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- Es ist Herbst in Schanghai
Die Tage werden merklich kürzer und seit dem Wochenende ist es richtig kalt. In Peking fiel schon der erste Schnee, das ist Anfang November auch für die im Norden gelegene Hauptstadt sehr früh. Alle warnten mich vor dem Winter in Schanghai. Jetzt ist es soweit. Es ist kalt geworden und in der kommenden Nacht sollen die Temperaturen auf 1 Grad sinken. In Schanghai gibt es keine Heizungen. Eine alte Regel besagt, dass man südlich des Jangtse, der China in Norden und Süden teilt, nicht heizt. Da Schanghai südlich der Jangtsemündung Jangtsemündung liegt, gibt es hier. keine Heizungen. Trotzdem ist der Winter, gerade weil es keine Heizungen gibt, unangenehm. Aber Klimaanlagen können zum Glück auch wärmen. Bei Uniqlo sah ich vor einer Woche, als man noch wunderbar im T-Shirt draußen sitzen konnte, massenweise Wintersachen, die Auslagen erinnerten mich an einen Wintersportort. Jetzt weiß ich, warum und bin echt froh, dass ich die Warnungen meiner Kollegen vor dem Winter ernst genommen hatte und zwei Tage, bevor es losging, einkaufen war. Schal, Mütze, warme Hemden - volles Programm. Lange Unterhosen wären auch nicht verkehrt gewesen. Man sitzt stundenlang im Büro, bewegt sich nicht und dann wäre etwas Wärmendes an den Beinen nicht verkehrt. Die Häuser kühlen schnell aus. Energetisches Bauen ist hier nicht angesagt. Als ich heute Morgen vor die Tür ging, war es eigentlich herrlich - so klar und kalt bei wolkenlosem Himmel mit tief stehender Morgensonne. Im Herbst und Winter wird es in Ostchina früh dunkel. Das Reich der Mitte ist groß und hätte theoretisch vier Zeitzonen, also wie Europa von Moskau bis Lissabon. Aber in ganz China gibt nur eine einzige Zeitzone. Da Schanghai an der Ostküste liegt, geht die Sonne hier früh auf und unter. In Westen in Zentralasien hingegen wird es deutlich später hell bzw. dunkel. Wenn es hier 21 Uhr ist und man langsam müde wird, weil die Dunkelheit schon seit Stunden die Melatoninausschüttung anregt, ist es im Osten Xinjiangs noch taghell und auch 21 Uhr. Herbstabend in Schanghai - sieht aus wie im Film "Blade Runner" von 1982 Im Spätherbst, wenn die Dämmerung sehr früh kommt, kann man sich in Schanghai schon etwas verloren fühlen. Mein Weg zur Metro führt an einer Schnellstraße entlang, Autos rauschen an mir vorbei rauschen, VerkehrsSchilder leuchten in verschiedenen Farben, chinesische Schriftzeichen, Passanten eilen anonym an mir vorbei, irgendwo in der Ferne ertönt eine Polizeisirene. Beim Anblick der Hochhäuser frage ich mich, wie viele Biographien und Schicksale hinter den Fenstern dieser abertausenden Wohntürme leben. Dieses Gefühl des Verloren-Seins kann bedrücken und wurde in diversen Filmen thematisiert. Der Blade Runner spielt zwar in Los Angeles, aber letztendlich ist dort die Stadt zu einer asiatischen Metropole geworden. Sofia Copolla hat Tokio zur Projektionsfläche vom Gefühl des totalen Verlorenseins von Scarlet Johansson im Film Lost und Translation gemacht.
- Shanghai Circus World
Wenn man eine glanzvolle Show sehen möchte und auf Artistik steht, sollte man sich die Shanghai Circus World nicht entgehen lassen. Mit der Metrolinie 1 geht es zur Station "Shanghai Circus World", Exit 3, von dort kann man das Zirkusgebäude nicht übersehen. Den Zirkus gibt es seit 2005, die Shows variieren, so dass es sich lohnt in gewissen Abständen wieder zu kommen. Für chinesische Verhältnisse ist der Eintritt nicht billig, aber Shows wie Cirque du Soleil oder Formate, die man in Las Vegas geboten bekommt, sind mindestens dreimal so teurer. Nur der Eintrittspreis ist niedriger als in Las Vegas, ansonsten ist die Show auf Las-Vegas-Niveau. Man erlebt ein multimediales Spektakel von Effekten, Musik, Licht und Bühnenbildern. Im Mittelpunkt steht die Akrobatik und die Artisten haben Fähigkeiten, die in China mit seiner jahrtausendealten Tradition im Bereich der Körperbeherrschung überdurchschnittlich sind, wie man auch in Deutschland spätestens seit André Hellers chinesischer Show "Begnadete Körper" aus den 80er Jahren weiß. Die Shanghai Show ist ausschließlich chinesisch gestaltet, was die Musik als auch das Bühnenbild und die Kostüme betrifft. Ich bin froh, dass ich hier nichts Amerikanisches höre und sehe. Es gibt keine Verschnaufpause, ein Höhepunkt jagt den nächsten und es bleibt zwei Stunden dynamisch und unterhaltsam.
- Das Quartier Tianzifang
An der südöstlichen Grenze der ehemaligen French Concession findet man das bei Touristen sehr beliebte Viertel Tianzifang. Man erreicht es mit der Metrolinie 9, Station: Dapuqiao, Exit 1. Das Viertel liegt direkt im Block gegenüber. Dort gibt es jede Menge kleiner Geschäfte, Cafés, Pubs usw. Früher war es ein Quartier, das Künstler wegen der billigen Mieten anzog. Heute liegt dieser kleine Bezirk in der teuersten Gegend Schanghais. Zwischen kleinen Shikumens, also alten Reihenhäusern, winden sich viele enge, labyrinthartige Gassen. Die Shikumens sind aus Backstein, der in China übrigens oft dunkelgrau ist. Dadurch bekommt das Viertel eine etwas angeschwärzte Atmosphäre, die man in ähnlicher Art auch in alten Stadtbezirken Londons wie Camden Town oder Soho finden kann. Aufgehübscht wurde das Viertel trotz seiner Renovierung um 2006 nicht, weil man seinen ursprünglichen Charakter erhalten wollte.
- Asien in Düsseldorf
Die wohl fernöstlichste Stadt Deutschlands ist Düsseldorf. Angefangen hatte alles mit den Japanern nach dem Zweiten Weltkrieg. Die kamen, weil die Schwerindustrie des benachbarten Ruhrgebiets eine entscheidende Rolle beim Wiederaufbau der Städte spielte. Die ersten Unternehmen siedelten sich schon in den 50ern an: Okura, das Handelshaus Mitsubishi und die Bank of Tokyo. Die Stadt Düsseldorf begann bald danach mit gezielter Akquise japanischer Unternehmen. 1978 wurde das Japan-Center an der Immermannstraße eröffnet. Die Idee, "Japan-Tage" zu veranstalten, entwickelte man bereits in den 60ern. Seit 2002 nehmen sie immer größere Dimensionen an und ziehen hunderttausende Gäste an. Den Abschluss davon bildet alljährlich das große japanische Feuerwerk. Das Zentrum der japanischen Community befindet sich in der Immermannstraße. Zahlreiche europäische Headquarters haben sich hier niedergelassen. Wer nach diesen Beschreibungen eine Art Chinatown wie in New York erwartet, wird total enttäuscht. Es gibt an der Immermannstraße und den Seitenstraßen keine asiatischen Straßenlampen, kein asiatisches Tor, das den Anfang des Viertels hervorhebt, allenfalls ein paar wenige japanische Straßenschilder, die man aber auch schnell übersieht . Es sieht dort im Grunde aus wie überall in Düsseldorf, die Gebäude sind sogar langweiliger als in der Altstadt oder an der Königsallee, weil sie an der Peripherie der Innenstadt liegen. Aber alle Geschäfte und Restaurants in dieser Umgebung sind asiatisch und die Menge an Asiaten im Straßenbild ist auffällig höher als in anderen Stadtteilen und Städten. Eigentlich ist der Anteil der Japaner mit nur circa 8400 Einwohnern relativ gering. Trotzdem ist Düsseldorf die wichtigste japanische Metropole auf dem europäischen Kontinent. Die meisten Japaner kommen nicht für immer, sondern werden für ein paar Jahre von ihren Firmen abgesandt. In Düsseldorf finden sie eine gute Infrastruktur mit Kindergärten, Schulen, Freizeitmöglichkeiten usw. Man muss kein Deutsch lernen, um als Japaner in Deutschland leben zu können. Außerdem bleiben Japaner und andere Ostasiaten am liebsten unter sich. Was hat das japanische Viertel mit China zu tun? Mittlerweile gibt es immer mehr Chinesen und Koreaner, die ebenfalls in Düsseldorf leben und die japanische Infrastruktur nutzen und erweitern. Es gibt gut sortierte koreanische und chinesische Supermärkte wie "Tains", die sich von japanischen stark unterscheiden. Vereinzelt haben sich Bubble-Tee-Läden niedergelassen und die chinesischen Restaurants in Düsseldorf gelten als authentisch und haben nicht viel gemeinsam mit den üblichen Chinarestaurants in vielen mittelgroßen Städten. Mittlerweile leben auch 4500 Chinesen in Düsseldorf. 1100 chinesische Unternehmen haben sich in Nordrhein-Westfalen niedergelassen, davon die Hälfte in der Landeshauptstadt, unter anderem die Handyhersteller OPPO, VIVO und Xiaomi, die in Deutschland noch relativ unbekannt sind, aber zu den größten Herstellern der Welt zählen. Sie wollen von Düsseldorf aus ihr Europageschäft ausbauen. Nicht zu vernachlässigen ist die Nähe zum Duisburger Binnenhafen, an dem ein Teil der neuen chinesischen Seidenstraße endet, sowie viele Universitätspartnerschaften, bei denen Chinesen in Essen-Duisburg, Bochum usw. in Austauschprogrammen studieren. Die chinesische und japanische Kultur haben vor allem auf junge Menschen eine starke Anziehungskraft. Matcha-Eis, Bubble-Tea, Manga-Comics sind aus Teilen der Jugendkultur nicht mehr wegzudenken. Bei den Bubble-Tea-Läden in Düsseldorf muss man gute 15 Minuten Wartezeit einplanen, wenn man sich in die Schlange davor zwischen den jugendlichen Kunden einreiht. Typisches Matcha-Eis ...schmeckt nach Grüntee. Die schwarze Waffel obenauf ist gefärbt mit schwarzem Sesam. Seltsam, aber viele Chinesen würden dafür ein Vanilleeis stehen lassen. Will man japanisch essen gehen, muss man die Öffnungszeiten beachten. Es gibt Mittagstisch, danach schließen die Restaurants und öffnen erst gegen Abend wieder. Wenn man nicht darauf vorbereitet ist, läuft man nachmittags frustriert und suchend über die Immermannstraße. Man findet auch dann etwas, aber die Auswahl ist deutlich eingeschränkt. Abends ab 18 Uhr kommt der nächste Frust: Alles reserviert! Dumm gelaufen. Da bleibt nur, dass man sich in die Schlangen vor den Restaurants einreiht und wartet. Das machen viele, manche Schlangen sind echt lang, aber trotzdem ist die Wartezeit erträglich. Manche Restaurants haben draußen Sitzbänke, damit man sich nicht die Beine in den Bauch steht. Im Winter haben sie sogar Schläuche unter den Bänken, aus denen warme Luft aufsteigt. Die Warterei lohnt sich. Billig ist es nicht, aber man geht ja nicht täglich japanisch essen. Das gesamte Essen auf dem Foto unten kostete ungefähr 100 Euro. Es sieht mager aus, aber man wird satt. Besser als in Düsseldorf kann man nirgendwo in Deutschland asiatisch essen gehen.
- Coffee Shops in Schanghai II
Die Coffee Shops in Shanghai machen nicht nur guten Kaffee, sondern sind auch als Fotomotive ergiebig. Und weil es in Shanghai seit Tagen ununterbrochen regnet, sind gastronomische Entdeckungstouren eine der besten Ideen, die man bei diesem Wetter machen kann. Diesmal wurde ich in zwei Straßen fündig: Xiangyang Rd. und Yongkang Rd. Vor allem in der letzteren reiht sich ein Coffee Shop an den nächsten. Empfehlungen für eine solch schnelllebige Stadt wie Shanghai zu geben, ist schwierig, da sich die Dinge oft ändern. Aber es genügt, die Straßen und Viertel zu kennen und wenn man mit offenen Augen herumschlendert, findet man immer viele kleine Schätze.
- Abflug, Ankunft, Quarantäne
Drei Tage vor dem Abflug ging es nach Frankfurt, um die notwendigen Testungen durchzuführen, zwei PCR-Tests, einen Serum-Test, dazu im Vorfeld das übliche Prozedere: Alles genau planen, auf Stunden genau ausrechnen, Zeitfenster beachten, buchen, bestätigen, Codes speichern, Wegbeschreibungen zu irgendwelchen Untersuchungszentren am Flughafen einprägen etc. Ständig fragt man sich, ob man alle Daten richtig eingegeben hat, ob die Testergebnisse negativ sind, immer ist man nervös, vor allem, wenn nach zehn Stunden noch immer kein Ergebnis zugeschickt wurde usw. Wenn endlich alles vorliegt, werden die Testungen, das Visum, der Impfpass bei einem Link des chinesischen Konsulats in Frankfurt hochgeladen - wieder warten, Irgendwann erscheint ein grüner QR-Code auf dem Handy, ohne den man gar nicht an Bord käme. Der Flug war ruhig, kam mir nicht lang vor, obwohl er 11,5 Stunden dauerte. Vielleicht habe ich einiges davon verpennt. Die Maschine war voll mit Leuten von VW, Audi und BMW, ab und zu ein Auslandsjournalist usw. Es war eine nette Gemeinschaft und wir haben uns alle gegenseitig beim Ausfüllen der nächsten Formulare geholfen, dem Einlegen von chinesischen Sim-Karten usw. Am Flughafen in Qingdao kam ich mir vor wie auf dem Mars. Ich hatte davon schon gelesen, dass dort alle Mitarbeiter komplett in Schutzanzügen verpackt sind und man nur ihre Augen sieht. Es war geisterhaft. Der Flughafen war menschenleer und da immer nur zehn Leute aus dem Flugzeug gelassen wurden, war es noch leerer. Teilweise ging ich völlig allein durch die endlosen Gänge und Hallen, sah draußen das leere Flughafenfeld - Endzeitstimmung. Dann tauchten irgendwann die Mitarbeiter in den Anzügen auf - es sah wirklich aus wie nach einem Atomkrieg. Aber alles war perfekt organisiert und trotzdem angenehm, denn Chinesen sind freundlich und hilfsbereit. Mit Englisch kommt man nicht weit, aber Hände und Füße tun es auch, ab und zu ein freundliches Nicken und Lachen, eine kleine Korrektur bei den Formularen und dann läuft es schon irgendwie. Ich empfand die Einreise nach China trotz der Umstände deutlich angenehmer als Einreisen in die USA. Es gab keine Überheblichkeiten, sondern eher etwas, das ich wie Gastfreundschaft empfand sowie ein Interesse, die Formalitäten irgendwie gemeinsam zu stemmen. Es ist interessant nur die Augen vom Gegenüber zu sehen. Das lässt viel Spielraum für Interpretationen, was für ein Mensch dahinter steckt. Manche Augen hatten etwas Sensibles oder Verletzliches, andere schauten konzentriert und ernst auf die Bildschirme. Irgendwann saßen wir im Bus und fuhren ins Hotel, die Fahrt dauerte lange, der Flughafen liegt weit vor der Stadt. Dort kam die nächste Nervosität: Klappt das Bezahlen mit meiner Kreditkarte? In China bezahlt man mit Alipay oder Wechat, dazu braucht man aber ein chinesisches Konto, was ich noch nicht habe. Es klappte. Endlich war ich im Zimmer angekommen. Gut! Balkon, Blick auf den Strand und das Gelbe Meer und eine Art Mall bestehend aus europäisierten Gebäuden. Hier werde ich für vierzehn Tage bleiben und kein einziges Mal herauskommen. Das Essen wird mir auf einen Tisch vor die Tür gestellt, man hält Kontakt mit dem Hotel über Wechat, alles läuft reibungslos. Der Raum ist großzügig, ich kann also Sport machen, die Decken sind hoch genug fürs Seilspringen. Es wurde empfohlen ein Springseil und eine Isomatte mitzunehmen. Vor allem das Springseil ist ein hervorragender Tipp, nimmt keinen Platz im Koffer weg und ermöglicht echt effektive Bewegung. Das westliche Internet klappt hervorragend und die Datenübermittlung ist nicht verzögert, man braucht dazu nicht einmal Technikverständnis. Es ist alles vorhanden: literweise Mineralwasser, Reinigungmittel, Wasserkocher, Nescafé, Tee, Begrüßungsgeschenke, Kuchen, Bahlsenkekse, Puzzle gegen Langeweile, ein Postkartenset mit Motiven von Qingdao und natürlich ein paar Dosen Bier aus Qingdao, der Bierstadt Chinas. Kurz: Es ist super gelaufen.
- Das Mondfest
Dieses Jahr liegt das Mondfest auf dem 21. September. Heute und morgen sind Feiertage. Trotz schlechtem Wetter ist am Strand mehr los als in den letzten Tagen. Das Mondfest ist das zweitwichtigste Fest der Chinesen nach dem Neujahr. Drei gesetzliche Feiertage gibt es dafür auf dem chinesischen Festland. Man bezeichnet es auch als Mittherbstfest und es ist vergleichbar mit dem Thanksgiving in den USA. Der Mittelpunkt dieses Familienfestes ist das Essen, außerdem werden Laternen gebastelt und mit Rätseln für die Kinder beklebt, die für die Lösungen kleine Geschenke bekommen und man verschenkt Mondkuchen, traditionelle, eigens für dieses Fest gebackene, kleine Minikuchen, die eher an eine Pastete erinnern als an ein süßes Gebäck. Heutzutage werden die Kuchen gekauft, die es vor dem Mondfest in allen Läden gibt - so wie bei uns Christstollen in der Vorweihnachtszeit. Nur noch wenige Leute backen diese Küchlein selbst, weil es ziemlich aufwendig ist. Sie haben einen Durchmesser von ca. 8-10 Zentimetern und zeichnen sich vor allem durch ein reliefartiges Muster auf der Oberfläche aus, manchmal sind dort auch Schriftzeichen zu sehen für die Begriffe "Harmonie" und "langes Leben". Sie sind herzhaft oder süß gefüllt, z.B. mit roter Bohnenpaste (rote Bohnenpaste ist süß!). Die Süße erkennt man erst nach einiger Zeit, wodurch man als Westler ein bisschen irritiert ist, aber es ist alles Gewöhnungssache. Manchmal sind auch gesalzene Eidotter von Enteneiern eingebacken, die an den Vollmond erinnern sollen. Süß und salzig sind in China deutlich subtiler als bei uns, oft in einem ausgewogenen Verhältnis, um dem Prinzip des Yin und Yang zu entsprechen. Das Fest hat eine 3000-jährige Tradition, die bis in die Shang-Dynastie (c.1600-1046 v. Chr.) zurückgeht. Der Mond steht für Frieden und Wohlstand, daher mögen ihn die Chinesen und feiern ihn. Sie glauben, dass es Glück bringt, wenn die Familie an diesem Tag an einem Tisch zum Essen zusammenkommt. Nach dem chinesischen Kalender findet das Mondfest immer am 15. Tag vor dem 8. Mond des Jahres statt. Damit ist nicht der 15. eines westlichen Monats gemeint, sondern der Tag des Vollmonds, der im dreißigtägigen Zyklus von Neumond zu Neumond am 15. Tag, also in der Mitte des Zyklus liegt. Kapiert? Nö? - egal. Wir Westler haben ja auch noch nie richtig verstanden, wann Ostern ist. Das Fest geht auf eine Legende zurück, bei der Hou Yi, ein chinesischer Held, für die Errettung der Welt vor der Hitze der zehn Sonnen einen Unsterblichkeitstrunk von den Göttern geschenkt bekam. Diesen Trunk wollten Diebe stehlen, während Hou Yi auf der Jagd war und seine Frau Chang'e allein im Hause zurückgeblieben war. Um zu verhindern, dass der Trunk in falsche Hände gerät, schluckte sie ihn, woraufhin sie auffuhr zum Mond, wo sie seitdem unsterblich und für den Rest des Lebens ihres Mannes von ihm getrennt leben musste. Ihr Mann vermisste sie schmerzlich und suchte immer ihr Bild auf der Mondoberfläche. Chang'e wurde die Göttin des Mondes und der Unsterblichkeit, weshalb ihr die chinesischen Kaiser Opfer brachten. Hier ein kurzes Video zum Mondfest: https://www.youtube.com/watch?v=EMMU1YJadzE
- Quarantäne in Qingdao
Täglich gibt es drei Mahlzeiten, die reichlich sind, man könnte es darauf anlegen, sich hier mästen zu lassen. Als Ausgleich mache ich Sport, das Zimmer ist so groß, dass man sogar joggen kann - im Minioval mit ca. 6-7 Metern Durchmesser an der längsten Stelle - wie in einem Hamsterrad. Ansonsten Übungen mit eigenem Körpergewicht und Seilspringen. Das Wetter ist traumhaft. Es ist wie im mitteleuropäischen Hochsommer, ca. 28 Grad. Man kann die Abende auf dem Balkon verbringen und dem Meeresrauschen zuhören. Ich sehe von meinem Zimmer den Strand und beobachte die Gezeiten. Im Laufe eines Tages finden sich dort einige Badegäste ein, aber dass es ein übervoller Strand ist, kann man nicht behaupten. Hinter der Promenade zieht sich eine gepflegte Parkanlage entlang, die einem Golfplatz ähnelt. Viele Hochzeitspaare lassen sich dort fotografieren. Geheiratet wird öfters in Weiß, also im westlichen Stil, aber da in der chinesischen Kultur Weiß die Farbe des Todes, des Nichts ist, sieht man auch oft Brautkleider in schönen Pastelltönen oder Rot, der Farbe des Glücks. Ich würde gern selber mal barfuß am Strand spazieren gehen, durchs Wasser laufen, Menschen aus der Nähe sehen. Aber selbst, wenn die Quarantäne vorbei ist, komme ich nicht dorthin, sondern werde aus dem Zimmer abgeholt, mit einem Bus der Regierung zum Flughafen gebracht und von dort geht es direkt nach Shanghai. Aber ich werde Qingdao ganz sicher zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal besuchen. Die Stadt hat viel historische Bausubstanz aus der deutschen Kolonialzeit und eine entsprechende Altstadt. Die historischen Bauten werden heute wertgeschätzt, und Neubaugebiete in der Formensprache der alten Kolonialgebäude errichtet. Es gibt Strände und daher Möglichkeiten für Badeurlaub, obwohl Chinesen nicht unbedingt Badeurlaub im westlichen Sinne machen. Ich sehe keine Chinesen, die sich an den Strand legen, um sich durchbraten zu lassen. Man geht eher am Strand spazieren. Europäer bezeichneten Qingdao früher als Neapel des Ostens, und vor allem gibt es viel Kulinarisches aus dem Meer. Deshalb gab es bisher auch in der Quarantäne mehrmals Fisch und Meeresfrüchte auf den Teller. Die Chinesen ordnen alles gern in Rankings ein und Qingdao gehört zu den Top 10 der chinesischen Städte nach dem Chinese Cities Brand Value Report, was immer das heißen mag, und es ist die lebenswerteste Stadt Chinas nach dem Chinese Institute of City Competitiveness, wie immer das auch gemessen wird. Qingdao hat einen guten Ruf. Es ist sauber, hübsch, innovativ. Der Hafen ist der drittgrößte Chinas und der achtgrößte der Welt. Man hat Ambitionen und strebt an, der größte der Welt zu werden. Der Hafen gehört zur neuen Seidenstraße, der sogenannten Maritimen Seidenstraße des 21. Jahrhunderts. Die längste Brücke der Welt über Wasser, die Haiwan Bridge, verbindet mit 42,5 Kilometern Qingdao und Huangdao. (Nachtrag: Seit 2018 gibt es die Zhuhai Hong Kong Macau Bridge, die 55 Kilometer lang ist.) Aber genug von Visionen und Zahlen, ich überlasse das Wort der sympathischen Youtuberin Amy aus Australien, die China gut kennt, und Qingdao auf ihre erfrischende Art vorstellt. Um ihr Video zu sehen, klick HIER Hier hat es gerade geklopft, das Frühstück steht vor der Tür. Dabei habe ich noch gar keinen Hunger.
- Flug gestrichen
Ich sitze auf gepackten Koffern, voll bereit, in wenigen Stunden nach Frankfurt zu fahren, als ich die Nachricht bekomme, dass mein Flug gestrichen wurde. Am Tag vorher hatte ich noch mein Auto verkauft. Flüge nach China sind rar, die nächste Option gibt es erst Anfang September - nur Hinflug: 2500 Euro - nach Chengdu, was 2000 Kilometer von Shanghai entfernt ist. Das reichte für Frust. Davon musste ich mich erst mal ein paar Tage erholen. Einen Monat wegen des Autoverkaufs nicht mobil, ohne zu wissen, was kommt. Die Coronalage entspannt sich in Europa nicht und China reagiert auf Coronaneuigkeiten extrem sensibel.
- Kurz vor dem Abflug
Das Foto entstand vor meinem letzten Flug nach China vor 1,5 Jahren. Wenn man in Coronazeiten nach China fliegen will, muss man einen Direktflug buchen, umsteigen z.B. in Kopenhagen oder Dubai geht nicht. Trotzdem werden massenhaft solche Flüge angeboten. Voll krass - da bucht man so etwas, steht irgendwann am Flughafen und kommt nicht ins Flugzeug. Ich war gewarnt, also buchte ich einen ungleich teureren und selteneren Direktflug von Frankfurt nach Shanghai. Man muss derzeit für einen einfachen Flug um die 3000 Euro berappen. Um in den Flieger zu kommen, braucht man - wegen Corona - einen PCR-Test und einen IgM-Test. Also wurden Termine gebucht für die Testungen am Flughafen, ein Hotel, ein Zugticket von zu Hause zum Flughafen. Es war wieder einmal kompliziert und viel, denn die Testergebnisse werden anschließend eingereicht, dafür bekommt man einen QR-Code und das ist neben dem Dienstpass mit dem Visum die Eintrittskarte für das Flugzeug. In China, so weiß ich schon jetzt, wird nach der Ankunft am Flughafen ein weiteres Mal getestet. Sollte nur ein einziger Passagier aus der Bordkabine in China positiv getestet werden, gehen ALLE Passagiere des Fluges nicht nur in die bevorstehende Quarantäne, sondern gleich ins Krankenhaus.
- Das Visum - ein weiterer Schritt
Bei dem Bewerbungsgespräch in Düsseldorf wurde ich darauf hingewiesen, dass die Bewerbung für den Dienst in China komplizierter werden wird als beispielsweise für Schweden. Das kann man sich denken, aber was genau gemeint war, wusste ich nicht und ich fragte auch nicht nach, denn ich dachte, es zu wissen. Mir schwebten psychologische Dinge vor wie der Umstand, dass ich die Sprache nicht kann, dass ich mich eventuell einsam fühlen könnte usw. Dazu gehört auch die Entfernung. Man kann nicht einfach mal am Wochenende nach Hause fliegen, wie z.B. von Polen. Alles das macht China logischerweise schwieriger. Aber gemeint waren auch die vielen Dinge, die man klären muss, die Unterlagen, die man beglaubigen und legalisieren lassen muss. Hätte ich mich auf eine Stelle innerhalb der EU beworben, wäre alles ziemlich leicht geworden, ich wäre irgendwann ins Auto gestiegen und losgefahren, aber China ist nicht die EU. Apostillen, Legalisierungen sind übrigens keine chinesische Erfindung, sondern internationale Konventionen, die 1961 als Haager Postillen eingeführt wurden. Dazu kam noch Corona, was zu Schließungen von Behörden führte oder zu Öffnungszeiten in schmalen Zeitfenstern, bei denen Online-Voranmeldungen oder Coronatestungen gefordert wurden. Nachdem ich beim chinesischen Generalkonsulat in Frankfurt gewesen war (Düsseldorf ist wegen Corona geschlossen) und meine Unterlagen gecheckt worden waren, hatte ich das Gefühl, durch eine ziemlich entscheidende Tür gelangt zu sein. Beim Frankfurter Konsulat wurden meine biometrischen Daten erfasst, das Prozedere im Konsulat verlief völlig reibungslos. Das Visum musste ich einige Zeit später persönlich in Frankfurt abholen. Danach konnte ich mich um einen Flug kümmern. Was ab da auf mich zukam, steht im nächsten Beitrag "Kurz vor dem Abflug".
- Vorbereitungen ohne Ende
Zweimal pro Woche findet ein Chinesischkurs beim Konfuzius-Institut in Frankfurt statt - wegen der Pandemie und der Entfernung nur online. Die Sprache ist eine ziemlich harte Nuss. Im ersten Kurs lernt man nur zu sprechen und zu hören sowie die Transskriptionssprache Pinyin, eine Laut-Graphem-Zuordnung, bei der jedem chinesischen Laut eine Transkription mit lateinischen Buchstaben zugeteilt ist. Entwickelt wurde dies von italienischen Missionaren im 16. Jahrhundert, um Europäern das Lernen von Chinesisch zu erleichtern. Heutzutage ist Pinyin die offizielle Transkription, die von der chinesischen Regierung anerkannt wurde. Jeder Chinese lernt sie in der Schule, damit man mit ihrer Hilfe auf Computertastaturen mit lateinischen Buchstaben Chinesisch schreiben kann. Außerdem ist es für junge Chinesen später eine gute Hilfe zum Erlernen europäischer Sprachen. Allerdings wird Pinyin im Alltag in China nur für die Tastatur verwendet. Auf Hinweisschildern in U-Bahnen und im öffentlichen Raum findet man es nur sehr selten und wenn, dann nur in sehr internationalen Städten wie Shanghai, damit Fremde überhaupt eine Ahnung haben, wo sie sich befinden. Ansonsten spielt diese Transkription im Alltag überhaupt keine Rolle. Lernt man es also umsonst? Nein - ohne Pinyin wäre das Erlernen so schwierig, dass man aufgibt. Es gibt in der chinesischen Sprache keine Parallele zu irgendeiner Sprache, die man in der Schule lernt. Statt dessen irritieren eher viele Wörter. "Wo" bedeutet "ich", aber intuitiv assoziiert man damit ständig eine Frage. "Ni" bedeutet "du", aber ständig erinnert dieses Wort an Verneinungen. Bestimmte Regelmäßigkeiten, z.B. Endungen für bestimmte Wortgruppen, so was wie "-schaft", "-nis", an denen man Substantive oder Verben erkennen kann, gibt es nicht. Die Betonung ist eine weitere Schwierigkeit. Aber Betonungen, die die Bedeutung von Wörtern verändern, gibt es ja auch im Deutschen. "mOdern" ist etwas anderes als "modErn", Die Kleidung ist modErn, das Holz kann mOdern. "UMfahren" ist etwas anders als "umFAHren". Ich umFAHre das Hindernis, ich fahre das Hindernis UM. Na dann mal los, das Phänomen gibt's ja auch im Deutschen. Aber: Im Chinesischen hat jedes einzelne Wort vier Betonungen - JEDES! Und alle vier Sprechvarianten haben eine eigenen Bedeutung. Aber angeblich können Chinesen bei Ausländern, die manches falsch betonen, aus dem Kontext heraushören, was gemeint ist. Aber ich frage mich, ob ich überhaupt jemals ganze Sätze reden kann, so dass man falsch betonte Wörter aus dem Kontext heraus richtig versteht. Die Lehrerin war sehr geduldig und nett. Wort für Wort wurden Sätze gelesen, langsam, Wort für Wort. Die Frau hat sich wahrscheinlich zu Tode gelangweilt, aber sie hat immer gelächelt. Es wird von meiner Arbeitsstelle nicht erwartet, dass ich Chinesisch lerne und das Leben in der Metropole Shanghai funktioniert auch gut ohne Chinesischkenntnisse. Aber irgendwie erschließen sich Land und Kultur doch besser, je mehr man mitbekommt. Es werden wohl keine Konversationen werden. Aber mit jedem Stück, das man mitkriegt, versteht man vielleicht ein bisschen mehr. Die Zentralstelle fürAuslandsschuldienst ließ mir heute etliche Unterlagen zukommen und die zu erledigenden Dinge werden immer konkreter. Mittlerweile weiß ich, dass ich in Shanghai eine Dienstwohnung bekomme und die Kosten für Strom, Wlan, etc. übernommen werden. Das ist nicht schlecht, denn Shanghai ist extrem teuer. Gestern war ich in Berlin beim Auswärtigen Amt, um meine biometrischen Daten für den Dienstpass abzugeben. Ich fuhr hin und zurück insgesamt über tausend Kilometer, um kurz eine Unterschrift, ein Passbild sowie meine Fingerabdrücke abzugeben. Aber was soll's? Berlin tut immer gut und in Bonn gab es coronabedingt erst wieder Termine im Mai.