image:SongstenGampoandwives.jpg Seine chinesische Ehefrau Wancheng brachte die Buddhastatue Jowo aus China mit nach Tibet, ein Abbild des Buddhas Siddharta Gautama als zwölfjähriger Prinz. Die Statue wird als heiligstes Abbild Buddhas in Tibet im Jokhang Tempel in Lhasa aufbewahrt und verehrt. Man glaubt, dass diese Statue von Siddharta Gautama selber gesegnet wurde und das Antlitz ein Portrait nach seinem Gesicht darstellt. LBM1948 - Own work Image of the Buddha in The Jokhang [Jowo] . Lhasa, Tibet, China CC BY-SA 4.0, Der nachfolgende König Trisong Detsen bestieg im 8. Jh. den Thron und festigte den Bhuddismus als Staatsreligion. Weil er vor allem am indischen Buddhismus interessiert war, holte er Gelehrte und spirutuelle Lehrer von Indien nach Tibet. Die Errichtung eines ersten Klosters gestaltete sich äußerst schwierig, da wie durch eine magische Kraft alle Arbeit eines ganzen Tages in des jeweils folgenden Nacht wieder zerstört wurde. Die Tibeter glaubten, dass die ursprünglichen, einheimischen Geister die Einführung der neuen Religion in Tibet verhindern wollten. Daraufhin lud der König den Tantra-Meister Padmasambhava nach Tibet ein, der durch das Land reiste, die einheimischen Geister unterwarf und sie zu Beschützern des Buddhismus machte. Danach konnte die Errichtung des Klosters vollendet werden. Padmasambhava soll übernatürliche Kräfte gehabt haben und gilt als Emanation des Amitabha Buddha, dem prominentesten Buddha im Reinen Land Sukhavati. Das erste Kloster des tibetischen Buddhismus Das erste Kloster des tibetischen Buddhismus war das Samye-Kloster (auch Samye Gompa genannt). Es liegt in der Region Ü-Tsang im zentralen Tibet, nahe dem Fluss Yarlung Tsangpo (der Oberlauf des Brahmaputra). Es befindet sich im Dranang-Tal, etwa 30 Kilometer nordwestlich von Tsetang, der drittgrößten Stadt Tibets und etwa 150 Kilometer südöstlich von Lhasa, der Hauptstadt Tibets. Das Kloster liegt auf einer Höhe von etwa 3.500 Metern in einer abgelegenen Gegend, umgeben von Bergen und dem fruchtbaren Yarlung-Tsangpo-Tal, das als eine der Wiegen der tibetischen Zivilisation gilt. Die Gegend rund um Samye ist historisch und kulturell sehr bedeutend, da sie die Heimat früher tibetischer Könige und ein Zentrum der buddhistischen Einführung in Tibet war. Die vier wichtigsten Schulen des tibetischen Buddhismus Padmasambhava, der die ursprünglichen tibetischen Götter unterwarf, ist auch der Gründer der Nyingma-Schule, einer der vier großen Schulen des tibetischen Buddhismus. Die anderen drei Schulen sind Kagyu, Sakya und Gelug. Jede dieser vier Schulen hat ihre eigene Linie von Lehrern, Texten und Klosterzentren, die ihren spezifischen Lehren und Praktiken folgen. Die wichtigste ist die Gelug-Schule, die im 15. Jahrhundert entstand. Ihre Mönche tragen gelbe Mützen, was ihr den Beinamen Gelbmützen-Schule einbrachte. Die meisten Menschen verbinden mit eben diesen markanten gelben Mützen das tibetische Mönchtum. Der Dalai Lama Der Dalai Lama ist das spirituelle Oberhaupt der Gelug-Schule. Das Wort "Dalai" ist mongolisch und bedeutet Ozean, während "Lama" das tibetische Äquivalent für das Sanskrit-Wort "Guru" ist, ein spiritueller Führer oder Lehrer für den Einzelnen. Dalai Lama bedeutet also Ozeanischer Guru, wobei der Ozean gleichgesetzt wird mit Weisheit. Zwei Kulturen mischen sich in der Bezeichnung Dalai Lama: Sanskrit kam mit dem Bhuddismus aus Indien . Aber wie kam der mongolische Einfluss dorthin? Tibet und die Mongolenherrscher Im 13. Jahrhundert kam es unter der Führung von Dschingis Khan zum ersten Kontakt der Mongolen mit Tibet. Die Reiter aus dem Norden eroberten in dieser Zeit weite Teile Zentralasiens. 1240 fielen mongolische Truppen unter dem General Dorda Darkhan zielgerichtet in Tibet ein und verwüsteten einige Regionen. Dieser Angriff führte zu einem verstärkten Interesse der Mongolen an Tibet, was später zu einer engeren politischen Beziehung wurde. 1253 wurde der tibetische Abt des Sakya-Klosters, Sakya Pandita, von den Mongolen eingeladen, um Verhandlungen zu führen. Dies führte zur formellen Anerkennung der Oberhoheit der Mongolen über Tibet, und Sakya Pandita wurde zum offiziellen Vertreter der Mongolen in Tibet ernannt. Ab 1254 pflegte der Neffe von Sakya Pandita, Phagpa, eine enge Beziehung zu Kublai Khan, seit 1260 Großkhan der Mongolen und Enkel von Dschingis Khan. Phagpa wurde als religiöser Berater Kublais anerkannt und half bei der Integration des tibetischen Buddhismus in das mongolische Reich. Kublai Khan verlieh Tibet in den 1270er Jahren eine gewisse Autonomie, indem er die Verwaltung Tibets weitgehend dem Sakya-Kloster überließ. Damit begann eine lange Phase, in der Tibet unter mongolischem Schutz stand, aber intern eine relative Autonomie genoss. Die mongolische Präsenz in Tibet markierte den Beginn eines komplexen politischen und religiösen Systems, bei dem Tibet als eine Art Vasallenstaat unter den Schutz der Mongolen gestellt wurde, während die Mongolen im Gegenzug den tibetischen Buddhismus als eine wichtige spirituelle Kraft anerkannten. Dies legte den Grundstein für die späteren engen Beziehungen zwischen Tibet und mongolischen Herrschern. Aber nichts ist ewig und so wurde auch die Herrschaft der Mongolen Anfang des 14. Jahrhunderts gebrochen von einer der bedeutendsten Persönlichkeiten der chinesischen Geschichte, dem Bauernjungen Zhu Yuanzhang, der sich im Kampf gegen die Mongolenherrschaft Soldaten anschloss, erfolgreich wurde, aufstieg und die Mongolen Anfang des 14. Jahrhhunderts  vertrieb. Er gründete daraufhin die Ming-Dynastie und proklamierte sich als Kaiser Hongwu (1368–1398), erster Kaiser der Ming, dessen Grabmal heute in Nanjing besucht werden kann. Wie etablierte sich die geistliche und weltliche Macht der Lamas in Tibet? Der mongolische Herrscher Altan Khan (1507-1582) ließ die alten Kontakte zu Tibet wieder aufleben, um den tibetischen Bhuddismus in der Mongolei zu festigen. Er lud Sonam Gyatso, Oberhaupt des 1416 gegründeten Drepung Klosters in die Mongolei ein. Sonam Gyatso reiste 1543-1588 in die Mongolei und bekam von Altan Khan den Titel Dalai Lama verliehen. Damit trat erstmalig der Dalai Lama auf die Bühne der Geschichte. Der Dalai Lama, Angehöriger der Gelug-Schule, gilt wie der König Songtsen Gampo als Reinkarnation des Bodhisattvas Avalokitesvara. Im Laufe der Zeit wurde die Gelug-Schule die dominierende und politisch einflussreichste Sekte in Tibet. Der ersten drei Dalai Lamas Sonam Gyatso ist im Nachhinein nicht der erste Dalai Lama, sondern posthum wurde auch seinen zwei Vorgängern der Titel verliehen. Der offizielle erste Dalai Lama war denzufolge Gendün Drub (1391-1275). Auf ihn geht die Gründung des Klosters Tashilhunpo in Shigatse zurück, ein wichtiges Kloster der Gelug-Schule und später Sitz des Panchen Lamas, das wir später auch bei unserer Reise besuchten. Sonam Gyatso ist demnach der 3. Dalai Lama. Mit ihm begann das sogenannte Tulku-System, bei dem ein Kind als Wiedergeburt, als Reinkarnation eines Lamas angesehen wird. Wenn ein Lama stirbt, wird dessen kindliche Reinkarnation in der tibetischen Bevölkerung gesucht. Sobald es gefunden ist und Sicherheit besteht, dass dieses Kind die Reinkarnation ist, erhält es eine entsprechende Ausbildung, um den Titel und die Funktion des Vorgängers zu übernehmen. Diese Ausbildung fand anfangs im Drepung-Kloster statt. Es gibt unzählige Tulku-Linien, aber die prominenteste und wichtigste ist die des Dalai Lama. Darüberhinaus gibt es noch zwei weitere für Tibet wichtige, die Linie des Panchen Lama und des Karmapa Lama. Der 5. Dalai Lama wird geistlicher und weltlicher Herrscher Die Mongolen hatten im 17. Jahrhhundert noch einmal Einfluss auf Tibet, als die Herrschaft der Gelug-Schule ausgebaut wurde. Ein wichtiger Moment war die Allianz zwischen dem 5. Dalai Lama Ngawang Lobsang Gyatso (1617-1682) und Güshi Khan, dem Anführer der Khoshuud-Mongolen, um Tibet von rivalisierenden lokalen Herrschern zu befreien und die Gelug-Herrschaft zu festigen. Güshi Khan und seine Truppen unterstützten den 5. Dalai Lama militärisch und halfen ihm, seine Autorität in Tibet zu stärken. Diese Allianz war keine "mongolische Herrschaft" über Tibet, sondern eher eine Zeit der Allianz zwischen den Gelugpas und den mongolischen Truppen unter Güshi Khan zur Festigung der Macht des Dalai Lama in Tibet. Der 5. Dalai Lama gelangte so an weltliche Macht und  seitdem ist der Dalai Lama sowohl geistliches als auch weltliches Oberhaupt Tibets. Die Mongolen wurden von den Tibetern kulturell so weit beeinflusst, dass der tibetische Buddhismus heute auch in der Mongolei verbreitet ist. Die doppelte Funktion des Dalai Lama als geistliches und weltliches Oberhaupt der Tibeter rief bzw. ruft den Konflikt mit der chinesischen Regierung hervor, da der Anspruch Tibets, ein eigener Staat mit eigenem Oberhaupt zu sein, gegen chinesische Interessen steht. Das Drepung-Kloster bei Lhasa Am nächsten Tag nach unserer Ankunft und erfolgreicher Akklimatisierung an die Höhe  ging   unser erster Ausflug zum Drepung Kloster . Der Komplex liegt nur wenige Kilometer oberhalb von Lhasa auf einem Berg am westlichen Rand der Stadt. Das Kloster bei Lhasa war anfangs auch Amtssitz des Dalai Lamas und damit nicht nur spirituelles, sondern auch politisches und kulturelles Zentrum für Tibet. Im Jahr 1645 verlegte der 5. Dalai Lama seinen Amtssitz in den neu errichteten Potala Palast im Zentrum Lhasas. Während seiner Blütezeit im 18. Jahrhundert erreichte das Kloster eine enorme Größe und Bedeutung mit Tausenden von Mönchen, die dort lebten und studierten. Das Kloster wurde während der Kulturrevolution nicht zerstört, so dass man heute noch den ehemaligen Regierungspalast des Dalai Lama darin sehen kann. Als wir das Kloster besuchten ertönte ein Gong in regelmäßigen Abständen über der Klosterstadt und rief die Mönche zur Zusammenkunft. Aus allen Richtungen strömten sie herbei, sammelten sich vor der Haupthalle, zogen ihre Schuhe aus und gingen zum Gebet. Im Inneren des Klosters gibt es nicht nur Mönche, sondern jede Menge Pilger, die sich vor Bildern oder Statuen von Buddhas, Bodhisattvas und anderen heiligen Figuren betend verbeugen, Opfergaben machen, Butterkerzen entzünden oder mitgebrachte Yak-Butter in die Gefäße füllen, in denen Kerzendochte brennen. Überall liegen massenweise gespendete Geldscheine herum, die von den Mönchen wie Laub zusammengekehrt und in Säcken gesammelt werden. Mittendrin stehen wir Touristen und bekommen die Grundlagen des tibetischen Buddhismus erläutert, Kinder rennen herum, Leute reden in normaler Lautstärke, andere werden gesegnet und über alles legt sich der tiefe monotone Klang der gemeinsamen Mönchgebete. Die Fülle an Eindrücken im Kloster überwältigt. Ornamente, Figuren, Bodhisattvas, Buddhas oder Abbildungen von Reinkarnationen, Wandmalereien, Schreine, Vitrinen mit Gottheiten und Schriften, immer wieder Yak-Butterkerzen, die von Mönchen am Brennen gehalten werden, die bei ihrer Arbeit meditativ und gleichmäßig monoton vor sich hin beten. Vom Inneren des Klosters konnte ich keine Fotos machen - Fotografieren ist dort nicht erwünscht. Nur in der Hauptversammlungshalle war es erlaubt. Erstaunlich, dass wir die Mönche ausgerechnet beim Beten anschauen, fotografieren und filmen durften. Sie nahmen es gelassen, einige lächelten mir sogar zu, wie der Mönche zentral im nächsten Bild. Was alles so friedlich und harmlos aussieht, war auch mit weltlicher Macht verbunden. Ein Kloster brauchte eine wirtschaftliche Grundlage und wie im europäischen Mittelalter hatten auch tibetische Klöster jede Menge Grundbesitz zur Bewirtschaftung, aber noch mehr, nämlich auch Leibeigene, Hirten usw. Es wurden auch Steuern eingetrieben, teilweise durch bewaffnete Mönche. Überall gelebte Spiritualität Man bekommt in Tibet das Gefühl, an einem der spirituellsten Orte der Welt zu sein. Zwar gibt es bei weitem nicht mehr so viele Mönche wie einst, als es üblich war, dass der älteste Sohn einer jeden Familie Mönch wurde, aber im Drepung-Kloster leben wieder circa 800 Mönche. „Wieder", weil es nach der Kulturrevolution kein Mönchtum mehr gab. Anfang der 80er Jahre des 20. Jahrhunderts zählte man wieder 20 Mönche, Tendenz seitdem zunehmend. Das Kloster bietet Platz für bis zu 10.000 Mönche .   Mönche prägen das Straßenbild in Orten, die ein Kloster haben, man sieht sie in Restaurants, auf dem Markt, überall. Wenn man abends an einem Kloster entlang spazieren geht, schallen die Klänge der Dungchen, tibetische Blechblasinstrumente mit ziemlich archaischen Tönen, aus den Mauern heraus. Auch die Menge an Pilgern ist groß. In Lhasa um den Jokhang-Tempel wird gebetet, was das Zeug hält. Auf einem Rundgang um den ganzen Tempelbezirk bewegen sich die Pilger in immer fortwährender Manier. Sie legen sich flach auf den Boden, die Arme in voller Länge ausgestreckt, die Stirn auf den Boden gerichtet, um Demut und Hingabe gegenüber dem Objekt des Gebets zu symbolisieren, sei es Buddha, ein Bodhisattva oder ein anderer spiritueller Bezugspunkt.  Danach stehen sie auf, führen die zusammengelegten Hände an die Stirn, den Mund und die Brust, gehen zwei Schritte und legen sich wieder flach, komplett ausgestreckt auf den Boden. Diese immer wiederkehrenden Bewegungen stellen die körperliche Manifestation der spirituellen Hingabe und des Fortschritts auf dem spirituellen Weg dar. Obwohl die Pilger sich nur langsam vorwärts bewegen, symbolisiert jede Bewegung einen Schritt auf dem Weg der spirituellen Entwicklung. Manche Pilger legen auf diese Weise hunderte von Kilometern zurück und brauchen für die Strecke Monate. Eine junge Tibetern beim Gebets-Rundgang um den Jokhang-Tempel, dem alten Tempel aus dem 7. Jh. im Zentrum von Lhasa. Was hier voyeuristisch aussieht - fotografieren einer Pilgerin - war eine sympathische Begegnung. Die junge Frau war langsam, weil sie sich ständig auf den Boden legte, aufstand, zwei Schritte machte, um sich wieder hinzulegen. Wir waren auch langsam, weil Tibeter unentwegt fragten, ob sie ein Foto mit uns machen können. Vor allem mein belgischer Mitreisender Sander war mit seinem roten Vollbart, den 1,90 Metern und seinem belgischen Bierbauch der Star. Die junge Tibeterin lachte, sprach uns an und weil wir wegen der ständigen Fotografiererei ungefähr gleich schnell waren wie sie, liefen wir eine Zeit lang fast auf gleicher Höhe nebeneinander her. Es war amüsant. Überhaupt sind Tibeter extrem freundlich, offen und lächeln viel. Der Jokhang-Tempel im Zentrum von Lhasa, einer der wichtigsten Tempel der Tibeter. Dort wird die Buddha-Statue Jowo aufbewahrt, die die chinesische Prinzessin Wencheng mitbrachte, die heiligste Buddha-Statue Tibets. Um den Tempel wimmelt es von Pilgern, die überall herumlaufen oder sich betenderweise unentwegt auf den Boden legen. Man liest manchmal, dass Beten in Tibet verboten sei. Aber Religionsausübung ist in China in jeder Form erlaubt. Auch Moscheen und Kirchen werden besucht und genutzt. Heilige Berge sind gesetzlich geschützt wie der Berg Kailash, einer der heiligsten Berge des tibetischen Buddhismus, des Hinduismus, des Jainismus und des Bön, der vorbuddhistischen Religion Tibets. Er gilt als Wohnsitz verschiedener Gottheiten und hat eine tiefe spirituelle Bedeutung für Gläubige dieser Traditionen. Es wird geglaubt, dass die Besteigung des Kailash eine Beleidigung der Gottheiten darstellen würde und den spirituellen Segen stören könnte, der mit dem Berg verbunden ist. Im Tempelinneren haben wir nicht fotografiert. Die Würde des Ortes gebietet das. Die Frömmigkeit und tiefe Ernsthaftigkeit der Tibeter ergriff mich mehr als einmal. Die Schriften des tibetischen Buddhismus - Von Pecha und Sanskrit Pecha ist das tibetische Wort für “Buch“. Unter einem Buch verstehen Europäer etwas anderes als Tibeter. Hier sind es lose Blätter, die zu einem Stapel zusammengelegt werden. Einzelne Seiten eines Pechas. Sie werden lose übereinander gelegt. Die Ursprünge dieser ungewöhnlichen Seitenform gehen zurück auf die sogenannten Palmblätter-Handschriften, die in Indien bis ins 5. Jh. v. Chr. nachweisbar sind, bei denen man getrocknete und mit Rauch behandelte Palmblätter als Schreibuntergrund verwendete. Von Indien verbreitete sich diese Technik über Südasien und gelangte im 7. Jh. nach Tibet. Eine der ältesten Handschriften stammt aus dem 9. Jh. v. Chr. aus Nepal. Sie liegt heute in der Universitätsbibliothek in Cambridge, England - wie immer sie auch dorthin gekommen sein mag. Die Bündel mit den bedruckten Blättern werden in Stoff eingewickelt, um sie zu schützen. Danach werden sie oben und unten mit einem schützenden Holzbrett versehen. Pechas, eingewickelt in Stoffe und geschützt durch Holzbretter. Sie werden aufbewahrt in Vitrinen, in die Pilger Geldscheine durch Schlitze stecken. In einem tibetischen Klöster findet man überall gespendetes Geld. Die Schriften des tibetischen Buddhismus werden traditionell auf handgefertigtem Papier aus lokalen Grundstoffen gedruckt, Palmblätter gibt es in Tibet nicht. Der Druckprozess selbst erfolgt durch Holzblockdruck. Dazu werden die Texte in Holzblöcke graviert. Beim Drucken arbeiten zwei Mönche zusammen. Einer rollt die Farbe auf die Druckplatte, der andere legt das Papier darauf und der erste Mönch presst dann das Papier auf den Druckblock. Dieser Prozess wird von erfahrenen Mönchen durchgeführt, die die Holzblöcke sorgfältig schnitzen und die Qualität des Drucks überwachen, um sicherzustellen, dass die Schriften klar und deutlich lesbar sind. Die Holzblöcke werden in Regalen gelagert. Heutzutage gibt es Software, mit der die Pechas geschrieben werden. Die Softwareprogramme behalten bis heute die längliche Form der Seiten bei und setzen damit die jahrtausendealte Form der Palmblätter fort. In Klöstern wird aber weiterhin von Hand gedruckt. Ein Screenshot der Software Pechamaker, trotzdem wird in den Klöstern auch von Hand gedruckt. Die Pechas werden in unterschiedlichen Schriften jeweils auf einer Seite verfasst. Die oberen beiden Reihen sind in Sanskrit verfasst, die untere in Tibetisch. Sanskrit kam zusammen mit dem Buddhismus von Indien nach Tibet. Es wird oft als "Sprache der Götter" bezeichnet und ist die älteste bekannte indoeuropäische Sprache. Es gilt in der indischen Kultur als heilige Sprache. Seine Grammatik und Struktur sind äußerst präzise und detailliert, was es zu einer idealen Sprache für die Überlieferung komplexer Ideen macht. Sanskrit wird heute nicht mehr als Alltagssprache gesprochen, wird aber immer noch in verschiedenen Kontexten verwendet wie z.B. bei den Schriften. Die Rolle dieser Sprache ist vergleichbar mit Latein in der europäischen Kultur, es wird nicht mehr gesprochen, aber weiterhin in verschiedenen Kontexten verwendet. In der Linguistik sieht man Sanskrit als Grundlage für die Erforschung der Entwicklung und Ursprünge indoeuropäischer Sprachen. Deutsch sowie fast alle anderen europäischen Sprachen haben als indoeuropäische Sprachen eine enge sprachliche Verwandtschaft mit Sanskrit und damit auch mit manchen südasiatischen Sprachen. Der Potala-Palast Der Potala-Palast, beeindruckendes architektonisches Meisterwerk und kulturelles Wahrzeichen Tibets thront hoch über Lhasa. Er steht symbolisch für den tibetischen Buddhismus und die tibetische Kultur. Erbaut im 17. Jahrhundert unter der Herrschaft des damaligen 5. Dalai Lama, diente er zunächst als Winterresidenz für das religiöse und weltliche Oberhaupt Tibets. Später wurde der Palast zu einem politischen und religiösen Zentrum und beherbergte nicht nur die Wohnräume der Dalai Lamas, sondern auch zahlreiche Tempel, Schreine, Meditationshallen, Schatzkammern und Bibliotheken. Der Potala-Palast besteht aus zwei Hauptteilen: dem Roten Palast, der für politische Angelegenheiten genutzt wurde, und dem Weißen Palast, der als Wohnbereich für die Dalai Lamas und ihre Mönchsgemeinschaft diente. Der Palast wurde ebenfalls während der Kulturrevoution nicht zerstört. Alle Räumlichkeiten sind seit dem Weggang des Dalai Lamas unverändert. Das Innere ist von beeindruckender kultureller Dichte, Farbenpracht und Ornamentreichtum. Residenzräume, der Audienzsaal mit dem Thron, Versammlungsräume, Tempel, Schreine und heilige Hallen, mausoleale Stätten mit gigantischen Stupas, in denen die bisherigen 13 Dalai Lamas bestattet sind, die meterhoch in das Dunkel der Halle ragen. Im Palast darf nicht fotografiert werden, man muss sich auf Außenaufnahmen beschränken. Aber Tibeter lieben es, Fotos mit Ausländern zu machen. Wenn man freundlich fragt, ob man auch sie fotografieren darf, bekommt man ein 100%iges JA. Tibeter sind offen. Ich habe selten so offene, freundliche, häufig lächelnde Menschen erlebt wie hier in Tibet. Gesichter Tibets Um den Potala Palast führt ein Pilgerweg herum, dem ich ein Stück gefolgt bin, Auf zum Mount Everest Am nächsten Morgen ging unsere Fahrt in aller Frühe weiter. Halbwüste, Trockenheit. In Tibet gibt es wenig Grün. Immer wieder teilt man sich die Straße mit Tierherden. Hinauf geht's zum Gampala Pass. Tibetische Mastiffs, die tibetischen Hirtenhunde, die von Nomaden als Wach- und Schutzhunde eingesetzt werden. Sie sind für ihre Größe, Loyalität und ihren Schutzinstinkt bekannt. Ziegen fehlen in den Bergen natürlich nicht - die Klettermeister, die auf unebenster Fläche immer noch gut und sicher stehen, obwohl man es ihnen gar nicht zutraut. Auf dem Gampala Pass, unten der Yamdrok See, im Hintergrund der heilige Berg Nyenchen Khangsar (7191 m), er wird auch als Noijinkangsang bezeichnet. Oben auf dem Gampala Pass sind wir in einer Höhe von immerhin 4790 Metern angelangt. Im Hintergrund ragt majestätisch der heilige Berg Nyenchen Khangsar (7191 m) ( Noijinkangsang) heraus, der höchste Berg in der Nähe von Lhasa. Die Pässe in den Alpen kommen mit diesen Höhen nicht mit. Das Stilfser Joch ist mit seinen 2757 Metern Höhe geradezu niedrig, aber es ist im Winter für circa sechs Monate geschlossen. Der Montblanc ist mit seinen 4808 Metern Höhe als höchster Berg Europas gerade 18 Meter höher als der Gampala Pass. Bei unserer Reise ist es Winter und es gibt keinen Schnee trotz der extremen Höhe. Eine völlig neue Erfahrung. Tibet ist ein sehr trockenes Land. Es liegt im Regenschatten des Himalaya, der Monsun kommt nicht über die Berge. Außerdem ist die Luft durch die Höhe extrem trocken und kann daher weniger Feuchtigkeit halten. Selbst wenn es Niederschlag gibt, verdunstet er, bevor er den Boden erreicht. Die Hochebene ist steppenartig und ähnelt Halbwüsten. Viel Vegetation gibt es nicht, übrigens ein Umstand, der dazu beiträgt, dass tibetisch buddhistische Mönche nicht vegetarisch leben. Ohne das Yak als Nutztier wäre eine Besiedlung Tibets nicht möglich gewesen. Der Yamdrok See auf 4441 Meter Höhe Der Karola Gletscher fließt am Noijinkangsang herunter. Dieser heilige Berg ist stark vergletschert. Wir sehen von dem Parkplatz an der Straße nur einen kleinen Teil des gesamten Gletschermassivs, das an dieser Stelle immerhin bis 5200 Meter hinunterfließt. Allerdings hat sich das Gletscherende in den letzten Jahren stark zurückgezogen. Mauern aus getrocknetem Yak-Mist, der zum Heizen verwendet wird - daher die portionierten Mengen. Man nimmt einfach ein paar getrocknete Scheite und macht es sich im Haus schön warm. Tibetisches Essen. Nicht alles, was man hier sieht, ist wirklich authentisch. Kartoffeln und Brokkoli gehören weniger zu den traditionellen Speisen in Tibet. Dafür aber getrockneter Yak-Käse (die weißen Stangen oben links). Der ist so hart, dass man sich fast die Zähne daran ausbeißt. Die Hauptzutaten für Tsampa Das traditionelle tibetische Grundnahrungsmittel, das aus geröstetem Gerstenmehl und Yakbutter-Tee geknetet wird, heißt "Tsampa". Es ist ein wichtiger Bestandteil der tibetischen Küche und wird oft als Hauptnahrungsmittel konsumiert. Tsampa ist reich an Nährstoffen und Energie und eignet sich gut für das raue Klima in den hochgelegenen Regionen Tibets. Es wird oft zu kleinen Bällchen geformt und zusammen mit Buttertee oder anderen Getränken gegessen. Tsampa wird auch manchmal mit Yakbutter, Zucker oder Salz gemischt und kann vielseitig in der Küche verwendet werden. Es ist ein symbolisches und kulturell bedeutendes Nahrungsmittel in Tibet. Zu Gast bei einer tibetischen Familie Ungewöhnliche Kindheit - aufwachsen in den Bergen in extremer Höhe in einem entlegenen Dorf mit wenigen Häusern, in einem Land ohne Bäume und Büsche, aber mit enorm viel Spiritualität. Yaks auf der Straße Der Gawula Pass mit Blick auf den Mount Everest Das Besondere am Gawula Pass: Von hier sieht man das erste Mal den Mount Everest in voller Pracht. Aber nicht nur ihn, insgesamt hat man von hier fünf Achttausender im Blick und schaut auf eine Hauptkette des Himalaya. Am Gyatsola Pass Weiter geht die Fahrt. Unser Ziel: Das Everest Base Camp. Der Gyatsola Pass hat gleich mehrere Namen und weil's so üblich ist, weiß auch keiner seine genaue Höhe, die variiert nämlich auch, je nach Angabe. Seine Namen: Gyatsola, Jia Tsuo La oder auch Lhakpa La. Seine Höhe: 5248, nach anderen Angaben 5220. Jedenfalls höher als das Everest Base Camp. Ich bin hier am höchsten Punkt der Reise und damit auch am höchsten Punkt, auf dem ich jemals auf der Erde gestanden habe. Über diesen Pass führt die Verbindungsstraße von Kathmandu in Nepal nach Lhasa in Tibet. Wir befinden uns in einer Grenzregion und daher werden häufiger unsere Papiere kontrolliert. Angekommen am Everest Base Camp Das Basislager auf der chinesischen Seite ist weniger frequentiert als das auf der nepalesischen Seite. Der Mount Everest erstreckt sich auf Nepal und China, die Grenze verläuft über den Gipfel. Die meisten Bergsteiger gehen allerdings von Nepal hoch, weil es dort weniger Reglementierungen gibt. Am nächsten Morgen ging es zurück. Ein letzter Blick auf den Everest im Sonnenaufgang bei minus 20 Grad. Nicht einmal im Bus wurde es warm. Es war schon echt kalt. Wieder eine Stadt, diesmal Shigatse, die zweitgrößte Stadt Tibets. Hier liegt das Tashilhunpo-Kloster, der traditionelle Sitz des Panchen Lama. Das Kloster wurde 1447 gegründet und ist eines der wichtigsten im tibetischen Buddhismus. Um den gesamten Klosterbezirk führt ein Weg, der komplett mit Gebetstrommeln gesäumt ist. Vor dem Kloster wird Yakbutter an Pilger verkauft. Diese Butter wird dann in die Gefäße gefüllt, in denen Dochte brennen, also eine Art Opferkerze. Ein Mönch beim Saubermachen - auch ganz profane Dinge gehören zum Mönchsleben. Tibetisches Restaurant mit ziemlich bunter Gästeschar. Einheimische Tänze und Musik. Was hier aussieht wie eine Touristenfalle ist in Wirklichkeit für die Tibeter selber. Es gab außer unserer Reisegruppe keine ausländischen Touristen weit und breit. Es war Winter und die meisten Touristen kommen im Sommer, obwohl das Wetter gerade im Winter besser ist, weil es so gut wie keinen Niederschlag gibt. Bei unserer Reise war der Himmel immer strahlend blau.

  • Qingdao - deutsche Spuren in China

    Qingdao liegt an der Küste der Provinz Shandong am Gelben Meer im Norden Chinas. Im Winter kann es schneien, die Sommer sind sehr warm und mediterran. Winterstimmung in Qingdao Malerische Küstenlandschaften, Bier und Architektur aus der Kolonialzeit sind die bekanntesten Merkmale der Stadt, deren Geschichte eng mit dem Einfluss des Deutschen Kaiserreichs im späten 19. Jahrhundert verbunden ist. 1898 wurden die Stadt und ihre Umgebung vom Deutschen Reich gepachtet und dienten als Marinestützpunkt und Handelshafen. Während dieser Zeit wurde aus dem Fischerdorf eine Stadt, die von dem damals beliebten Architekturstil der Gründerzeit geprägt wurde. Auch das Bier kam während dieser Zeit nach Qingdao. Die Tsi ngtao-Brauerei wurde 1903 von deutschen Braumeistern gegründet, ist heute die zweitgrößte Brauerei Chinas und eine der größten weltweit. Gebraut wird nach deutschem Reinheitsgebot. Außerdem findet in Qingdao das Internationale Bierfestival statt, das jedes Jahr Besucher aus der ganzen Welt anzieht. St.-Michael-Kirche Qingdao - eine Stadt aus dem Kaiserreich In den wenigen Jahren von 1898 bis 1914, in denen Qingdao deutsches Pachtgebiet war, wurde eine Menge gebaut. Das historisch e Qingdao besteht nicht nur aus einigen wenigen Straßen, sondern hat die Ausmaße einer Kleinstadt. Die Bebauung erinnert an Elberfeld, ein Stadtteil Wuppertals mit umfassender gründerzeitlicher Bebauung. Ähnliche Villenviertel der Gründerzeit gibt es auch in Bonn, Aachen, Wiesbaden usw. , aber in Elberfeld kommt die hügelige Topographie hinzu. Straßen sind nicht selten durch Treppen miteinander verbunden, Villen wirken wie in die Hänge eingestreut und sind von altem Baumbestand umgeben. Wilhelminische Villen in Qingdao. Treppen führen mancherorts nach oben in schöne Wohnviertel. Von mancher Villa hat man traumhafte Aussichten auf das Meer, Buchten, Inseln und Strände. Villenbebauung zieht sich die Hügel hinauf und eröffnet schöne Aussichten auf das Meer. Anfang April sind die Bäume noch unbelaubt. Das gibt den Blick auf die Architektur frei, andererseits sieht es mit grünen Bäumen noch hübscher aus. Die Qingdaoer sagen, der Farbklang ihrer Stadt bestehe aus roten Dächern, grünen Bäumen und blauem Meer. Die Stadt pflegt ihr historisches Erbe, etliche ehemals öffentliche Gebäude sind mit originaler Inneneinrichtung komplett erhalten und heute als Museen zugänglich. Neue Gebäude werden dem alten Stil angepasst, um den Charakter der Stadt zu erhalten. Das moderne Qingdao Man kann bei den historischen Rückblicken glatt vergessen, dass man sich in einer ziemlich prosperierenden, modernen Stadt aufhält. Qingdaos Hafen ist wichtig und rangiert unter den Top Ten der verkehrsreichsten Häfen der Welt. Eine der längste Brücken der Welt, die Jiaozhou-Brücke mit einer Länge von 42,5 Kilometern, überquert die Bucht, und verbindet die Städte Qingdao und Huangdao. In der Küstenstadt sind Unternehmen beheimatet wie Haier, Hisense, CRRC Qingdao Sifang und Tsingtao Brewery. Auch Informationstechnologien der nächsten Generation, Hochgeschwindigkeitszüge, Elektromobilität, Biomedizin, Industrierobotertechnik und Meeresforschung haben sich in der Stadt angesiedelt. Qingdao gilt als sauber und lebenswert. Eine enge wirtschaftliche und kulturelle Beziehung zu Deutschland wird gepflegt, auch wenn die kolonialen Zeiten nicht immer ruhmreich waren. Die Zeit, als Qingdao Pachtgebiet war Qingdao und das umgebende Kiautschou-Gebiet waren seit 1898 deutsches Pachtgebiet. Es flossen jährlich 5 Millionen Reichsmark Pacht an China, damit die Deutschen dort siedeln, handeln und einen militärischen Stützpunkt einrichten konnten. Den Status einer Kolonie, bei der ein erobertes Gebiet Teil des Staatsgebiets der Kolonialmacht wird, hatte Qingdao demnach nicht. Zu dem Pachtvertrag kam es nicht freiwillig, sondern durch militärische Intervention, nachdem zwei deutsche Missionare von einer chinesischen antichristlichen Bewegung ermordet worden waren. China wurde gezwungen, den 99 Jahre dauernden Pachtvertrag zu unterzeichnen, mit dem das Pachtgebiet Kiautschou, zu dem auch Tsingtau gehörte, an Deutschland abgetreten werden musste. Der Erste Weltkrieg kam, China erklärte Deutschland den Krieg in der Hoffnung, dass es dieses Gebiet zurück bekommen würde. Japan besetzte die Region 1914 und bei den Verhandlungen zum Versailler Vertrag ging China trotz seines Engagements leer aus. Das Gebiet blieb in japanischer Hand. Rundgang durch das alte Qingdao Die St.-Michaels-Kirche wurde 1932 von deutschen Missionaren gebaut, auch wenn zu dieser Zeit bereits Japaner das Gebiet besetzt hielten. Heute ist die Kirche sowohl Sehenswürdigkeit als auch Ort der christlichen Gemeinde. In Qingdao läuten tatsächlich die Glocken, auch jeden Mittag um 12 Uhr - nicht nur von dieser Kirche. Direkt neben der Kirche, das Gebäude des ehemaligen Heilig-Geist-Konvents Von der Kirche geht es die kopfsteingepflasterte Straße hinunter zur Zhongshan Lu, der Hauptstraße der ehemaligen - sagen wir der Einfachheit halber - Kolonie. Die Zhongshan Lu führt direkt ans Meer und wird von einigen historischen Gebäuden gesäumt. Zum Beispiel dem Deutschen Seemannsclub an der Ecke Zhongshan Lu/Hubei Lu. Er wurde 1901-1902 errichtet und war ein Vergnügungsort für deutsche Hauptfeldwebel und Matrosen. Heute ist darin ein Filmmuseum untergebracht. Der ehemalige Deutsche Seemannsclub, heute ein Kinomuseum Ein paar Meter weiter Richtung Meer befindet sich das Gebäude, in dem die Redaktion der ehemaligen Tsingtauer Neueste Nachrichten saß, der Tageszeitung für Tsingtau, wie die Stadt damals hieß. Das Gebäude der ehemaligen Tsingtauer Neueste Nachrichten Rechts das Backsteingebäude, in dem die Redaktion der Tsingtauer Neueste Nachrichten untergebracht war. Ein paar Meter weiter erreicht man das Meer. Das letzte Haus vor der Promenade und den Landungsbrücken, Zhongshan Lu No. 1, ist der ehemalige Tsingtao Club, der 1903 eröffnet wurde. Damals hatte das Gebäude die Adresse Friedrichstraße No. 1, die Straße am Meer hieß Kaiser-Wilhelm-Ufer. Damals der Tsingtau-Club, heute der Tsingtao-Club Historische Aufnahme der Landungsbrücke, im Hintergrund ist wieder der Tsingtau-Club zu sehen. Heute beherbergt der Club ein Museum und Innen- wie auch Außengastronomie mit Biergarten. Im Eintrittspreis für den Club ist ein Tsingtao-Bier inbegriffen. Das gibt's in Capri-Sonne-Verpackung, die man sich mit einem Band um den Hals hängen kann, damit man es jederzeit griffbereit hat. Bier spielt in dieser Stadt eine herausragende Rolle. Man trinkt es schon mittags, vielleicht auch schon vormittags und hat dadurch ständig einen leicht erhöhten Alkoholpegel. Es gibt Bier in vielen verschiedenen Geschmacksvarianten: Grapefruit, Passionsfrucht, Erdbeere. Lecker und erfrischend ist das, mit einer süß-säuerlichen Note. "Was darf's sein?" Zwanzig leckere Bier-Varianten zur Auswahl. Vom Tsingtao-Club geht es direkt an die Promenade mit schönen, parkähnlichen Grünlagen. Die Uferstraße wird gesäumt von Hotels aus der Kaiserzeit und direkt daran schließt der Strand an, auf dem sich zu Ferienzeiten massenweise Familien tummeln. Der Pier, der sich an dieser Stelle ins Meer erstreckt, ist brechend voll in Ferienzeiten. Man schiebt sich darüber wie auf einer Kirmes. Wer richtig Strandleben will mit Sonnenbaden, Strandsport und vor allem mehr Platz, muss ein paar Kilometer weitergehen. Der Stadtstrand an der Promenade ist eher dazu geeignet, mal die Füße ein bisschen ins Wasser zu halten. Parallel zur Uferstraße verläuft die Guangxi Lu. Hier ist man immer noch mitten im Zentrum der ehemaligen Kolonie mit Gebäuden längst vergessener Handelsunternehmen und Niederlassungen. Von dieser Straße geht es allmählich bergan und die Handelsgebäude werden von Wohnhäusern abgelöst. Man kann durch die Hunan Lu, Mingshui Lu schlendern und sich durch die Wohnviertel treiben lassen. A lles ist fußläufig erreichbar und man hat den Eindruck, dass es sich in Tsingtau sehr geruhsam leben ließ, fast dörflich beschaulich und doch international und mondän. Die Wohngebiete der Deutschen waren streng von denen der Chinesen getrennt. An der Yishui Lu findet man die unten abgebildete Gouverneurshalle, das Bürogebäude des Gouverneurs. Das ehemalige Regierungsgebäude mit  einer Gesamtfläche von 7.500 Quadratmetern wurde zwischen 1904 und 1906 von dem deutschen Architekten Mahlke erbaut. Im Laufe der Jahre wurde das Gebäude von verschiedenen Parteien, den Japanern und heute der Volksrepublik China genutzt. Im weiteren Verlauf der Yishui Lu stehen einige repräsentative Villen. Am Ende der Straße gelangt man zur evangelischen Kirche Tsingtaos. Sie liegt malerisch auf einer Anhöhe zwischen den beiden Hügeln mit dem Guanhaishan Park und dem Xinhaoshan Park. Das Uhrwerk der Kirche wurde angefertigt von der Firma J.F. Weule aus Bockenem am Harz, die Turmuhren herstellte und Glocken goss. 1836 wurde die Firma gegründet und ihre Uhrwerke laufen weltweit in Argentinien, Brasilien, Qingdao, aber auch auf Borkum, in Quedlinburg, Goslar, Wernigerode und vielen anderen Orten. 1966 meldete die Firma Konkurs an. Ihre Uhrwerke und Glocken laufen und klingen immer noch. Von der evangelischen Kirche hat man diesen Blick auf die Häuser an der Yishui Lu ... ... und auch auf die Häuser an der Jiangsu Lu, die hinunter führt zum Meer. Es geht die Jiangsu Lu hinunter bis zur Taiping Lu, die am Meer entlang verläuft. Von dort geht es zum nächsten Hügel, auf dem der der Xiaoyushan Park mit seiner weithin sichtbaren Pagode liegt. Um dorthin zu gelangen, geht es durch das nächste Gründezeitviertel. Hübsche Straßen mit viel historischer Architektur und einladende Gartencafés säumen den Weg nach oben. Oben auf dem Hügel ist einiges los, es ist verlängertes Wochenende durch das Qingming-Fest, es ist voll, aber nicht unangnehm, die Stadt ist lebendig und jung. Von der Pagode geht es zum nebenan gelegenen Hügel mit dem Haus des Gouverneur. Der Weg dahin führt durch das nächste belebte, junge Viertel Das Haus des deutschen Gouverneurs Das große Anwesen liegt ebenfalls auf einem Hügel, umgeben von einem schönen Park mit Libanon-Zedern und Kiefern. Die Aussichten von der Villa sind grandios, vor allem die Loggia mit den Rundbogenarkaden bietet direkten Blick aufs Meer. Der Architekt Werner Lazarowicz gestaltete das Anwesen m it Mittelalterzitaten. Die Bossensteine mit den grob behauenen, bruchrauen Oberflächen erinnern an mittelalterliche Burgen. Das Gebäude hat viele Loggias, Erker, Türme und Anbauten, die einen verschachtelten Gesamteindruck vermitteln, den man ebenfalls mit mittelalterlicher Architektur verband. Mittelalterliche Architektur galt als deutsch, während man repräsentative, symmetrisch angelegte Architektur als französisch, als Barock empfand. Der Grundriss entspricht ebenfalls der Vorstellung von mittelalterlicher Architektur. Im Gegensatz zu barocken Raumfluchten, ist hier die Halle im Mittelpunkt des Hauses, von der man alle Räume errichen kann. Dieser Funktionalismus war ein Grundgedanke in der Architektur des späten 19. Jahrhhunderts, der sich mit der Gründung des Deutschen Werkbundes seine n Durchbruch bahnte. Diese Bauauffassung hatte Hermann Muthesius, Mitbegründer des Deutschen Werkbundes und Kulturattaché im Auftrag des Kaisers, in England erforscht und in seinem mehrbändigen Buch "Das Englische Haus" publiziert. Dahinter stand der Grundgedanke, dass das englische und das deutsche Volk als germanische Brüdervölker mehr Gemeinsamkeiten haben als die Deutschen mit dem romanischen Nachbarn Frankreich, dessen Architektur weniger von Funktionalität als von unzweckmäßigen Lösungen wie Raumfluchten, die unter anderem keine Privatsphäre ermöglichen, geprägt war. Auch eine Hochachtung für wirtschaftliche Erfolge der englischen Industrie spielte in die Gründung des Werkbundes hinein. Man versuchte die industrielle Gestaltung zu verbessern und damit an die wirtschaftlichen Erfolge der Briten heranzukommen. Solche polarisierenden Auffassungen erstaunen bei gebührender Distanz, aber sie entsprachen dem damaligen nationalistischen Zeitgeist. Die Halle mit dem Treppenaufgang Jugendstilornamentik überall Die Standuhr in der Halle, gefertigt von der Firma Junghans, läuft noch heute pünktlich. Vom Gouverneurshaus geht es weiter bergan auf den Xinhaoshan Park. Eine lange Treppe führt direkt hinauf in den Park. Die kleinen Parks auf den Hügelspitzen wurden vermutlich schon zu Kolonialzeiten angelegt von Bürgervereinen, die sich um das Gemeinwohl verdient machen wollten. Ähnliche Parks gibt es häufig in Städten, die in der Gründerzeit boomten: Viktoriapark in Berlin, Königshöhe in Elberfeld oder Barmer Anlagen, Nicht selten sind sie mit kleinen malerischen Häuschen ausgestattet, grottenähnlichen Gebilden, felsigen Wasserfällen usw. Wasserfall im Xinhaoshan Park Vom Xinhaoshan Park geht es wieder hinunter in die Stadt, wo man noch gemütlich bummeln kann und sich Seafood und ein weiteres leckeres fruchtiges Bier gönnt. Die Tsingtao-Brauerei Wenn sich irgendwo auf der Welt Deutsche niedergelassen hatten, brachten sie gleich das Bier mit. Und so wurde in Tsingtau die Germania-Brauerei gegründet, aus der später die Tsingtao-Brauerei wurde, die sechstgrößte Brauerei der Welt (Stand 2024). Wie jedes große Brauereiunternehmen bietet auch diese ein Museum. Die Ausstellung vermittelt viel Historisches, aber auch allgemeine Informationen über die Bierherstellung, anschaulich und liebevoll didaktisiert, dazu Verkostung, kleine Mahlzeiten zum Bier und massenweise Souvenirs. Die Seafood-Stadt Was in Qingdao absolut nicht fehlen darf: Seafood in allen erdenklichen Varianten. Die Restaurants sind gepflegt, massenweise saubere Aquarien mit frischem Wasser und dem ungewöhnlichsten Getier zeigen, was wenige Minuten später auf dem Teller landet. Scenic Area Badaguan Und weil Qingdao so viel schöne alte Architektur hat, noch ein paar Eindrücke aus dem Stadtteil Badaguan, einem Villenviertel circa vier Kilometer vom Zentrum entfernt mit Kiefernwald, gelbem Strand und Felsenklippen, auf denen teilweise Villen stehen.

  • Xinjiang - der äußerste Westen Chinas

    Xinjiang – Chinas wildes Grenzland. Die Provinz liegt Tausende Kilometer von der geschäftigen Ostküste entfernt und der Flug von Schanghai in die Hauptstadt Ürümqi (Wulumuqi) dauert etwa fünf bis sechs Stunden. Von dort sind es noch zwei weitere Flugstunden bis zur uralten Oasenstadt Kaschgar, am westlichsten Rand Chinas. Interessant dabei: In Westchina ist man fast näher an Deutschland als an Schanghai. Xinjiang gilt als eines der faszinierendsten Reiseziele des Landes. Seit Jahrtausenden ein Knotenpunkt der alten Seidenstraße, hat sich die Region zu einem kulturellen und religiösen Schmelztiegel entwickelt, geprägt von Einflüssen aus Zentralasien, dem Nahen Osten und China. Xinjiang ist geprägt von einer Mischung aus ethnischen Minderheiten wie Uiguren, Mongolen, Kirgisen, Kasachen, Tadschiken und Tataren. Deren Kulturen verleihen der Region ein facettenreiches, zentralasiatisches Flair, das für viele Han-Chinesen fast fremd wirkt. Chinesisch ist zwar allgegenwärtig, alle Informationen sind auch in dieser Sprache angegeben, doch im Alltag stößt man oft auf völlig andere Sprachen oder stark dialektal gefärbtes Chinesisch. Ein persönliches Erlebnis zeigt die sprachlichen Unterschiede: Eine ältere Kasachin fragte uns neugierig nach unserer Herkunft. Meine Antwort „德國“ (De Guo – Deutschland) war ihr fremd. Erst ihre Tochter konnte helfen, indem sie ins Kasachische übersetzte – „Германия“ (Germaniya), das aus dem Russischen übernommen wurde. Solche Momente zeigen, wie lebendig und vielfältig die kulturellen Wurzeln dieser Region sind. Wulumuqi - die Hauptstadt Xinjiangs Der zentrale Touristen-Punkt der Provinzhauptstadt Wulumuqi ist der Erdaoqiao-Platz, mit dem großen Basar, der Erdaoqiao-Moschee, unzähligen Restaurants und Einkaufsmöglichkeiten. In den Straßen rund um den Platz begegnet Besuchern immer wieder die Figur Afanti – eine bekannte Puppenspiel-Ikone des chinesischen Kinderfernsehens, ähnlich unserem Sandmännchen. Afanti ist ein turkstämmiger Kaufmann, der auf seinem Esel durchs Land zieht und mit Witz und Scharfsinn gegen Ungerechtigkeit kämpft. Er steht den Mächtigen entgegen und setzt sich stets für die einfachen Leute ein. Seine Figur wurzelt in uigurischen Volkserzählungen, die weit über Xinjiang hinausgehen. In ganz Zentralasien finden sich Geschichten von Afanti auch in den Traditionen der Kasachen, Usbeken, Kirgisen und Tadschiken. Aber auch darüber hinaus ist er bekannt und hat vielfältige Namen wegen der Sprachvielfalt der Regionen. Sein Bekanntheitsgrad reicht bis in den Balkan und dank chinesischer Kindersendungen selbst bis an die Ostküste Chinas. Sein historisches Vorbild, der legendäre Hodscha Nasreddin, soll im 13. oder 14. Jahrhundert gelebt haben; ein Mausoleum im türkischen Akşehir erinnert an ihn. Die Erdaoqiao-Moschee, die ebenfalls an diesem Platz steht, wird derzeit nicht als Gebetsraum genutzt. Religiöse Institutionen und Aktivitäten werden in Xinjaing als Folge von uigurischen Unruhen und Terroranschlägen stark überwacht. Besonders schwerwiegend waren die Ereignisse in Wulumuqi im Jahr 2009, bei denen es zu massiven Ausschreitungen zwischen Uiguren und Han-Chinesen kam. 184 Tote und zahlreiche Verletzte waren die Folge. Im Mai 2014 ereignete sich wieder ein Anschlag auf diesem Platz. Diesmal forderte ein schwerer Bombenanschlag 36 Todesopfer und wieder viele Verletzte. Im Kampf gegen Terrorismus und Separatismus wurden über Xinjiang seitdem verstärkte Sicherheitsmaßnahmen verhängt. Die Liste der Anschläge ist lang, die Anzahl der Todesopfer hoch. In Deutschland sind die Häufigkeit und Ausmaße dieser Ereignisse nahezu unbekannt. Besonders erschreckend war das Massaker am Bahnhof von Kunming im Jahr 2014 mit 33 Toten, bei dem vollständig schwarz vermummte Terroristen mit langen Krummsäbeln in die Massen schlugen, die wegen der Absperrungen nicht entkommen konnten. Seit ca. 10 Jahren ist Ruhe in die Terrorismus-Region eingekehrt durch drastische Maßnahmen. Während unserer Fahrt fühlten wir uns angstfrei, aber im Laufe unserer Reise wurden wir verschiedene Male daran erinnert, wie stark diese Provinz erschüttert wurde. Die Sicherheitsvorkehrungen sind spürbar, etwa bei den Kontrollen an Tankstellen: Einfahrende Fahrzeuge müssen erst die Papiere zeigen und den Kofferraum öffnen, bevor sich die Schranke hebt – eine Erinnerung daran, dass es einst üblich war, Tankstellen als Anschlagsziele zu wählen. Selbst das Tanken wird über die Ausweisnummer registriert; wer große Mengen Kraftstoff tankt, gerät unter Verdacht. Auch Menschen, denen wir bei der Reise begegneten, erzählten viel über diese Zeit. Die Erinnerungen sind lebendig und klingen, als wäre all dies erst zwei Jahre vergangen. In anderen Teilen Chinas ist der Umgang mit dem Islam entspannter. In Dunhuang, einer Stadt in der Provinz Gansu, ruft der Muezzin zum Gebet und in Städten wie Quanzhou oder Xi’an, dem früheren Kaisersitz, können Muslime ihren Glauben weitgehend frei ausüben. Die muslimischen Minderheiten Chinas – darunter die Hui, Kasachen, Kirgisen und Tadschiken – erleben unterschiedliche Freiheiten. Während die Hui-Muslime, die noch nie in Terror verwickelt waren, kaum Einschränkungen erfahren, stehen die Uiguren stark unter Druck. China hat übrigens insgesamt neun muslimische Minderheiten: Hui, Uiguren, Kasachen, Tadschiken, Kirgisen, Dongxiang, Salar, Bonan, Bao'an. China gewährt Glaubensfreiheit, was man sich in Deutschland kaum vorstellen kann. Dennoch gibt es nicht viele Kirchen, Moscheen oder Tempel. Aber in den vorhandenen Stätten wird Religion sichtbar praktiziert. Buddhistische Tempel sind brechend voll, vor allem mit jungen Menschen, die zum Beten kommen. Das Christentum hat in China viele Anhänger. Die Zahl der evangelischen Gläubigen ist die größte der Welt, was aber der Bevölkerungsmenge Chinas geschuldet ist. Prozentual auf die Gesamtbevölkerung gerechnet ist die Anzahl von Christen innerhalb Chinas gering. Das Verhältnis der katholischen Kirche zu China ist komplizierter. China will sich in keinem Bereich von außen reinreden lassen - das hat historische Gründe (Willst du mehr darüber wissen? Klick hier .) - die katholische Kirche wird aber von Rom aus geleitet. Arabische Schrift ist in Xinjiang allgegenwärtig. Uigurisch wird in China mit dem arabischen Alphabet verschriftet. Die Region ist zweisprachig, entsprechend sind alle Beschilderungen in Chinesisch und Uigurisch. Uiguren leben auch außerhalb Chinas in den ehemaligen sowjetischen Republiken. Dort wird Uigurisch mit kyrillischem Alphabet verschriftet. Die ursprünglich eigene uigurische Schrift wurde von der arabischen und der kyrillischen Schrift verdrängt. Die arabische Schrift und der Islam breiteten sich im zentralasiatischen Raum durch kriegerische und kulturelle Einflüsse aus, unter anderem durch die Schlacht am Talas im heutigen Kirgisistan, bei der 751 n.Chr. chinesische Truppen der Tang-Dynastie den arabischen Truppen des Abbasiden - Kalifat s unterlagen. Diese Schlacht war eine der Entscheidungsschlachten der Weltgeschichte. Sie markierte den Beginn der stetig fortschreitenden Islamisierung Zentralasiens. Später festigte sich die Verbreitung des Islam durch den Handel. Städte wie Samarkand, Buchara und Merv an der Seidenstraße wurden zu Zentren islamischen Handels und Wissenschaft. Um die Jahrtausendwende nahmen die Herrscher von Tadschikistan, Usbekistan, Kirgisistan und Kasachstan den Islam als Staatsreligion an. Später kamen die Seldschuken, die die Islamisierung förderten. Ihr Einflussbereich reichte bis nach Xinjiang hinein. Will man mehr über die Kultur der Region erfahren, ist auf jeden Fall das Xinjiang Uyghur Autonomous Region Museum in Wulumuqi zu empfehlen. Es zeigt 28.000 Artefakte auf 17.000 qm Fläche und zählt zu den bedeutenden Museen Chinas mit jährlich einer Million Besucher. In vier Dauerausstellungen werden Objekte aus Xinjiang gezeigt, alte ethnische Bräuche, Mumien, Kleidungen etc. Ein rein uigurisches Museum ist es nicht, das würde der multiethnischen Kultur der Region nicht gerecht werden. Von Wulumuqi nach Kaschgar Zwei weitere Flugstunden von Wulumuqi entfernt, liegt Kaschgar, die westlichste Stadt Chinas, am Rande des Tarim-Beckens zwischen Pamir-Gebirge und der Taklamakan-Wüste. Wegen dieser Lage war Kaschgar eine wichtige Stadt an der Seidenstraße. In westlicher Richtung ging es in die Berge Richtung Afghanistan, Pakistan und Tadschikistan, in östlicher Richtung lag vor den Karawanen die berüchtigte Taklamakan und dahinter begann das alte China. Viele historische Berichte und Legenden erzählen von Karawanen und Reisenden, die durch die Wüste gehen wollten und nie wieder zurückkehrten. Um die Durchquerung der Taklamakan zu vermeiden, führen von Kaschgar zwei Wege, einer nördlich und einer südlich, an ihr entlang. Am östlichen Ende der Wüste kommen beide Wege in der Oasenstadt Dunhuang wieder zusammen. Unser Flug nach Kaschgar führte am Nordrand der Taklamakan entlang. Unter uns die tödlichste aller Wüsten, ... ... nördlich von uns erstreckte sich das Gebirge Tian Shan, die Himmelsberge, die das Tarimbecken nach Norden abgrenzen, eine Bergkette mit Siebentausendern. Links auf dem Foto ist eine Bergspitze erkennbar, die in etwa dem Matterhorn ähnelt. Es ist der Berg Khan Tengri, auf deutsch: Khan des Himmels oder auch Himmelsherrscher, mit 7010 Metern Höhe. Der blaue Punkt auf der Karte ist Kaschgar. Deutlich erkennbar ist die Nähe der ehemaligen Sowjetrepubliken, die heute selbständige Nationen sind: Kirgisistan und Tadschikistan. Auch Afghanistan und Pakistan grenzen an China. Von Kaschgar mit dem Auto ins Pamir-Gebirge auf einer der höchsten Straßen der Welt Die Fahrt von Kaschgar ins Pamir-Gebirge verläuft über die nationale Fernstraße G314, eine bedeutende Straße des chinesischen Nationalstraßennetzes, die sich über mehr als 1.700 Kilometer durch einige der entlegensten und kulturell vielfältigsten Regionen des Landes erstreckt. Für Abenteuerliebhaber ist die G314 eine herausfordernde und spannende Reise, da sie durch abgelegene und oft schwer zugängliche Regionen führt und die Möglichkeit bietet, das weniger bekannte und wildere China zu entdecken. Als Teil der historischen Seidenstraße ist die G314 tief in der Geschichte der Handelsbeziehungen zwischen Ost und West verwurzelt. Besonders der Abschnitt über den Khunjerab-Pass (4.693 Meter über dem Meeresspiegel) bietet atemberaubende Ausblicke auf schneebedeckte Gipfel und tiefe Täler. Es ist eine der höchsten Straßen der Welt. Passkontrolle - es geht in Grenzregionen. Die Nationalstraße G314 , bekannt als Karakoram Highway bietet eine Verbindung nach Afghanistan, Tadschikistan und Pakistan – Länder, deren Grenzen an China stoßen. Die Passkontrollen beginnen jedoch schon tief in der Region, viele Hundert Kilometer vor den eigentlichen Grenzübergängen. Selbst nach der Kontrolle ist die Einreise in diese Länder nicht einfach, da es weitere Landesgrenzen und Sperrungen gibt. Zum Beispiel Afghanistan: Der Weg dorthin führt über den extremen Wakhjir-Pass auf 4.923 Metern Höhe, dem höchsten Grenzübergang der Welt. Diese Überquerung ist jedoch nichts für Fahrzeuge; die afghanische Seite bietet nur einen unbefestigten Pfad und auch die chinesische Seite ist nur mit Allradantrieb befahrbar - Alte-Seidenstraßen-Feeling pur. Für Ausländer ist dieser Pass ohnehin gesperrt (Stand 2024). Wer ihn erreicht, befindet sich an den Ausläufern des Hindukush – einer imposanten Gebirgskette, die Afghanistan und Pakistan trennt und sich bis zur chinesischen Grenze erstreckt. In Deutschland ist der Hindukush spätestens seit den Militär-Einsätzen in Afghanistan ein Begriff. Richtung Pakistan gibt es den Kunjirap-Pass, einen befestigten und beeindruckend hohen Grenzübergang auf 4.693 Metern. Als einer der höchsten asphaltierten Pässe der Welt bietet er eine spektakuläre Verbindung zwischen China und Pakistan und ist der einzige offizielle Grenzübergang zwischen beiden Ländern. Tor zwischen China und Pakistan auf dem Kunjirap-Pass. Von Martin Jung - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=28372711 Sauerstoffflaschen? Das geht in Chinas Gebirgen oft nicht ohne. Oft bringen einen die Straßen auf Höhen, die in Europa nur wenige Gipfel erreichen. Plötzlich findet man sich auf über 3.000 Metern wieder, umgeben von schneebedeckten 7.000ern und mächtigen Gletschern. Man spürt bei der Fahrt kaum, dass es immer höher geht. Erst ein Hinweisschild erinnert daran, dass man mittlerweile auf 4.000 Metern ist – ein unerwarteter Aha-Moment, der die Größe und Erhabenheit dieser Region unterstreicht. Am Ufer des beeindruckenden Baisha-Sees auf 3.315 Metern Höhe zeigt sich die Landschaft in einem einzigartigen Farbenspiel: „Baisha“ , was „weißer Sand“ bedeutet, verweist auf die hellen, fast leuchtenden Dünen, die wie sanfte Wellen an das glitzernde Wasser stoßen. Die G314 führt direkt am Ufer entlang und an bestimmten Haltepunkten kann man bequem zum Wasser hinuntergehen. Händler verkaufen Snacks, kleine Restaurants laden zur Rast ein, und das Ufer bietet spannende Fotomöglichkeiten mit Yaks oder Pferden. Hier sieht es fast so aus, als ob die weißen Sanddünen direkt in den See rutschen. Weiter geht die Fahrt, wir sind weiterhin auf ungefähr 4000 Metern Höhe . Die Landsch aft beeindruckt., die Berge sind spektakuär. Einer davon begleitet uns eine ganze Zeit. Es ist der Muztagata, der mit 7509 Metern dritthöchste Berg des Pamir-Gebirges. Sein Name ist uigurisch und bedeutet "Vater der Eisberge". Bald wird die G314 wegen ihrer landschaftlichen Schönheit zu einer Hauptsehenswürdigkeiten Chinas mit AAAAA, der höchsten Kategorie für chinesische Touristenziele. Damit befindet sich diese Straße und ihre Umgebung in derselben touristischen Liga wie die Verbotene Stadt und die Chinesische Mauer. Bis zur pakistanischen Grenze haben wir es nicht geschafft. Das wäre zu weit geworden. Man hätte dafür eine weitere Übernachtung einbauen müssen. Wir hatten noch den weiten Rückweg nach Kaschgar vor uns. Von Kaschgar nach Kuqa Am nächsten Tag ging es von Kashgar nach Kuqa mit einem kleinen Flugzeug . Links von uns die Gebirgskette Tian Shan, die Himmelsberge, deren Schnee die Ebene zwischen den Bergen und der Taklamakan bewohnbar macht. Nachdem wi r gelandet waren, wunderten wir uns, dass nur eine Handvoll von Leuten Anstalten machte, auszusteigen, bis uns klar wurde, dass dieser kleine Flughafen nur eine Art Haltestelle ist und alle andern weiter fliegen. Der Flughafen in Kuqa hat nur einen Raum mit diesem kleinen Gepäckband. Insgesamt kamen 6-8 Taschen heraus. Es gibt keinen Schalter, kein Personal, nichts. Es wirkte wie ein kleiner Bahnhof in Deutschland. Draußen vor dem Flughafen standen ein paar Taxis unter blühenden Bäumen. Die Fahrer rauchten und plauderten. Dörfliche Atmosphäre. Ich als Europäer war so etwas wie ein Aufmerksamkeitsmagnet. Kuqa war eines der wichtigsten buddhistischen Zentren auf der Seidenstraße. Vor allem in den ersten Jahrhunderten nach Christus, als der Buddhismus über die Seidenstraße nach China gelangte, entwickelte sich Kuqa zu einem religiösen und kulturellen Knotenpunkt. Die Stadt ist berühmt für ihre buddhistischen Höhlen von Kizil, die einen der ältesten erhaltenen buddhistischen Höhlenkomplexe in China darstellen. Diese Höhlen enthalten Wandmalereien, die Einflüsse aus Indien, Persien und Zentralasien widerspiegeln. In der kleinen Stadt fanden wir ein Café, das eine Gruppe junger Leute aus verschiedenen chinesichen Provinzen eingerichtet hatte. Man könnte sie als Aussteiger bezeichnen und das Café als Kollektiv-Projekt. Die bunt zusammengewürfelte Truppe, die sich dort eingefunden hatte, bestand aus jungen Menschen unterschiedlichster Herkunft und Biografie: Ein Pärchen war dort nach einer monatelangen Reise mit dem Wohnmobil durch China hängen geblieben. Die beiden hatten während ihres Roadtrips Dinge gesehen, die die meisten Chinesen zwar kennen, aber doch nie zu Gesicht bekommen. Eine andere junge Frau hatte ihren Job als IT-Ingenieurin in Peking an den Nagel gehängt, weil ihr dieses Leben zu stressig war. Jetzt lebt sie hier mit ihrem Mann und ihrem Baby. Wieder ein anderer kam mit dem Motorrad aus der südlichen Provinz Guangdong und war bereits 4000 Kilometer gefahren, ein anderer kam mit dem Fahrrad aus der Provinz Shaanxi und eine junge Frau aus Hong Kong hatte nach ihrem Studium ein Gap-Jahr eingelegt und plante, hier für drei Monate zu bleiben. Junge Künstler verbringen ihre Zeit hier im Café, in dem sie ihre Bilder ausstellen und verkaufen. "Abends", so erzählten sie uns, "kochen wir alle gemeinsam und viele Feunde kommen dazu. Jeder bringt etwas zu essen oder zu trinken mit." Aussteigertum in der Volksrepublik. Jung, kreativ und unkonventionell. Angetrieben von einem Traum von Freiheit, einem Ausbrechen aus gesellschaftlichen Normen, die so viele junge Chinesen nicht mehr akzeptieren wollen: Heiraten, Kinder kriegen, den Vorstellungen der Eltern gerecht werden, welche immer noch den Sinn des Lebens in der Fortpflanzung der Familie sehen, konfuzianischen Regeln folgen, die Respekt gegenüber den Alten fordern, denen man alles zu verdanken hat. Hier in dem Café macht sich wie überall im Lande ein völlig neues Lebensgefühl breit, das es vor 20 Jahren definitiv nirgends in China so gegeben hätte. Der Vorteil dieser kleinen Provinzstadt am Ende Chinas ist, dass hier die jungen Menschen freier sind, weil sie viele Flugstunden von ihren ursprünglichen Orten entfernt sind. Hier spürte ich im Kleinen ein Lebensgefühl wie in Berlin, wohin auch Leute gehen, die Konventionen entkommen wollen. Es gibt in China auch andere Orte, in die es junge, freiheitssuchende Menschen zieht. Chengdu und Chongqing sind Städte mit Kunst- , Streetart- , Homosexuellen- und Clubszene. Wenn das eigene Kind aus der Provinz in eine dieser Städte, z.B. nach Schanghai geht, hat das fast schon Bekenntnischarakter. Irgendetwas sucht der junge Mensch dort, was er im Heimatort nicht findet. Ich habe in China viele Jugendliche getroffen, die anders leben wollen als ihre Eltern und Großeltern. Für die Alten ist der Prozess schmerzhaft, weil ihre Vorstellungen und Werte verschwinden. Für die Jungen ist es Befreiung, aber auch schlechtes Gewissen, denn der konfuzianische Gedanke sitzt auch bei dieser Generation immer noch ganz tief. Sicher ist jedenfalls, dass sich die chinesische Gesellschaft in den nächsten Jahrzehnten deutlich verändern wird. In diesem Café in Kuqa trafen wir auch einen jungen Mann, der in der Volksbefreiungsarmee diente und damals als Soldat erlebte, wie Terroranschläge auch diesen kleinen Ort erschütterten und er bei den Rettungsaktionen eingesetzt wurde. Jetzt arbeitet auch er in diesem Café. Foto und Malerei von dem Wohnmobil, mit dem zwei der Café-Betreiber durch das ganze riesige Land gefahren sind - ein Stillleben von Freiheit Ihre Reise brachte sie auch nach Tibet. Während wir im Café saßen und plauderten, ging über der Stadt ein heftiger Wolkenbruch nieder. Am Rande der Wüste regnet es fast nie und es gibt keine Kanalisation. Binnen kürzester Zeit wurden die Straßen zu Flüssen. Die Große Kuqa-Moschee wurde 1559 erbaut und ist heute die zweitgrößte Moschee nach der Id Kah Moschee in Kaschgar. Wie überall in Xinjiang wird auch diese Moschee bis auf weiteres nicht genutzt. In der Nähe von Kuqa gibt es eine Schlucht, den Xinjiang Kuqa Grand Canyon National Geopark. Der Kuqa Grand Canyon befindet sich in den Ausläufern des Tian Shan-Gebirges und erstreckt sich über etwa 5,5 Kilometer. Die roten Sandsteinfelsen der Schlucht haben durch Erosion über Jahrmillionen beeindruckende Formen angenommen. Die Klippen und Schluchten in diesem Canyon sind bis zu 200 Meter tief, und die schmalen Wege bieten atemberaubende Anblicke. Der Canyon ist bekannt für seine rot gefärbten Gesteinsformationen, die durch die Einwirkung von Wind und Wasser kunstvolle Formen angenommen haben. Die Petra-Schlucht (Siq) in Jordanien hat ähnliche, durch Erosion geformte Sandsteinwände und enge Pfade, die ein malerisches und mystisches Erscheinungsbild vermitteln. G217 - die legendäre Duku-Road begegnet uns schon hier am Kuqa Grand Canynon. Hier beginnt das Tian Shan-Gebirge, durch das diese Straße führt. Eigentlich wollten wir schon hier auf diese chinesische Traumstraße, aber starke Regenfälle in den Bergen und damit verbundene mögliche Erdrutsche haben uns davon abgehalten. Statt dessen fliegen wir später einen Teil der Reise und werden erst ab dem Nalati-Grassland auf diese legendäre Straße stoßen. Wenn man schon auf Kamelen durch die Schlucht reiten kann, sollte man es tun. Allerdings ein ziemlich kostspieliges Vergnügen. 40 Euro pro Person. Mich erinnerte dieses Erlebnis stark an Erzählungen aus 1001 Nacht, Ali Baba und die 40 Räuber oder an das Tal der Diamanten mit dem gigantischen Vogel Roc aus Sindbads zweiter Reise. Von Kuqa mit dem Flieger über die Himmelsberge in die kasachische Stadt Yining Yining ist die Hauptstadt des Ili Kasachischen Autonomen Bezirks und beherbergt eine vielfältige Bevölkerung, darunter Uiguren, Kasachen, Mongolen, Han-Chinesen und Russen. Diese ethnische Vielfalt spiegelt sich in der Kultur und dem Lebensstil der Stadt wider. Yining hat eine günstige geografische Lage am Fluss Ili, was sie historisch zu einem wichtigen Handelszentrum entlang der alten Seidenstraße machte. Zunächst wirkte sie auf uns ärmlich. Wir begannen unseren Rundgang auf einem Markt, der irgendwie billig aussah. Am Ende des Marktes ging es über in die große Altstadt, die komplett blau gestaltet ist. Eine lebendige Atmosphäre umfing uns. Das Leben spielt sich hier noch mehr auf der Straße ab als in anderen Regionen. Usbekisches Eis, Karamelleis mit Karamellsoße, die wie eingekochte, gesüßte Kondensmilch schmeckte. Als Toppings gibt es nach Geschmack Walnüsse, Rosinen, Pistazien und andere Köstlichkeiten. Als Europäer ist man die Sensation der Straße. Unentwegt folgen einem kleine Kindertrupps und wollen Kontakt aufnehmen. Ihr Hauptinteresse ist, ob man in Deutschland wirklich so schnell Auto fahren darf, wie man will ... ob man sogar 300 km/h fahren darf. Außerdem wollen sie wissen, ob man Fußball liebt. Die Gesichter der Kinder sind nicht han-chinesisch. In Kasachstan leben viele Russen und nicht selten auch Russlanddeutsche, ehemalige Wolgadeutsche, die unter Katharina der Großen mit Erteilung großzügiger Privilegien nach Russland gelockt wurden, um das Land dort zu erschließen. Im 20. Jahrhundert als die Deutsche Wehrmacht bis an die Wolga vorgedrungen waren, verschleppte man die Wolgadeutschen nach Kasachstan, weil Stalin befürchtete, dass sie sich mit der Wehrmacht verbünden könnten. Erstaunlich, wie nah plötzlich Europa durch das ehemalige Sowjetreich wieder ist. Die Kultur ist komplett zentralasiatisch, muslimisch und turkvölkisch, aber das Russische und die kyrillische Schrift sind das administrative Gerüst. Auf der chinesischen Seite Kasachstans dominiert natürlich die chinesische Sprache, aber Russland und damit Europa sind ganz stark spürbar. Kasachisches Dessert: fester Joghurt mit Honig und Marmelade. Köstlich. Milch von Kamelen und Kühen Und wieder eine Gruppe Kinder, die uns folgte, diesmal uigurische Kinder. Von Yining nach Nalati Von Nalati über die Kult-Straße Duku nach   Dushanzi Die Duku-Straße (auch als Dushanzi-Kuqa-Straße bekannt) ist eine der spektakulärsten Straßen in der Region Xinjiang im Westen Chinas. Sie erstreckt sich über etwa 560 Kilometer und verbindet die Stadt Dushanzi im Norden mit Kuqa im Süden, indem sie die massive Tian Shan-Gebirgskette durchquert. Wir waren dieser Straße schon am Kuqa Grand Canyon begenet, aber den südlichen Teil der Straße hatten wir wegen der Witterung nicht befahren. In den Bergen hatte es starke Niederschläge gegeben. Von Erdrutsch bis Schneefall wäre alles möglich gewesen. Deshalb sind wir erst hier ab dem Nalati Grassland auf die Straße gestoßen. Hier geht es links ab, auf die Traumstraße Wegen ihrer extremen Lage und den spektakulären Aussichten gilt die Duku-Straße als eine der schönsten Panoramastraßen Chinas. Sie ist besonders beliebt bei Abenteurern, Motorradfahrern und Radfahrern. Die Strecke verläuft durch einige der schönsten und abgelegensten Gebiete in Xinjiang, einschließlich hoch aufragender Berge, tiefer Schluchten, Flüssen und Weiden. Entlang der Strecke finden sich verschiedenste Landschaften, von alpinen Wäldern bis hin zu kargen Wüsten. Die Duku-Straße erreicht in ihrem höchsten Abschnitt eine Höhe von 3.400 Metern über dem Meeresspiegel. Sie ist nur in den Sommermonaten (in der Regel von Juni bis Oktober) geöffnet, da sie im Winter durch Schnee und Eis unpassierbar ist. Der Bau der Straße begann in den 1970er Jahren und dauerte etwa 10 Jahre. Die Duku-Straße war ursprünglich für militärische Zwecke angelegt worden, ist heute jedoch eine beliebte Route für Touristen, die die abgelegenen Gebiete von Xinjiang erkunden möchten. An der Duku-Straße leben viel Mongolen in ihren Yurten. Man könnte glauben, dass Kinder der Mongolen früher reiten als laufen lernen. Es gibt wahrscheinlich keinen Mongolen, der sich auf einem Pferderücken nicht vollkommen sicher fühlt. Die Landschaft ist idyllisch, wirkt absolut intakt und man hat den Eindruck, dass Mensch und Natur im Einklang leben. Dieses junge Ehepaar lebt mit seiner Familie im Tal am Fluss. Gerade haben sie einen Hammel geschlachtet. Was auf uns befremdlich wirkt, ist hier Normalität. Für die Menschen ist das Schlachten eher ein Festtag. Was immer wieder auffällt: Die Menschen sind offen, freundlich und interessiert. Bienen, so dicht wie ich es noch nie gesehen habe. Auf geht's in die Berge. Die Duku-Straße überquert mehrere hohe Gebirgspässe, während sie die Tianshan-Berge durchquert. Insgesamt gibt es mehrere bedeutende Pässe entlang der Route: Hailuotuo-Pass: Einer der höchsten Punkte der Straße mit einer Höhe von etwa 3.400 Metern. Dieser Pass bietet spektakuläre Aussichten und markiert eine der schwierigsten Stellen der Strecke. Laerdun-Pass: Ein weiterer wichtiger Pass entlang der Route, der durch alpine Landschaften führt. Aydingkol-Pass: Auch dieser Pass befindet sich auf der Route und ermöglicht Übergänge durch die zerklüfteten Berge des Tianshan-Gebirges. Jeder Pass entlang der Duku-Straße bietet atemberaubende Landschaften und Panoramablicke auf die wilde Natur Xinjiangs. Die chinesische Nationalstraße 217, zu der der Abschnitt Duku Road gehört. Die Duku Road ist 561 Kilometer lang. Die gesamte G217 ist 1753 Kilometer lang und führt von Altay über Burqin, Orku, Baijiantan, Karamay, Kuytun und Dushanzi nach Kuqa. Kaffeepause an einem der Parkplätze an dieser beeindruckenden Straße. Es gibt immer Stände, an denen man Obst und andere Leckereien bekommt. Kaffee ist das  Kultgetränk der jüngeren Generation in China. Es ist unglaublich, welchen Siegeszug der Kaffee angetreten hat, zumal China das Mutterland des Tees ist mit enormer Tradition und Wertschätzung. Dass Schanghai die Welthauptstadt des Kaffeegenusses ist mit allein über 1000 Starbucksfilialen und schier unzähligen Barista-Cafés, konnte mir nicht entgehen (Willst du mehr über Kaffeekultur in Schanghai wissen? Klick hier .). Dass aber hier im Tian Shan-Gebirge viele junge Leute ihre Barista-Stände aufbauen oder gleich eine Siebträgermaschine im Auto haben, hätte ich nicht gedacht. Aber nicht nur moderne, junge Leute verkaufen Kaffee, auch Traditionelles wird angeboten. Überall gibt es Grillspieße mit den üblichen Gewürzen aus den Turkregionen Zentralasiens, regionale Produkte wie z. B. ganz frisch gepresster Sanddornsaft, den ich bisher ausschließlich mit der norddeutschen Küste in Verbindung gebracht hatte. Wieder ein Halt, an einem Aussichtspunkt. Ein anderer Tourist hatte eine Melone gekauft und verteilte sie - unter anderem an uns - weil sie für ihn und seine Familie zu viel ist. Die Kontakte zu den Menschen bei dieser Reise, der Austausch, die Sichtweisen sind das Beeindruckendste. Immer wieder berührt mich die Offenheit. Erfahrungen, die mir China ans Herz wachsen lassen. Kaffeepause bei der sympathischen Barista-Frau, die diesen kleinen gemütlichen Sitzplatz gleich neben dem Parkplatz eingerichtet hat. Die Fotos hat sie dann auch für uns gemacht. Da zufälligerweise unser Handy hier keinen Empfang hatte, konnten wir den Kaffee nicht bezahlen (in China hat man kein Bargeld mehr bei sich). Sie war relaxt und sagte, dass wir zahlen können, sobald wir wieder Empfang haben. Das haben wir gemacht und die Fotos von uns gleich mitgeschickt, damit sie sie auf ihrem Profil als Werbung von zufriedenen Gästen veröffentlichen kann, zumal ich als Europäer noch einen Exotenbonus habe. Welcher westliche Tourist verläuft sich schon in diese Gegend? Der Aufkleber auf dem Kaffebecher zeigt den Verlauf der Duku-Road. Der Kleine gehörte auch zu diesem Parkplatz. Irgendeinem der Händler wird er schon gehören. Und noch ein Barista. Dieser sympathische junge Mann chillt auf dem Dach seines Transporters und wartet auf Gäste. Nebenan lebte eine mongolische Familie in ihren Yurten. Leider habe ich versäumt, den Jungen der Familie zu fotografieren, der neugierig zu uns kam und in ziemlich guten Englisch munter Kontakt zu uns aufnahm und ziemlich redselig war. Weiter geht's in den ewigen Schnee. Kalt war es mitnichten, eher sommerlich warm. Die Chinesen bauen bei Schnee neben dem Parkplatz gleich eine Rodelbahn, wo man auf aufgeblasenen Ringen runterrutschen kann. Hier ist Partystimmung angesagt. Laute Musik, Restaurants, Essen und Verkaufsstände ohne Ende. Für uns kaum zu unterscheiden, ob jemand Han oder Mongole oder Kasache oder Tadschike ist. Dieser junge Mann ist ein Kirgise. Es war ein Traumurlaub mit atemberaubenden Landschaften, die es locker mit den Anden im äußersten Süden Lateinamerikas oder den großen Nationalparks in den USA aufnehmen können, und es war ein Eintauchen in eine grandiose Kulturvielfalt. Xinjiang habe ich sicherlich nicht zum letzten Mal besucht. Aber China bietet viele großartige Orte - und einige davon habe ich noch nicht gesehen. Aber sicher ist, dass ich immer wieder nach China zurückkehren werde. Es werden im Laufe der Zeit noch einige Berichte folgen, auch wenn ich schon wieder nach Deutschland zurückgekehrt bin.

  • French Consession und Opiumkrieg

    Der Erste Opiumkrieg Der Niederlassung vieler Franzosen in Schanghai waren die Opiumkriege vorausgegangen, die aus wirtschaftspolitischen Interessen geführt wurde. China war seit dem Zeitalter des europäischen Barock durch seine Luxusgüter Seide, Porzellan oder Tee zu einer wirtschaftlichen Supermacht geworden und hatte enormen Silberreichtum angehäuft. In die umgekehrte Richtung wurde nichts gehandelt. China gab sich selbstgenügsam und sichtlich unbeeindruckt von europäischen Produkten. Der chinesische Handelsüberschuss weckte Begehrlichkeiten bei den Engländern. Hinzu kam, dass den Briten das Silber ausging, seitdem die USA, eine der wichtigsten Silberquellen von den Engländern unabhängig geworden waren. Um an den chinesischen Reichtum zu kommen, schmuggelten die Briten schließlich Opium, das in Bengalen produziert wurde, durch die British East India Company illegal nach China, obwohl die chinesische Regierung den Opiumhandel verboten hatte. Die Opiumabhängigkeit in der Bevölkerung stieg enorm an, die Produktivität Chinas erlahmte und der Handelsüberschuss kehrte sich um, da das Opium bezahlt werden musste. China wurde durch den Opiumschmuggel derart geschwächt, dass der Staatsapparat beunruhigt eingriff. In einem offenen Brief an Queen Victoria appellierte der Kaiser an deren moralische Verantwortung, den Opiumhandel einzustellen, worauf Victoria nicht reagierte. Der Handel zwischen China und anderen Nationen verlief ausschließlich über die Hafenstadt Kanton im Süden des Landes, an der Perlflussmündung gelegen. Durch diesen einzigen Hafen konnte man den Handel wie durch ein Nadelöhr bündeln und gut kontrollieren. Dort gelangte auch das Opium nach China. Schließlich ließ China den Hafen von Kanton sperren, beschlagnahmte sämtliche Schiffsladungen und ließ eine große Menge Opium vernichten. Großbritannien hatte damit einen Kriegsgrund und entsandte eine Kriegsflotte nach China, die dem Reich eine verheerende Niederlage beibrachte, so dass man in China gezwungen war, den Vertrag von Nanking (den ersten der "Ungleichen Verträge") zu unterzeichnen. Die ungleichen Verträge Mit diesem Vertrag entzogen die Briten den Chinesen die Souveränität über den eigenen Außenhandel und öffneten die Märkte für sich und andere Europäer. Fünf Häfen wurden für ausländische Schiffe freigegeben, unter anderem Schanghai. Exterritorialität für Ausländer, die Meistbegünstigung im Handel und eine Konsulargerichtsbarkeit, Reparationszahlungen, Öffnung für christliche Mission sowie die Abtretung von Hongkong „auf ewige Zeiten“ kamen als weitere Eingriffe in die chinesische Souveränität hinzu. Mit HongKong, der Insel vor dem Perlflussdelta, hatten die Briten die perfekte Möglichkeit, das ehemalige Nadelöhr für den chinesischen Außenhandel zu kontrollieren. Der Opiumhandel, der bisher illegal verlief, wurde nun auch freigegeben, was die Gesundheit der chinesischen Bevölkerung nachhaltig erschütterte. Der Erste Opiumkrieg leitete den Niedergang Chinas ein von der einstigen Hegemonialmacht Asiens zur informellen Kolonie europäischer Mächte, die China bis zur Wende im 20. Jahrhundert bleiben sollte. Aus chinesischer Perspektive ist die Zeit vom Ersten Opiumkrieg 1842 bis zur Ausrufung der Volksrepublik 1949 das "Jahrhundert der Demütigung". Insgesamt hatten viele westliche Großmächte ihre Konzessionen in China: Großbritannien besaß 12, Japan hatte 9, Frankreich hatte 6, Russland 4, Deutschland 3, die USA 2 und jeweils eine Konzession hatten Portugal, Belgien, Italien und Österreich-Ungarn. Wo lagen die Konzessionen in Schanghai? Ein Blick auf einen historischen Stadtplan von 1935 verdeutlicht die Sache: Die Konzessionen in Schanghai. Quelle der Abbildungen: Klick auf die Bilder. Beide Karten zeigen ungefähr denselben Ausschnitt Schanghais. Man sieht deutlich die Windung des Huangpu-Flusses. Auf der westlichen Seite des Flusses erstreckt sich rot eingezeichnet die französische Konzession, darüber liegt in Ocker die britische Konzession, die bis zu dem kleinen geschlängelten Fluss, dem Suzhou Creek, reicht. Der ockerfarbene Teile der sich dann nördlich vom Suzhou Creek und Huangpu Fluss nach Osten ausdehnt, war die amerikanische, später internationale Konzession. Die alte chinesische Stadt ist der kleine ovale Bezirk östlich der French Concession, die auf der Nordseite von der französischen Konzession wie von einem Kragen umgeben ist.. Die Konzessionen waren Territorien auf chinesischem Boden, die der Souveränität Chinas entzogen waren und alles aufwiesen, was ein Staatsgebilde ausmacht: eigene Gerichtsbarkeit, eigene Polizei, eigenes Militär usw. Natürlich war das ein Stachel im Fleisch Chinas, ebenso wie das Zustandekommen der Ungleichen Verträge. Im Übrigen setzte der Westen seine Machtausweitung fort mit dem Zweiten Opiumkrieg und weiteren ungleichen Verträgen. Aus der heutigen chinesischen Perspektive ist die Gründung der Volksrepublik, eine Überwindung der westlichen Dominanz. Die French Concession heute Heute ist die French Concession vor allem bei jungen Leuten ein sehr beliebter Stadtteil wegen der vielen schönen Häuser, Cafés, Bars, Restaurants, Boutiquen, Buchläden usw. Platanenallee in der Former French Concession Das Gebiet der Französischen Konzession ist geprägt von Platanenalleen, die angepflanzt wurden, um Schatten zu spenden und Kühlung zu bringen. Vor allem aber verschönern sie das Straßenbild. Viele freistehende Häuser wurden im europäischen Stil gebaut und sind von großen Gärten umgeben. Man sieht die Gebäude selten im Ganzen, da die Grundstücke oft ummauert sind. Allenfalls ragt ein landhausartiger Fachwerkgiebel oder ein Dach über die Umgrenzungen hinaus. Häuser mit kleineren Grundstücken reichen oft bis an die Bürgersteige und sind heutzutage schöne historische Stadthäuser in gediegener, ruhiger und grüner Umgebung, in der man von Vogelgezwitscher geweckt wird inmitten der 25 Millionen-Metropole. An fast allen Häusern verweist ein Schild der Distriktverwaltung Xuhui auf den kulturhistorischen Wert der Gebäude als "Cultural Relief Preservation Site", als Denkmalschutzobjekt.

  • Reise nach Yunnan

    Yunnan liegt im Südwesten Chinas, ist so groß wie Deutschland und die Niederlande zusammen und kann wegen seiner kulturellen und biologischen Vielfalt als eine der ungewöhnlichsten Provinzen Chinas bezeichnet werden. Im Norden grenzt es an Tibet und Sichuan, im Süden bildet es Chinas Außengrenze zu Laos, Myanmar und Vietnam. Entsprechend unterschiedlich sind die Klimazonen vom Hochgebirge im Norden, in dem Tibeter leben, bis zu tropischem Dschungel im Süden mit Regenwald, in dem Elefanten zu Hause sind. Von den insgesamt 55 anerkannten ethnischen Minderheiten Chinas leben allein 36 in Yunnan, deren Bräuche und Traditionen nicht selten zum Weltkulturerbe zählen. 3,5 Stunden Flug von Shanghai nach Yunnan, die Provinz liegt auf halber Strecke bis zur Westgrenze Chinas in Zentralasien. Chinas Größe erstaunt immer wieder. Unter mir tauchen die ersten Ausläufer des Himalayas auf. Die Reise ging in den Norden Yunnans, also in die Berge, zuerst nach Kunming, der Provinzhauptstadt, von dort weiter nach Dali, der Stadt der ethnischen Minderheit Bai und Zentrum des ehemaligen Königreichs Dali, danach ganz in den Norden nach Shangri-La, ins Gebiet der Tibeter und von dort wieder Richtung Süden nach Lijiiang, der Hauptstadt des ehemaligen Königreichs der Naxi. Alle Orte lagen während der gesamten Zeit über 2000 Meter, den Rekord stellte Shangri La mit 3200 Metern auf. Kunming, Provinzhauptstadt Yunnans In Kunming kam ich abends an. Mich erwartete das traditionelle Chinesische Neujahrsfest mit Böllern und Feuerwerk, das in China nicht nur um Mitternacht entzündet wird, sondern bereits den ganzen Abend zuvor. Der Höhepunkt ist zweifelsohne nachts um zwölf, setzt sich aber bis in den Morgen und auch in den folgenden Tagen fort. Es gibt überall Verkaufsstände, die massenweise Knallkörper und Feuerwerk anbieten. Vor einigen Jahren war das Knallen noch von der Regierung verboten worden, aber niemand hielt sich daran. Inzwischen hat man diese Einschränkungen wieder aufgehoben, denn die Chinesen lieben ihr Feuerwerk. Es ist so etwas wie ein nationales Kulturerbe. Das Schwarzpulver wurden vor circa 1000 Jahren in China erfunden. Der erste Tag des neuen Jahres begann mit Sonnenschein und auch wenn in Europa der Neujahrstag schon einige Wochen zurück lag, stellte sich bei mir ein Gefühl echter Neujahrsstimmung ein, vor allem bei einem Spaziergang mit herrlichstem Sonnenschein an diesem ganz frischen Neujahrsmorgen im Smaragd-See-Garten (Green Lake Garden). Kunming gilt als Stadt der Blumen und wegen ihres milden Klimas als Stadt des ewigen Frühlings. Weil Kunming nur der Ausgangspunkt meiner Reise war, wollte ich mich nicht lange aufhalten. Schon bald ging es weiter nach Shilin, den Steinwald, circa 120 Kilometer südlich von Kunming, eine Karstlandschaft, die mit ihren besonderen Gesteinsformationen zum UNESCO-Welterbe zählt. Die seltsamen Felsen kann man auf Spaziergängen durch Schluchten und beim Erklimmen von Gipfeln durchwandern. Beeindruckender fand ich jedoch, dass an diesem Neujahrstag viele Besucher in traditionellen Trachten kamen. Vor dem Eingangsgebäude des Naturparks sitzt eine Reisegruppe von Uiguren. Noch am gleichen Abend ging es von Kunming im Zug weiter nach Dali. Fahrt aus Kunming mit dem Zug, diesen Anblick könnte man auch in einer deutschen Großstadt haben, z.B. Frankfurt. Dali Dali war im 8. und 10. Jahrhundert die Hauptstadt zweier großer Königreiche, während der Tang-Dynastie von 738 - 902 n. Chr. war es das Zentrum des Königreichs Nanzhao, in der darauffolgenden Song-Dynastie um 938 wurde daraus das Königreich Dali, das 500 Jahre währte, bis es von den Mongolen unter Kublai Khan, einem Enkel des legendären Dschingis Khan erobert wurde. Während der Eroberung wurden die Altstadt und der Palast zerstört und das politische Gewicht verlagerte sich von Dali nach Kunming. Die heutige Altstadt Dalis wurde Anfang des 14. Jahrhunderts während der Ming-Dynastie wieder aufgebaut. Die Stadt liegt zwischen dem Fuß des Cangshan-Gebirges und dem Ufer des Erhai-Sees auf 2000 Metern Höhe. Die Berge des Cangshan-Gebirges haben immerhin beachtliche 4000 Meter. Von unten aus der Stadt Dali wirken die Berge nicht sehr hoch, da man selbst schon auf 2000 Metern ist und die Berge bis weit nach oben bewaldet sind. Eine Straße in Dalis Altstadt. Im Hintergrund sind die die Berge des Cangshan-Gebirges zu sehen. Sie erheben sich unmittelbar am Westrand der Altstadt und sind 4000 Meter hoch. Der Erhai-See an dessen Ufer Dalis Altstadt liegt. Das historische Zentrum Dalis sieht aus, wie man sich eine alte Stadt Chinas klischeemäßig vorstellt, keine Hochglanzskyline, stattdessen zweigeschossige Häuser und prachtvolle Stadttore, größtenteils aus Holz errichtet und mit aufwendigen Schnitzereien versehen. Das Südtor Dalis - Dali hat vier große Stadttore, die Stadt ist rechteckig angelegt, zwei Hauptstraßen, die sich orthogonal in der Mitte kreuzen und jeweils an einem der vier Tore enden. Das Nordtor, davor Händler, die Feuerwerke verkaufen. Als ich abends ankam, war auch diese Stadt in Neujahrsstimmung getaucht, ohrenbetäubender Lärm von Chinakracher-Kaskaden füllte die Luft, immer wieder gingen irgendwo festliche Feuerwerke in den Himmel, viele Menschen ließen sich durch die Abendstimmung treiben, die Luft war vom Rauch und Dampf der Garküchen und Grills, vom Schwarzpulver und dem Duft von frisch Gegrilltem getränkt und die bunten Lichter der Restaurants, beleuchteten Gebäude und Garküchen versanken in der Unschärfe der rauchigen Luft. Das Westtor, auch hier Feuerwerksverkäufer. Xi-Zhou, ein Stadtteil Dalis Größere Städte wie Dali entstanden durch Eingemeindungen von kleineren Städten, die oft alte Stadtzentren haben. Daher gibt es nicht nur eine  Altstadt in Dali, sondern gleich mehrere. Diese kleineren eingemeindeten Städte wirken aber oft autark, da sie mitunter einige Kilometer entfernt von der Zentralstadt liegen. Xi-Zhou ist eine dieser alten, kleinen Städte, die heute zu Dali gehören. Als typisches Street-Food sollte man unbedingt Xi-Zhou-Ba-Ba probieren, die beste Spezialität Dalis. Teigstücke werden mit ordentlich Schmalz bestrichen, Speck und Frühlingszwiebeln darüber gestreut und anschließend alles gebacken. Das Ganze ist ziemlich fettig, hat Kalorien für einen Winter, aber es schmeckt. Za Ran - Batiktechnik der Bai In Dali und seiner Umgebung ist die ethnische Minderheit der Bai beheimatet. Die Frauen tragen ihre Trachten nicht nur an Feiertagen, sondern täglich, verrichten darin ihre Arbeit, waschen darin Gemüse auf dem Markt, schuppen Fische auf der Straße oder stellen Batiktücher her Hauptsächlich tragen ältere Frauen Trachten. Die Volksgruppe der Bai zählt etwa 1,9 Millionen Menschen, die hauptsächlich in Yunnan leben, aber auch in Guizhou und Hunan. Ihre Bai-Sprache gehört zur chinesisch-tibetischen Sprachgruppe. Die Geschichte der Batikproduktion reicht in China bis ins 6. Jahrhundert zurück. In dieser Familienwerkstatt, die ich besuchte, wird die Knotentechnik angewandt, bei der Ornamente durch Fäden in das Tuch genäht werden, die bei der Färbung hell bleiben, so dass diese Muster entstehen. Viele Knoten lassen komplexe Muster entstehen. Wie ein Knäuel aus Knoten und Tuch wirkt diese Arbeit, die zum Färben bereit ist. Nach dem Färbebad werden die Fäden wieder entfernt und das Tuch entfaltet. Bai-Frauen auf dem Markt Fahrt nach Shangri-La mit Zwischenstopp an der Tigersprungschlucht Von Dali ging meine Fahrt weiter in die Berge nach Shangri-La. Für die Fahrt dahin kann man zwischen zwei Routen wählen, entweder die ältere, die sich durch das Gebirge langsam immer höher windet oder den nagelneuen Xili Expressway, eine hypermoderne Autobahn, die Lijiang und Shangri-La mit deutlich kürzerer Fahrzeit verbindet, weil sie fast gradlinig nur über Brücken und durch Tunnel verläuft. Für die Hinfahrt wählte ich die längere Route, die fantastische Aussichten bietet. Zunächst ging es von Dali nordwärts auf der G214. Die Straße führt irgendwann direkt am Jangtsekiang entlang, der hier die Grenze zwischen der Region der Bai, dem Verwaltungsbezirk Dali, und der Region der Tibeter, dem Verwaltungsbezirk Shangri-La, bildet. In Yunnan macht der Strom seine erste große Windung und fließt danach ein Stück nach Norden. Als ich in das Tal des Jangtses kam, war erst mal eine Pause fällig, um den größten Fluss Asiens und Chinas zu sehen, der hier noch ganz klein ist, aber in seinem Verlauf mit 6380 Kilometern Länge zum drittgrößten Fluss der Erde wird. Bisher kenne ich den Strom nur von seiner Mündung in Schanghai, wo er so breit ist wie der Bodensee. Der Jangtsekiang im Oberlauf, auf der anderen Seite liegt der Verwaltungsbezirk Shangri La, das Land der Tibeter. An der Songyuan Brücke führt die Straße G214 über den Fluss. Auf der Shangri-La-Seite begrüßen mich eine tibetiche Pagode und einige Yak-Skulpturen. Ich bin im Land der Tibeter. Bald darauf komme ich in das Dorf Changsheng, in dessen Nähe die Tigersprungschlucht liegt, eine Gegbirgsenge, durch die sich der Jangtsekiang zwängt. Der Weg dahin führt unter der 2020 eröffneten Jinshajiang-Brücke-Hutiaoxia hindurch. Darüber führt der schnelle Xili Expressway, die gradlinige Verbindung von Shangri La nach Lijiang, die ich später auf meiner Rückfahrt nutzen werde. Die Brücke führt in einer Höhe von 260 Metern über den Fluss und gehört damit zu den höchsten Brücken der Welt. Die Jinshajiang-Brücke-Hutiaoxia mit roten Seilen, 700 Meter dahinter überquert eine Eisenbahnbrücke den Fluss. Im Hintergrund die beeeindruckenden Jade-Drachen-Schneeberge, die oberhalb der Tigersprungschlucht liegen. Der Jangtsekiang in der Tigersprungschlucht Am Oberlauf zwängt sich sich der Jangtsekiang als wilder Gebirgsfluss auf 15 Kilometer Länge durch die Tigersprungschlucht. Der Höhenunterschied vom Gipfel der Jade-Drachen-Schneeberge bis zum Wasser beträgt 3900 Meter, womit diese Schlucht die tiefste der Welt ist. Den Namen "Tigersprungschlucht" erhielt sie von einem Felsen, der mitten im Fluss liegt. Es soll dort früher Tiger gegeben haben, die den Fluss an dieser Stelle mit zwei beherzten Sprüngen über den Felsen überqueren konnten. Ist es Legende oder Wahrheit? Manche Quellen behaupten, es sei eine Legende, aber es soll noch alte Menschen geben, die unabhängig voneinander berichten, wie sie einen Tiger beim Sprung über den Fluss beobachtet haben. In Südchina gab es noch bis in die 1940er Jahre eine Tigerpopulation mit ca. 4000 Tieren. In den 50er und 60er Jahren wurden sie als Schädlinge zum Abschuss frei gegeben. Die Populuation reduzierte sich auf 1000 Tiere und konnte sich nicht mehr erholen. Umfangreiche Untersuchungen um die Jahrtausendwende haben keine direkten Beweise für die Existenz des Tigers in dieser Region ergeben. In China leben noch Tiger, aber nicht mehr hier. Die drei Parallelflüsse Chinas Nicht nur der Jangtse fließt durch Yunnan, sondern gleich zwei weitere große Ströme, der Mekong, mit 4909 Kilometern auch einer der längsten Flüsse der Erde, der ins Südchinesische Meer mündet und der Saluen, der nach 2980 Metern den Indischen Ozean erreicht. Alle drei Flüsse zählen zu den größten Flüssen Asiens, fließen fast parallel, von bis zu 6000 Meter hohen Bergketten getrennt, durch den Drei-Parallelflüsse-Nationalpark. Die drei Flüsse und ihre Umgebung zählen zum UNESCO-Welterbe unter anderem wegen ihrer ausgeprägten Biodiversität, der evolutionsgeschichtlichen und ökologischen Bedeutung und der landschaftlichen Schönheit. Auf kurzer Strecke gibt es etliche Klimazonen, bedingt durch die Höhe der Berge. Die Jade-Drachen-Schneeberge von Lijiang aus gesehen. Hinter ihnen liegt die Tigersprungschlucht mit dem Jangste. Diese Berge, auf Chinesisch 玉龙雪山 (Pinyin: Yùlóng Xuěshān), kennt jeder Chinese, sie gelten als besonders schön. Die Jade-Drachen-Schneeberge in der Morgensonne Für meine Weiterfahrt nach Shangri-La fuhr ich zurück zum Dorf Changsheng, zur G214. Von dort führte mich die Straße in die Berge in den östlichen Teil des Himalayas und mit jedem Kilometer windet sie sich höher. Eine Markierung am Straßenrand zeigte irgendwann an, dass ich die Höhe von 3000 Metern überschritten hatte. Die Aussichten waren atemberaubend. In der Ferne begleitete mich immer wieder der majestätische Anblick der Jade-Drachen-Schneeberge und bei manchem Bergdorf, das ich passierte oder das an einem der gegenüberliegenden Hänge klebte, fragte ich mich, wie die Menschen dort leben, wie sie dort das Neujahrsfest feiern. Gibt es auch hier die ausgiebigen Familien-Festessen oder Feuerwerke auf den Dorfstraßen oder geht man einfach schlafen und wacht am nächsten Morgen im neuen Jahr auf? Die Umgangssprache der Dorfbewohner ist Tibetisch, Gebetsfahnen flattern in den Winden, Pagoden mit davor knienden, betenden Menschen prägten meine Eindrücke, Tibet ist ein sehr spirituelles Land. Das unterbewusste Gefühl der gewaltigen Größe und Höhe des Himalayas, der sich von hier 2500 Kilometer bis nach Afghanistan und Tadschikistan zieht, ist immer unterbewusst vorhanden. Wie leben die Menschen hier oben in den kleinen Dörfern in den Bergen? Wie sieht ihr Alltag aus? Shangri-La Shangri-La liegt auf 3200 Meter Höhe. Bei meiner Ankunft war das Wetter grandios und sollte es auch in den kommenden Tagen bleiben. Die Nächte können dort oben empfindlich kalt werden. In den Betten gibt es beheizbare Matratzen. Ich suchte mir bei der Ankunft im Hotel ein warmes Plätzchen am Ofen, dennoch war die Tür sperrangelweit geöffnet. Das ist nichts Ungewöhnliches in China, denn Chinesen haben einen Frischluft-Fetisch, egal wie viel Energie es kostet. In der Nacht sanken die Temperaturen auf minus 7 Grad. Manchmal wachte ich auf, rang nach Luft, so als hätte ich im Schlaf vergessen zu atmen. Die Höhe und der Sauerstoffmangel machten sich bemerkbar. Auch das Treppensteigen strengte an und gab einen Vorgeschmack auf das Alter. Shangri-La hieß früher Zhongdian County Town. 2001 wurde es umbenannt und bekam seinen heutigen tibetischen Namen, der so viel wie "Sonne und Mond im Herzen " bedeutet. Man hat den Ort umbenannt, um ihn für den Tourismus besser vermarkten zu können. Der fiktive Name stammt aus dem 1933 geschriebenen Roman "Lost Horizon" des britischen Autors James Hilton. Der Ort im Roman gilt als Rückzugsmöglichkeit aus dem Weltgeschehen und als das irdische Paradies auf Erden. Da der Roman ein Bestseller wurde und es auch noch eine erfolgreiche Verfilmung davon gab, entstand ein Shangri-La-Hype, der dazu führte, dass der Name heute in vielen Sprachen ein gewisses Eigenleben führt. Der Ort ist über 1300 Jahre alt und war eine wichtige Station der alten Tee-Pferde-Straße über die Ziegeltee nach Tibet gebracht wurde. Er ist aber auch eine wichtige Verbindung zwischen chinesischer und tibetischer Sprache, Kultur, Menschen und Religion. Mitten im Ort erhebt sich der sogenannte Schildkrötenhügel, auf dem ein Kloster thront. Eine Treppe führt hinauf und wieder spürte ich die dünne Luft, die mich manchmal zu einer kurzen Atempause zwang. Die Abendstimmung mit dem dämmerigen Himmel und der dünnen Mondsichel tauchten den Klosterberg in mystisches Licht. Die Tempelanlage in Shangri-Las Altstadt beherbergt die größte Gebetsmühle der Welt. Sie ist über 21 Meter hoch und wiegt über 60 Tonnen. Ununterbrochen wird sie von Gläubigen bewegt, die im Uhrzeigersinn, um sie herumlaufen und sie dabei in Bewegung halten, so dass sie sich immerfort in gemächlicher Bewegung dreht. Dreimal um die Säule herumzulaufen und sie dabei zum Drehen zu bringen, führt zu gutem Karma. 1674 wurde es auf Geheiß des fünften Dalai Lama das Kloster Ganden Sumtseling erbaut und seinem Regierungssitz, dem Potala- Palast in Lhasa, nachempfunden. Es liegt auf 3400 Metern Höhe, 1959 wurde es während der Kulturrevolution zerstört und in den 80er Jahren wiederaufgebaut. Heute ist Ganden Sumtseling das spirituelle Zentrum von 700 tibetischen Mönchen und Lamas. Es ist die größte tibetisch-buddhistische Anlage Yunnans und zugleich eines der wichtigsten Klöster des tibetischen Buddhismus. Beim Besuch kündigte sich schon aus der Ferne die spirituelle Aura durch vereinzelte, tiefe, dumpfe Trommelschläge an, die von weitem herüber klangen. Das Eingangstor zum Kloster befindet sich am Fuße des Foping-Hügels. Nach 146 Stufen erreicht man den Vorplatz vor den beiden Haupthallen, die Zhacang Halle und die Jikang Halle , die das Zentrum bilden. Die beiden Haupthallen sind umgeben von acht Khamstsen, den Studier- und Wohnbereichen der Mönche. Zugang zur Haupthalle des Ganden Sumtseling -Klosters In den Hallen darf nicht fotografiert werden, schade, denn die Eindrücke sind überwältigend. Die Haupthalle wird von 108 imposanten Säulen getragen, die wie ein Wald den Raum ausfüllen und durch ihre Höhe im oberen Teil des Gebäudes wie in einem Himmel verschwinden. Die Höhe, in der sich die Säulen im Dunkeln verlieren, erinnerte mich ein bisschen an einen Schnürboden in einem Theater. Die Wände der Halle sind mit Fresken bemalt, die buddhistische Geschichten und Legenden zeigen. Auf dem Boden zwischen den Säulen liegen Kissen, Plätze für mehr als 1600 Mönche, die hier singen und meditieren können. Die Hallen werden mit Weihrauch- und Yakbutteröl-Lampen beleuchtet, die Altäre sind dauerhaft mit Yakbutter-Blumenskulpturen geschmückt und die Kreuzgänge sind mit Skulpturen und Fresken geschmückt. Vereinzelt sitzen Mönche auf den Kissen, verdeckt durch den Wald aus Säulen, die man erst bemerkt, wenn man sich am Rand der Halle entlang bewegt und immer neue Einblicke in den Saal bekommt. Ein stehender, an eine Säule gelehnter Mönch hat unter dem Arm seine typische, gelbe Kopfbedeckung, die die Mönche der tibetischen Gelug-Schule tragen. Ein traditionelles, tibetisches Frühstück. Hauptbestandteil ist die Yak-Milch, aus der auch Quark und Butter hergestellt werden. Man trinkt Buttertee, ein Tee, dem Yakbutter und Salz zugefügt werden. Der Tee wird weiterverwendet, um ihn mit Tsampa, einem Mehl aus gerösteten Gerstenkörnern zu einem Brei zu verkneten, der zu Kugeln geformt wird, die man zum Buttertee isst. Tampa ist auf dem Foto oben links zu sehen, Quark und Butter in den beiden mittleren Schälchen. Die Butter schwimmt in Fett. Yakmilchprodukte haben einen ungewöhnlichen Geschmack und sind sehr nahrhaft. Ohne Yaks wäre das Leben in den Höhen des Himalayas schwer oder sogar unmöglich. Sie sind ein wesentlicher Nährstoffgeber. Gemüse gibt es in diesen Höhen nicht. Ein Umstand, der übrigens dazu führt, dass tibetisch-buddhistische Mönchen nicht vegetarisch leben. Ein Yak Tibetische Häuser haben eine ungewöhnliche Architektur. Die Wände laufen leicht schräg nach oben zu, ebensolches gilt für die Fensterlaibungen. Die flachen Satteldächer kragen über die Hauswände hervor und wirken dadurch wie Dächer in den Alpenregionen. Eine Hausseite ist loggenartig geöffnet und wird in der Regel von zwei großen Baumstämmen, also Säulen getragen. Ungewöhnlich und weniger ästhetisch sind die Wintergärten, die vor die Häuser gebaut werden. Aber sie halten scharfe Winde und Kälte ab. Von Shangri-La geht die Reise wieder zurück Richtung Süden. Diesmal über den Express-Highway, der mich auch über die Brücke über der Tigersprungschlucht bringen wird. Ich bin beeindruckt von der Straße. Sie besteht fast ausschließlich aus Tunneln und Brücken. Eine beeindruckende Ingenieurleistung. Naxi - eine weitere ethnische Minderheit Chinas Schließlich kam ich nach Baisha, wo die Naxi, eine weitere ethnische Minderheit Chinas, leben. Erforscht wurde die Naxi-Kultur von dem österreichisch-amerikanischen Botaniker Joseph Francis Rock, der eigentlich die Fauna in Yunnan erforschen wollte, aber ein Universalgelehrter, Geograph, Sprachwissenschaftler und Völkerkundler war. Er schrieb das zweibändige Werk The Ancient Nakhi Kingdom of Southwest China. Rock lebte und forschte fast 30 Jahre in Yunnan, Sichuan, Gansu, im östlichen Tibet und auf Hawaii und gilt als einer der renommiertesten Forscher der chinesischen und hawaiianischen Flora. Er lebte in einem Dorf bei Lijiang in einem Haus, das heute ein Museum über ihn beherbergt. Seine Erlebnisse, die er im National Geographic Magazine veröffentlichte, inspirierten den Schriftsteller James Hilton zu seinem Roman Der verlorene Horizont , in dessen Mittelpunkt Shangri-La steht, eben jener fiktive, mythische Ort in Tibet, nach dem das heutige Shagri-La umbenannt wurde. Die Naxi haben eine starke Beziehung zur Natur und respektieren sie entsprechend, besonders ihre Wälder. In ihrer gesamten Geschichte war das Fällen von Bäumen verboten, was mich eher verblüfft, denn die Schnitzkunst wird von den Naxi perfekt beherrscht und ihre Häuser sind ebenfalls aus Holz bebaut. Wer gegen diese Grundsätze verstieß, musste in die Natur gehen und dort um Vergebung bitten. Die Naxi-Gesellschaft ist ein Matriarchat, Frauen sind die Oberhäupter der Familie, Erbschaften gehen an die Töchter, nicht an die Söhne. Monogame Ehen gibt es bei den Naxi nicht, entsprechend gibt es auch keine Heiratsrituale und jeder Naxi, egal ob Mann oder Frau, kann mehrere Partner haben. Die Naxi-Religion ist stark von Tibet beeinflusst, weshalb die meisten Naxi dem tibetischen Buddhismus anhängen. Ihre Lebensweise verschwindet allerdings allmählich in einer immer globalisierteren Welt, genauso wie ihre Schrift Dongba, die einzige noch im Gebrauch befindliche Hieroglyphen-Schrift auf der Erde, die mit dieser Besonderheit zum Weltkulturerbe zählt. Die Tee-Pferde-Straße und Seidenstickerei in Baisha Die alte Stadt Bashi am Fuße der Jade-Drachen-Schneeberge ist eine wichtige Stadt für Seidenstickerei und zugleich ein wichtiges Zentrum auf der alten Tee-Pferde-Straße, die auch als Südliche Seidenstraße bezeichnet wird. Diese Südliche Seidenstraße diente hauptsächlich dem Handel mit zwei Gütern: Ziegeltee und Pferde. Der Tee wurde von Yunnan nach Tibet gebracht und von Tibet kamen als Bezahlung Pferde nach Yunnan. Die Tee-Pferde-Straße umfasst nicht nur eine einzelne Straße, sondern ein ganzes Netz von Handelswegen. Der Weg nach Tibet war beschwerlich, ging bis über 4000 Meter Höhe und die Entfernung Dali - Lhasa betrug 2000 Kilometer. Von dort ging ein Teil des Tees weiter bis Kalkutta, was noch zusätzliche 1000 Kilometer Wegstrecke waren. Bis 1830 gab es in Indien keinen Tee. Der wurde dort erst von den Briten eingeführt, um die Abhängigkeit von China zu umgehen. Der größte Teil des Tees, der auf der alten Tee-Pferde-Straße transportiert wurde, blieb jedoch in Tibet. Der Handel auf der Südlichen Seidenstraße wurde im 7./8. Jahrhhundert begonnen. Als Transporttiere wurden Maultiere eingesetzt oder Träger, die bis zu 300 Pfund Tee auf dem Rücken transportierten. Natürlich legten weder Maultiere noch Träger die gesamte Strecke zurück, sondern immer nur Teile davon. Dann wurde die Ware umgeladen auf andere Tiere und Träger für die nächste Etappe. Ziegeltee - eine südwestchinesische Spezialität Ziegeltee ist gepresster Tee, der auf diese Weise platzsparend transportiert werden konnte. Man nennt ihn wegen der Transportwege auf dem Land auch Karawanentee. Hauptsächlich wurde er in Russland getrunken, woher er auch den bei uns geläufigen Namen Russischer Tee bekam. Er ist dunkel, rotbraun und hat einen würzigen, erdigen Geschmack . Man sagt, dass sich während des Karawanentransports durch das Aufbewahren neben dem Lagerfeuer ein Raucharoma auf die Teeblätter übertragen habe, das ein Charakteristikum des Karawanentees ist. Außerdem soll die Wärme auf dem Rücken der Maultiere während des Transports zur aromatischen Reifung beigetragen haben. Dass der Rauchgeschmack durch die Lagerfeuer in den Tee zog, gehört wohl in den Bereich der romantischen Märchen, die beim Tee trinken gelegentlich erzählt werden. Heutzutage steht kein Tee mehr neben Lagerfeuern von Karawanen, aber noch immer ist der leicht rauchige Geschmack ein Charakterstikum, das mittlerweile durch Räuchern erreicht wird. Die Seidenstickerei ist ein weiteres Kulturerbe der Naxi und gilt als eine der besten und einflussreichsten in ganz China. Seit 1200 Jahren wird diese Kultur gepflegt. Man stickt Bilder aus Seide mit Landschaftsmotiven aus der Umgebung von Lijiang oder Applikationen mit Ornamenten für die Kleidung. In Baisha gibt es ein staatliches, renommiertes Institut, in dem Schüler die Seidenstickkunst erlernen können. Die Altstadt Baishas liegt am Fuße der Jade-Drachen-Schnee-Berge, die man auf den Fotos unten im Hintergrund erkennt. Dieses Bergmassiv kannte ich schon von der Tigersprungschlucht. Die Schlucht liegt jetzt, von Baisha und Lijiang gesehen, hinter den Bergen. In den Gassen von Lijiang, im Hintergrund leuchten wieder die Jade-Drachen-Schneeberge im Abendrot. Lijiang Von Baisha ging es weiter ins ca. 15 Kilometer entfernte Lijiang, eine Stadt mit der riesigen, labyrithartigen Altstadt, Dayan, in der man sich beim Wandeln durch die malerischen Gassen entlang der Kanäle und Wasserläufe schnell verlaufen kann. Es ist eine der best erhaltenen Altstädte ganz Chinas. Sie zählt seit 1997 zum Weltkulturerbe. Der Black-Dragon-Pool Lijiang war die Residenzstadt der Mu-Herrscher. Vor den Toren der Stadt legten sie 1737 die Umgebung um den Black Dragon Pool an. Die bekannteste Ansicht davon ist die fünfbogige Marmorbrücke, die zum "Pavillon, der den Mond umarmt", führt. Der Garten um den Black Dragon Pool war ein Erholungsort für die Naxi-Fürsten, sozusagen ihre Residenz für die Sommerfrische. Im Hintergrund sind wieder die schneebedeckten Jade-Drachen-Schnee-Berge zu sehen. Eine alte Legende gab dem Black Dragon Pool seinen Namen: Vor langer Zeit gab es zehn böse Drachen, die viel Zerstörung anrichteten und den Menschen großen Schaden zufügten. Eines Tages unterwarf einer der acht Unsterblichen der chinesischen Legende Lu Dungbin neun der Drachen und sperrte sie in einen Turm. Nur der jüngste schwarze Drachen war übrig, der als Preis für seine Freiheit anbot, den Menschen zu nützen und ihnen Schutz zu geben. Man sagt, er lebe seitdem in diesem Gewässer. Angelegt wurde dieser schöne Garten von Tusi Mu, einem der Stammeshäuptlinge oder Fürsten der Naxi. Das Herrschersystem der Tusi war von den Mongolen eingeführt worden, die 1253 das Königreich Dali erobert hatten und als Yuan-Dynastie das Reich der Mitte bis zur Ming-Dynastie regierten. In diesem Tusi-System wurden Stammeshäuptlinge ehemaliger Fürstenreiche bzw. Stammeshäuptlinge von den Yuan-Herrschern in Peking als Beamte eingesetzt, lebten aber weiterhin wie Fürsten und konnten ihren Titel vererben. Das System diente einerseits der Eingliederung der eroberten Gebiete ins Reich, andererseits konnten die nationalen Minderheiten auf diese Weise ihre Gewohnheiten und ihre Lebensart beibehalten. Das Tusi-System wurde erstmalig in der Provinz Yunnan eingeführt und später in zahlreichen, vor allem westchinesischen Provinzen übernommen. Es wurde während aller folgenden Kaiserdynastien beibehalten, also auch den auf die Yuan folgenden Ming und Qing-Dynastien. Es existierte sogar über das 1912 beendete Kaiserreich hinaus und wurde erst in der Volksrepublik aufgelöst. Während der Kulturrevolution litten viele Kulturen und Religionen, mittlerweile sind alle Minderheiten geschützt und in der Volksrepublik herrscht Glaubensfreiheit. Dongba - die älteste, noch verwendete Piktogrammschrift der Menschheit In einem Zentrum am See wird die Dongba-Schrift gelehrt und bewahrt. Auch das spezielle Papier für die Bilderschrift wird hier hergestellt. Der Grundstoff für das Papier sind die Blätter einer Pflanze, dir nur in über 2000 Meter hohen Schuchten des Goldsandflusses im Schneegebirge wächst. Bis heute noch existiert diese aus Piktogrammen bestehende Schrift, die älteste noch existierende Bildsprache der Welt, die von Schamanen gelehrt wird und Hieroglyphen ähnelt. Dass die Schrift auch während der Kulturrevolution erhalten blieb, ist den Schamanen zu verdanken, die auch in den Zeiten der Unterdrückung des Volkes während der Kulturrevolution die Schrift weiterhin gelehrt hatten. Sie zählt zum immateriellen Weltkulturerbe. Die Dongba Schriften umfassen mehr als 20.000 Bücher. Sie gelten als Enzyklopädie der Geschichte der Naxi. Der Mu-Palast im Altstadtgewirr Lijiangs Es gibt auch innerhalb der Stadt Lijiang, mitten im Gassengewirr einen Palast, eine der größten Residenzanlagen ganz Chinas, den Mu-Palast. Begonnen wurde er während der Ming-Dynastie und während seiner Blütezeit umfasste das Palastgelände über 100 Gebäude. Es gibt die Redewendung „Im Norden ist die Verbotene Stadt, im Süden die Residenz der Mu“. Man nennt sie auch die Verbotene Stadt im Miniaturformat, zumal sich die Mu-Herrscher an dem Vorbild in Peking orientiert hatten. Hinter dem Palastgelände erhebt sich ein Berg, an dessen Hang sich ein Garten in die Höhe zieht. Es lohnt sich unbedingt, dort hinauf zu gehen, da man von oben eine großartige Aussicht auf die Altstadt hat. Diesen Gartenhang erreicht man ausschließlich bei einer Besichtigung der Palastanlagen. Der Blick auf die Anlage des Mu-Palastes vom Gartenhang aus Mit Lijiang endete meine Fahrt in die Provinz Yunnan. Die Fahrt zurück nach Schanghai war wie die Rückkehr in eine völlig andere Welt. Gerade noch war ich im uralten China, in exotischen Kulturen von Minderheiten, in landschaftlicher Schönheit und plötzlich wieder umgeben von Taxis, Werbetafeln, Sinneseindrücke wie Lautsprecherdurchsagen, Martinshörner, riesige Werbetafeln, Verkehr, Rolltreppen. Größer könnte der Unterschied nicht sein. China ist vielfältig.

  • Als Tourist in Schanghai

    Als Individualtourist nach Schanghai zu reisen kann mitunter anstrengend werden. Blauäugig unterschätzt man die Andersartigkeit Chinas und stellt nach seiner Ankunft fest, dass China nicht nur ein anderes Land ist, sondern eher ein anderes Universum. Elementare Dinge werden zum Problem: Internetzugang, Orientierung in der Stadt, Bezahlen von Dingen, Gang zur Toilette, Zurechtfinden im Restaurant ... Gleich zu Anfang: Ein paar hilfreiche Apps, die man herunterladen sollte, bevor man nach China reist: VPN China hat eigenes Internet u nd westliche Browser, Facebook, Instagram, WhatsApp usw. funkt ionieren nicht. Aber man kann das chinesische Internet umgehen mithilfe eines VPN-Browsers, mit dem man sich kurzerhand an einem anderen fingierten Standort außerhalb Chinas einloggt. Der tatsächliche Standort des Handys ist zwar in China, aber durch den virtuellen Standort kann man alle westlichen Apps nutzen. Es gibt verschiedene Anbieter, VPN-Browser kosten ein paar Euro pro Monat, aber die Investition lohnt sich. Diese Browser sind offiziell für Chinesen verboten, aber jüngere Leute halten sich seltener daran. Als Westler bekommt man keine Probleme mit chinesischen Behörden, wenn man diesen Browser auf dem Handy hat. Alipay oder Wechat Alipayist und Wechat sind Apps, mit denen man so ziemlich alles machen kann, am wichtigsten ist aber das Bezahlen. Normalerweise braucht man für Alipay ein chinesisches Bankkonto, mittlerweile gibt es aber auch einen Alipay Tour Pass für Touristen. Dieser Tour Pass funktioniert wie eine Prepaid Karte der Bank of Shanghai. Er läuft 90 Tage, danach wird die nicht verbrauchte Summe direkt auf das Konto zurück überwiesen, von dem sie kam. Um den Tour Pass zu nutzen, lädt man zunächst die Alipay-App vom Appstore auf sein Smartphone. Man registriert sich, indem man seine E-Mail-Adresse oder seine deutsche Handynummer mit Alipay verbindet. Nach der Anmeldung sucht man mithilfe des Such-Eingabefelds den Alipay Tour Pass. Man ergänzt noch die geforderten Daten, lädt danach die gewünschte Summe von seinem deutschen Konto hoch und kann dann mit Alipay bezahlen. Das Bezahlen damit geht extrem einfach mit eigenem QR-Code, der von Alipay generiert wird und vom Verkäufer gescannt wird. Alternativ scannt man den QR-Code des Verkäufers und tippt die zu überweisende Summe ein. MetroMan Diese App ist für die Nutzung der Metro hilfreich und bedienerfreundlich. Sie zeigt Verbindungen Fahrzeiten, Umsteigepunkte an und bietet eine Übersichtskarte übers gesamte Metronetz usw. Wenn man eine Sehenswürdigkeit sucht, kann man deren Namen im Unterpunkt "Maps" eingeben und der Ort erscheint auf einem Stadtplan, auf dem auch die nächsten Metrostationen gut erkennbar sind. Die Metro in China ist generell schwierig zu nutzen. Die Probleme beginnen schon damit, dass sich der normale, des Chinesischen nicht mächtige Tourist, die Stationsnamen nicht merken kann. Erschwerend kommt hinzu, dass sich manche Namen ähneln wie ein Ei dem anderen. Versuchen Sie es beispielsweise mal mit Changshu Road und Changshou Road oder Shaanxi Road und Shanxi Road oder Changping Road und Changqing Road. Erschwerend kommt die Unübersichtlichkeit der Metrostationen mit ihren zig Ausgängen hinzu. Welchen Ausgang soll man nehmen? Bei 15 Ausgängen, sollte man schon unten entscheiden, welchen davon man wählt, sonst entstehen spätestens oben auf der Straße die nächsten Probleme, da die Ausgänge teilweise sehr weit auseinanderliegen und man oft an einem Ort nach oben kommt, der richtig weit entfent ist vom eigentlichen Ziel. Die App Maps.Me kann bei der Suche nach dem richtigen Ausgang helfen. Dazu gleich mehr. Maps.Me Diese App hilft wie ein Stadtplan. Google Maps funktioniert in China nicht, es sei denn VPN ist installiert, aber auf Dauer ist es enorm lästig, ständig zwischen dem chinesischen und dem westlichen Internet hin und her zu schalten. Chinesische Apps funktionieren nicht, wenn VPN eingeschaltet ist. Maps.Me hilft auch bei der Suche nach Metroausgängen. In einem bestimmten Vergrößerungsgrad werden die Ausgänge der Metrostation als kleine Nummern sichtbar. Auf dem Screenshot v on Maps.Me  s ind deutlich die Ausgänge der Metrostation Changshou Road als kleine Pfeile mit Ziffern erkennbar. An diesem Screenshot wird deutlich, wie weit die Ausgänge manchmal auseinander liegen. Das ist sehr hilfreich, denn die meisten Metrostationen haben viele Ausgänge. Will man zu einem bestimmten Ziel, ist es ratsam, den richtigen Ausgang zu wählen, den die Ausgänge liegen oberirdisch oft ziemlich weit auseinander. Man läuft sich allein schon unter der Erde die Füße wund. Oben auf der Straßen angekommen, ist man dann eine halbe Ewigkeit vom gewünschten Zielort entfernt und erschwerend kommt hinzu, dass alles gleich aussieht. Die Vorstellung, einfach aus der U-Bahn raus und erst mal nach oben auf die Straße zu kommen, weil sich dort alles irgendwie von selbst findet, sollte man tunlichst verwerfen. Schanghai ist nicht Berlin. Wenn ma n aber auf Maps.Me seinen Zielort und die nächstgelgenen Metrostation gefunden hat, kann man auch die Nummer des nächst gelegenen Ausgangs zum Zielort ermitteln (einfach ein bisschen zoomen, irgendwann erscheinen die kleinen Zahlen auf der Map). Das ist sehr hilfreich, denn in der Metrostation sind genau diese Nummern der Ausgänge angezeigt und führen einen zum gewünschten Ausgang, so dass man getrost alle anderen vielzähligen Ausgänge ignorieren kann, die einen garantiert ins Nichts führen. SmSh SmartShanghai ist eine App, die dir hilft, wenn du z.B. ein Restaurant oder eine Touristenattraktionen oder einen Supermarkt suchst. Wenn du nichts Konkretes willst, sondern nur weißt, dass du z.B. essen gehen möchtest, werden Vorschläge geliefert. Man kann auch gezielt ein Restaurant suchen, Die Entfernung wird angezeigt, die nächste Metrostation und eine Map gibt es auch dazu. Was einem so alles passieren kann, wenn man sich nach Schanghai traut: In China zu sein ist so exotisch, dass selbst die Befriedigung essentieller Bedürfnisse wie Essen, Mobilität oder der Toilettengang problematisch ist. Dazu kommt in den Sommermonaten die brüllende Hitze. Mobilität: Städte zu Fuß zu erschließen mögen viele, aber chinesische Städte sind anders als europäische. Es sind gigantische Metropolen, in denen man völlig die Orientierung verlieren kann. Stundenlange Märsche bei übermäßiger Hitze sind im Urlaub nicht jedermanns Sache. Wenn man nicht laufen möchte, kann man ein Taxi bestellen, aber ein Taxi bekommt man nur per App (hier helfen Alipay oder Didi). Als westlicher Besucher glaubt man, dass man Taxis per Winken heranrufen kann. Falsch, wenn man mit den Armen in der Luft herumfuchtelt, hält kaum ein Taxi. Dieses Zeichen ist einfach nicht bekannt. Beim Taxifahren mithilfe der App kommen oft private Fahrzeuge, denn jeder kann per App zum Taxifahrer werden und ein bisschen Geld nebenbei verdienen. Essen in China - schwierig für Touristen Nicht jeder kommt mit dem exotischen Essen und den Stäbchen zurecht. Messer und Gabel bekommt man nur in westlichen Restaurants. Will man authenisch essen gehen und geht dorthin, wo nur Chinesen sind, ist die Speisekarte auf Chinesisch. Oft haben Restaurants gar keine Speisekarte mehr, sondern einen QR-Code am Tisch, den man scannt. Die dann erscheinenden Speisekarten-Apps sind auch auf Chinesisch. Man tippt irgendetwas an und läss sich mit einem mulmigen Gefühl überraschen, was kommt. Ist die Bestellung damit schon abgeschickt? Nicht unbedingt. Manchmal muss man vorher zahlen, sonst wird in der Küche gar nicht erst mit dem Kochen angefangen. Hat man ein Restaurant mit einer Speisekarte mit Bildern gefunden, weiß man trotzdem nicht, was man wählen soll. Vielleicht hat man am Ende Kutteln auf dem Teller oder Innereien oder in feine Streifen geschnittene Schweineohren usw. Oder man bekommt einen ganzen Fisch mit Kopf, Schwanz und Gräten, den man natürlich mit Stäbchen isst. Alles Fleisch, dass man bekommt, hat Knochen, Haut und Fett. Man muss nagen könne, was sich beim Essen mit Stäbchen mitunter schwierig gestaltet. Fett am Fleisch? Messer und Gabel, um es abzuschneiden? Fehlanzeige - also rein damit. Was soll's? Chinesen schneiden ja auch nichts ab. Sie mögen das sogar. Man sollte beim Essen dunkle Kleidung tragen. Garantiert glitscht einem ab und zu das Essen von den Stäbchen und klatscht in die Tomaten-Curry-Chilli-Soße, aus der man es gerade kunstvoll herausgefischt hat. Wenn man dann ein weißes Oberhemd trägt, kann man anschließend wegschmeißen. Wenn man irgendwann aufatmet, weil man endlich ein Mc Donald's Restaurant gefunden hat, einen Burger King oder ein Café, das auf Frankreich macht, ist man eigentlich an der interkulturellen Erfahrung gescheitert und an dem Punkt angelangt, an dem man lieber wieder in Europa wäre. Und dann sitzt man in einem dieser globalen Kettenrestaurants in diesem unendlich blöden Allerweltsambiente, weil einen alles andere überfordert und denkt, dass es genauso aussieht wie in Wanne-Eickel. Wenigstens ist der Laden klimatisiert, denn draußen warten quälende 30-40 Grad, Noch ein paar Notizen zum Verkehr: Chinas Verkehr wirkt wie in Palermo. Wenn man sich gedankenlos träumend durch ein Viertel treiben lässt, sollte man mit allem rechnen. Daher der ultimative Tipp: Augen auf beim Verkehr!!! Dinge nur dann anschauen, wenn man sicheres Terrain erreicht hat. Der Verkehr gleicht dem Autoscooter auf der Kirmes, jeder sucht sich in dem Gewusel irgendwie seinen Weg. Aber immerhin wird nicht gerast, man muss eben einfach nur immer ausweichen und die Augen offen halten. Die anderen weichen auch aus und deswegen ist es eigentlich gar nicht schlimm, dass sich Fußgänger und E-Mofas oft den Bürgersteig teilen. Abends, wenn die Zweiräder ohne Licht und wegen Elektromotors fast geräuschlos fahren, kann es schon mal vorkommen, dass einem ein Zweirad mit Kind und Kegel fast über die Füße fährt. Gestern wurde ich Zeuge eines Unfalls, als ein Mann aus einem Taxi stieg, welches nicht am Straßenrand hielt, sondern mitten auf der Straße. Der Fahrgast riss die Türe auf, ein Zweirad fuhr mitten hinein. Krachen, Mann am Boden, wenig Geschrei, kurze Nachfrage, ob etwas passiert ist, auf die Beine helfen ... weiterfahren. Toiletten gibt es im Innenstadtbereich in den meisten Restaurants sowie in den schicken Shopping-Malls. Aber Vorsicht, nicht überall gibt es sie, schon gar nicht, wenn man den Innenstadtbereich verlässt. Wenn man dann dringend eine braucht, ist guter Rat teuer, vor allem, wenn man kein Chinesisch spricht. Niemand wird einem auf Englisch helfe können. Ganz wichtig: Immer Tempotaschentücher dabei haben. Denn Klopapapier gibt es nur dort, wo es westlich ist, also mitten in der Stadt, aber sicher ist sicher. Niemals einen längeren, vielleicht ganztägigen Trip beginnen ohne Tempotaschentücher. Seife und Papierhandtücher sind auch Mangelware. Es wird mehr, ist aber es ist immer noch Glücksache. Es hilft alles nichts. Man muss sich einfach auf dieses Land einlassen und wenn man als Tourist kommt, muss man sich vorher kundig machen, welche Apps man braucht usw. Wer prinzipielle Bedenken beim Nutzen von chinesischen Apps hat, vielleicht sogar ängstlich ist, weil er vermutet, dass Informationen gesammelt werden, wird vielleicht nicht glücklich. Andererseits funktionieren manche Dinge überraschend gut, mit denen man nicht gerechnet hat. Man kann über WhatsApp Nachrichten und Bilder nach Hause schicken. Man kann auch über WhatsApp telefonieren. Eigentlich ist alles ganz einfach. Wenn man länger in China bleibt und nach einiger Zeit mit den Apps gut hantieren kann, werden sie zur ultimativen Erleichterung. Man kann übrigens in China immer noch mit Bargeld bezahlen, obwohl das Gerücht herumgeistert, dass nur noch digital bezahlt wird. Es gibt noch viele alte Leute, die von der Erneuerung des Landes in den letzten dreißig Jahren überrollt wurden, und die zahlen alle noch mit Bargeld. Das einzige Problem ist für einen Nicht-Chinesen, an Bargeld zu kommen. Bei der Bank of China sollte es aber problemlos mit einer gängigen Kreditkarte funktionieren.

  • Nanjing

    Nanjing ist ein wichtiger Ort der jüngeren chinesischen Geschichte, vor allem des 20. Jahrhunderts. Aber auch davor war die Stadt immer wieder bedeutend und erlebte vor allem unter der Ming-Dynastie (1368 bis 1644) ihre erste Blüte. In nur zwei Stunden erreicht man die Stadt von Schanghai mit dem Hochgeschwindigkeitszug. Ein ideales Kurzreiseziel für ein Wochenende. Allerdings reichen zwei Tage nicht aus, um sich die vielen Sehenswürdigkeiten anzuschauen. Entweder man setzt Prioritäten oder besser noch: Man bleibt gleich ein paar Tage. Folgendes sollte man auf keinen Fall verpassen: - das Mausoleum des ersten chinesischen Präsidenten Dr. Sun Yat-Sen - das Ming-Mausoleum Xiaoling, - das Memorial zum Massaker von Nanjing. Darüberhinaus hat Nanjing die mit 21 Kilometern längste erhaltene Stadtmauer der Welt, etliche interessante Tempelanlagen wie den Konfuziustempel Fuzi Mia oder den buddhistischen Jiming-Tempel. Außerdem ist das Nanjing Museum sehenswert und im Park der Schatzschiffe gibt es den Nachbau eines Schatzschiffes in Originalgröße, mit denen der legendäre Admiral Zheng He in See stach, um die Weltmeere zu erkunden. Nicht auslassen sollte man den Präsidentenpalast, das heutige China Modern History Museum, ein Brennpunkt der Geschehnisse der politischen Wirren von der späten Qing-Dynastie bis zum Sieg der Kommunisten. Interessant ist außerdem das Haus von Song Meiling, der Gattin von Chiang Kai-shek, und das Haus von John Rabe, einem Deutschen, der während des Massakers von Nanjing ca. 250.000 Chinesen rettete. Das Nanjing der Ming Bevor die Ming an die Macht kamen, stand China unter der Regentschaft der Mongolen (Yuan-Dynastie 1279 bis 1368), deren Anführer Kublai Khan, ein Enkel des legendären Dschingis Khans, China 1271 erobert hatte und im Norden, nahe der Mongolei die Stadt Khanbaliq, die "Stadt des Khan", gegründet hatte, das heutige Peking. Der erste Ming-Kaiser Hong Wu China litt unter der mongolischen Herrschaft, bis ein Bauernjunge aus ärmlichen Verhältnissen namens Zhu Yuanzhang das Schicksal Chinas maßgeblich verändern sollte. Dieser Junge hatte sich einer rebellischen Gruppe von Bauern angeschlossen, den sogenannten "Roten Turbanen", mit denen er gegen die Herrschaft der Mongolen kämpfte. Die Rebellen, die "Roten Turbane", hatten rote Tücher um den Kopf gewickelt. Im Jahr 1356 wurde er zum Anführer der Rebellion, er baute eine starke Armee auf und konnte mit ihr schließlich 1368 die Hauptstadt der Yuan-Dynastie, die "Stadt des Kahn", das heutige Peking, erobern und damit die Herrschaft der Mongolen beenden. Dieser ehemalige arme Bauernjunge Zhu Yuanzhang wurde zum Kaiser Chinas, dem ersten Kaiser der Ming-Dynastie. Später wurde er Hong Wu genannt und wird heute oft als eine der prägendsten und einflussreichsten Figuren der chinesischen Geschichte betrachtet. Während des Krieges gegen die Mongolen eroberte Zhu Yuanzhang einige Gebiete in Anhui südlich des Jangtsekiangs. Schließlich gelang es ihm im Jahr 1356 die Stadt Jiqing Lu (das heutige Nanjing) nach einer dreimonatigen Schlacht einzunehmen. Die Stadt war von strategischer Wichtigkeit auf der Südseite des Jangtsekiangs und wurde zur Ausgangsbasis seiner Herrschaft. Kaiser Hong Wu baute Nanjing zur Residenz und zum Zentrum politischer Macht aus. Bekannt war er für seine harte Hand gegenüber politischen Gegnern und für sein strenges Regierungssystem. Er ließ mehrere Säuberungswellen über Beamte, Gelehrte, Offiziere, Landbesitzer ergehen und ging dabei alles andere als zimperlich vor. Ca. 100.000 Menschen fielen diesen Säuberungswellen zum Opfer. Er war bestrebt, eine zentralisierte Kontrolle über das Land auszuüben und den Einfluss der Adelsfamilien einzuschränken, er setzte den Konfuzianismus durch, allerdings durch ein scharfes Kontrollsystem, in dem benachbarte Familien in Gruppen zu 10 und 100 aufgeteilt wurden, in denen das Prinzip der gegenseitigen Verantwortlichkeit galt. Der verordnete Konfuzianismus diente zur Herausbildung eines bürokratischen Absolutismus. Soziale Hierarchien, eingeteilt in die "Vier Stände" Gelehrte, Bauern, Handwerker und Händler wurden gefestigt, im Geistesleben fand ebenfalls eine Vereinheitlichung statt, damit sich keine Intellektuellen entwickeln konnten, sondern Denkbürokraten. Viele Aspekte von Hong Wus Politik wurden auf seine niedere Herkunft zurückgeführt. Gleichzeitig legte er in den dreißig Jahren seiner Regentschaft die Grundlage für den Erfolg und die Blütezeit der Ming-Dynastie. Die Landwirtschaft wurde gefördert, wodurch sich die Ernährungslage verbesserte und sich die Bevölkerung in zweihundert Jahren verdoppelte. Die Ming-Dynastie markierte eine neue Ära in China und hatte weitreichende Auswirkungen auf die politische, kulturelle und wirtschaftliche Entwicklung des Landes. Der Zhongshan Mountain Park Hong Wus Grabmal, das Xiaoling-Mausoleum, befindet sich in Nanjing am Zhongshan Mountain. Eine Erklärtafel zeigt das gesamte Gelände. Das Grabmal von Kaiser Hong Wu ist links zu sehen. Zentral in der Mitte liegt das Mausoleum von Sun-Yat-Sen Der Zhongshan Mountain vereint mehrere Sehenswürdigkeiten Nanjings. Die wichtigsten sind das Mausoleum des ersten Ming-Kaisers und das Mausoleum Dr. Sun-Yat-Sens, des ersten Präsidenten der Republik China. Sie liegen in fußläufiger Entfernung am Hang dieses Berges nebeneinander. Angenehm ist zudem, dass alles in eine schöne Landschaft eingebettet ist, so dass man ausgiebig unter Schatten spendenden Bäumen spazieren gehen kann. Vor allem im Frühjahr zur Pflaumenbäume sollte man diese Gegend besuchen. Die Farbe der Pflaumenblüten brachte dem Berg den Beinamen "Purpurner Berg" ein. Ming Xiaoling - das größte Mausoleum für den ersten Ming-Kaiser Das Mausoleum des ersten Ming-Kaisers Hong Wu, das Ming Xiaoling ist Teil des UNESCO-Weltkulturerbes "Kaiserliche Grabstätten der Ming- und Qing-Dynastien", von denen die meisten allerdings in Peking liegen. Dafür ist aber das Ming Xiaoling die größte kaiserliche Grabstätte Chinas und zugleich auch die erste Ming-Grablege, ihr Bau dauerte von 1381-1431. Bevor man sich den Hauptgebäuden nähert, gibt es den Shen Dao, den Seelenweg. Dieser 1800 Meter lange Weg ist gepflastert, verläuft nicht gradlinig, sondern in eine ost-westliche Richtung, die Shi Xiang Road und in eine nord-südliche Richtung, die Weng Zhong Road. Das Ungewöhnliche an diesem Weg ist sein 90 Grad-Knick. Einen solchen Seelenweg gib es auch in Peking, wo er aber schnurgerade verläuft, was der ästhetischen Auffassung der Ming eher entspricht, denn sie hatten ein gewisses Faible für Achsen und Symmetrie wie z.B. bei der Verbotenen Stadt in Peking. Die dahinter stehende Auffassung vom Zentrum der Welt, ja sogar des Kosmos hat eine gewisse Ähnlichkeit mit dem europäischen Barock: Zentralismus, Symmetrie und autokratische Herrschaft. Zurück zur Anlage in Nanjing: Die ost-westliche Straße führt unter Bäumen entlang und wird von tierischen Steinskulpturen flankiert. Die nord-südliche Straße führt zum Komplex des Mausoleums. An dieser Straße stehen steinernen Generäle und Minister. Am Ende der Nord-Süd-Achse angelangt, führt eine Brücke zum Komplex des Mausoleums, die Hauptachse läuft geradewegs auf das Hauptgebäude an ihrem Ende zu. Dabei spaziert man durch verschiedene Bereiche der Anlage, passiert Tore, Pavillons und Hallen und nähert sich langsam, bergan steigend dem größten Pavillon, Bao Shang, in dem der Kaiser beigesetzt ist. Bao Shang, das Grab des Kaisers, ist mit gelben Dächern gedeckt, der edelsten und hochrangigsten Farbe, die dem Kaiser, dem Sohn des Himmels, vorbehalten war. Gelb wurde mit den fünf Elementen der chinesischen Philosophie, insbesondere mit der Erde in Verbindung gebracht. Die Erde wurde als stabilisierendes und nährendes Element angesehen, das ähnlich wie der Kaiser für Stabilität und Harmonie im Reich sorgte. Gelb symbolisierte auch Fruchtbarkeit, Glück und Wohlstand. Das eigentliche Grab des Kaisers wurde nie geöffnet. Es ist davon auszugehen, dass er dort liegt. Es gehört zu den Eigenarten der chinesischen Archäologie, dass man die Gräber der chinesischen Kaiser bisher nicht geöffnet hat. Ist es die Befürchtung, dass durch Sauerstoff wertvolle Artefakte zerfallen könnten? Ist es eine Form des Respekts vor den toten Kaisern? Dr. Sun-Yat-Sen-Mausoleum Nach einem 20-minütigen Fußweg durch einen schönen Wald erreicht man diesen deutlich größeren Komplex, der sich durch Touristenmassen ankündigt. Das Grab des ersten Präsidenten der Republik China ist deutlich populärer als die Beisetzungsstätte des ersten Ming-Kaisers. Das Mausoleum von Dr. Sun Yat-Sen orientiert sich am Ming-Vorbild. Wieder führt eine gerade Achse bergan, man passiert diverse Pavillons und Tore bis man oben an der Heiligen Halle angelangt ist, in der der Präsident beigesetzt ist. Wer war Dr. Sun Yat-Sen? Dr. Sun Yat-Sen (auch bekannt als Sun Zhongshan) wurde 1866 in der Provinz Guangdong geboren, starb 1925 in Peking und war ein bedeutender chinesischer Politiker, Arzt und Revolutionär. Er spielte eine herausragende Rolle in der chinesischen Geschichte und wird oft als "Vater der chinesischen Nation" bezeichnet. Er führte die Xinhai-Revolution von 1911 an, die zum Sturz des letzten Kaisers und zur Gründung der Republik China führte. Es handelt sich dabei nicht um die Volksrepublik, die kam erst 1949. Zwischen dem Kaiserreich und der Volksrepublik war China eine Republik. Sun Yat-Sen war der erste provisorische Präsident dieser Republik und gründete die Kuomintang, eine politische Partei, die später als "Nationalisten" gegen die "Kommunisten" im Chinesischen Bürgerkrieg kämpfen sollte. Sun Yat-Sen hatte eine starke Vision für ein modernes China, das von der imperialen Vergangenheit befreit war und sich zu einer wohlhabenden und demokratischen Nation entwickeln sollte. Die Spaltung Chinas in die Volksrepublik und die Republik Es kam anders, als es sich Sun Yat-Sen gewünscht hatte. Der Konflikt begann mit der Spaltung der Politiker in die Kuomintang, angeführt von Chiang Kai-shek, und die Kommunistische Partei Chinas, angeführt von Mao Tse-tung. Zunächst waren die beiden Parteien während der Nordexpedition (1926-1928) vereint und kämpften gemeinsam gegen die Kriegsherren (War Lords) und gegen die ausländische Kontrolle in China. Nach der Einigung Chinas unter der Kuomintang-Führung brachen jedoch zunehmend Spannungen zwischen den beiden Parteien aus. Die Kommunisten strebten eine sozialistische Revolution an und genossen Unterstützung unter den Landarbeitern und den ärmeren Schichten der Gesellschaft, während die Kuomintang eine nationalistische und gemäßigt kapitalistische Vision für China verfolgten. Im Zweiten Weltkriegs vereinten Kuomintang und Kommunisten nochmals ihre Kräfte gegen die japanische Besatzungsmacht, allerdings setzte sich der Bürgerkrieg nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs fort, als die Kuomintang und die Kommunisten ihre jeweiligen Einflussgebiete ausweiteten und um die Kontrolle über China kämpften. Schließlich erlangten die Kommunisten unter der Führung von Mao Tse-tung im Jahr 1949 die Oberhand und gründeten die Volksrepublik China auf dem chinesischen Festland, während die Kuomintang sich auf die Insel Taiwan zurückzogen. Taiwan war zu diesem Zeitpunkt ein Teil Chinas und ist es völkerrechtlich bis heute. Die Kuomintang sahen sich als die rechtmäßigen Nachfolger der Republik China und Chiang Kai-shek hoffte bis zu seinem Tod, Festland-China von Taiwan aus zurückerobern zu können, damit ganz China wieder eine vereinte Republik werde. Dazu ist es nicht gekommen. In den ersten Jahren erkannten die meisten Staaten der Welt die Kuomintang in Taiwan als Vertreter des rechtmäßigen Chinas an, ignorierten die kommunistische Volksrepublik und pflegten diplomatische Beziehungen mit Taipeh. Im Laufe der Jahre wandten sich aber mehr und mehr Staaten der Volksrepublik zu, respektierten deren One-China-Politik, brachen diplomatische Beziehungen mit Taiwan ab und orientierten sich an Peking. Kaum ein Land dieser Erde unterhält heutzutage noch diplomatische Beziehungen mit Taiwan, in Europa nur der Vatikan, was nicht verwundert, da die Kirche den Kommunismus bekanntlich scheut wie der Teufel das Weihwasser. Das Mausoleum von Yun Sat-Sen ist für Chinesen der Volksrepublik und Chinesen aus Taiwan ein gemeinsamer Identifikationsort. Beide Gruppen sehen in der Gründung der Republik und der damit einhergehenden Abschaffung des Kaiserreichs einen Fortschritt. Für die Taiwaner ist der Ort noch wichtiger, denn sie sehen sich als Fortsetzung des republikanischen Chinas. Die offizielle Bezeichnung Taiwans lautet übrigens bis heute - und daran rüttelt im Moment auch niemand - Republik China. Meinling Gong - Das Haus von Song Meiling Ebenfalls auf dem Zhong Shan Berg befindet sich Meiling Gong, das Haus von Song Meiling, der Frau von Chiang Kai-shek. Song Meiling, Madame Chiang Kai-shek, war eine der prominentesten Figuren auf der politischen Bühne Chinas. Sie war eine der einflussreichsten Frauen des 20. Jahrhunderts und verkörperte Schönheit, Intelligenz, Vermögen, Macht, Einfluss und Ehre. Durch ihr Studium in den USA, das ihr reicher Vater ihr ermöglicht hatte, lernte sie die westliche Kultur kennen. Sie sprach perfekt Englisch und handelte und redete wie eine Frau aus dem Westen. Sie sagte einst über sich: "Das einzig Asiatische an mir ist mein Gesicht." Nach der Heirat mit Chiang Kai-shek im Jahr 1927 war sie aktiv in die Politik und die auswärtigen Angelegenheiten eingebunden. Ihre Ausstrahlung und Sozialkompetenz hatten großen Einfluss auf die sino-amerikanischen Beziehungen. Sie erschien auf Titelseiten von Time, Life und Newsweek und ging im Weißen Haus bei Eleanor und Franklin Roosevelt ein und aus. Am 18. Februar 1943 trat sie als erste Chinesin und als zweite Frau vor den US-Senat und das Repräsentantenhaus mit einer flammenden Rede, die sie weltberühmt machte. Diese Rede brachte die USA an die Seite Chinas im Kampf gegen Japan. Interessanterweise hatte Meiling zwei Schwestern, die alle ebenso mit mächtigen Männern verheiratet waren. Die älteste Schwester Song Ailing hatte den Finanzmagnaten und späteren Finanzminister unter Chiang Kai-shek H.H. Kung geheiratet. Die andere Schwester Song Qingling war die Frau von niemand geringerem als Sun Yat-sen. Trotzdem stand sie nach dem Tod von Sun Yat-sen den Kommunisten nahe, was die Schwestern zu Feinden werden ließ. Sie sahen sich nie wieder. Eine Familiensaga, die ihresgleichen allenfalls noch beim Kennedy-Clan zu finden ist. Nach dem Sieg der Kommunisten floh Meiling mit Chiang Kai-shek nach Taiwan und regierte mit ihm dort autokratisch, wie sie es früher in Nanjing getan hatten. Chiang Kai-shek glaubte bis zu seinem Tod daran, dass er die Volksrepublik von Taiwan aus zurückerobern und die Kommunisten besiegen könne. Als er 1975 starb, ging Song Meiling nach New York, wo sie bis zu ihrem Tod im Jahr 2003 im Alter von 106 Jahren lebte. Sie lebte zurückgezogen, gab nie ein Interview und schrieb keine Memoiren. In den letzten Jahren ihres Lebens wurde sie gleichermaßen zur Ikone von Chinesen aus Taiwan wie aus der Volksrepublik. Seit ihrem 100. Geburtstag 1997 darf sie auch in der Volksrepublik bewundert werden. Song Meiling mit Chiang Kai-shek - ein Jahr vor der Niederlage der Nationalisten gegen die Kommunisten Hochzeitsfotos von Song Meiling mit Chiang Kai-shek Song Meiling und Chiang Kai-shek im Exil in Taipeh Song Meiling an ihrem 100. Geburtstag in New York. Meiling Gong, gebaut von 1931-1934, diente ursprünglich als Residenz für höhere Beamte der Nationalregierung, wenn sie das Mausoleum von Yun Sat-Sen besuchen wollten. Das riesige Haus ist in einem Mix aus chinesischem und westlichem Stil eingerichtet. Der Ming-Palast Vom Purpurnen Berg mit seinen Sehenswürdigkeiten geht es hinunter in die Stadt, in den Bezirk Xuanwu. Dort lag auch der Palast der Ming als Nanjing deren Hauptstadt war. Der ehemalige Ming Palast, die Verbotene Stadt Nanjings, war ebenfalls konsequent mit gelben Dächern, der Farbe des Kaisers, eingedeckt. 1367, als Nanjing noch Jiankang hieß, wurde der Bau des Palastes von Zhu Yuanzhang, dem ehemaligen Bauernjungen und ersten Kaiser der Ming-Dynastie begonnen. Nanjing war nicht lange Hauptstadt. 1402 machte der dritte Kaiser der Ming-Dynastie, Zhu Di, Peking wieder zur Residenz und begann unmittelbar danach mit dem Bau der dortigen Verbotenen Stadt. Nanjing war seitdem 300 Jahre Nebenhauptstadt. Verschiedene Brände verheerten Teile des Palastes, die nicht wieder aufgebaut wurden. Heute ist außer ein paar Grundmauern und einem Park nicht mehr viel übrig geblieben. Der Präsidentenpalast Ein paar Meter weiter westlich liegt der Präsidentenpalast, der seit der Qing-Dynastie als Verwaltungssitz des obersten Regierungsbeamten genutzt wurde. Der Palast spielte allerdings auch wieder eine gewichtige Rolle in der Geschichte des 19. und 20 Jahrhunderts. Bevor es aber wieder um Chiang Kai-shek geht, geht es noch in die kurze Phase der Taiping. Plan des Präsidentenpalastes 1853 wurde das Gebäude von Anhängern des Taiping-Aufstands besetzt und als Residenz für den Anführer der Rebellen deutlich erweitert und umbenannt in 'Himmlischer Palast'. Die Taiping waren eine religiöse, zunehmend politisch werdendere Sekte, die in der langsam niedergehenden Qing-Dynastie versuchte, die Macht an sich zu reißen und China zum Taiping-Königreich zu machen. Die Taiping: Der König des Himmels Hong Xiuquan hatte die Macht, sich der Qing-Dynastie entgegenzustellen. 1864 eroberten kaiserliche Truppen Nanjing von den Taiping zurück. Dabei wurde der Palast weitgehend zerstört, aber 1870 wieder errichtet in einer Stilmischung aus europäischen und chinesischen Elementen. Er wurde wieder als Sitz des Generalgouverneurs genutzt. 1911 wurde der Palast nach der Xinhai-Revolution und dem damit einhergehenden Ende des Kaisertums, zum Sitz des ersten Präsidenten Dr. Yun-Sat-Sen, bis die Hauptstadt nach . der Gründung der Volksrepublik wieder nach Peking verlegt wurde. Das Büro des Präsidenten von 1911 bis 1949 Am 23. April 1949 wurde Nanjing von den Kommunisten erobert. Auf diesem Gemälde betreten sie den Präsidentenpalast. Deng Xiaoping, der Nachfolger von Mao Tse-tung, der China von 1979-1997 regierte, ist hier der zweite von rechts. Er ist der Architekt des heutigen modernen Chinas, der Reformer, der das berühmte Zitat prägte: "Es spielt keine Rolle, ob eine Katze schwarz oder weiß ist, wenn sie eine Maus fängt, ist sie eine gute Katze". Mit dieser Formel plädierte er dafür, effiziente wirtschaftliche Maßnahmen zu ergreifen, ohne die marxistische Ideologie zu berücksichtigen. Manche Gelehrte bezeichnen Deng Xiaoping als wichtigsten Mann Chinas im 20. Jahrhhundert. Ihm ist der kometenhafte Aufstieg Chinas zu verdanken, der vor circa 35 Jahren begann. Der Präsidentenpalast steht für die gesamte Phase des Niedergangs der Qing-Dynastie, das Endes des Kaisertums, den Taiping-Aufstands, die Republik China und die Eroberung durch die Kommunisten und ist damit einer der wichtigsten Orte der jüngeren chinesischen Geschichte. Die Stadtmauer von Nanjing Nach dem historischen Exkurs ins 20. Jahrhundert geht es wieder zurück in die Ming-Zeit, ins 14. Jahrhhundert. Eine der bemerkenswertesten Errungenschaften der Ming-Kaiser in Nanjing war der Bau der mächtigen Stadtmauer. Dieses beeindruckende Bauwerk erstreckte sich über eine Länge von etwa 35 Kilometern und umgab die Stadt, um sie vor Eindringlingen zu schützen. Heute sind davon noch 21 Kilometer erhalten, in einem guten Zustand und damit eine wichtige historische Sehenswürdigkeit in Nanjing. Gebaut wurde sie von 1360-1386 ebenfalls von dem ersten Ming-Kaiser Zhu Yuanzhang. Sie ist 14-20 Meter hoch und mit ihrer Länge steckt sie alle mittelalterlichen Stadtmauern Europas locker in die Tasche. Die Höhe von Nanjings Stadtmauer misst zwischen 14-20 Meter. Auf vielen Ziegeln aus der Ming-Zeit findet man Schriftzeichen mit Namen der Handwerker. Von der nördlichen Stadtmauer in der Nähe des Jiming Tempels hat man eine gute Aussicht auf den Xuanwu See. Im Hintergrund sind die Purpurnen Berge zu sehen. Am beeindruckendsten ist das Zhonghua Men, das China-Tor, das auf der südlichen, entgegengesetzten Seite der Altstadt liegt, also 6,5 Kilometer entfernt. Es ist das größte der 13 Stadttore, eine Verteidigungsanlage mit mehreren Höfen, die man in Europa als Zwinger bezeichnen würde. Ich bleibe im Norden und sehe mir den Jiming Tempel an, der direkt an der Stadtmauer liegt und eine pittoreske Landmarke bildet. Jiming Tempel Direkt an der Mauer liegt der Jiming-Tempel mit eigenem Zugang. Er wurde 527 errichtet, mehrfach zerstört und immer wieder aufgebaut. Der heutige Tempel wurde im 14. Jahrhhundert während der Ming-Herrschaft auch von Kaiser Zhu Yuanzhang errichtet, während des Taiping-Aufstandes zerstört und danach wieder aufgebaut. Besonderer Blickfang ist die siebenstöckige Pagode. Vor allem junge Leute kommen auf der Suche nach Spiritualität. Es ist auffällig, wie viele es sind. Im Gegensatz zu Europa, wo nur noch wenige junge Menschen den Weg in die Kirchen finden, nimmt die Gläubigkeit in China zu. Viele junge Menschen beten für eine gute Zukunft, dass die Ausbildung gut abgeschlossen werden kann und dass sie einen guten Job finden. Derzeit ist es für junge Leute schwierig zu finden, was sie sich wünschen, die Jugendarbeitslosigkeit ist im Moment hoch. Die Luft ist vom Duft der Räucherstäbchen erfüllt. Die Schatzschiffe des Ming-Kaisers Die Ming-Zeit lässt einen in Nanjing nicht los. In der Zeit zwischen 1405 und 1433 schickte sich China an, eine Seefahrernation zu werden. Im Auftrag des dritten Kaisers der Ming-Dynastie, Yong Le, befuhren chinesische Schiffe den Indischen Ozean und den Pazifik. Dazu wurden die größten jemals aus Holz gebauten Schiffe in einer für damalige Verhältnisse unglaublichen Größenordnung fertig gestellt. Ca. 80 Meter lang sollen sie gewesen sein, mit neun Masten. Aber nicht allein die Größe der Schiffe beeindruckt, auch die Größe der Flotte. Bei den Expeditionen fuhr eine Armada von hunderten von Schiffen gemeinsam los, in der Mitte die Schatzschiffe, beladen mit kostbaren Produkten wie Porzellan und Seide, begleitet von Kriegsschiffen, Versorgungsschiffen, Getreide- und Vorratsdschunken, Wassertankschiffen usw. Der Leiter dieser Flotte war Admiral Zhang He, ein Mann aus der Stadt Kunming in Yunnan, der weit im Südwesten gelegenen Provinz, vermutlich ein Nachfahre mongolischer Eltern, sicher ein Moslem. Wenig ist über ihn bekannt. Es ist ein seltsamer Umstand, dass alle Aufzeichnungen, Logbücher und Informationen über diese Schatzschiffflotte vernichtet wurden. Nur eine schriftliche Quelle informiert über die damals stattgefundenen Expeditionen. Der junge muslimische Dolmetscher Ma Huhn, der Zheng He bei den Expeditionen begleitete, veröffentlichte 1433 eine Chronik seiner Jahre auf See. Darin erwähnt er alle Länder, die bereist wurden, die Fauna, die Religionen und die kunsthandwerklichen Fertigkeiten der Völker, die er kennen lernte. Über die Größe der Schiffe verliert er aber kein Wort, wodurch die Spekulationen ins Kraut schossen. Eine andere, spätere Quelle könnte Auskunft geben. Im Roman "Der dreifach geschmückte Eunuch Zheng He bereist den westlichen Ozean" wird die Größe der Schatzschiffe mit stolzen 140 Metern Länge angegeben, aber diese Quelle ist unbrauchbar, sie ist ein fiktiver Abenteuerroman über die Expeditionen, der erst 160 Jahre nach Zheng Hes Tod veröffentlicht wurde. Hinweise zu der möglichen Größe der Schiffe lieferten archäologische Funde, als 1957 die Trockendocks der Werft in Nanjing freigelegt wurden. Zwar fand man keine Überreste eines Schiffsrumpfs, aber dafür ein Ruder, von dessen Größe man die Ausmaße der Schatzschiffe ableitete. Andere Wissenschaftler gehen von der Manövrierbarkeit der Schiffe aus, beziehen die Belastungsgrenzen des Materials Holz mit ein und versuchen, daran eine mögliche Größe festzumachen. Bis heute gibt es Vermutungen, die von 60 bis 138 Meter variieren. Warum wurden die Aufzeichnungen über diese beeindruckende Hochseefahrer-Ära vernichtet? Eine mögliche Antwort ist die Kostspieligkeit dieses Unternehmens, die nach und nach Kritik in den Kreisen der Beamtenschaft am Kaiserhof laut werden ließ. Nach dem Tod von Kaiser Yong Le und der Thronbesteigung durch seinen Sohn wurde das Projekt Hochseeschifffahrt eingestampft. Das Kapitel wurde kurzerhand zugeklappt und nie mehr geöffnet. 65 Jahre nach der letzten Rückkehr Zheng Hes von einer Expedition kamen Schiffe aus einer ganz anderen Region der Erde in den Indischen Ozean - aus Portugal. Vasko da Gama erreichte 1497 als erster Europäer den Indischen Ozean und läutete damit das Zeitalter der europäischen Seeherrschaft ein, das die Welt für die nächsten 500 Jahre nachhaltig verändern sollte. Insgesamt wurden unter der Leitung von Admiral Zhang He sieben Expeditionen unternommen: 1405–1407 Erste Reise: Vietnam – Java – Sri Lanka – Süden von Indien 1407–1409 Zweite Reise: Indien. Allerdings ohne Zheng He. 1409–1411 Dritte Reise: Indien und Sri Lanka 1413–1415 Vierte Reise: Hormuz am Persischen Golf und die afrikanische Ostküste 1417–1419 Fünfte Reise: Ostafrika bis Mogadishu 1421–1422 Sechste Reise: Südostasien – Indien – Persischer Golf 1431–1433 Siebte Reise: Malakka und Thailand Aus der Zeit der Schiffsexpeditionen existieren historische Docks in Nanjing, die heute zu einem Museumspark umgestaltet wurden, in dem man die Zeit der Hochseeschifffahrt Chinas in einem kleinen Museum nachvollziehen kann. Höhepunkt des Parks ist ein nachgebautes Schatzschiff, das allerdings einer Grundsanierung bedürfte. Das Massaker von Nanking Bei Nanjing denkt mancher als erstes an das Massaker. Das Gedenken daran legt einen deprimierenden Schatten über die Stadt. Manch einer möchte deswegen Nanjing lieber nicht besuchen. Ich hatte gemischte Gefühle, einen Ort zu sehen, an dem das Grauen wahrhaftig wurde. Der Eintritt in das Memorial ist frei, aber gegen eine Spende erhält man am Eingang eine weiße Chrysantheme, die man unterwegs an irgendeinem Ort des Rundgangs ablegen kann. Um es vorwegzunehmen, der Besuch des "Memorial Hall of the Victims in Nanjing Massacre by Japanese Invaders" war weniger erschütternd, als ich erwartet hatte. Das Massaker wird nicht in hochauflösenden Bildern gezeigt, denn nicht selten kommen Familien mit Kindern. Um ihnen traumtisierende Eindrücke zu ersparen, ist der Erinnerungsort so gestaltet, dass den Besuchern das Schlimmste erspart bleibt. Während des Zweiten Weltkriegs war China in den Zweiten Japanisch-Chinesischen Krieg von 1937-1945 verwickelt. Die Ursache waren japanische kolonialistische Bestrebungen, die sich auf China ausdehnten. China, das durch den Bürgerkrieg geschwächt war, konnte sich nicht verteidigen. Auf chinesischem Territorium richteten die Japaner den Marionettenstaat Mandschuko ein, um von dort aus die besetzten Gebiete zu verwalten. Nachdem die Japaner Schanghai angegriffen und erobert hatten, zogen sie weiter nach Nanjing. Kaiser Hirohito erteilte den Befehl, sich nicht an das Haager Abkommen zu halten, keine Kriegsgefangenen zu nehmen, sondern alle sofort zu exekutieren. Auf dem Weg nach Nanjing hinterließen die Japaner eine Spur des Terrors. Als sie am 8. Dezember 1937 Nanjing erreichten schlossen sie die Stadt ein, am 13. Dezember besetzten sie die Stadt. Was dann begann, war sieben Wochen die reinste Hölle. Menschen wurden auf offener Straße geköpft, lebendig begraben, bestialisch gefoltert, Kranke in ihren Betten zerhackt, Babys auf Bajonette gespießt, an Wände genagelt, über offenem Feuer geröstet, Frauen vergewaltigt und danach getötet. Chinesische Zivilisten werden von japanischen Soldaten lebendig begraben. Die Opferzahlen sind unklar, sehr unterschiedliche Zahlen werden angegeben. In den japanischen Kriegsverbrecherprozessen ging man 200.000 Menschen aus. Wer war John Rabe? Der Hamburger John Rabe arbeitete während des Massakers bei der Siemens-Halske-Niederlassung in Nanjing. Während der Geschehnisse richtete er eine Sonderschutzzone ein, in der 250.000 Chinesen Schutz vor den Japanern fanden und vor dem Tod gerettet wurden. Das Wohnhaus von John Rabe ist heute eine Gedenkstätte. In China ist er berühmt und gilt als zweiter Oskar Schindler. Er wurde 2009 von 56 Mio. Chinesen bei einer Umfrage von Radio China International unter die Top Ten Friends of China der letzten hundert Jahre, die Ausländer sind, auf Platz 2 gewählt. Als Mitglied der NSDAP wurde er nach dem Zweiten Weltkrieg vorerst nicht entnazifiziert, später doch wegen seines humanitären Einsatzes. Eine verantwortungsvolle Position bekam er trotzdem nicht mehr und starb 1950 verarmt in Berlin. Er ist in Deutschland so gut wie vergessen, in China lebt sein Andenken weiter. Vermutlich kennt fast jeder Chinese ihn.

  • Am Li-Fluss

    Der Li-Fluss verkörpert wie kaum eine andere Region unsere europäische Vorstellung von China. Zuckerhutähnliche Berge ragen aus einer Ebene, durch die der Fluss mäandert. Dazu kommt noch die Witterung, bei der die Berge oft in Nebelschwaden oder Wolken versinken und mit etwas Glück verzaubern Sonnenuntergänge die Landschaft, wenn Kormoranfischer auf ihren Bambusflößen in der Dämmerung ausfahren, um bei Laternenschein zu fischen. Ein Kormoranfischer auf dem Li-FLuss, nicht im Sonnenuntergang, sondern am Morgen Geschickt und behände bewegen sich die alten Männer auf dem schmalen Floß. Der Fluss hat teilweise starke Strömung. Um diese einzigartige Landschaft zu erfassen, bietet sich eine etwa vierstündige Schifffahrt von Guilin nach Yangshuo an. Bei der Flussfahrt gibt es nicht nur einen kurzen Abschnitt mit landschaftlicher Schönheit, sondern einen stundenlangen Rausch, 80 km von einem atemberaubenden Höhepunkt zum nächsten. Abends in Guilin am Shanhu Lake im Riyue Shuangta Cultural Park, Frauen in traditioneller Tracht der Miao, einer der Minderheiten der Provinz Gunagxi, in der der Li Jiang fließt. Ich flog nach Guilin, verbrachte dort einen Abend und eine Nacht, um am nächsten Morgen zur Ablegestelle "Zhujiang Passenger Transport Gangqu" zu fahren. Vom Zentrum Guilins mit dem Taxi dauert die Fahrt dorthin circa eine Stunde. Taxifahren ist in China nicht teuer, Kosten ca. 10 Euro. Als ich ankam, wartete schon eine ganze Armada von Booten. In der Nacht hatte es geregnet, alles war nass und tiefe Wolken hingen in den Bergen. Eine gemütliche Geschäftgkeit herrschte am Pier, Schiffe wurden mit Proviant beladen, es wurde geputzt und alles durchgecheckt für die Ankunft der Gäste. Großzügig und gemütlich wie eine Lounge. Eine Reisebegleiterin bereitet den Begrüßungstee für die Gäste vor. Die Panoramafenster bieten einen guten Blick auf den Fluss, aber irgendwann geht man sowieso an Deck, weil man dort den 360 Grad-Rundumblick hat. Und dann ging es los. Drei bis vier Stunden hatten wir ununterbrochen Ansichten, wie ich sie mir erträumt hatte und ich wollte gar nicht mehr unter Deck gehen. Nach dem absoluten Höhepunkt der Fahrt, den alle Chinesen sehnsüchtig erwarten - die Flusswindung bei Xing Ping Town mit der berühmten Ansicht auf dem 20 Yuan-Geldschein - gab es ein Büffet und alle verkrümelten sich nach unten, so dass ich das ganze Deck für mich allein hatte. Die 20-Yuan-Note mit der Ansicht des Li-Flusses bei Xing Ping Town Irgendwann ging ich auch essen, zwanzig Minuten kann man schon auf diese Aussichten verzichten, man wurde ja schon stundenlang mit grandiosen Anblicken gesättigt. Selbst bei schlechtem Wetter sehen die Berge gut aus. Es regnet häufig am Li-Fluss, das Klima ist subtropisch und die Provinz Guangxi liegt neben Vietnam, das schon zu Südostasien zählt. Chinesen sind relativ unempfindlich, was schlechtes Wetter betrifft. Man fährt im strömenden Regen auf Flößen, Motorrollern oder im Gespann, macht den Schirm auf und trotzdem fließt überall das Wasser hinein, aber da man barfuß Badelatschen trägt, ist es sowieso egal, ob man im Wasser steht. Übers Wetter wird nie genörgelt. Liegt es am Daoismus? Liegt es daran, dass sich Regen und Sonne, zwei dualistische Kräfte, ganz yin-yang-mäßig gegenseitig ergänzen? Dass es das eine nicht ohne das andere geben kann und daher beides gleichwertig ist? Beim Anblick chinesischer Landschaftsmalereien mit Bergen im Nebel bekommt man den Eindruck, dass Chinesen trübes Wetter, Wolken und Nebel mögen. Nicht umsonst sind wolkige Landschaften am Li-Fluss oder in den Gelben Bergen oder im Nationalpark Zhangjiajie Lieblingsmotive der chinesischen Landschaftsmalerei. Mai und Juni sind in Guilin die regenreichsten Monate. Weniger Niederschlag gibt es in den Wintermonaten, die aber kalt sind. Der September ist gut geeignet, weniger Regen, warme Temperaturen und vielleicht besseres Licht für stimmungsvolle Fotos durch die tiefer stehende Sonne. Obwohl morgens die vielen Boote auf einmal losfahren, entzerrt sich die Flotte, so dass man während der Fahrt teilweise kaum ein Schiff vor oder hinter sich sieht. Die Armada erreicht Yangshuo zwischen 13 und 14 Uhr. Dort ergießt sich dann die Touristenflut in den beliebten Ort, wo der Rummel bald auf Hochtouren läuft. Die Boote fahren ohne Gäste zurück. Yangshuo bietet das übliche chinesische Touristenprogramm. In der West-Street reiht sich ein Restaurant und Geschäft ans andere. Musik, Menschen, Lärm, Essen ohne Ende. Und immer wieder das Street-Food, das es überall in China gibt: Zongzi, in Bambusblätter eingewickelter Klebereis, gebratener Tofu in würziger Soße, Yang Rou Chuan, Lammfleischspieße mit scharfen Gewürzen aus der westchinesischen Küche usw. Dazu jede Menge frisch gepresste Obstsäfte aus Orangen, Passionsfrüchten oder Zuckerrohr. Spezialiät am Li-FLuss: Flussschnecken Für Leute, die nicht aus Südostasien kommen, ein bizarrer Anblick. Insekten als leckerer Snack. In Vietnam, Thailand, Kambodscha und den südwestlichen Provinzen Chinas normal. Der Rummel strengt an und man fragt sich, ob es für Chinesen noch andere wichtige Dinge außer Essen gibt? Ja, z.B. sich für Fotos in Pose zu werfen. Entsprechend gibt es unzählige Läden, in denen man sich für ein Fotoshooting landestypisch schminken und in Tracht einkleiden lassen kann. Dann geht es an den Fluss, wo man sich mit den Bergen im Hintergrund oder auf einem Bambusfloß fotografieren lässt usw. Wenn man Ruhe sucht, ... findet man sie außerhalb der Stadt. Am besten mietet man sich ein Fahrrad, besser noch einen Elektroscooter, mit dem man die Distanzen schnell und bequem überwinden kann und los geht's. Man braucht fürs Scooterfahren weder Führerschein noch Vorerfahrung und es ist leichter als man glaubt. Ich hatte keine Erfahrung, wurde drauf gesetzt, einmal 50 Meter die Straße rauf und runter, dann war der Vermieter der Auffassung, dass ich es kann. In China gibt es innerhalb der Stadt immer Extraspuren für Scooter, so dass man vom Autoverkehr getrennt ist. Das vorausschauende Fahren, das man in deutschen Fahrschulen eingebleut bekommt, ist hier Realität, denn Verkehrsregeln sind den Leute herzlich egal und gelten eher als Empfehlungen. Aber genau das macht das Fahren stressfrei, denn jeder fährt langsam, weil man mit allem rechnet. Hat man die Stadt verlassen, wird es sehr beschaulich, und ruhig und man hat die Straße fast für sich allein. Es ist warm trotz der Bewölkung und des gelegentlichen Regens. Der Fahrtwind bringt angenehme Abkühlung. Es geht durch Dörfer und vorbei an Feldern, auf denen die Bauern ihr Essen als Selbstversorger anbauen. Reis, Auberginen, Dragon-Fruits, Paprika, Erdnüsse, Tee, Mandarinen, Passionsfrüchte, Mangos usw. Südchina ist ein Früchte- und Gemüseparadies. Die Arbeit wird mit den Händen, ohne motorisierte Geräte verrichtet wie seit Jahrtausenden. Manche, die nicht arbeiten, sitzen im Dorf und spielen Karten, vereinzelt laufen ältere Menschen am Feldrain entlang und besehen den Stand der Ernte. Hier wachsen sie einfach so im Garten: Amaryllis Die Blüte einer Auberginenpflanze, jeder Garten ist ein kleines Paradies. Viele kleine Friedhöfe liegen am Rande der Dörfer. Meist etwas abseits, damit die Toten ihre Ruhe haben. In China werden die Menschen dort bestattet, wo ihre Vorfahren liegen. In Guangxi ähnelt die Bestattungskultur unseren Ritualen. Die Menschen werden in Särgen in der Erde bestattet, darüber wird ein Grabstein aufgestellt, hier ein Stein mit einem Phönix und einem Drachen. Der Drache wird in der chinesischen Mythologie oft als Beschützer angesehen, der gegen böse Geister kämpft. Der Phönix ist ein Symbol für Unsterblichkeit und Wiedergeburt. Es wird gesagt, dass er aus seiner Asche wiedergeboren wird, was ihn zu einem Symbol für Neubeginn und Erneuerung macht. Den Phönix gibt es übrigens mit einem fast gleichen mythologischen Hintergrund auch in der griechischen Kultur. Ca. 13 Kilometer entfernt von Yangshuo machte ich Mittagspause in dem winzigen Dorf Liugongcun, das vor 800 Jahren gegründet wurde und heute noch einen Verteidigungsturm hat, mit dem dieser Ort einst gesichert und kontrolliert wurde. Gemächlich, breit und träge fließt der Li-Fluss am Dorf vorbei. Das gegenüberliegende Ufer ist wild und dunkelgrün überwuchert. Ein kleines Restaurant, auf den ersten Blick gar nicht als solches erkennbar, lud mit seiner überdachten Terrasse und guter Aussicht auf den Fluss ein. Nach dem letzten heftigen Regenschauer war die Luft vorübergehend so abgekühlt, dass leichter Dampf aus dem Fluss aufstieg und sich geheimnisvoll über die Wasseroberfläche legte. Aus dem Dickicht vom gegenüber liegenden Ufer erklangen exotische Vogelrufe, das Glucksen des Wasser und das Träufeln vom Dach erinnerten noch einige Zeit an den letzten Regenguss. Die Zivilisation schien endlos weit weg zu sein, kein unnatürliches Geräusch war vernehmbar und die Szenerie ähnelte genau der auf Bildern aus der Song-Dynastie aus dem 12. und 13. Jahrhundert. Wasserbüffel am Ufer des Li-FLusses Der Koch, ein älterer Mann und Großvater, wohnt dort mit seiner Familie. Als ich zu Gast war, war nur sein Enkel zu Hause, der mit seinem Freund den ganzen Tag ununterbrochen Fernsehen guckte. Es waren Ferien und die Kinder konnten endlich tun, was sie wollten. Der Großvater schlug vor, einen Bierfisch zu kochen, eines der Traditionsgerichte am Li-FLuss. Ich suchte mir aus einem Bassin den Wels aus, der zubereitet werden sollte und schaute danach dem Mann in der Küche beim Kochen zu. Der Fisch wurde in Stücke gehackt und in Erdnussöl gebraten, danach Zwiebeln, Knoblauch, Ingwer und Chilli in Erdnussöl angeschmort, Tomatenstücke und Paprika und Frühlingszwiebeln hinzufügt, alles mit Sojasoße und Salz abgeschmeckt, etwas Kochwein hinzugegeben, die Fischstücke dazu, mit einer Flasche Bier aufgefüllt, ein paar Minuten schmoren, fertig und köstlich! Man darf in chinesischen Küchen nicht auf die Sauberkeit achten. Auch die Wohnsituation ist oft befremdlich. Nach dem Kochen kam der Großvater auf die Terrasse und sang. Es wirkte nicht, als ob er es für mich tun würde. Er schaute dabei die ganze Zeit auf den Fluss. Ich meinte mich zu erinnern, das Lied öfters in buddhistischen Klöstern gehört zu haben. Meine Fahrt ging weiter zum Moon Hill, einem Berg mit einem gigantischen runden Loch in der Mitte, das im Laufe der Jahrmillionen durch Erosion entstand und das die Chinesen an den Vollmond erinnert, der in der chinesischen Kultur symbolisch für Vollkommenheit, Harmonie und Einheit steht. Neben dem Li-Flusses gibt es einen ebenso interessanten und schönen Nebenfluss, den Yulong He, auf deutsch: Drachenfluss. Er ist nur 35 Kilometer lang und mündet bei Yangshuo in den Li-Fluss. Er ist schmaler und ruhiger, denn Touristen werden auf Bambusflößen von Bootsmännern mit einem langen Stab  durch das Wasser gestochert. Auf dem Li-Fluss geht es hingegen mit kleinen, aber nervigen, weil lauten Motoren voran. Auch wenn man am Ufer bleibt, ist es schön, wenn die Flöße geräuschlos vorbei ziehen. In der Gegend um Baisha gibt es etliche Brücken wie z.B. die Fuli-Brücke oder die Drachenbrücke. Diese halbkreisförmigen Brücken haben Ähnlichkeit mit der Rakotzbrücke in Kromlau bei Görlitz oder den Genueserbrücken im westlichen Mittelmeerraum. Das Besondere an ihnen ist nicht nur ihr malerischer Anblick, sondern ihre Konstruktion, denn sie wurden ohne Mörtel errichtet. Ich musste meine Tour leider abbrechen, bevor ich die Brücken erreichte, da ein Gewitter aufzog, es dauerhaft zu regnen begann und sich stark abkühlte.

  • Das Changde Apartment

    Im Stil des Neuen Bauens wurde das Apartmenthaus errichtet, in dem eine der bekanntesten Schriftstellerinnen der modernen chinesischen Literatur wohnte, Zhang Ailing oder auf Englisch: Eileen Chang. Das Haus wird wohl für immer mit ihr assoziiert werden, sogar dessen ursprünglicher Name Eddington House wurde umgeändert zu Changde Apartment. Eileen Chang lebte zweimal in diesem Gebäude, zunächst 1939 als ganz junge Frau mit ihrer Mutter und ihrer Tante und später, nach ihrem Studium in Hong Kong in den Jahren von 1942 bis 1947 im Apartment No. 60. Während dieser Zeit erlebte sie ihre produktivste und kreativste Schaffensphase, in der sie einige ihrer wichtigsten Werke schrieb, z.B. Red Rose, White Rose (红玫瑰与白玫瑰) von 1944, Love in a fallen City (倾城之恋) von 1943, Das Goldene Joch (金锁记) von 1943 oder die Kurzgeschichte Sealed Off (封锁). In Deutschland ist sie hauptsächlich bekannt durch Ang Lees Film "Gefahr und Begierde", erzählt nach einer ca. 40 Seiten umfassenden Kurzgeschichte, die Eileen Chang 1979 schrieb, als sie bereits in den USA lebte. Szenenfoto aus Ang Lees Film "Gefahr und Begierde" Das Gebäude wurde 1936 im Stil des Neuen Bauens errichtet, einer Architekturrichtung, die das Schanghai der 20er bis 40er Jahre prägte und Architekturliebhaber in dieser Stadt voll auf ihre Kosten kommen lässt. Auffällig sind an diesem Haus vor allem die abgerundeten Balkone, die an aerodynamische Formen moderner Transportmittel wie Autos oder Schiffe erinnern. Die deutschen Architekten des Neuen Bauens Erich Mendelsohn und Emil Fahrenkamp lassen grüßen. Speziell sind auch die in Schanghai als europäische Fenster bezeichneten gusseisernen Fenster mit ihren schmalen Sprossen, die nicht nur bei diesem Gebäude die Architektur Schanghais markant prägen. An Art Deco erinnern die Symmetrie sowie die horizontalen und vertikalen Linien, die sich als Simse oder schlanke Pilaster über die gesamte Höhe des Gebäudes erstrecken und ihm eine markante Erscheinung geben. Moderne Architektur, in der die moderne, emanzipierte Schriftstellerin lebte, arbeitete und das Geschehen der Großstadt genoss. In dem Artikel "Notes of Delight in the Living of Changde Apartment" beschreibt Eileen Chang ihr Leben in ihrer Wohnung: "Ich höre gern dem Klang der Stadt zu. Menschen, die poetischer sind als ich, liegen auf ihren Kissen und lauschen dem Rauschen des Windes in den Kiefern des Waldes oder dem Rauschen der tosenden Wellen des Meeres. Ich hingegen muss zum Einschlafen das Klingeln der Straßenbahn hören. Eine Wohnung ist ein idealer Rückzugsort von der Außenwelt. Menschen, die des Großstadtlebens überdrüssig sind, sehnen sich nach dem Tag, an dem sie sich in ihr altes Landhaus zurückziehen, Bienen halten, ein paar Feldfrüchte anbauen und eine wohlverdiente Ruhe genießen können. Sie wissen aber nicht, dass auf dem Land schon der Kauf von einem halben Pfund geräuchertem Fleisch einen Sturm von Klatsch und Tratsch auslöst, während man sich in einer Wohnung im obersten Stockwerk direkt vor dem Fenster umziehen kann, ohne dass irgendjemand Anstoß daran nehmen würde." Eileen Changs Schreibstil ist eine Mischung aus Eleganz, Emotionalität und intellektueller Schärfe. Besonders geschickt ist sie darin, innere Konflikte und Emotionen ihrer Charaktere zu erkunden. Sie zeichnet komplexe Porträts von Menschen, die mit Liebe, Verlust, Einsamkeit und Identitätssuche konfrontiert sind. Sie kritisiert subtil die Geschlechterrollen, soziale Hierarchien und politische Umstände ihrer Zeit. Chang erschafft dichte und sinnliche Atmosphären, die den Leser in die Welt ihrer Geschichten eintauchen lassen. Ihre Beschreibungen von Orten, Kleidung, Geräuschen und Gerüchen tragen zur Atmosphäre ihrer Erzählungen bei. Obwohl ihre Werke oft ernste Themen behandeln, verwendet Chang auch Ironie und subtilen Humor, um die Absurdität des menschlichen Verhaltens und der sozialen Normen zu beleuchten. Als das Changde Apartment noch als Eddington Apartment bekannt war, befand sich in der unteren Etage ein Café. Jeden Nachmittag ging Eileen Chang dorthin, um sich zu entspannen. Das aktuelle Changde Apartment soll von einem Fan von ihr gekauft worden sein und darf daher nicht ohne Erlaubnis betreten werden. Allerdings wurde im Erdgeschoss eine Buchhandlung im Eileen-Chang-Stil mit dem Namen Eddington Literary House (Qian Mai Shu Fang) eröffnet, die im Stil der damaligen Zeit eingerichtet wurde und Scharen von Eileen-Chang-Fans anzieht. Wenn man die Berühmtheiten Schanghais aufzählen würde, wäre Eileen Chang ganz oben dabei. Ihre Spuren lassen sich in der ehemaligen Französischen und der Internationalen Konzession verfolgen. Dort lag ihr Umfeld, dort waren ihre literarischen Räume, die eng mit der modernen Architektur und dem modernen Leben Schanghais verbunden waren.

  • Qipao - der Shanghai-Style und die Frauenmode der 20er Jahre

    Der Qipao ist ein eng anliegendes, taille- und figurbetonendes, seitlich geschlitztes Kleid mit Stehkragen und kurzen Ärmeln, das durch eine Knopfleiste an der Seite geschlossen wird. Die Ärmellänge und die Höhe des Kragens können variieren, ebenso die Länge des Kleides, das bis zu den Knien oder den Knöcheln reichen kann oder sogar über den Boden beim Gehen streift. Der Qipao gilt bei westlichen Menschen als Symbol für weibliche chinesische Kleidungskultur schlechthin. Die Stoffe reichen von Krepp, Seide, Satin, Tweed und Baumwolle, Popelin, Polyesterseide bis zu vielen anderen Materialien. Die Muster sind entweder gewebt oder gedruckt und variieren von Blumen über Tiere, Streifen, geometrische Ornamente, Federn usw. Entwickelt wurde diese Form in Schanghai. Bis zur Entwicklung des Qipao war die traditionelle Kleidung der Chinesinnen zweiteilig, bestehend aus einer Hose und einer Jacke. Der Qipao entstand durch die Kombination von westlichen Einflüssen und der traditionellen Kleidung der Mandschu-Frauen. Die Kombination zwischen östlicher und westlicher Kultur ist das Hauptmerkmal dieses Kleides. Dass es in Schanghai entstand, verwundert nicht, denn die Stadt war damals ein europäisches Zentrum in China und unzählige Europäer lebten in Schanghais Konzessionen. Seit 2007 gehört der Qipao zum immateriellen Kulturerbe der Stadt. Der Charme und die Schönheit des Schanghai-Qipaos haben eine ganze Generation chinesischer Frauen bei der Kleiderwahl stark beeinflusst. Den modischen Höhepunkt erreichte das Kleidungsstück in den 30er Jahren. Als die Kommunisten die Volksrepublik ausriefen, verließen viele Schneider Schanghai und gingen nach Hongkong, wo der Qipao noch bis in die 50er/60er Jahre sehr populär blieb. Der Qipao heute Bei der alljährlichen Show des chinesischen Staatsfernsehens zum Neujahrsfest wurde 2020 eine Choreographie gezeigt, die den Stil der Qipao tragenden Schanghai-Frau in den 20er und 30er Jahren aufgreift. Die Nummer mit diesen träumerischen, ätherischen, fast schwebenden Frauengestalten ist beeindruckend. Um sie zu sehen, klicke auf den folgenden Link Choreographie in Qipao-Kleidern bei der Neujahrsshow 2020 Im Film "In the Mood for Love" von Wong Kar Wei trägt die Schauspielerin Maggie Cheung in jeder Szene einen Qipao. Der melancholische Film, der zwei Goldene Palmen in Cannes gewann und von einer platonischen, unerfüllten Liebe im Hongkong der 60er Jahre handelt, hat den Qipao wieder sehr populär gemacht. Ebensolches bewirkte die Darstellung von Tang Wei in Ang Lees grandios ausgestattetem, aber tragischem Film "Gefahr und Begierde", der im Schanghai der 40er Jahre unter japanischer Besatzung spielt. Wie man merkt, kann ich eine Liebe für das chinesische Kino nicht leugnen. Um den Trailer zu "Gefahr und Begierde" zu sehen, klicke auf den folgenden Link Trailer zum Film "Gefahr und Begierde Bei den Olympischen Spielen 2008 in Peking wurde der Qipao zur Kleidung der Hostessen, womit dieses Kleidungsstückes weltweit Aufmerksamkeit erregte. In Schanghai kaufen Frauen heute ihren Qipao in der Changle Road und der Maoming Road, wenn sie ein ganz besonderes Stück haben möchten, da dort die besten Schneider und die größte Auswahl an Stoffen und Materialien zu finden sind. Die Maoming Road ist lang. Besonders gute und zugleich sehr teure Schneider befinden sich zwischen Changle Road und Huaihai Road zwischen dem Garden Hotel und dem Jin Jiang Hotel, zwei besonders schöne historische Bauten aus der Zeit der Konzessionen. In der Changle Road ist der Abschnitt zwischen Maoming Road und Shanxi Road hervorzuheben, wo ein Qipao-Geschäft neben dem anderen liegt. Ich habe selten eine Stadt gesehen, in der sich so viel um die Schönheit von Frauen dreht wie in Schanghai. Ich glaube, es ist nicht zu viel gesagt, wenn man Schanghai auf gleiche Ebene wie Paris stellt.

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