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Worpswede

Worpswede 

Künstlerdorf im Teufelsmoor

Otto Modersohn, Herbstmorgen am Moorkanal, 1895

"Worpswede ist ein flaches Land mit Birkenalleen, alten Bauernhäusern, Rosenbüschen und Vogelbeerbäumen. Der Boden teilt sich zwischen roter Erikaheide, die wunderbar duftet, und dem seltsamen von Kanälen durchschnittenen Moorland. Worpswede ist berühmt durch die Klarheit und die Farbigkeit seiner Luftstimmungen und durch die Pracht seiner Wolken",

so schrieb es seinerzeit Rainer Maria Rilke, der auf Einladung Heinrich Voglers nach Worpswede kam und dort von 1900 bis 1902 blieb.

Die Künstler der ersten Generation

Der Mythos begann 1889, als der Maler Fritz Mackensen das Moordorf entdeckte und seine Freunde Otto Modersohn und Hans am Ende einlud, die dort ähnliche Eindrücke wie Rilke hatten. Sie waren begeistert und blieben den gesamten Herbst des Jahres und gleich noch den Winter dazu in der melancholischen Landschaft der norddeutschen Tiefebene.

 

Das war die Geburtsstunde der Künstlergruppe. Modersohn, Mackensen und Hans am Ende waren die Gründerväter, Fritz Overbeck und Heinrich Vogeler folgten 1892. Die Landschaft und der Ort hatten eine stark inspirierende Wirkung auf die Künstler, das braune, torfige Moor, die blauen Himmel, die weißen Birkenstämme, die einfachen Bauernhäuser oder die Moorkanäle wurden die Motive vor allem von Otto Modersohn und Hans am Ende. 

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Angetrieben von einer Art Kulturkritik, verließen die jungen Künstler die Akademie in Düsseldorf und suchten in der abgelegenen Stille des Teufelsmoors das unverfälschte Leben. In ihrer Sehnsucht steckte viel von dem, was auch Millet, van Gogh die Künstler im französischen Barbizon oder Pont Aven umtrieb. Die Suche nach der Antwort auf die Frage, was das eigentliche Mensch-Sein ausmacht - die Arbeit, die Nahrung, das Land, die Natur. Die Suche nach anderen Wegen abseits der akademischen Lehre. In Worpswede wie auch in Barbizon bekam das Leben der gottesfürchtigen Bauern eine monumentale Form, die als Gegenmodell zum Internationalismus der Großstadt und des industriellen Kapitalismus gesehen wurde. Dabei entstanden fast zwangsläufig Idealisierungen und Betroffenheiten, im Fall von Worpswede auch die Suche nach dem ursprünglichen Leben, das man als vorindustrielle Lebensweise betrachtete.

Otto Modersohn

Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten. Mit der Ausstellung im Münchner Glaspalast im Jahr 1895 wurden die unbekannten Künstler mit einem Schlag berühmt, vor allem Fritz Mackensen, der für sein Gemälde "Gottesdienst im Freien" die Große Goldene Medaille erhielt.

Ausschnitt aus Gottesdienst im Freien Von Fritz Mackensen, 1895

Ausschnitt aus dem Gemälde "Gottesdienst im Freien von Fritz Mackensen

Das Gemälde "Gottesdienst im Freien" gehört heute zum Bestand des "Historischen Museums" Hannover. Mit seinen großen Maßen von 264 cm x 406 cm wird es dort aus Platzgründen nicht ausgestellt. In Worpswede kann man eine Kopie auf Werbebannerfolie an der Außenwand der Kirche finden. Der Ausschnitt oben zeigt die Frauen des Dorfes in ihrer Tracht, die in sich gekehrt, dem Gottesdienst folgen. Die fromme Stimmung und das entbehrungsreiche Leben im Moor sprechen aus diesem Bild. 

Die Größe des Gemäldes tut ihr übriges. Mackensen malte die Menschen und ihr einfaches Leben oft großformatig.

Auch sein Bild "Die Scholle" - es hängt im großen Saal des Museums am Modersohn-Haus - entspricht in seinem riesigen Format eher der Historienmalerei. Das Motiv und die Komposition sind aber denkbar schlicht: Dargestellt sind zwei Frauen und ein Mann bei der Arbeit auf dem Feld. Die Frauen tragen gestärkte Hauben, ihre Gesichter erkennt man darunter nicht und mit klobigen, schweren Holzschuhen ziehen sie eine Egge über den Acker, die von einem, ebenfalls Holzschuhe tragenden Bauern geführt wird. Darüber der wolkenreiche Himmel im Abendrot.

Monumentalität und Schlichtheit kommen hier zusammen - ein Sinnbild für die Würdigung der harten Arbeit und des entbehrungsreichen Lebens.

Der Barkenhoff von Heinrich Vogeler

Der Barkenhoff von Heinrich Vogeler

Barkenhoff, Heinrich Vogeler

1895 kaufte Heinrich Vogeler den Barkenhoff vom Erbe seiner Eltern und gestaltete diesen Hof zu einem Gesamtkunstwerk.

Das Gebäude wurde zu einem Zentrum der Künstlerkolonie, in dem sich regelmäßig die Worpsweder Künstler trafen. Viele, die nicht zur ansässigen Künstlergemeinschaft gehörten, kamen als Gäste, unter anderem Otto Julius Bierbaum, Richard Dehmel, Gerhart Hauptmann, Max Reinhard und viele mehr. 

Vogelers Gemälde "Sommerabend auf dem Barkenhoff", das man in Worpswede in der Großen Kunstschau betrachten kann, zeigt einige der Worpsweder Künstler, die sich vor dem Haus treffen. Das Gemälde wirkt mit seinem Jugendstil in kühlen Farben ein bisschen skandinavisch.

Es wird oft gedeutet, dass die Beziehungslosigkeit der Figuren auf dem Bild als Zeichen der Brüchigkeit der Künstlerkolonie gesehen werden kann, die später tatsächlich eintrat.

In der Mitte am Tor steht Matha Vogeler, die Frau von Heinrich Vogeler.

Sommerabend auf dem Barkenhoff", Gemälde von Heinrich Vogeler, 1905

"Sommerabend auf dem Barkenhoff", Gemälde von Heinrich Vogeler, 1905 

Quelle: https://www.kettererkunst.de/kunst/kd/details.php?obnr=411100319&anummer=379

Vogeler arbeitete als Grafiker für die Zeitschrift Insel, aus der später der Insel-Verlag hervorging. Er illustrierte Texte von Rilke, Oscar Wilde, Jacobsen, Dante Ferguson, Huch, de Musset.

Doppeltitel zu Hugo von Hofmannsthal: Der Kaiser und die Hexe. Berlin, Schuster & Löffler 1900.

Doppeltitel zu Hugo von Hofmannsthal: Der Kaiser und die Hexe. von Heinrich Vogeler

https://www.kettererkunst.de/kunst/kd/details.php?obnr=411100319&anummer=379

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Heinrich Vogeler: Illustrationen zu den Märchen von Oscar Wilde

Außerdem entwarf er Innen- und Außenarchitekturen, Besteck, Geschirr, Möbel und gründete mit seinem Bruder eine Möbelfabrik in Tarmstedt. Den ungewöhnlichsten Auftrag erhielt er mit der Gestaltung der Güldenkammer in der Oberen Halle des Bremer Rathauses, die er als komplettes Jugendstilinterieuer ausführte.

Güldenkammer von Heinrich Vogeler, Oberer Saal, Altes Rathaus, Bremen

Die Güldenkammer in der Oberen Halle des Bremer Rathauses

Tapete der Güldenkammer von Heinrich Vogeler, Oberer Saal, Altes Rathaus, Bremen

Detail der Jugendstiltapete in der Güldenkammer, die einer barocken Ledertapete ähnelt.

Vogeler gestaltete ein Rosenservice für Toilettentische junger Frauen, ein Meisterwerk aus Porzellan, das von der Manufaktur in Meißen ausgeführt wurde, er entwarf als Architekt den Bau der Worpsweder Post sowie den Bahnhof in Worpswede, Osterholz und Weyermoor.

Er war ein Unternehmertyp, der viele große Projekte erfolgreich ausführte. 

Er pflanzte auf dem Grund seines Hauses einen kleinen Birkenhain, nach dem er seinen Hof benannte, Birkenhof, auf plattdeutsch Barkenhoff. Die Birke - das wiederkehrende Motiv in den Bildern der Worpsweder Künstler, der prägende Baum der Moorlandschaft, die schlanken, weißen Stämme mit ihrer ätherischen Wirkung, die helle Rinde mit den schwarzen Linien und die lichte Blätterkrone - kaum ein Baum ist mehr als Motiv für den Jugendstil geeignet als die Birke. Sie ist auch der Baum kalter, karger, nördlicher Gegenden und Russlands, wohin es Vogeler zog, der sich später dem Kommunismus zuwandte.

Aus dem ersten Weltkrieg kehrte er als Pazifist und Revolutionär zurück.

Der Barkenhoff wurde zu einem Experimentierfeld für eine neue Gesellschaft, eine Kommune, eine Arbeitsschule mit Selbstversorgung. 1931 emigrierte Vogeler in die Sowjetunion, wo er schließlich nach dem Einmarsch deutscher Truppen mit Kriegsbeginn nach Kasachstan zwangsdeportiert wurde. Die Wehrmacht hatte ihn auf der Exekutionsliste und fahndete nach ihm. In Kasachstan starb Vogeler an einer Blasenerkrankung und Erschöpfung. Sein Grab ist bis heute unbekannt.

Das Haus im Schluh

Das Haus im Schluh von Martha Vogeler, Worpswede

Martha Vogeler hatte sich von Heinrich Vogeler getrennt und verließ den Barkenhoff mit ihren gemeinsamen drei Töchtern. Sie zog in das Haus am Schluh, eine alte Moorkate, die sie mit Vogelers finanzieller Unterstützung aus dem Dorf Lüningsee nach Worpswede versetzen und dort wieder aufbauen ließ. Vogeler überließ ihr viele Möbel, mit denen sie ihr Haus einrichtete.

Das Haus im Schluh von Martha Vogeler, Worpswede
Das Haus im Schluh von Martha Vogeler, Worpswede
Das Haus im Schluh von Martha Vogeler, Worpswede

Paula Modersohn-Becker, die 1897 nach Worpswede kam, malte oft Stillleben und Menschen. In ihren Bildern bekommen die selbstverständlichen Gegenstände des einfachen Lebens ebenfalls wie bei Fritz Mackensen eine stille, poetische Monumentalität. Ein irdener Topf, eine Milchsatte, eine Vase mit Blumen oder eine Schale mit Obst spiegeln auch in ihren Bildern Respekt vor dem Leben der Moorbauern wider und strahlen Wärme und Geborgenheit aus.

Modersohn-Haus, Worpswede
Modersohn-Haus, Worpswede
Paula Modersohn-Becker: Winterlandschaft mit schlittenfahrenden Kindern, 1903
In der Worpsweder Kirche
Malerei von Paula Modersohn-Becker in der Worpsweder Kirche
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