UMGEBUNGSENTDECKER
REISEEINDRÜCKE FÜR KUNST- UND GESCHICHTSINTERESSIERTE
Vom Wendland über die Altmark
bis Ballenstedt
INHALT
Die Elbe - Grenzfluss zwischen Sachsen und Wenden
Das Wendland - Von Slawen und Atomkraftgegnern
An der Außengrenze des ostfränkischen Reichs -
Wo der Baumkuchen erfunden wurde - Salzwedel
Erneuerbare Energie seit immer schon - Die Gierseilfähre bei Werben
Eine Kirche wie eine Festung - Havelberg
Metropole der Altmark - Stendal
Der berühmteste Sohn Stendals - Johann Joachim Wickelmann
Eine Zeit lang Brandenburgs Hauptstadt - Tangermünde
Das Erbe Ottos des Großen - der Magdeburger Dom
Beginn der brandenburgischen Geschichte, Albrecht der Bär
Die Elbe - Grenzfluss zwischen Sachsen und Wenden
Diesmal führte mich die Reiselust an die Mittelelbe, immer am Fluss entlang vom Wendland bis an die Saale. Diese Gegend war besonders im Mittelalter vor ca.1200 bis 1000 Jahren interessant.
Damals waren Elbe und Saale Grenzflüsse zwischen der christianisierten und der heidnischen Welt. An diesen Flüssen und ihrer Umgebung entstanden Klöster, Kirchen oder Pfalzen, um das Christentum dort zu verbreiten, zu sichern und von dort aus in heidnische Gebiete weiter nach Osten vorzustoßen.
Auf der Karte unten verläuft diese Grenze entlang dem blauen und weißen Territorium, entlang der Elbe von Hamburg über Magdeburg und weiter entlang an der Saale bis zum Thüringer Becken.
Dies war die Ostgrenze des ostfränkischen Reichs.
Abbildung: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/2/2c/Vertrag_von_Verdun.svg
Das Fränkische Reich nach dem Vertrag von Verdun, anno 843
Auf der westlichen Seite von Elbe und Saale lebten Germanen, auf der östlichen Seite Wenden, also Slawen. Das Gebiet der germanischen und wendischen Stämme war aber nicht so klar voneinander getrennt, wie es diese Grenzlinie vermuten lässt. Sowohl dies- als auch jenseits der Grenze gab es Siedlungen beider Volksgruppen. Grenzregionen zeichneten sich zu dieser Zeit eher dadurch aus, dass sie dünn besiedelt waren und Siedlungen der jeweiligen Stämme seltener anzutreffen waren als im Kerngebiet der jeweiligen Gruppe.
Dennoch gab es das Bedürfnis nach einer klaren, linearen Grenze. Die Römer hatten es schon 1000 Jahre zuvor gemacht, indem sie die Flüsse Rhein und Donau als Grenze zwischen dem Imperium Romanum und Germanien festlegten. Sie hatten dort Zentren gegründet, um diese Grenze zu sichern. Außerdem verfolgten sie das Ziel, die Erschließungsgrenze des Imperiums weiter in germanisches Gebiet zu verschieben, indem sie von den römischen Befestigungen in das unbekannte, östliche Territorium vordrangen. Die Römer konnte sich dort aber nicht dauerhaft etablieren. Das gelang erst einige Jahrhunderte später Karl dem Großen, der sich zum Nachfolger der römischen Kaiser krönen ließ. (Falls dich die Eroberung der rechtsrheinischen Gebiet durch Karl den Großen interessieren, klick hier. Da steht es genauer.)
900 Jahre nach den Römern, wir schreiben das 10. Jahrhundert, lief es ähnlich ab, nur diesmal weiter östlich an der Elbe, an der Grenze zwischen christlicher und heidnischer sowie germanischer und slawischer Kultur.
Sächsisch-ottonische Herrscher gründeten dort Burgen und Klöster als Sicherung ihres Territoriums und als Ausgangspunkte für die weitere Besiedlung und Missionierung des östlichen, slawischen Territoriums, wie z.B. die Errichtung der Burg Tangermünde (im Jahr 925 durch die askanischen Markgrafen), die Burg von Meißen (gebaut im Jahr 929 durch König Heinrich I. (Vater von Kaiser Otto I.)) oder die Gründung des Klosters St. Mauritius 937 durch Kaiser Otto I., das zur Keimzelle Magdeburgs wurde.
Die Elbe ist rot eingezeichnet. Wichtige Befestigungen auf der westlichen, ostfränkischen Seite sind Tangermünde, Meißen und Magdeburg.
Das Wendland,
von Slawen und Atomkraftgegnern
Das Wendland
Quelle: https://wendland-elbe.de/wp-content/uploads/Übersichtskarte_Wendland.Elbe_NEU_2020-1024x814.jpg
Meine Reise begann im Wendland, dem nördlichsten Punkt der Fahrt. Die Gegend war früher der westlichste Ausläufer des slawischen Kulturraums in Europa, der sich hier auch westlich der Elbe ausdehnte. Bis heute ist das Gebiet durch slawische Dorfstrukturen geprägt, durch Rundlingsdörfer, deren Bauernhöfe mit ihrer Giebelfassade auf den zentralen Dorfplatz, ausgerichtet sind.
Deutlich erkennbar ist die Radialstruktur eines Rundlingsdorfes, bei dem die Giebelseiten der Höfe auf den zentralen Dorfmittelplatz ausgerichtet sind.
Für einen Besuch der Rundlingsdörfer startet man am besten in Lüchow, fährt die Bundesstraße 493 Richtung Uelzen und kommt irgendwann zur Ausfahrt nach Lübeln, einem Rundlingsdorf, in dem man sich im Rundlingsmuseum Wendland näher über diese Dorfform informieren kann. Von dort geht es in ziemlich kurzen Entfernungen weiter zu Orten mit exotischen Namen wie: Gühlitz, Satemin, Jabel.
Bekannter ist das Wendland durch den Ort Gorleben.
Atommülllager, Castor-Transporte und gegnerische Massendemonstrationen machten Gorleben zum Synonym für Widerstand gegen Atomenergie. Als Ausdruck dieser Bewegung gegen das Atommüllager wurde 1980 von Atomkraftgegnern die "Republik Freies Wendland", ein Hüttendorf, ausgerufen und dort errichtet, wo eine Tiefbohrstelle bei der Suche nach einem Endlager durchgeführt werden sollte. Einige Monate lang wurde dieses Dorf zum Zentrum des Widerstands, bis es von Polizei und Bundesgrenzschutz geräumt wurde.
Bis heute reagieren die Bewohner des Wendlands seismographisch auf Themen, den Umweltschutz betreffend.
Zugleich zieht das Wendland Leute an, die in gewisser Weise nach anderen Lebensmöglichkeiten suchen und alternative Projekte von Kunsthandwerk bis Biolandwirtschaft erproben und leben.
Bemerkenswert ist die jährlich zwischen Himmelfahrt und Pfingsten stattfindende "Kulturelle Landpartie", das größte, selbstorganisierte
Kulturfestival Norddeutschlands, bei dem im Wendland lebende Künstler*innen, Musiker*innen und Kunsthandwerker*innen, ihre Ateliers, Höfe und Werkstätten öffnen, um zu zeigen, wie sie leben und arbeiten.
Während der deutschen Teilung lag das Wendland im Zonenrandgebiet und war an drei Seiten von der DDR umgeben. Es war eine strukturschwache Gegend irgendwo im Abseits. Grund genug, dort nichts zu investieren, wodurch der ursprüngliche Charakter der Dörfer und der Landschaft erhalten blieb. Verglichen damit haben sich Dörfer im Westen der BRD oft bis zur Unkenntlichkeit verändert.
Im Wendland ist man weit weg von den industrialisierten, zersiedelten Ballungsräumen des Westens und die Zeit scheint stehen geblieben zu sein. Kein Zivilisationslärm, nicht einmal Flugzeuggeräusche stören die Idylle. Es gibt, wenn nicht gerade ein Traktor oder Auto vorbei kommt, faktisch keine unnatürlichen Geräusche.
Die Bewohner der Dörfer sind größtenteils in die Jahre gekommen. Manchmal sitzt auf einer Bank vor einem dieser Häuser ein über 60-jähriger Mann mit Lederweste, weißem Pferdeschwanz und Bauch und lässt stoisch die kommenden Touristen über sich ergehen, die durch ihre Anwesenheit den Charakter der Rundlingsdörfer verändern. Die Menge an Besuchern dürfte zunehmen, denn die Rundlingsdörfer haben sich
beworben, Unesco-Weltkulturerbe zu werden.
Wenden gab es übrigens nicht nur im heutigen Wendland, sondern auch in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Sachsen, also überall östlich der Elbe.
Die ehemals slawischen Prägungen von Deutschlands Osten erkennt man noch heute präzise an Ortsnamen wie Eutin, Rudow, Wandlitz und unzähligen anderen, die ähnliche slawische Endungen wie -in, -ow oder -litz haben. Auch Straßendörfer mit Anger kamen häufig im slawischen Teil Europas vor und haben sich in den wenig industrialisierten Gegenden des Ostens bis heute erhalten. Sogar in manchem Berliner Bezirk sind slawische Ursprünge deutlich erkennbar wie z.B. in Berlin-Lichtenberg an der Möllendorffstraße und der Straße Am Anger, ebenso im Süden Berlins in Alt-Mariendorf oder in Alt-Marienfelde usw.
Weil die Wenden überall im Osten lebten, ist die Bezeichnung "Wendland" für die Gegend im heutigen Niedersachsen ungenau. Präziser heißt die Gegend um Lüchow deshalb "Hannoversches Wendland".
Die Elbe bei Wahrenberg
Circa vierzig Kilometer östlich von Lüchow verläuft die Elbe. Das Städtchen Wahrenberg liegt direkt hinter dem Deich. Die abendliche Fahrt dorthin war beschaulich. Nach Verlassen der Bundesstraße 190 bei Leppin und der Weiterfahrt Richtung Wahrenberg, kamen mir kaum noch Autos entgegen. Golden, intensiv und kontrastreich leuchteten die Ährenfelder im Licht der tiefstehenden Abendsonne, menschenleere Dörfer, stille Straßen, Kirchen mit einsamen Friedhöfen. So hatte ich mir die Landschaft vorgestellt und meine Erwartungen wurden voll erfüllt.
Das Straßendorf Harpe
Gleich hinter dem Deich bei Wahrenberg liegt die Elbe. Von der Deichkuppe sieht die Landschaft aus, als wäre sie seit Jahrhunderten nicht verändert worden. Die Elbe fließt gemächlich durch die Niederungen, keine Straße, keine gemauerte Uferbefestigung zwängen sie in ihr Flussbett.
Zwar gab es Elbregulierungen im 19. Jahrhundert, so dass der Fluss sich nicht ständig ein neues Bett sucht, und es gibt Deiche, aber der Gesamteindruck wirkt verblüffend naturbelassen.
Ich setzte mich ins Gras und schaute zu, wie der Tag langsam zur Neige ging. Vereinzelt standen Angler am Ufer, Schwalben jagten zwitschernd umher, in der Ferne erklang der Ruf des Kuckucks und über den Dächern zog ein Storch seine Kreise.
An der Außengrenze des Reichs
Die Altmark
Südlich vom Wendland liegt die Altmark.
Territorien, die an den Außengrenzen des Reichs lagen, bezeichnete man seit der Einführung des Systems der Marken durch Karl den Großem als "Mark".
Die Altmark war ein Grenzterritorium an der Elbe zur Zeit des ostfränkischen Reichs.
Die Altmark, Grenzgebiet des ostfränkischen Reichs. Die Elbe, hier rot eingezeichnet, verlief im Osten und grenzte den germanischen und slawischen Raum voneinander ab.
Die Region Altmark liegt im Norden des Bundeslands Sachsen-Anhalt.
Wo der Baumkuchen erfunden wurde:
Salzwedel
Salzwedel liegt ganz im Norden der Altmark und grenzt direkt an Niedersachsen, also ans Wendland. Die Stadt war im Mittelalter eine Hansestadt und trägt seit 2008 wieder die Bezeichnung "Hansestadt" im Namen.
Abgesehen von einer recht schönen und im Krieg unzerstört gebliebenen Altstadt ist das Alleinstellungsmerkmal Salzwedels die Erfindung des Baumkuchens um 1800. Damals hatte Luise Lentz den ersten Salzwedeler Baumkuchen gebacken. Historisch verbürgt ist das Jahr 1808, als der Gründer der Salzwedeler Baumkuchengilde, Johann Andreas Schernikow, seinen Meisterbrief erlangte.
Im Jahr 1841 wurde der Baumkuchen hoffähig, als König Friedrich Wilhelm IV. die Qualität des Salzwedeler Baumkuchens hervorhob. Schernikow wurde 1865 zum königlichen Hoflieferanten ernannt.
2015 richtete das Café Kruse, das seit 1842 Baumkuchen herstellt, eine gläserne Baumkuchenfabrik ein, in der man bei der Produktion zusehen kann.
In der Zeit der DDR wurde der Baumkuchen vorrangig für den Export gebacken.
Fast jeder kennt das Gebäck mit Schokoladenüberzug, das Original wird aber mit weißem Zuckerguss glasiert. Man sollte es probieren. Vielleicht findet mancher die Zuckerguss-Variante besser als die schokoladige. Durch den Zuckerguss hat der Baumkuchen mehr Biss und eine leicht crunchige Note.
Salzwedeler Baumkuchen
Erneuerbare Energie seit immer schon:
Die Gierseilfähre bei Werben
Am nächsten Morgen ging meine Fahrt von Salzwedel weiter nach Havelberg auf die andere Elbseite.
Die Gierseilfähre bei Werben, die nur von der Flussströmung angetrieben wird, brachte mich vollkommen geräuschlos und ohne spürbare Bewegung gemächlich ans andere Ufer. Das Übersetzen verlief so ruhig, dass ich kaum bemerkte, dass wir bereits abgelegt hat. Der Fährmann bestätigte meinen Eindruck und berichtete, dass die Fahrgäste oft fragen, wann es denn losgehe, weil sie nicht bemerken, dass die Fahrt schon längst begonnen hat.
Als einziger Fahrgast an diesem Morgen ließ ich mir vom ihm das Gierseil-Prinzip erklären, bestaunte sein Fährmannskabuff mit Pin-Up-Girls, in dem er auch handgemachte Marmeladen und selbst geernteten Honig zum Verkauf anbietet.
Havelberg,
eine Kirche wie eine Festung,
Von der östlichen Uferseite ging meine Reise weiter Richtung Havelberg.
Dort, wo die Havel in die Elbe mündet, ließ Heinrich I., sächsisch-ottonischer König und Vater von Otto I., auf einem Höhenrücken eine Burg errichten, nachdem er die Slawen zurückgedrängt hatte.
Sein Sohn Otto gründete dort später, im Jahr 948 das Bistum Havelberg, womit die erste urkundliche Erwähnung Havelbergs erfolgte.
Dieses Bistum gehörte zunächst zum Erzbistum Mainz, wurde aber 968 Suffraganbistum des Erzbistums Magdeburg.
Der Bau des Havelberger Doms wurde 1150 begonnen.
Sein Kern ist romanisch, auch wenn später nach einem Brand gotische Umbauten im 13. -14. Jahrhundert erfolgten.
Das auffälligste romanische Merkmal ist das bollwerkartige, weithin sichtbare Westwerk, ein schmuckloser westlicher Vorbau ohne Fensteröffnungen, aber mit Schießscharten.
Oberhalb von Havelberg liegt der Dom. Sein bollwerkartiges Westwerk zeigt, dass im Mittelalter Kirchen auch verteidigt werden mussten, da man am Rand der christianisierten Welt war und in heidnisches Gebiet vordrang.
In den christlichen Grenzgebieten waren Kirchen oft gleichzeitig Verteidigungsanlagen, wirken manchmal wie Burgen, haben Schutzmauern usw., um sie vor heidnischen Angriffen zu schützen. Der obere, andersfarbige, dunklere Teil des Westwerks mit dem Glockengeschoss wurde ab 1200 ergänzt.
Von innen ist die Kirche gotisch. Nach dem Brand waren nur die Außenmauern und die Pfeiler stehen geblieben, das Gewölbe mit den Kreuzrippen wurde beim Wiederaufbau ergänzt, Spitzbögen und Dienstbündel hinzugefügt.
Durch die Gotik, vor allem aber auch durch die Verwendung des Backsteins als Baumaterial ist der Bau der norddeutschen Backsteingotik zuzuordnen. Dieser Stil ist charakteristisch für sämtliche Kirchen und profane Bauten, Stadtbefestigungen und Stadttore im mittelalterlich christianisierten Nordosten Mitteleuropas, der sich fortsetzt über brandenburgische Zisterzienserklöster bis in Städte wie Thorn (Torun), Graudenz (Grudziadz) oder Festungen wie der Marienburg (Malbork), aber auch entlang der gesamten Ostseeküste angefangen von Wismar über Stralsund, Danzig, Königsberg (Kaliningrad) bis nach Estland. Impulsgeber für diesen einheitlichen Stil waren einerseits Fürstentümer und Bistümer, aber auch die Hanse, die ab dem 12. Jahrhhundert den Ostseeraum wirtschaftlich verband und vor allem an der Südküste kulturell starken Einfluss nahm. Eine landesinnere Südgrenze für die norddeutsche Backsteingotik ist schwer zu bestimmen. Durch die Flussläufe von Oder und Weichsel wurde der Stil weit ins Landesinnere getragen. Ansonsten gab es Backsteingotik auch in anderen Landstrichen Europas, vor allem in den Niederlanden und Flandern, dort allerdings in anderer Erscheinungsform als in der Ostseeregion.
Havelberg war ab dem hohen Mittelalter ebenfalls eine Hansestadt, von denen es insgesamt acht in der Altmark gab. Außer Havelberg zählen dazu noch Salzwedel, Stendal, Tangermünde, Werben, Seehausen, Osterburg und Gardelegen. (Willst du mehr über die Hanse erfahren? Klick hier.) Entsprechend haben alle diese Städte historische Bauten im Stil der Backsteingotik. Hier in der Altmark durchmischt sich der Stil mit der Romanik, jenem Baustil, den die sächsischen Kaiser bevorzugten.
Nach der Errichtung des Doms in Havelberg entstand unterhalb am Fluss die Stadt. Zunächst war sie auf einer Halbinsel in einer Havelschleife gelegen. Später hob man einen Graben aus, der die Halbinsel abtrennte und schuf somit eine leicht zu verteidigende Insel.
Havelberg von der Sandauer Brücke gesehen
Havelberg, Rathaus auf der Stadtinsel
Wenn man heute Havelberg besucht, ist die Stadtinsel schnell erkundet, es gibt nur wenige Straßen. Am interessantesten ist der Dom, den man sich keinesfalls entgehen lassen sollte. Idealerweise steigt man zu ihm auf über die Straße "Vor dem Steintor". Dort sieht man schon die gotische St. Annen-und-Gertraud-Kapelle aus Backstein. Rechts davon führt ein schöner, allmählich ansteigender Weg durch Grünanlagen zum Dom, von wo man eine gute Aussicht auf die Altstadt hat.
Havelberg vom Dom aus gesehen
Der bollwerkartige Glockenturm des Doms
Metropole der Altmark
Stendal
Von Havelberg ging meine Reise weiter nach Stendal auf der westlichen Elbseite. Um zurück zur Westseite zu kommen, gibt es diverse Möglichkeiten, z.B. die Gierseilfähren bei Sandau oder Arneburg oder Brücken bei Hämerten und Tangermünde.
Stendal ist die größte Stadt der Altmark. Albrecht der Bär, auf den später noch genauer eingegangen wird, gründete den Markt um 1160/65 und stattete die Stadt bald mit dem Magdeburger Recht aus, d.h. mit Stadtrecht, Zollfreiheit, Münzprägerecht und weiteren Privilegien. Der Markt mit Rathaus, Roland und Marienkirche zeigt den Reichtum der alten Hansestadt.
Der Roland von Stendal belegt, dass die Stadt bereits im Mittelalter eine eigene Gerichtsbarkeit hatte. Hinter dem Roland befindet sich die Gerichtslaube von circa 1378. Sie ist der älteste Teil des Rathauses. Besonders sehenswert ist der Ratssaal im Rathaus mit Wandschnitzereien von 1462.
Marienkirche in Stendal
Die Stadt- und Ratskirche St. Marien von 1447 hat weithin sichtbare, 82 Meter hohe Doppeltürme. Im Kircheninneren sind besonders die Chorschranke von 1230 mit dem Apostelzyklus und dem darüber stehenden Triumphkreuz aus dem 14. Jahrhundert hervorzuheben.
Das größte sakrale Bauwerk der Stadt ist der Dom St. Nikolaus. Begonnen hatte dort alles mit einem Kollegiatsstift, 1188 gegründet von Heinrich von Gardelegen und Markgraf Otto II. Die Stiftskirche wurde 1420 begonnen. Das Besondere am Dom ist ein Zyklus von 22 spätmittelalterlichen Glasmalereifenstern, die in ihrem Zusammenhang einmalig im norddeutschen Backsteingebiet sind. Seit beinahe sechshundert Jahren tauchen sie den Stendaler Dom in geheimnisvolles Licht. Der gesamte Chor ist von zwölf Fenstern umgeben, darüberhinaus befinden sich drei Fenster im nördlichen Querhaus vier Fenster im südliche Seitenschiff und drei weitere Fenster in einem Seitenschiff des südlichen Querhauses. Sie waren im Krieg ausgelagert gewesen und überstanden diese Zeit auf einem Gutshof in der Nähe von Stendal.
Der berühmteste Sohn Stendals
Johann Joachim Winckelmann
Im Folgenden ein kurzerer Exkurs ins 18. Jahrhundert. Wenn du kein Interesse an Winkelmann hast und beim Mittelalter bleiben willst, klick hier.
Der berühmteste Sohn Stendals ist Johann Joachim Winckelmann, über den es ein Winckelmann-Museum in der Winckelmannstraße gibt mit einer sehenswerten Dauerausstellung zu seinem Leben, seinem späteren Wirken in Italien und seiner Bedeutung für die Archäologie und Kunstgeschichte.
Johann Joachim Winckelmann wurde 1717 als Sohn eines armen Handwerkers in Stendal geboren, wurde aber bald nach der Grundschule in die Lateinschule aufgenommen, weil man seine Begabung erkannt hatte und ihn förderte. Nach einem Studium der Theologie in Halle, Besuchen von Vorlesungen zu Logik und Geschichte lebte er zunächst von Tätigkeiten als Hauslehrer und Bibliotheksverwalter, später studierte er noch Medizin in Jena, beendete aber dieses Studium nicht. 1748 zog er nach Dresden, wo er als Bibliothekar auf Schloss Nöthnitz im Dienst des Grafen von Bünau stand und dort erstmals Zugang zu den gelehrten Schriften über antike Kunst, Mythologie und Geschichte hatte. 1754 zog er ganz nach Dresden und wohnte bei dem Maler Adam Friedrich Weser, bei dem er zeichnen lernte. In der sächsischen Residenzstadt hatte er die Gelegenheit, in der Dresdner Gemäldegalerie die alten Meister, insbesondere Raffel zu studieren. Noch in Sachsen entstand 1755 das Erstlingswerk "Gedanken über die Nachahmung der Griechischen Wercke in der Mahlerey und Bildhauer-Kunst". Darin versteht er die klassische, antike Kunst als Gegenpol zur barocken höfischen Kunst. Seine Schrift wurde ins Französische übersetzt und europaweit bekannt.
Johann Joachim Winckelmann, Porträt von Anton von Marion 1768, Das Original hängt im Schlossmuseum Weimar
1755 reiste Winckelmann für zwei Jahre mithilfe eines Stipendiums nach Rom, wo er intensiv die Kunstwerke der Antike studierte. Aus den zwei Jahren wurden viele Jahre.
In Florenz studierte Winckelmann Sammlungen der Kunst der Etrusker und entwickelte 1764 sein Werk "Geschichte der Kunst des Alterthums".
Es umfasst die Kunst der Ägypter, Phöniker, Perser und Parther, Etrusker und Italiker sowie der Römer. Dabei erschuf er eine Systematik nach geographischen und zeitlichen Unterschieden sowie Stilperioden und beschrieb die formalen Charakteristika der jeweiligen Epochen treffend, womit er ein wichtiges Ordnungssystem schuf, das eine epochale Einordnung von Kunstwerken aufgrund der von ihm ermittelten Spezifika ermöglichte. In dieser Systematik hat jedes Kunstwerk seinen Platz. Er ist damit der Begründer der modernen Kunstgeschichte und der klassischen Archäologie.
Für Winckelmann war die Schönheit und Blüte der griechischen Kunst aus dem Geist der Demokratie und Freiheit des antiken Griechenlands entstanden.
Die Begeisterung für die griechische Kunst prägte die folgenden Generationen und führte zu einer an der griechischen Antike orientierten Kunst, die auch die Weimarer Klassik beeinflusste.
Sein Tod in Triest 1768 ist ebenso unglaublich wie sein Leben. Ein junger Mann, ein gewisser Archangeli, ging mit Winckelmann aufs Hotelzimmer, wo er ihn mit sieben Messerstichen ermordete. Laut Prozess war das Mordmotiv Habgier, aber viele vermuteten, dass es sich bei dem Italiener um einen jungen Mann handelte, der Liebesdienste für Geld anbot, mit dem Winckelmann seine viel zu oft ausschließlich in der Bewunderung des männlichen, nackten Körpers in der antiken Kunst sublimierte Homosexualität ausleben wollte.
Winckelmanns Grab befindet sich mit einem ihm zu Ehren errichteten Monument auf dem Friedhof der Kathedrale San Giusto in Triest.
Die Laokoongruppe, Gipsabdruck aus dem 19. Jahrhundert aus den Staatlichen Museen zu Berlin, Preußischer Kulturbesitz.
Das Original befindet sich heute in den Vatikanischen Museen. Es ist die römische Kopie, vermutlich 20 n. Chr. eines griechischen Originals.
Der sitzende Hermes, Bronzenachguss nach dem Original im Archäologischen Nationalmuseum Neapel aus dem 1. Jh. v. Chr.
Eine Zeit lang Brandenburgs Hauptstadt,
Tangermünde
Ganz nah bei Stendal, direkt an der Elbe liegt die hübsche Stadt Tangermünde. Sie ist kein wirklicher Geheimtipp mehr, denn die Stadt wird häufiger zu den schönsten Kleinstädten Deutschlands gezählt, so zum Beispiel von der Zeitschrift Travelbook im Jahr 2019, wo sie es sogar auf den ersten Platz schaffte. Von touristischer Überflutung kann aber keine Rede sein, dann außerhalb von Sachsen-Anhalt oder Ostdeutschland kennt man sie trotz ihrer Ehrungen nicht.
Die Stadt bietet ein geschlossenes historisches Stadtbild, nicht zu groß, aber groß genug, um ein ausgewogenes Maß von Flanieren und Einkehren zu bieten. Besonders schön ist ihre Lage oberhalb der Elbe, was gute Aussichten, aber auch einen sicheren Hochwasserschutz bietet. Vor allem vom Garten der ehemaligen kaiserlichen Burg kann man weit in die dünn besiedelte Altmark und auf die ruhig dahinfließende Elbe blicken. Die einzige Landmarke ist das Kloster Jerichow, dessen Kirchtürme circa sechs Kilometer entfernt in den Himmel ragen.
Blick von der kaiserlichen Burg über die Elbe
Tangermünde war eine Zeit lang so etwas wie die Hauptstadt Brandenburgs. Im 14. Jahrhundert zog Kaiser Karl IV. von Prag in die Burg, die 925 von den Askaniern errichtet worden war. Karl war König von Böhmen, hatte aber Interesse am gesamten Reichsterritorium östlich der Elbe. Dazu gehörte auch die Mark Brandenburg, die Teil des Reiches geworden war, nachdem Albrecht der Bär die dort lebenden Slawen unterworfen hatte. Dazu später mehr. Karl gelang es 1371, die Mark Brandenburg zu erwerben von dem Wittelsbacher-Brandenburgischen Markgrafen Otto, genannt "der Faule", der keine Nachkommenschaft hatte.
Eigentlich war bis dato die ehemalige Slawenburg 'Brandenburg' so etwas wie die Hauptstadt der Mark Brandenburg, aber Tangermünde war über die Elbe von Prag aus besser erreichbar.
Kaiser Karl IV. ließ die Burg in Tangermünde ausbauen und machte sie zu seinem Zweitwohnsitz, indem er dort mehrere Monate pro Jahr residierte. Ein Nachfolger Karls, Sigismund, hatte Ambitionen zum deutschen König gewählt zu werden. Um das zu erreichen, kaufte er sich die Stimme des Nürnberger Burggrafen Friedrich VI., indem er die Mark Brandenburg an ihn verschacherte. Die Nürnberger Burggrafen waren Hohenzollern und mit Friedrich VI. kamen sie in die Mark Brandenburg. Friedrich wurde Kurfürst und machte die von Karl ausgebaute Burg zu seiner Hauptresidenz. In dieser Zeit war Tangermünde tatsächlich so etwas wie die Hauptstadt Brandenburgs. Aber bereits sein Sohn Friedrich Eisenzahn begann den Bau einer Zweitresidenz im damals noch völlig unbedeutenden Berlin. Erst Friedrich Eisenzahns Neffe Albrecht Achilles verlegte die Hauptresidenz der Hohenzollern Ende des 15. Jahrhunderts nach Berlin, wo sie endgültig blieb.
Kaiser Karl IV. im Garten der ehemaligen Burg
Kaiser Karl IV. gilt als einer der einflussreichsten europäischen Herrscher des späten Mittelalters. In seine Zeit fällt die Verabschiedung der Goldenen Bulle 1346, eine Art Verfassung des Heiligen Römischen Reichs, in der die Wahl des deutschen Königs durch die sieben Kurfürsten geregelt wird. (Willst du mehr über die Goldene Bulle wissen? Klick hier.) Karl, der aus dem Hause Luxemburg stammte, baute die Stadt Prag zu so etwas wie der Hauptstadt des Heiligen Römischen Reichs aus. Auf ihn geht unter anderem der Bau der Karlsbrücke zurück, des Veitsdoms, der außerhalb von Prag liegenden Burg Karlštejn, in der die kaiserlichen Reichsinsignien untergebracht waren, die Gründung der Karlsuniversität usw. Seine Gebeine liegen heute im Veitsdom, er wird von den Tschechen wie ein Nationalheld verehrt.
Die Stadtmauer von Tangermünde
Oben in der Stadt gibt es zwei Hauptstraßen, die parallel zueinander verlaufen, die Lange Straße und die Kirchstraße. Beide ziehen sich durch die gesamte Altstadt von der mächtigen St. Stephanskirche bis zum Neustädter Tor, die jeweils einen Blickpunkt bilden. Ungefähr in der Mitte zwischen beiden Bauwerken liegt das Alte Rathaus, ebenfalls ein Blickpunkt mit seinem Ziergiebel mit den Windlöchern.
Das Alte Rathaus von Tangermünde
Die Lange Straße mit der Kirche St. Stephan
Die Lange Straße mit dem Neustädter Tor
Das Neustädter Tor
Kloster Jerichow
Der Magdeburger Domherr Hartwig von Stade gründete 1144 in Jerichow ein Chorherrenstift. Die Stiftsherren waren Prämonstratenser des erst 25 Jahre zuvor durch Norbert von Xanten im französischen Prémontré gegründeten Reformordens. Norbert von Xanten wurde später Bischof von Magdeburg, wodurch sein Orden eine Schlüsselrolle bei der Missionierung der Wenden einnahm.
Übrigens war Jerichow früher ein wendisches Fischerdorf und die Elbe floss vor fast tausend Jahren an den Klostermauern entlang. Erst im Laufe der Zeit verschob sich ihr Lauf einen Kilometer westwärts.
Das Erbe Ottos des Großen:
Der Magdeburger Dom
Von Jerichow ging meine Fahrt weiter zum Magdeburger Dom.
Der Vorgängerbau des Doms war die Kirche des Mauritiuskoster, das 937 von Otto dem Großen gegründet worden war. Es sollte die Grabstätte für seine Familie werden.
946 wurde seine Frau Egditha, eine Prinzessin des Königreichs Wessex, dort beigesetzt.
Ab 955 wurde die Kirche zu einem größeren ottonischen Bau erweitert, in den Otto römisch-imperiale Architekturelemente wie Spolien einbauen ließ, um seinen imperialen Anspruch in der Nachfolge der römischen Kaiser zu unterstreichen.
968 wurde Magdeburg auf dem Reichstag zu Ravenna zum Erzbistum erhoben und der Dom damit zur Kathedrale.
1207 brannte der romanische Dom am Karfreitag, dem 20. April ab. Der damalige Erzbischof Albrecht der II. von Käfernburg ließ daraufhin einen Neubau im gotischen Stil errichten. Geweiht wurde die Kirche erst circa 150 Jahre später. Die 101 Meter hohen Westtürme wurden im Jahr 1520 fertiggestellt. Der Dom gilt als erste von Anfang an als gotischer Bau konzipierte Kathedale Deutschlands und ist heute Weltkulturerbe.
Der Magdeburger Dom, hier in der Ansicht von der Elbuferpromenade,
Missionsausgangspunkt und Sicherung der ehemals östlichen Außengrenze des ostfränkischen Reichs. Mit seiner Lage direkt am Fluss ist er zugleich Landmarke, die vor ca. tausend Jahren das Heraufziehen des Christentums in Richtung Osten ankündigte. Zur Zeit Ottos des Großen sah er allerdings noch ganz anders aus. Der heutige gotische Dom ist die dritte Version.
Der Chorumgang des Magdeburger Doms. Er weist gen Osten, da das Heiligste einer Kirche im Mittelalter immer nach Osten, zum Heiligen Land ausgerichtet wurde.
Im Inneren der Kirche befindet sich hinter diesem Lettner, der das Langhaus vom Chor abtrennt, der Sarkophag mit den Gebeinen von Otto dem Großen.
Ottos historische Bedeutung liegt in seinem nicht nur für deutsche, sondern für europäische Verhältnisse bedeutenden Sieg über die Ungarn im Jahr 955 auf dem Lechfeld bei Augsburg. Die Ungarn waren in den 60 vorangegangenen Jahren ständig in das ostfränkische Reich und andere Teile Europas eingefallen, bis es zu der bedeutenden Schlacht kam, vor der Otto gelobte, dass er ein Kloster zu Ehren des heiligen Laurentius in Merseburg gründen werde, wenn er den Sieg davontrage. Die germanischen Stämme errangen unter Otto diesen entscheidenden, historischen Sieg über die Ungarn, wodurch das Reich endgültig vor deren ständigen Einfällen geschützt war.
Otto wurde durch diesen Sieg zu einem der wichtigsten Herrscher seiner Zeit. Er errang zudem durch einen weiteren Sieg über die Slawen den Nimbus des Retters der Christenheit.
Unter seiner Regentschaft begann die Epoche der Ottonik, eine beeindruckende Blüte in Architektur, Buch- und Goldschmiedekunst, in die antike, byzantinische und karolingische Elemente einflossen.
An den Machtanspruch Karls des Großen knüpfte er an, indem er sich 962 wie sein fränkischer Vorgänger zum Kaiser durch den Papst krönen ließ. Damit gilt Otto als der erste Herrscher des Heiligen Römischen Reiches, einem Staatsgebilde, in dem das ostfränkische Königtum mit der antik-römischen Kaiserwürde verbunden wurde. Der Kaiser wurde damit zum Schutzherrn der Kirche und des ganzen Christentums.
Oft wird Karl der Große als erster deutscher Kaiser angesehen, aber er war Kaiser der Franken, eines Territoriums, das Teile des heutigen Frankreichs, Deutschlands, Belgiens, der Niederlande, der Schweiz usw. umfasste. Deshalb sehen ihn auch die Franzosen als ihren Herrscher. Aber auch diese französische Wunschvorstellung ist falsch. Karl war weder Deutscher, noch Franzose, sondern, wie gesagt, Franke.
Otto knüpfte an Karl an, indem er das Ritual der Krönung durch den Papst zum Kaiser durch Gottes Gnaden wieder aufnahm. Der Papst als Nachfolger des höchsten römischen Priesters, des Pontifex Maximus, war legitimiert den römischen Kaisertitel zu verleihen.
Der Chor mit dem Sarkophag Kaiser Ottos I. im Magdeburger Dom.
Otto ließ römische Säulen und Spolien nach Magdeburg bringen und in den ersten ottonischen Dom einbauen, um seinen römisch-imperialen Anspruch zu unterstreichen. Auf dem Foto oben sieht man an der Wand des Chorumgangs im gotischen Nachfolgedom vier verschiedenfarbige antike Säulen, die Spolien, die Otto bereits in den ottonischen Vorgängerbau einbauen ließ.
Übrigens hatte Karl der Große in seinem Aachener Dom ebenfalls römische Säulen einbauen lassen - auch als imperiale Machtdemonstration. (Willst du mehr über den Aachener Dom erfahren? Klick hier.)
Nachdem Otto 973 in der Pfalz Memleben verstorben war, wurde er, seinem Wunsch entsprechend im Magdeburger Dom beigesetzt. Sein Herz blieb jedoch im Kloster in Memleben. (Willst du mehr über Memleben erfahren? Auf der Seite An Saale und Unstrut erfährst du mehr. Oder klick hier.)
Beginn der Brandenburgischen Geschichte:
Albrecht der Bär
Otto I., hatte 946 auf östlicher Seite der Elbe das Bistum Havelberg sowie das Bistum Brandenburg gegründet. Brandenburg war davor eine slawische Burg. Heute ist es die Stadt Brandenburg an der Havel.
Der Versuch der Christianisierung und Eroberung slawischer Gebiete scheiterte zunächst, da die Slawen die Gebiete zurückeroberten. Erst circa 150 Jahre später erbte Albrecht der Bär aus dem Hause der Askanier (heute eher bekannt als Haus Anhalt) die Brandenburg von dem mittlerweile getauften Pribislav Heinrich, dem kinderlosen Slawenfürsten der Heveller. Für andere Slawenherrscher war es ein Affront, dass ihre wichtigste Festung an einen sächsischen Fürsten "verschenkt" worden war. Diese Erbschaft wollten sie nicht akzeptieren und eroberten die Burg zurück mit einem letzten großen Sieg der Slawen in der Schlacht um die Brandenburg im Jahr 1157. Danach belagerte Albrecht der Bär die Burg mit seinen Truppen, bis er sie endgültig einnehmen konnte. Er wurde damit zum Begründer der Mark Brandenburg und zu ihrem ersten Markgrafen von 1157-1170. Seit diesem Sieg ist die Mark Brandenburg ein Teil des Heiligen Römischen Reichs. Albrecht der Bär gilt als erster Regent der brandenburgischen Geschichte.
Er ist auch der Begründer des Hauses der Askanier, also des Hauses Anhalt.
Eine Residenz der Anhaltiner, Schloss Ballenstedt, liegt oberhalb des Ortes Ballenstedt im Nordosten des Harzes. Der Exkurs in diesen Ort lohnt sich, da Albrecht der Bär auch die größte Stadt der Altmark, Stendal, gegründet hatte und darüberhinaus mit der Christianisierung der ostelbischen, slawischen Gebiete verbunden ist.
Ballenstedt wirbt heute damit, die Wiege Anhalts zu sein und stellt Albrecht den Bären als zentrale Figur der mittelalterlichen, anhaltinischen
Geschichte dar. 2019 feierte man den 850. Todestag und leitete damit das "Festjahr 850 Jahre Albrecht der Bär, Ballenstedt" ein.
Zum Festjahr wurde eine für diesen Anlass gefertigte Skulptur von ihm auf dem Schlosshof enthüllt. Sie hat ein ungewöhnlich zeitgemäßes Gesicht und tatsächlich ist es das Antlitz des heutigen Ur-Nachfahren der Dynastie, Eduard Prinz von Anhalt.
Albrechts Grablege befindet sich in der Gruft in der Krypta der Schlosskirche, wo er neben seiner Frau Sophie liegt.
Das Unterfangen, Albrecht zur zentralen Figur Ballenstedts zu machen, war nicht unbrisant, denn auch die Nationalsozialisten heroisierten Albrecht den Bären. Er trieb die Ostkolonisierung voran und schuf damit aus nationalsozialistischer Perspektive neuen "Lebensraum im Osten" außerhalb deutscher Grenzen. Die nationalsozialistische Heroisierung drückte sich aus in der Gestaltung des Grabes in der Krypta. Eine kupferne Grabplatte, die von dem Architekten und NSDAP-Mitglied Paul Schultze-Naumburg entworfen wurde, zierte die Grablege.
Die Grabplatte für das Grab Albrechts des Bären, angefertigt von Paul Schultze-Naumburg
Paul Schultze-Naumburg war eine ambivalente Persönlichkeit, einerseits ist er der Begründer der Denkmalpflege, deren Ziel die Pflege der regionalen Bezüge, Stile und Baustoffe etc. ist, darüberhinaus verwirklichte er einige bedeutende Bauwerke, u.a. Schloss Cecilienhof in Potsdam für Friedrich Wilhelm II., Schloss Freudenberg bei Wiesbaden und etliche mehr, er war Mitglied im Deutschen Werkbund, einer Vereinigung bedeutender Architekten und Gestalter, zu der etliche namhafte, berühmte Architekten zählten, die ein Bewusstsein in der Bevölkerung (heute würde man sagen "beim Konsumenten") für qualitativ hochwertige Gestaltung anstrebten.
Andererseits wandte sich Schultze-Naumburg gegen die moderne Kunst und verglich Bilder von Expressionisten mit Fotos geistig behinderter Menschen. Er war einer derjenigen, die die Initiative zur Ausstellung "Entartete Kunst" anstießen.
Wie wollte die Stadt Ballenstedt den Spagat schaffen, einerseits Albrecht den Bären als zentrale Figur zu feiern, andererseits die nationalsozialistische Vereinnahmung seiner Person abzuschütteln? Wäre die Aufstellung einer neuen Skulptur des Wegbereiters in den Osten nicht ein Signal, das falsch interpretiert werden könnte?
Die 2019 enthüllte Skulptur Albrechts im Schlosshof steht nicht auf einem Sockel, sondern daneben, obwohl ein ebenfalls neu gestalteter Sockel aufgestellt wurde. Auf diese Weise wurde die Heldenverehrung Albrechts symbolisch vom Sockel geholt. Die Stadt Ballenstedt will durch die Skulptur Albrecht neu betonen, ihn also herausstellen, holt ihn aber dafür vom Sockel, um nicht fehlinterpretiert zu werden. Ob das die meisten Schlossbesucher ohne ausführliche Erläuterung verstehen?
Die Grabplatte von Paul Schultze-Naumburg wurde bei der Neukonzipierung der Krypta vor wenigen Jahren entfernt und statt dessen durch eine Platte mit einem goldenen, übergroßen Fingerabdruck ersetzt, der dafür stehen soll, dass Albrecht der Bär in dem Gebiet zwischen Elbe und Oder quasi seinen Fingerabdruck hinterlassen hat.
Ehrenhof des Ballenstedter Schlosses
Das heutige Schloss war ursprünglich ein Kollegiatsstift, das 1123 in ein Benediktinerkloster umgewandelt wurde. Das Kloster wurde aufgelöst und als man 1748 einen barocken Schlossneubau gestaltete, wurde die Kirche darin integriert. Man kann sie noch heute gut erkennen, es ist der rechte Schlossflügel, wenn man im Ehrenhof steht. Die Apsis ist deutlich sichtbar und die Türme des ehemaligen Westwerks ragen noch über die Dächer des rechten Schlossflügels empor. Das Schloss diente als Sommerresidenz und Jagdschloss der Askanier.
Der rechte Flügel von Schloss Ballenstedt vom Schlossgarten aus gesehen. Deutlich erkennt man das Westwerk, gemauert aus Naturstein, das eindeutig an eine Kirche im Brandenburgischen erinnert. Das Kirchenschiff (der gelbe Bau) wurde zu einem barocken Schlossflügel umgebaut.
Die Askanier haben ein Schlosstheater in ihrer Residenz. Seit der Renaissance inszenierten sich die meisten weltlichen Herrscher als Kulturmäzene. Wie weit sie jeweils mit ihren Ambitionen kamen, hing von ihrem Geldbeutel ab.
Oben am Schloss befindet sich links, wenn man den Schlossberg hinaufgeht, das kleine Schlosstheater, einer der wenigen erhaltenen Theaterbauten des 18. Jahrhunderts im Frühklassizismus von 1788. Albert Lortzing dirigierte hier die Uraufführung seiner romantischen Märchenoper "Undine" im Jahr 1846.
Ein Museum gibt es auch, es geht aber nicht auf eine besondere Sammelleidenschaft der Anhaltiner zurück. Vielleicht fehlte ihnen das Geld für solch kostspielige Statussymbole wie eine Gemäldegalerie. Das Museum wurde erst 1980 eingerichtet und ist nach dem Hofmaler von Schloss Ballenstedt, Wilhelm von Kegeln, benannt.
Das barocke Gebäude, in dem sich heute das Museum befindet, wurde ursprünglich nicht als Museumsbau, sondern als Wohnhaus konzipiert. Es ist das letzte Haus am oberen Ende der barocken Prachtallee, die vom Ort zum Schloss hinaufführt.
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