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- CHINA - im Sommer geht es los
Im Sommer geht es nach China. Ich möchte dort ein paar Jahre leben und arbeiten. Die Entscheidung, so weit weg zu gehen, fiel mir nicht leicht: Einerseits habe ich totale Lust auf neue Erfahrungen und Einsichten, darauf meinen Standpunkt zu relativieren, meine Sicht auf die Dinge zu verändern. Andererseits werde ich viel zurücklassen: Die Freunde, den Garten, die vertraute Umgebung. Was wird davon noch da sein, wenn ich zurück komme? Trotz aller Abwägungen und mancher schlafloser Nacht entschied ich mich dafür. Mittlerweile wird mir das unbekannte Land langsam vertrauter, die Landkarte von China nehme ich anders wahr als bisher und Namen gigantischer Städte, die trotz ihrer Größe kaum jemand in Deutschland kennt, werden mir geläufiger.
- Alltag an einer chinesischen Schule
Nicht gerade Alltag, aber trotzdem schön. Schüler einer (nicht meiner) Mittelschule haben dieses Video mit dem chinesischen Superstar Zhou Shen produziert. Um zum Video zu gelangen, einfach aufs Bild klicken. An der Ganquan Foreign Language School, an der ich unterrichte, gibt es ca. 1700 Schüler und ca. 200 Lehrer. Wie überall in China tragen die Schüler Uniformen. Die Schule beginnt hier schon um 7:30 und endet um 17:00 oder um 18:00 Uhr. Die Länge eines Schultages kann in China je nach Provinz erheblich variieren. In manchen Gegenden dauert die Schule sogar bis in den späten Abend. Shanghai ist bei der Dauer milder, hat aber ein nicht weniger effizientes Schulsystem, denn bei den Leistungsrankings schneidet die Stadt immer ziemlich gut ab. Die Schullandschaft Chinas ist nicht einheitlich. Peking gibt einen Rahmen vor, in dem jede Provinz selbständig gestalten kann. In manchen Provinzen ist die Klassengröße riesig, man kann es sich kaum vorstellen, aber es ähnelt eher einer Vorlesung. Hier in Schanghai beträgt die Größe ca. 40 Schüler pro Klasse. Woanders gibt es in den Schulen auch noch das selbstständige abendliche Lernen, bei denen die Schüler mehrere Stunden an ihrem Platz sitzen und üben. Das ist schon ein besonderer Kraftakt, den man sich in Deutschland ebenfalls nicht vorstellen kann und den ich persönlich für Kinder und Jugendliche unglaublich anstrengend finde. Die Schüler gehen von Klasse 6 bis 12 auf die sogenannten Mittelschulen, die einem deutschen Gymnasium entsprechen, der Abschluss ist das Abitur, auf Chinesisch: Gao Kao. Eine Wahlmöglichkeit von Fächern nach Neigung gibt es nicht. Hier wird vorgeschrieben, was dazu gehört: Mathematik, Chinesisch, Fremdsprache, MINT-Fächer usw. Der Tag fängt morgens immer mit einem reichhaltigen Frühstück an. Warm und kräftig, niemals kalt und süß wie in Deutschland. Ich mag vor allem diese heißen Suppen, die im Winter richtig gut tun. Die Vor- und Nachmittage sind jeweils durch eine große Pause unterbrochen. Vor der ersten großen Pause um 9:30 Uhr geht es auf den Sportplatz, wo zur Nationalhymne die chinesische Flagge gehisst wird, danach folgt zehn Minuten Morgengymnastik. Ich finde es ziemlich knuffig, wenn meine Abiturienten sich zu diesem Ritual aufstellen wie seit Kindertagen und es einfach mitmachen. Vormittags und nachmittags gibt es an meiner Schule jeweils vier Stunden Unterricht. Dazwischen liegt das Mittagessen mit einer anschließenden einstündigen Pause, in der manche Schüler und Lehrer eine Art Mittagsschlaf halten. Als ich das erste Mal sah, dass Kollegen im Lehrerzimmer schlafen, traute ich meinen Augen nicht, aber es ist ein Ritual und wirklich erholsam. Auch das Essen hat hier in China einen ganz hohen Stellenwert. Wenn es z.B. Besprechungen gibt, die in die Pause hineinragen, was ohnehin kaum der Fall ist, da die Essenszeiten die Planung bestimmen, werden die Mahlzeiten warm gestellt. Das Mittagessen fällt unter keinen Umständen weg. Letzte Woche nahmen mein chinesischer Deutschkollege und ich die mündliche Prüfung für das Deutsche Sprachdiplom bei den angehenden Abiturienten ab. Die Leistungsbereitschaft und der Druck in China sind hoch. Allein die Leistungen im Fach Deutsch sind beeindruckend und die Prüfungen anspruchsvoll. (Wen die Prüfungsinhalte interessieren: https://www.auslandsschulwesen.de/Webs/ZfA/DE/Deutsch-lernen/DSD/DSD-II/dsd-II_node.html) Meine Abschlussklasse für das Deutsche Sprachdiplom. So sehen angehende chinesische Abiturienten aus, die gerade das Diplom auf C1-Niveau geschafft haben und entsprechend erleichtert sind - wahrscheinlich auch stolz. Mit diesem Abschluss haben sie direkten Zugang zu einer deutschen Hochschule. Kompetenzorientiertes Lernen steht an Chinas Schulen ebenfalls wie in Deutschland hoch im Kurs. Im Fach Deutsch werden Sachtexte Diagramme und Statistiken analysiert. Fremdsprachenkenntnisse sind dabei natürlich eine zusätzliche Kompetenz, aber die Inhalte und die Herangehensweise ähneln eher den Fächern Sozialwissenschaften, Wirtschaft und Politik, z.B. ökologischer Umbau, Gleichberechtigung, Zukunft für selbstfahrende Autos, Elektroautos, Konsumgesellschaft usw. Auf dem Foto unten bin ich gerade mit Achtklässlern bei den Mülltonnen, um mit ihnen über die Mülltrennung zu sprechen, die mittlerweile in China zumindest in den Metropolen eingeführt wurde. Mit Schülern der achten Klasse an den Mülltonnen, Thema: Mülltrennung Sprachliche Fächer sind immer auch Kulturfächer, in denen Landeskunde vermittelt wird. Um Weihnachten herum brachte ich Lebkuchenhäuser mit, die ich bei IKEA besorgt hatte, parallel dazu besprachen wir die Märchen der Brüder Grimm, auch passend zu den Lebkuchenhäusern "Hänsel und Gretel". Oder die Schüler lernen Spiele kennen wie "Mensch, ärgere dich nicht", "Fang den Hut" oder "Skat". Im Gegenzug bringen mir die Schüler das chinesische Spiel "Mahjong" bei. Weniger kompetenzorientiert scheint mir der Unterricht in Fächern wie Chinesisch zu sein. Die Schüler lernen die klassischen Texte auswendig, sowohl mündlich wie schriftlich, wobei gerade die Schriftlichkeit eine besondere Herausforderung darstellt, da sich die Zeichen im Laufe der Jahrhunderte stark verändert haben. Eine schöne Anekdote ereignete sich, als ich in eine achte Klasse kam, in der gerade vorher Chinesisch unterrichtet worden war. Auf der digitalen Tafel war noch eine traditionelle Landschaftsmalerei zu sehen sowie ein Gedicht von Li Bai, einem der bekanntesten chinesischen Dichter der Tang-Dynastie. Ich bat meine Schüler, mir zu erklären, was das Besondere an dieser Lyrik sei und staunend hörte ich zu, als mir Achtklässler die Form, den Inhalt, die zeitliche Einordnung und die Melancholie dieser Lyrik auf Deutsch erklärten. Die Wertschätzung der eigenen Kultur ist in China hoch. Das sieht man besonders, beim Betreten der Räume, in denen Kalligraphie unterrichtet wird. Sie ähneln eher einem Museum als einer Schule. Der Raum für Kalligraphie Der Raum für Kalligraphie Der Raum für Kalligraphie Der Raum für Kalligraphie Der Raum für Kalligraphie Der Raum für Kalligraphie Kalligraphie und Kunstarbeiten, die im Eingangsbereich der Schule ausgestellt sind: Viel Personal für einen ziemlich großen Betrieb Einer der auffälligsten Unterschiede im Vergleich zu einer deutschen Schule ist die Menge des Personals, das nicht zum Lehrkörper gehört. Es gibt etliche Pförtner, die rund um die Uhr die Eingänge bewachen. Auch im Wohnheim für Schüler, die einen weiten Schulweg haben und deshalb während der Woche auf dem Campus wohnen, sind Aufsichten 24 Stunden anwesend. Randale im Wohnheim, Jungenbesuche in Mädchenzimmern usw. sind vollkommen ausgeschlossen und wenn irgendetwas nicht funktioniert oder man Fragen hat, ist sofort jemand zur Stelle. Im Wohnheim gibt es eine Aufsicht im Aufenthaltsraum, in dem die Schüler abends noch lernen, jemand hilft in der Waschküche, einige Leute halten stets das Gelände sauber, für die Lehrkräfte wird alles kopiert, Computerfachleute und Handwerker gibt es auch; man lernt sie kennen, wenn es entsprechende Probleme gibt. Wie sieht der Schulalltag eines Lehrers aus? Lehrer sind von 8:00 bis 17:00 Uhr in der Schule und erledigen größtenteils einen Bürojob, bei dem sie zwischendurch zum Unterricht gehen. Der Unterricht nimmt im Arbeitstag den geringeren Teil ein, also bleibt genügend Zeit zum Korrigieren, Vorbereiten und was sonst noch alles anfällt. Vor allem sind Kollegen immer ansprechbar, was manche Abläufe erleichtert. In Deutschland lief aus meiner Sicht ein Großteil der berufsbezogenen Kommunikation über E-Mails ab. Außerdem erledigen deutsche Lehrer außerunterrichtliche Arbeit zu Hause, was vermutlich zu dem in Deutschland weit verbreiteten gesellschaftlichen Bild beiträgt, dass sie wenig arbeiten. Jeder Lehrer in China hat einen eigenen Schreibtisch mit Regalen, Schubladenschrank, Stromanschluss und natürlich WLAN. In meinem Lehrerzimmer arbeiten zehn Sprachenlehrer. Dadurch, dass man den ganzen Tag zusammen ist, stellt sich so etwas ein wie ein Kollegiumsgefühl. Meine Kollegen haben immer gute Laune, vor allem am Freitag, schlechte Stimmung habe ich hier noch nie bemerkt. Leider verstehe ich ihre Witze nicht - ist ja alles auf Chinesisch. Das Lehrerzimmer für die Fremdsprachenlehrer, neben Deutsch wird Französisch, Koreanisch, Japanisch und Spanisch gelehrt. Englisch ist nur zweite Fremdsprache und hat in der Stundentafel wenig Raum. In Deutschland traf ich manche Kollegen selten, da sie Teilzeit arbeiteten oder ihre Stunden sich nicht mit meinen überschnitten. Manchmal verließen deutsche Kollegen am Donnerstagmorgen um viertel nach zehn das Lehrerzimmer und wünschten ein schönes Wochenende. Auch die Kommunikation über E-Mails schaffte für mein Empfinden eine Abstraktion, die das Gefühl des Einzelkämpferdaseins erhöht, das in Deutschland von Lehrern oft beklagt wird. Das Zeitmanagement eines deutschen Lehrers, der gleichzeitig noch Familientermine und mehr koordinieren muss, macht straffe Planung notwendig. In China muss man nichts koordinieren. Als Lehrer ist man einfach den ganzen Tag in der Schule. Das erleichtert auch die individuelle Förderung von Schülern. Wenn sie Extra-Aufgaben bekommen, werden sie einfach ins Lehrerzimmer gesetzt und arbeiten dort eine Stunde. Wenn Schüler Fragen haben, können sie jederzeit die Lehrer aufsuchen, die ja nicht unter Zeitdruck stehen und daher immer spontan für Belange der Schüler ansprechbar sind. Kann man in China bei der zeitlichen Belastung durch den Ganztagsberuf eine Familie haben? Man kann, eigentlich haben alle meiner Kollegen Kinder, die ebenfalls den ganzen Tag in ihrer eigenen Schule sind. Das Alltagsleben von berufstätigen Eltern wird entlastet durch die Großeltern. Der Familienzusamenhalt in China ist extrem groß und nicht selten leben drei Generationen in einer Wohnung, auch weil die Immobilienkosten in Shanghai durch die Decke gegangen sind. Großeltern übernehmen dann das Einkaufen, Kochen, Haushalt-Machen und die Großväter holen abends die Enkelkinder von der Schule ab, so sich dass allabendlich vor dem Schultor ein Auflauf von Senioren einfindet. Viele mit ihrem elektrisch betriebenen Moped, mit dem sie das Enkelkind nach Hause fahren. Für deutsche Lehrer im Auslandsschuldienst ist es oft schockierend, dass man plötzlich den ganzen Tag im Lehrerzimmer anwesend sein muss. Aber dadurch entwickelt sich eine andere Auffassung des Berufsbildes. Meine Kollegen haben ihre Arbeitsplätze schön eingerichtet, es macht Spaß abends zusammen zu gehen und morgens alle zu grüßen. Vor allem hat man wirklich Feierabend. Wenn man darüberhinaus noch etwas zu Hause erledigt, ist es freiwillig und belastet daher nicht. Lehrer-Schüler-Verhältnis Das Lehrer-Schüler-Verhältnis ist anders als in Deutschland. Ein Lehrer hat hier in erzieherischen Fragen das gleiche Gewicht wie die Eltern. In der Oberstufe wurde ich gefragt, ob die Klasse mich duzen dürfe, ein Lehrer sei ja so etwas wie ein Freund der Schüler. So etwas zu hören, ist schon sehr ungewöhnlich. Ich werde hier von allen Schülern geduzt und es ist ein angenehmes Gefühl. Geschenke der Schüler an ihre Lehrer. Der Teachers Day ist ein wichtiger Tag im Schuljahreskalender. Wie anstrengend ist Schule für die Schüler in China? Generell gilt, dass Schule in China ein Kraftakt für die Schüler ist. Der Konkurrenzdruck ist hoch, wenn man einen guten Platz in der Mittelschicht der Gesellschaft finden will. Wieder einmal braucht man nur die 1,4 Milliarden Menschen zu erwähnen, um zu verstehen, warum. Im Schnitt kommen jedes Jahr über 9 Millionen Abiturienten auf den Markt. Chinesische Schüler wissen, was Arbeiten und Lernen bedeutet. Das Gao Kao gilt als eine der härtesten Schulabschluss-prüfungen der Welt. Dies rief die Politik auf den Plan, die mittlerweile außerschulischen Zusatzunterricht verboten hat, da er weiteren Freizeit- , Kindheits- und Jugendverlust bedeutet und auch die Chancengleichheit unterläuft. Ob es andere Schlupflöcher für Nachhilfe gibt, sei dahingestellt. Zusatzunterricht in sportlichen und künstlerischen Fächern bleibt erlaubt. Auch darin sind chinesische Schüler gut. Neulich ging ich durchs Foyer der Schule, als ein Schüler am Flügel saß und umstanden von seinen Mitschülern spontan aus dem Kopf den 3. Satz von Beethovens Mondscheinsonate spielte. Schwieriger geht es wohl kaum. Wer eine Aufnahmeprüfung an einer guten chinesischen Hochschule schafft, ist wirklich überdurchschnittlich. Daher sinkt auch die Attraktivität eines Auslandsstudiums. Es scheint sich so etwas wie der Gedanke zu entwickeln: If I can make it here I can make it everywhere. Dreißig Jahre nachdem der unglaubliche wirtschaftliche Aufschwung begann, ist China selbstbewusst geworden, besinnt sich wieder auf seine eigenen Fähigkeiten und bewundert nicht grundsätzlich alles, was aus Europa oder Nordamerika kommt. Eine Schülerin, die das Deutsche Sprachdiplom letztes Jahr hier an der Schule erwarb, erhielt ein Stipendium des DAAD und lehnte es ab, weil sie auch die Aufnahmeprüfung an der besten Hochschule Shanghais geschafft hatte. Sie studiert jetzt Philosophie und wird sicher mit einem Abschluss an ihrer Hochschule eine glänzende Karriere in China machen. Zu der Entscheidung gegen ein Studium in Deutschland führten natürlich auch andere Einflussfaktoren wie das Coronavirus. Ferner werden Chinesen auch vorsichtig wegen anderer Vorkommnisse wie dem Mord an der Studentin Li Yangjie in Chemnitz im Jahr 2016. Der Mord war ein großes Thema in den chinesischen Medien und die sozialen Netzwerke, die in China eine größere Bedeutung haben als bei uns, tun ihr übriges. Manchen Chinesen gefällt es vielleicht auch nicht in Deutschland. Die Stille in Deutschland ist für manchen Chinesen befremdlich, vor allem an Sonntagen, wenn in kleineren Städten oder auch in Großstädten die Bürgersteige hochgeklappt werden und man nichts zu essen bekommt, erleben Chinesen einen echten Kulturschock. Manche finden Deutschland sogar ein bisschen langweilig. Wer in Shanghai lebt, hat eine hohe Messlatte. An diese Metropole kommt nicht viel heran. Das ist, als würde man New York vergleichen mit München. Die Erfahrungen, die Chinesen in Deutschland machen, können aber auch positiv sein. Meine Kollegen scheinen das Land zu lieben. Sie studierten in Freiburg, Heidelberg, Essen, Hamburg, Bonn, Bielefeld und Jena. Manche davon hatten eine richtig gute Zeit, fanden deutsche Freunde und hatten viel Spaß, erzählen Anekdoten, wie sie sich vor dem Besuch auf dem Weihnachtsmarkt in Bonn mit Freunden eine Flasche Amaretto gekauft hatten, um die Kosten für den Schuss in der heißen Schokolade zu sparen oder wie sehr sie sich in Hamburg in den Geschmack von Franzbrötchen mit Cappuccino verliebt hatten und sich das jeden Morgen zum Frühstück erst einmal gönnten.
- Weihnachten in Shanghai
Shanghai ist, mental gesehen, die westlichste Stadt Chinas - die Sonderverwaltungszonen ausgenommen - daher gibt es hier so etwas wie Weihnachten. Das Fest wurde von den internationalen Handelsketten in die Stadt gebracht und äußert sich in Form von Weihnachtsbäumen und -deko. Es beschränkt sich allerdings ein wenig auf die kommerzialisierten Gegenden, der normale Chinese feiert Weihnachten nicht und in ländlichen Regionen geht dieses Fest sicher ganz an den Leuten vorbei. An meiner Schule, die als Fremdsprachenschule ebenfalls international ist, kennen es viele Schüler und manche haben sogar einige Zeit im Ausland verbracht und das Fest in ihren deutschen Gastfamilien in Ostfriesland, Gütersloh oder Hanau schon miterlebt und mit Großmüttern Plätzchen gebacken. Meine Schule hat viel für uns ausländische Lehrkräfte organisiert, unter anderem mit dem Ziel, dass wir Weihnachten in Gemeinschaft feiern können. Chinesen können die Bedeutung von Weihnachten sehr gut nachvollziehen, hier gibt es das Chinesische Neujahr, das eine ähnliche, wenn nicht größere Bedeutung für die Chinesen hat als Weihnachten für Deutsche. Für Chinesen wäre das Allein-Sein am Neujahrsfest ein ziemlicher Alptraum, der übrigens letztes Jahr wegen Corona einige meiner Kollegen getroffen hat, da ihre Familien in anderen Provinzen wohnen. Die Deutschfachschaft meiner Schule - immerhin 14 Kollegen - feierte Weihnachten (es sind nicht alle auf einem Foto zu sehen, weil wir nachmittags während der Schulzeit feierten und einige später kamen). Dazu gab es Glühwein und aus Deutschland eingeflogene Weihnachtsleckereien wie Marzipankartoffeln, Dominosteine, aber auch chinesische Naschereien wie Weißdornbeerenspieße etc. Am nächsten Tag lud die Schule die ausländischen Fremdsprachenlehrkräfte sowie einige chinesische Fremdsprachenlehrer ins Hotel Intercontinental zu einem Weihnachtsdinner ein. Ein ziemlich feierlicher Abend mit den Konsulen der Nationen, deren Sprachen an der Schule unterrichtet werden. Und am Heiligen Abend hatten wir Kollegen uns verabredet, einige Freunde kamen dazu und es war ein stimmungsvolles, fröhliches Zusammensein bis in die späte Nacht. Man hätte es eigentlich für Silvester halten können. Was fehlte, war die getragene und besinnliche Stimmung. Das scheint doch etwas sehr Deutsches zu sein, das vielleicht seine Ursprünge in der Romantik hat, der Epoche der Sehnsucht. Man sehnt sich nach weißen Weihnachten, unbeschwerten Tagen und vielem mehr. Aber Sehnsüchte sind mit dem Gefühl verbunden, dass das Ersehnte nicht erreicht wird. Besinnlich - das Synonym ist "gedankenvoll", "versunken". Haben Deutsche einen Hang zu so etwas? In vielen Ländern wird Weihnachten fröhlicher und lauter gefeiert. Und während Weihnachten auf dem Höhepunkt war, merkt man jetzt allmählich die Vorboten für das größte Fest der Chinesen, das Neujahrsfest. Es wird das Jahr des Tigers und in wenigen Wochen lassen es die Chinesen richtig krachen - allerdings leider wieder mit starken Einschränkungen wegen Corona.
- Shikumen - das typische, traditionelle Schanghai-Haus
"Shikumen" bedeutet so viel wie Stein-Lager-Tor. Das sagt nicht viel, daher etwas konkreter: Ein Shikumen ist ein traditionelles Reihenhaus in einer Gasse oder kleinen Straße, einer sogenannten Longtang. Der Eingang dieser meist zweigeschossigen Häuser ist mit einem steinernen Torbogen hervorgehoben. Heutzutage gibt es nur noch wenige von diesen Shikumen, die früher 60% der Bebauung Schanghais ausmachten. Mittlerweile leben die meisten Shanghaier in hohen Apartmenthäusern. Im renovierten und von Touristen gern besuchten Viertel Xintiandi gibt es ein Museum in solch einem Shikumen, in dem man den Einrichtungsstil in den Häusern Schanghais in den 20er und 30er Jahren des 20. Jahrhunderts sehen kann. Dieses Museum ist nicht leicht zu finden, obwohl es direkt an einer Straße liegt. Das Problem ist die Adresse: "Lane 181, Taciang Lu". Die Nummer 181 bezieht sich nämlich nicht auf das Haus, sondern auf die Straße, in der es liegt. Also hilft nur eins: Suchen oder, wenn man chinesisch kann, fragen. Ich suchte lange und bis heute ist es mir ein Rätsel, wie man nur mit einer Adresse einen Ort in Schanghai ohne Probleme finden kann. Man erreicht das Museum mit der Metro 10 oder 13, Station Xintiandi, Ausgang 6, dann folgt man der Madang Road Richtung Norden, bis man rechts in das Viertel Xintiandi einbiegt, dort, wo es zur "Site of the First National Congress of the Chinese Communist Party" geht. In dieser Straße liegt das Museum im ersten Block auf der linken Seite. Wie wohnen Chinesen? Heutzutage wohnen in Schanghai viele ältere Chinesen in ca. 5-geschossigen Mehrfamilienhäusern, die in Stichstraßen, sogenannten Longtangs oder Lilongs, aufgereiht sind. Diese Häuser stammen aus den 50er, 60er und 70er Jahren und wurden rings um das alte Schanghai gebaut. Mit dem Boom, der ab den 90ern in Schanghai einsetzte, entstanden hohe Apartmenthäuser mit ca. 20 Stockwerken. Alle diese Häuser sind in kleinere Einheiten, bestehend aus mehreren Gebäuden, zusammengefasst, die durch einen Zaun oder eine Mauer abgegrenzt werden und sogenannte Compouds bilden. Es gibt zu jedem Compound einen Eingang, oft in Form einer Schranke und einem Pförtnerhäuschen. Dort sitzt ein Pförtner, jeden Tag, 24 Stunden lang. Er betätigt die Schranke, um Anwohner und Lieferservices rein und raus zu lassen. Was aussieht wie die totale Kontrolle, ist harmloser als es wirkt. Oft spielen die Pförtner am Handy oder essen oder gucken Filme oder schlafen einfach. Man kann locker an ihnen vorbei gehen, man wird nicht gefragt, wohin man will. Trotzdem bildet solch ein Compound eine Einheit wie eine Nachbarschaft und wenn man dort wohnt, kennt der Pförtner einen, alle kennen sich, es ist fast dörflich. Das ist einerseits eine enorme soziale Kontrolle, aber andererseits gibt es auch Sicherheit. In die chinesische Gesellschaft wird man als Individuum in die Gemeinschaft eingebunden und daran führt kein Weg vorbei. Für mich war das anfangs irritierend. In Deutschland kann man in einem Viertel oder sogar Haus wohnen, ohne sich für seinen Nachbarn zu interessieren. Hier in meiner Wohneinheit weiß der Pförtner, wann ich gehe, wann ich wiederkomme und ich kann mich an ihm nicht vorbei schleichen, denn in unserer Wohneinheit muss er immer das Tor öffnen, an dem kein Weg vorbei geht. Oft ist er sehr in sein Handy vertieft, manchmal schläft er, dann muss ich klopfen, damit er das Tor öffnet. Die Pförtner bei uns sind richtig nette Kerle - zweifelsohne, und ihnen ist vieles auch egal, aber sie sind da und das wäre für viele Deutsche ein unerträglicher Gedanke, sie würden sich beobachtet fühlen und in in westlichen Ländern empfindet man diese Gepflogenheit als staatliche Kontrolle. Aber zurück zu dem Shikumen-Museum: Es ist ein kleines, aber liebevoll eingerichtetes Museum über zwei Stockwerke mit einigen Räumen, die im Stil der damaligen Zeit eingerichtet sind, als das alte Schanghai eine interessante Schnittstelle zwischen chinesischer und europäischer Kultur war.
- 25.September - Ende der Quarantäne in Qingdao - auf nach Schanghai
Wir fuhren zum Flughafen, der bei der Ankunft ein Gespensterszenario war. Jetzt stellte sich heraus, warum - wir waren in dem Teil gelandet, an dem pro Tag vielleicht zwei/drei Flüge aus dem Ausland ankommen. Beim Weiterflug innerhalb Chinas ging es in einen anderen Teil des Gebäudes und dort erwartete uns das pralle Leben. Überall Menschen, Geschäfte. Wahnsinn! Der Flughafen ist der Hammer. Gigantisch, klar und übersichtlich aufgebaut, pikkobello sauber und gepflegt. Man muss leider sagen, dass der größte Flughafen Deutschlands verglichen damit klein, hässlich, verdreckt und ziemlich konzeptlos ist. Aber solche Eindrücke bekommt man in China öfters, wenn man Vergleiche zu Deutschland zieht. Vor dem Abflug gab es am Check-In noch Torte, weil die Fluggesellschaft 20-jähriges Jubiläum hatte. Ich stellte mich also in die Warteschlange und weil ich Ausländer bin, wurde mir das nächste Stück Kuchen vor allen anderen gebracht. Gastfreundschaft auf chinesische Art – schon fast ein bisschen beschämend. Wir, die Handvoll Europäer, die nach Shanghai flogen, betraten als letzte das Flugzeug. Wir wurden bis zum Einstieg begleitet, man achtete darauf, dass wir zuletzt ins Flugzeug gingen und wir saßen auch ganz hinten - vermutlich auch eine Corona-Sicherheitsmaßnahme. Als ich in das Flugzeug stieg, sah ich nur Chinesen und da wurde mir klar, dass ich jetzt richtig in China angekommen war, ganz weit weg von Europa. Bis dahin hatte ich ja fast keinen Chinesen ohne Ganzkörperverkleidung gesehen. Beim Abflug lief alles reibungslos und absolut pünktlich - ich konnte es nicht fassen. Punkt viertel nach drei rollte die Maschine auf die Startbahn. Das Boarding ging schnell, zügig und ganz stressfrei. Vor allem die Pünktlichkeit und Reibungslosigkeit überall hier sind frappierend, denn man hat es ja mit diesen gewaltigen Menschenmassen zu tun. Es ist ein Phänomen. Das Unterordnen unter Notwendigkeiten, die einen zügigen Ablauf ermöglichen, scheint Chinesen keinen Zacken aus der Krone zu brechen. Sie machen es, ohne sich dadurch herabgesetzt zu fühlen. Es gibt keine Pöbeleien, besserwisserische Sprüche oder Aufforderungen, dies oder jenes zu begründen, keine Diskussionen, bei denen man wieder Recht haben will usw. Kurz: Keine Reibung bei Abläufen, keine Dissonanzen. Deutsche würden sagen, dass Chinesen sich leicht unterordnen, weil sie das Unterdrückt-Sein gelernt haben, keinen Freigeist haben usw. Die deutschen Mitreisenden meckerten schon daran herum, dass wir am Flughafen stets begleitet wurden: „Kindergarten hier, oder watt?“ Egal, jetzt habe ich Deutschland ja erst einmal hinter mir. Beim Anflug auf Schanghai flogen wir über das Yangtse-Delta. Ich habe noch nie so viele Frachtschiffe auf einen Blick gesehen. Es waren unzählige. So weit das Auge reicht nur Delta und Schiffe. Wieder kam ein Vergleich zu Europa, der Ärmelkanal wäre vergleichbar, ob der aus der Luft auch so aussieht? Wir landeten wieder an einem völlig gigantischen Flughafen, an dem ich ja schon einmal vor zwei Jahren war. Und wieder lief alles absolut reibungslos. Kein Warten, nichts. Am Ausgang empfing mich mein Kollege George und wir fuhren mit dem Taxi in die Stadt. Kurz noch die Trasse des Transrapid neben uns und schon sah man von weitem die Skyline. Besonders sticht der Shanghai Tower heraus, das zweithöchste Gebäude der Welt. Die Chinesen haben aber vor kurzem beschlossen, dass sie beim Rennen um die höchsten Gebäude nicht mehr mitmachen. Nur noch bis dreihundert Meter - Begründung: Alles andere ist Verschwendung und bringt nichts. Und weiter wurde begründet: Man muss nicht immer das Größte, Höchste haben, um selbstbewusst zu sein. Als wir in den Innenstadtbereich hineinfuhren, war es bereits dunkel und die Stadt lebte - und sie lebt richtig! Um uns herum fuhren Scooter, Minimotorräder, Fußgänger auf den Straßen, Menschen auf den Gehsteigen, Verkäufer vor ihren Geschäften. Ich schaute aus dem Taxifenster und sah das Viertel, in dem ich für die nächsten Wochen wohnen werde. Das moderne Schanghai mit Transrapid und Flughafen wirkte auf einmal ganz weit weg. Plötzlich hatte die Stadt diese Atmosphäre, die es wirklich nur in ganz große Metropolen in warmen Klimazonen gibt, wo sich das Leben auf der Straße abspielt. Dort sind die Viertel überschaubar, kleine, alltägliche Dinge haben Platz. Lauter kleine Geschäfte, aber keine einzige internationale Kette, Garküchen, Boutiquen, Gemüseläden, Metzger, Fischhändler mit allerlei lebendem Getier und überall die Menschen auf Motorrollern, Fahrrädern, die mit Materialien so beladen sind, dass der Fahrer dazwischen verschwindet usw. Ankunft im Hotel. Dann der Blick aus dem Hotelzimmer. Auf dem Platz gegenüber tanzt jeden Abend eine Gruppe von Seniorinnen; das gehört zu den waschechten Traditionen Chinas. Hier hängt die Wäsche vor den Fenstern, hier wird morgens Qigong gemacht und es gibt kleine Supermärkte, die etwas wirr aussehen und in denen die Wahrscheinlichkeit, dass jemand Englisch spricht, absolut null ist, in denen die Dinge so preiswert sind wie bei uns vor 30 Jahren, allerdings weiß man bei 70% der Produkte sowieso nicht, was sie sind, an der Fleischtheke stehen die Senioren vormittags in Massen, um für das Mittagessen einzukaufen, auf einer kleinen Mauer sitzen Männer und plaudern. Es ist schön hier. Jenseits von Nanjing Lu (Nanjing Road), Waitan (Bund) und Renmin Guangchang (People's Square) mit diesen gigantischen Luxusfilialen gibt es eben noch das alte Shanghai, von dem so oft gesagt wird, dass es verschwunden ist, aber ich wohne irgendwie mittendrin. Ich komme zum Ende, denn der Abend ist fortgeschritten und ich muss schlafen gehen, 23 Uhr, das merkt man auch am Leben auf der Straße. Die ist nämlich jetzt ziemlich ruhig geworden. Man kann es sich nicht vorstellen, aber Shanghai schläft nachts. Hier kann man mit offenem Fenster schlafen, es ist einfach ruhig. Nur ab und zu kommt mal ein Taxi vorbei. Die Beleuchtung der Skyline wird ab 22 Uhr abgeschaltet, die U-Bahn macht ab halb elf die Tore zu, ab 23 Uhr ist Schluss. Häufiger Anblick: Wäsche vor den Fenstern Eine der unzähligen Garküchen, hier werden Dumplings zubereitet, gedünstete Hefeklöße - vielleicht in gewisser Weise vergleichbar mit kleinen Germknödeln - aber gefüllt sind sie auf verschiedenste Weise, von herzhaft bis süß. Seniorinnen beim Gruppentanz, ein allabendliches Ritual, das zu den chinesischen Traditionen gehört. Ob es eines Tages mit der älteren Generation verschwinden wird? In China sollte man auch Nudelsuppe mit Stäbchen essen können, sonst kriegt man bei vielen Gerichten ein Problem. Hier sieht man zwar einen Löffel, aber den nimmt man als Hilfsmittel dazu. Vorher fischt man die glitschigen Bandnudeln, das dünn geschnittene Fleisch und das Gemüse aus dem Sud. Hier habe ich mir mal einen Exportschlager aus Hong Kong gegönnt, Eierwaffel, Gai Daan Jai. Eigentlich ist nur die Form das Gimmick. Das Waffeleisen wird zugeklappt, um 180 Grad gedreht, so dass sich darin der Teig verteilt. Die Waffeln werden nach dem Backen zusammengerollt und mit allerlei gefüllt: Sahne, Eis, Toppings, Streusel usw. Mir reichte die Grundform. Dass es Schokolade war, wusste ich gar nicht, die junge Frau redete ununterbrochen auf mich ein und hatte dabei sichtlichen Spaß vor ihren Kollegen, weil die Kommunikation voll nicht funktionierte. Dabei kam Schokolade heraus. Vom letzten Stück der Nanjing Lu (Nanjing Straße), einer der größten und luxuriösesten Einkaufsstraßen der Welt geht der Blick direkt auf den Oriental Pearl Tower.
- Nächster Flug
Nach der unerwarteten Absage des ersten Fluges, der mich am 31.07. nach Shanghai bringen sollte, folgte der nächste Versuch. Am 02.09. sollte es nach Chengdu gehen, Hauptstadt der Provinz Szechuan, an der Grenze zwischen dem dichtbevölkerten Osten Chinas und dem ziemlich menschenleeren Westen Chinas, Noch eine Absage Dieser Flug wurde auch gestrichen. Aber diesmal wurde ich immerhin zwei Wochen vorher informiert. (Tipp: Bei Fluggesellschaften buchen, nicht bei Fluganbieterportalen; Fluggesellschaften kümmern sich besser um ihre Kunden.) Die Suche nach weiteren Flügen gestaltete sich ziemlich aussichtslos: Anrufe bei Air China ergaben, dass es vielleicht ab November wieder Flüge gibt. Nächster Versuch: Diesmal etwas anderes - Es gibt Charterflüge, die von der deutschen Außenhandelskammer in China organisiert werden. Klingt nicht leicht, daran zu kommen. Aber versuchen kann man's ja mal. Danke an Michaela, meine Kollegin, die diese Option herausgefunden hat. Dazu musste ich zuerst meine Behörde bei der Außenhandelskammer anmelden, danach mich als Vertreter der Behörde der für die Mitarbeiter, also in dem Fall ich für mich selber, sozusagen in Personalunion, einen Flug bucht. Stress pur, ich hing vor dem Computer, versuchte seitenweise englische Erläuterungen zu lesen, während die Zeit drückte - zwei Flüge gab es noch - es galt das Prinzip "Wer zuerst kommt, mahlt zuerst" Als ich die Unterlagen ausfüllte, gab es nur noch EINEN Flug - Es wurde eng. Englische Erläuterungen lesen und unter Hochdruck auch noch verstehen, Formulare ausfüllen, hoffen, dass sich kein Fehler einschleicht, dass man nichts übersieht. Es war hart, ich war durchgeschwitzt, ohne mich zu bewegen. ABER - es hat geklappt. Ich konnte einen Platz ergattern. Und !!! - die Charterflüge werden nicht gestrichen. Der nächste Flug geht am 10.09.2021 nach Qingdao, die Stadt, aus der das chinesische Bier kommt.
- Das Chinesische Neujahrsfest
Jahr für Jahr löst dieses Fest die größte Reisewelle, die größte Bevölkerungsbewegung weltweit aus. Chinesen, die ihre Provinzen verlassen haben, um z.B. in Schanghai ihr Geld zu verdienen, sparen oft den gesamten Jahresurlaub auf, um in dieser Zeit für drei Wochen nach Hause zu fahren. Die gesamte Wirtschaft kalkuliert diese Tage fest in die Jahresplanung ein. Die Bedeutung des Neujahrsfest ist ungefähr vergleichbar mit unserem Weihnachten. Das gesamte Land steht für einige Zeit still und feiert. Besonders an den Tagen direkt um Neujahr herum sind viele Geschäfte geschlossen - ungewöhnlich für ein Land, in dem sonst immer geschäftige Betriebsamkeit herrscht. Das Neujahrsfest findet am zweiten Neumond nach der Wintersonnenwende statt, also zwischen dem 21. Januar und 20. Februar. Der letzte Tag des Jahres wird gefeiert wie unser Silvester. Die Familie ist zusammen, es gibt ein Festessen und anschließend wird das alte Jahr um 24 Uhr mit Feuerwerk verabschiedet. Am nächsten Tag, dem ersten Tag des neuen Jahres, besucht man Verwandte. Nach 15 Tagen werden die Feierlichkeiten mit dem Laternenfest, einem weiteren Feiertag im chinesischen Kalender, beendet. Der letzte Tag im Jahr des Büffels ist der 31. Januar 2022. Am 1. Februar beginnt das Jahr des Tigers. Es wird viel geschenkt, vor allem kleine rote Umschläge, in die man Geldscheine steckt. Mittlerweile gibt es in der allmählich bargeldlos werden Gesellschaft auch bei den Online-Bezahldiensten wie Alipay die Möglichkeit, kleine digitale, rote Umschläge mit einer Geldsumme zu verschicken. Geldgeschenke können idealerweise die Zahlen sechs oder acht enthalten. Die Zahl 6 steht für Glück, die Zahl 8 verheißt Reichtum. Rot ist in China die Farbe des Glücks, nicht nur die Umschläge für Geldgeschenke sind rot, alles andere in diesen Tagen um das Neujahrsfest auch. Mit leuchtend roter und goldener Dekoration wird geschmückt, an den Rahmen der Wohnungs- oder Hauseingangstüren werden rote Papierstreifen mit Versen in chinesischer Kaligraphie angebracht, jeweils ein Streifen am Türsturz und einer an jedem Türpfosten, in der Mitte der Tür hängt ein kunstvolles Gebilde mit dem Zeichen "Fu", das für Glück- und Geldsegen steht. Scherenschnitte, ebenfalls mit dem Fu-Zeichen werden an die Fensterscheiben gehängt. Man kann rote Unterwäsche tragen oder rote Socken, wenn das Jahr mit dem Tierkreiszeichen bevorsteht, in dem man geboren wurde. Weiße Kleidung sollte in diesen Tagen vermieden werden, es steht für den Tod. Rot vertreibt böse Geister ebenso wie das Feuerwerk, das in China erfunden wurde. Mittlerweile, ist aber auch in China in den Großstädten das Feuerwerk aus Gründen der Feinstaubbelastung verboten. Drachen- und Löwentänze werden aufgeführt und zu Hause wird Mah-Jongg gespielt, das alte chinesische Spiel, das besonders durch den charakteristischen Klang der aneinanderklickenden Spielsteine auffällt. Die Altstadt von Schanghai ist in diesen Tagen besonders feierlich geschmückt. Große, von innen beleuchtete, laternenartige Objekte stimmen auf das Jahr des Tigers ein. Der Yu Yuen-Garten, das erhaltene, bzw. wiederaufgebaute Stück der chinesischen Altstadt, ist abends gut besucht von Familien, die sich die Lichtobjekte ansehen und unter den Laternen spazieren gehen. Manche Kinder bekommen selber eine kleine Laterne, mit der sie umherlaufen, es wirkt ein bisschen wie unser Martinsfest. Die Stimmung ist feierlich und man hat den Eindruck, dass viele Kinder selig sind und sich die Atmosphäre dieser Tage als besonders schöne Erinnerung in ihr Gedächtnis einbrennt.
- Retro Shopping Mall - Das Schanghai der 90er Jahre
Lange ist es noch nicht her, aber schon richtig Geschichte - die 90er Jahre in Schanghai. Die Stadt hat sich in den letzten dreißig Jahren derart verändert, dass manche sie kaum wieder erkennen. Heute applaudiert die Welt dem modernen Shanghai, besucht die Stadt, bestaunt Wolkenkratzer und Luxuskonsum, der nur an wenigen Orten auf der Erde so geballt in Erscheinung tritt wie hier. Selbst Leute, die noch vor 15 Jahren nie auf die Idee gekommen wären, nach China zu reisen, sind jetzt da, um zu sehen, wovon alle reden. Etwas untergegangen durch den Boom ist das alte Schanghai. Diesen Verlust spüren viele und dafür muss man nicht einmal alt sein, da die bisherigen Entwicklungen weniger als ein halbes Menschenleben dauerten. 2021 hat man in der modernen Raffles-Shopping-Mall am North Bund im Basement einen gastronomischen Bereich eingerichtet, in dem man das alte Schanghai erleben kann, den Shanghai City Mart. Man erreicht ihn mit der Metrolinie 12, Station: Tilanqiao. Essensmöglichkeiten, Garküchen usw. reihen sich dort aneinander, dazwischen die dazugehörigen Sitzmöglichkeiten. Der Rest ist zweifellos Kulisse und viele Skeptiker werden den nörgelnden Vergleich mit Disneywelten anstimmen, aber offenbar gibt es ein Bedürfnis, das Alte zu erleben. Und es ist anscheinend gut gemacht, denn viele Besucher fotografieren und filmen, Eltern zeigen ihren Kindern, was ein Telefon ist oder wie am Straßenrand Kastanien geröstet wurden und schon Mittzwanziger äußern sich, dass sie sich an ihre Kindheit erinnert fühlen und in so einer Umgebung aufgewachsen sind. Auffällig finde ich als Besucher immer wieder die Bedeutung von Fahrrädern, Nähmaschinen, Telefonen, Radios und Warmhaltebehältern zum Transportieren von Essen, in Deutschland "Henkelmann" genannt. Fahrräder und Nähmaschinen waren in China noch sehr lange Statussymbole und dürften heute vielleicht einem Auto und einer Eigentumswohnung entsprechen. Der gesamte Bereich ist nicht klein, sondern umfasst ca. 3000 qm. Es ist nicht nur ein Platz, um den alles angeordnet ist, sondern es wird der Charakter eines kleinen Viertels mit Straßen, Plätzen und Häusern vermittelt. Und da gerade Winter ist, ist alles mit Schneedekor überzogen. Mir fiel vor allem auf, dass vor dreißig Jahren ausschließlich chinesische Beschriftungen verwendet wurden. Pinyin wurde erst relevant mit dem Erlernen von Fremdsprachen und den Tastaturen von Schreibmaschinen. Außerhalb dieses historisch gestalteten Bereichs dominiert in der Raffles-Mall die lateinische Schrift. Aber die Welt der glitzernden Shopping Malls ist auch nur "ein" Teil Schanghais. Stadtteile, in denen die Entwicklung verzögerter abläuft, gibt es einige. Vor allem, wenn man das Stadtzentrum verlässt. Selbst downtown gibt es Viertel, die wegen ihrer besonders nostalgischen Atmosphäre unter Denkmalschutz gestellt wurden, wie z.B. Tianzifang.
- M 50
Er ist ganz in meiner Nähe - der Kunstbezirk M 50. Circa drei Kilometer liegt die Gegend vom Zentrum um die Nanjing Road entfernt und wird langsam exklusiv. Der Londoner Architekt Thomas Heatherwick, einer der angesagtesten Designer in Asien, hat vor zwei Jahren das "Haus der 1000 Bäume" errichtet und ein weiteres wird gerade daneben gebaut. Beide erheben sich dann direkt am Ufer des Flusses Suzhou, sehen aus wie ein zerklüfteter Berg, der mit Bäumen bewachsen ist, die abends kunstvoll von unten beleuchtet werden. Im Gebäude befindet sich eine exklusive Shopping Mall und wenn man von dort am Suzhou-Fluss entlanggeht, erreicht man den "Environmental Theme Park of Suzhouhe Mengqing Garden". Wer hier wohnt, muss für eine Wohnung vermutlich einen 7-stelligen Betrag hinblättern. In dieser Gegend befindet sich in unmittelbarer Nachbarschaft der 1000-Bäume Häuser der Kunstbezirk M 50. Früher war dort, wo sich heute Galerien und Ateliers tummeln, eine Baumwollfabrik und entsprechend einfach war die Wohngegend drumherum. Man erreicht M50 mit der Metro 3 oder 4 bis Zhongtan Road oder mit der Metro 13 bis Jiangning Road. Wenn man von dort in meine Richtung weitergeht, unterquert man zunächst den Metro-Ring, der hier als Hochbahn die Innenstadt umgibt. Dann lässt man noch den Autobahnring hinter sich und ist auf einmal in einem ganz anderen Schanghai - dem der alten Leute, in dem noch die Zeit stehen geblieben zu sein scheint, wo die Menschen abends auf öffentlichen Plätzen Gesellschaftstänze machen, Karaoke singen oder Gruppen von Seniorinnen Street-Dance machen. Hier wird noch auf dem Markt gekauft, selber gekocht und nicht im Restaurant internationaler Schnickschnack gegessen und hier gibt es das für China typische Menschen-Gewusel auf den Straßen, das in den teuren Bezirken deutlich weniger zu finden ist. Das Haus der 1000 Bäume Suzhou Creek/Suzhou-Fluss M 50
- Nanjing Road - vom Jing'an-Tempel zum Bund
Schanghai hat eine Konsummeile der Superlative - die Nanjing Road. Sie ist unterteilt in Nanjing Road West und East. In der Mitte liegt der People's Square mit einer wichtigen Metro-Station, dort befindet man sich im Zentrum Schanghais. Wer Lust hat, die üblichen Luxusmarken dieser Welt zu kaufen, ist in der Nanjing Road an der richtigen Adresse. Alles was an Mode, Uhren, Autos usw. Rang und Namen hat, ist hier vertreten (Cartier, Bulgari, Dior, Chanel, Louis Vuitton, Armani, Rolex, Breitling, Maserati, Porsche, Gucci usw. usw.) Man kennt es ja, aber die Größenordnung in Schanghai ist eine andere als z.B. auf der Königsallee, die von ihren Dimensionen im Vergleich zur Nanjing Road kurz wirkt. Die Größe der Gebäude und die Länge der Straße sprengen hier die Dimensionen. Wer nämlich die Nanjing Road vom Jing'an Tempel bis zum Bund ablaufen will, hat fünf Kilometer vor sich. Wenn man noch die Wege hinzunimmt, die man z.B. innerhalb von Metrostationen zurücklegt, die auch große Dimensionen haben oder den einen oder anderen Abstecher hinzuzählt, kann man noch einiges an gelaufenen Kilometern drauflegen. Man muss also gute Kondition haben. Trotzdem lohnt es sich, diese Straße zu sehen, nicht nur wegen der Geschäfte, sondern weil links und rechts interessante historische Dinge und hübsche Bezirke liegen. Es wirkt widersprüchlich, dass der buddhistische Tempel Jing'an an dieser Straße liegt. Entsagung und Megakonsum treffen hier aufeinander, denn die Tempelanlage Jing'an wird von Mönchen bewohnt, die asketisch leben und eine Armutsverpflichtung haben, keine weltlichen Dinge dürfen vom Streben nach Erleuchtung ablenken. Der Tempel steht etwas verloren inmitten von Hochhäusern, aber gleichzeitig hält er dort die Stellung, uneinnehmbar wie eine Bastion der Entsagung inmitten der Welt des Kommerzes. Direkt nebenan gibt es Burger King, Lavazza, Starbucks und Ikea. Es ist alles völlig austauschbar, hauptsache international, eigentlich weiß man hier nicht mehr, ob man in Vancouver, Brisbane oder Schanghai ist. Das alte Schanghai findet man hier jedenfalls nicht mehr. Trotzdem ist die Umgebung durchaus hübsch. Für manche Westler oder Expads ist es vermutlich die einzige Gegend, die sie in Schanghai kennen oder aushalten. Vor dem Jing'an Tempel stehen Löwen beidseitig von den Eingangsportalen. Sie sollen böse Geister abhalten. Diese Löwen sehen immer bedrohlich aus, sie sind aber Wächter und Beschützer des Hauses und seiner Bewohner. Die Tempelanlage gehört zu den wichtigsten Sakralbauten Chinas. Ihr erster Bau wurde im Jahr 247 nach Christus errichtet am Fluss Suzhou, der aus der gleichnamigen Stadt kommt und in Schanghai am Bund in den Huangpu Fluss mündet. Wegen verschiedener Überschwemmungen wurde die Lage aufgegeben und man zog um in den Bezirk Jing'an. Der Tempel, den man heute besucht, ist relativ neu, denn sein Vorgängerbau brannte 1972 ab. Traditionelle chinesische Architektur wurde aus Holz gebaut. Das macht diese kostbaren Gebäude extrem brandgefährdet, aber andererseits erdbebensicher. Schanghai ist zwar keine Erdbebenregion, was bei den Wolkenkratzern auch schlecht wäre, aber wenn es ein Beben geben sollte, ist der Tempel wenigstens davor sicher. Direkt gegenüber von der Eingangshalle führen Treppen hinauf zur Mahavira Halle mit einer riesigen Statue Gautamas, der meditierend in einer Lotusblüte sitzt. Er besteht aus 15 Tonnen Silber und ist knapp neun Meter hoch. Im Tempelbezirk sieht man viele Menschen, die mit großer Ernsthaftigkeit zum Beten hierher kommen. Die Mönche zelebrieren so etwas wie Andacht, bei der Trommeln und Blasinstrumente in der Anlage zu hören sind. Gegenüber vom Tempel liegt der Jing'an Park, eine schön angelegte, gepflegte Anlage mit See und einem Restaurant am Ufer. Viele Menschen kommen hierher, um sich zu entspannen, im Freien zu malen, Musik auf traditionellen Instrumenten zu spielen, Tai Chi in Gruppen zu machen oder im Restaurant essen zu gehen. Vom Jing'an-Park kann man weiter auf der Nanjing Road Richtung People's Square laufen. Es geht an vielen Luxusgeschäften und Einkaufsmöglichkeiten entlang. Zwischen der Straße und den Gebäuden ziehen sich Grünanlagen mit blühenden Beeten hin und man fühlt sich weiterhin wie in einem Park. Südlich von der Nanjing Road gehen zwischen Shaanxi Road und Shimen Road kleine Straßen ab, die in alte Wohnquartiere führen, wo man ein großes Stück altes Schanghai findet. Auf diese Bebauung wird durch Hinweistafeln aufmerksam gemacht, die deren historischen Wert hervorheben. Es gibt also auch in Schanghai Denkmalschutz und anscheinend gar nicht so wenig, denn diese Hinweistafeln begegnen einem oft. Es heißt ja in den westlichen Medien, dass China die alte Substanz abreißt und durch neue gesichtslose Städte ersetzt. Den Eindruck kann ich in Schanghai so nicht teilen. Es wird zwar viel abgerissen, aber es wird auch viel erhalten. Das Viertel südlich der Nanjing Road wurde in den 20er Jahren erbaut und wegen seiner Prime-Lage dicht am Zentrum waren es Häuser für besser gestellte Chinese, meisten Kantonesen, die höhere Einkommen hatten. Das denkmalgeschützte alte Viertel reicht ungefähr bis zur Kreuzung Maoming Road. Ab da kann man für ein paar Meter die Nanjing Road verlassen und der parallel dazu verlaufenden Wujiang Road folgen. Es ist eine Fußgängerzone mit vielen Möglichkeiten, seinen Hunger zu stillen. Diese Straße trifft bald auf eine Kreuzung, an der sich Nanjing Road und Shimen Road kreuzen. Man ist umgeben von einigen alten Hochhäusern, die abends effektvoll beleuchtet werden, besonders deutlich hebt sich die halbrunde, große Starbucksfiliale ab, die das Straßenbild prägt - eine zeitlang war dies die größte Starbucks-Filiale der Welt, seit 2019 gibt es eine noch größere in Chicago. Nebenan beginnt auch die große Shopping Mall an der Shimen Road Number One. Die Kreuzung Shimen Road/Nanjing Road/Wujiang Road/Fengyang Road Die Kreuzung Shimen Road/Nanjing Road/Wujiang Road/Fengyang Road Wer auf den Anblick teurer Autos und Geschäfte steht und gern Luxus und Reichtum sehen möchte, kann hier verweilen, bummeln und gucken. Auch südlich der Nanjing Road findet man viel, was westlichem Luxusstandard entspricht, man kann der Weihai Road folgen oder geht bis zur Dagu Road, wo man ziemlich gut gestaltete und qualitativ hochwertige Restaurants vieler verschiedener Nationen findet, in denen man mit Englisch bestens zurecht kommt und sich unter einigen Expads befindet. Man bekommt dort in vielen Restaurants europäisches Besteck. Das gesamte Viertel südlich der Nanjing Road ist teuer, aber auch teilweise sehr hübsch, Am Beginn der Wujiang Road geht die Maoming Straße nach Süden ab und führt zur Huaihai Road, einer weiteren Luxusmeile. Man kommt am Garden Hotel und dem alten Cathay-Kino im Art Deco-Stil vorbei, wenn man vom Kino rechts der Huaihai Road folgt, kann man nach ein paar hundert Metern diagonal in die Dongho Road abbiegen, wo es ebenfalls einige ausgefallene Restaurants gibt. Die Xinle Road führt wieder nach Osten zurück zur Maoming Road und man kommt an zahlreichen kleinen Geschäften und Boutiquen vorbei. Es lohnt sich sehr, diese Gegend zu erkunden, man wandelt unter Platanen, sieht alte Bauten, kreative gestaltete Geschäfte. Es ist gemütlich, klein, überschaubar und trotzdem spürt man den Geist der Weltstadt. Garden Hotel in der Maoming Road Das Cathay Kino an der Ecke Maoming Road Huaihai Road Weiter geht der Weg auf der Nanjing Road, bis man den People's Park erreicht. Er wurde 1952 auf dem Gelände der alten Shanghaier Pferderennbahn angelegt. Es gibt dort einen künstlichen Wasserfall, einen kleinen Freizeitpark mit Kinderkarussellen, einen See mit einem Restaurant und einem Teehaus, das Shanghai Museum of Contemporary Art und einiges mehr. Südlich vom Park liegt das Shanghai Museum, dass antike chinesische Kunst zeigt. Am Rand des Parks an der Nanjing Road steht das Gebäude des Shanghai Race Clubs, den die Briten im Jahr 1862 gründeten, heute ist darin das Shanghai History Museum untergebracht. Oben auf dem Gebäude wehte die britische Flagge an einem Fahnenmast, der von einem chinesischen Kriegsschiff stammt, welches von den Briten und den Amerikaner gekapert wurde. Als die Volksrepublik am 1.Oktober 1949 ausgerufen wurde, ließ man dort sofort die Flagge der VR China aufziehen. die neue Regierung verbot Pferderennen und machte aus der Rennbahn den heutigen Park. Man geht vom People's Square zum Bund über die Nanjing Road East, die in diesem Stück eine lange Fußgängerzone ist. Es geht mit den teuren Geschäften weiter und irgendwann erreicht man den Bund, wo die Nanjing Road nach vielen Kilometern endet. Wenn man diese Straße abgelaufen ist, hat man eine wichtige Achse kennen gelernt, die durch Schanghai führt. Das gibt eine gewisse Orientierung, die man leider überhaupt nicht bekommt, wenn man sich auf die U-Bahn beschränkt. Man kann Schanghai aber auch ausgezeichnet mit dem Fahrrad erkunden, aber dazu später mehr. Die Nanjing Road East, eine quirlige Fußgängerzone
- 1. Oktober 1949, Ausrufung der Volksrepublik
Wieder ein Feiertag, diesmal wird aber weder ein Dichters noch eine mythologischen Figur gefeiert, sondern die Geburtsstunde der Volksrepublik. Nach dem Chinesischen Bürgerkrieg von 1927 -1949 zwischen Nationalisten, der Kuomintang, unter Chiang-Kai-schek und den Kommunisten unter Mao Tse-tung, welche den Bürgerkrieg gewannen, wurde die Volksrepublik China am 1. Oktober 1949 von Mao Tse-tung auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking ausgerufen. Die Nationalisten zogen sich nach Taiwan zurück, das gesamte Festland wurde von den Kommunisten regiert. In China hat man seit den 90ern um den 1. Oktober eine Woche frei, die sogenannte "Goldene Woche". Man könnte den Eindruck bekommen, dass die Chinesen viel feiern und wenig arbeiten. Aber jeder freie Tag wird an Wochenenden nachgearbeitet, zusätzliche freie Tage sind das also nicht. Am Freitag, dem 1. Oktober wird am Bund, so heißt die Straße mit Promenade am Fluss Huangpu, von wo man den besten Blick auf die Skyline hat, voraussichtlich eine gigantische Lasershow gezeigt. Früher gab es stundenlange Feuerwerke, aber aus ökologischen Gründen, wegen der Feinstaubbelastung und Umweltverschmutzung etc. gibt es in China keine Feuerwerke mehr, statt dessen werden diese Lasershows gemacht oder es werden Lichtkunstwerke, also riesige, leuchtende, sich bewegende Bilder mit hunderten oder tausenden Drohnen am Himmel gezeigt. Eigentlich kommt das Feuerwerk ursprünglich aus China. Man gibt also eine jahrtausendalte Tradition auf. Das Schwarzpulver, eine Mischung aus Salpeter, Schwefel und Holzkohle, wurde hier im schon im 8. Jahrhhundert erfunden. Niederländische Seefahrer brachten es im 13. Jahrhundert nach Europa, wo es dann weniger für Feste als vielmehr für militärische und kriegerische Zwecke zum Einsatz kam. Das lässt tief blicken. Seit zwei Tagen dudelt hier das Lied "Ich und mein Land" aus sämtlichen Lautsprechern, es ist so etwas wie eine inoffizielle Hymne, die in China wirklich jeder kennt. Das Lied ist schön, aber hier im Hotel läuft irgendwo eine Endlos-Tondatei, so dass man es ununterbrochen hört, aber auch in dem kleinen Laden an der Ecke und in der Bäckerei - es ist einfach zu viel. Vor zwei Jahren wurde zum 70-jährigen Jubiläum der Volksrepublik ein Film mit gleichem Titel gedreht "Ich und mein Land", auf chinesisch: 我和我的祖国 (Pinyin: Wo he wo de zu guo). Das Lied untermalt den Trailer zum Film. Zum Trailer des Films und dem Lied, klick hier.
- M50-Kunstbezirk
Moganshan Road 50 - abgekürzt M50 - ist ein Kunstquartier mit ca. 140 Galerien für zeitgenössische Kunst, das sich in einem alten Fabrikgelände für Baumwollverarbeitung angesiedelt hat. Um das Jahr 2000 fanden dort Künstler billige und große Ateliers und ließen sich in diesem Viertel nieder. Die Stadt erkannte 2005 das Gelände offiziell als Kulturareal an, womit es vor Abriss und Flächensanierung geschützt ist. Es handelt sich um etliche Fabrikgebäude und kleine Werkstraßen, die sich dazwischen durchziehen. Das Areal wirkt labyrinthartig mit vielen Treppen, Etagen, Gängen und kleinen Plätzen, an denen Cafés liegen, bei denen man draußen sitzen kann. Man erreicht dieses Gebiet über Metro 13, Station Jiangning Road. Adresse: Moganshan Road 50